L 3 R 147/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 Rn 5954/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 147/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2009 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides, mit dem die Beklagte die der Klägerin gewährte Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann wegen einer Erhöhung der Geschiedenen-Witwenrente neu berechnet hat.

Die Klägerin bezieht von der Beklagten – nach Wiederaufleben – seit 1970 eine Witwenrente nach dem am 01. April 1951 verstorbenen vorletzten Ehegatten H H. Des Weiteren bezieht sie von der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover seit April 1999 eine große Geschiedenen-Witwenrente nach ihrem zweiten Ehemann, E W. Die Beklagte hatte daraufhin die von ihr gewährte Witwenrente neu berechnet.

Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover die Geschiedenen-Witwenrente für die Zeit ab dem 01. Oktober 2003 wegen des Todes der Witwe des Versicherten neu berechnet hatte, hob die Beklagte nach Anhörung der Klägerin gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur beabsichtigten Neuberechnung der Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann mit Bescheid vom 03. Juni 2005 den Bescheid vom 27. August 1970 über die Leistung der großen Witwenrente hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise gemäß § 48 Abs. 1 SGB X auf. Der Rentenzahlbetrag betrage ab dem 01. Oktober 2003 monatlich 21,35 Euro. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse bestehe darin, dass die bisherige große Witwenrente an Geschiedene ab dem 01. Oktober 2003 neu berechnet worden sei. Für die Zeit vom 01. Oktober 2003 bis zum 31. März 2005 sei eine Überzahlung in Höhe von 7.367,52 Euro eingetreten. Für die Monate Oktober 2003 bis Dezember 2004 sei die einbehaltene Nachzahlung verrechnet worden, insoweit sei eine Tilgung der Überzahlung in Höhe von 6.141,60 Euro erfolgt. Für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2005 sei eine Restüberzahlung in Höhe von 1.225,92 Euro offen. Die Klägerin sei zur Erstattung dieses Betrages gemäß § 50 SGB X verpflichtet.

Mit ihrem Widerspruch wies die Klägerin daraufhin, dass ihre Miete 530,00 Euro betrage, ihr blieben 320,00 Euro zum Leben. Sie bitte darum, dass nur 40 % auf die Rente von 782,00 Euro angerechnet würden.

Mit ihrer nach Anmahnung eines Widerspruchsbescheides bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie durch die Anrechnung ihre Lebenshaltungskosten nicht bestreiten könne. Ihr schweres Schicksal werde dabei nicht berücksichtigt. Es sei nicht einzusehen, dass das Geld, welches sie als geschiedene Witwe erhalte, der Beklagten zu Gute komme. Es sei tatsächlich sogar eine Rentenminderung eingetreten.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte am 31. Mai 2006 einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid erlassen und ausgeführt, dass auf eine Rente nach dem vorletzten Ehegatten sämtliche Ansprüche auf Witwenrenten anzurechnen seien (§ 90 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Die Anrechnung erfolge ohne die Berücksichtigung eines Ruhens infolge der Einkommensanrechnung (entsprechend § 97 SGB VI), da sonst die auf die Rente nach § 46 Abs. 3 SGB VI vorzunehmende Einkommensanrechnung wieder aufgehoben würde.

Mit Urteil vom 15. Dezember 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Aufhebung des Rentenbescheides vom 27. August 1970 durch die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei rechtmäßig gewesen. Nach Erlass des letzten Witwenrentenbescheides vom 08. Februar 2000 sei eine Änderung der Verhältnisse dadurch eingetreten, dass die Klägerin eine höhere Geschiedenen-Witwenrente nach dem Tod der Witwe ihres zweiten Ehemannes ab dem 01. Oktober 2003 erhalten habe. Hierbei handele es sich um Einkommen im Sinne des § 48 SGB X, denn die Rente sei gemäß § 90 SGB VI auf die von der Beklagten gewährte Rente anzurechnen. Die Beklagte habe dementsprechend zutreffend die Rente ab Oktober 2003 neu berechnet. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen für einen Zeitraum anzurechnen sei, gelte der Beginn des Anrechnungszeitraumes (Oktober 2003). Der Aufhebung- und Erstattungsbescheid sei auch der Höhe nach zutreffend. Von der Bruttorente in Höhe von 850,16 Euro sei die von der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover laufend gewährte Bruttorente von 826,99 Euro abzuziehen, so dass ein Bruttobetrag von 23,17 Euro verbleibe. Ein atypischer Fall, der für die Aufhebung des letzten Rentenbescheides für die Vergangenheit eine Ermessensentscheidung der Beklagten erfordert hätte, liege nicht vor. Insbesondere sei der Klägerin bereits aus der Vergangenheit bekannt, dass die Höhe der Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten von der Höhe der Geschiedenen-Witwenrente abhänge. Des Weiteren seien ihr durch die Verrechnung mit der Zahlung der Geschiedenen-Witwenrente keine finanziellen Nachteile entstanden, da sie zwischenzeitlich nicht über höhere Beträge habe verfügen können. Es liege also kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin vor, besondere abweichende Umstände vom Regelfall einer rückwirkenden Aufhebung seien danach nicht ersichtlich.

Gegen das ausweislich der Zustellungsurkunde der Deutschen Post ihr am 14. Januar 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Februar 2010 beim SG eingegangene Berufung der Klägerin, mit der diese an ihrem Begehren festhält und unter Vorlage einer Übersicht über die ihr seit dem 25. Oktober 2004 nach Anrechnung ausgezahlten Renten ergänzend vorträgt, dass ihre Rente nunmehr sogar um 7,70 Euro monatlich niedriger sei als am 25. Oktober 2004. Die Berufungsschrift enthält den Hinweis: "Wegen dem Schnee kommt der Brief etwas später".

Die Vorsitzende des Senats hat die Klägerin mit Schreiben vom 15. März 2010 darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet sei und nach derzeitigem Stand als unzulässig verworfen werden müsste. Des Weiteren ist die Klägerin über die Voraussetzungen, Wiedereinsetzung in der vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu erlangen (§ 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) belehrt worden. Die Klägerin hat daraufhin mit am 21. April 2010 beim SG eingegangen Schreiben vom 10. April 2010 darauf verwiesen, dass sie infolge des Schnees und wegen ihrer kranken Beine die Berufung nicht rechtzeitig habe auf den Weg bringen können. Für ein ärztliches Attest habe sie kein Geld.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

ihr Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2006 aufzuheben.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht fristgerecht erhoben wurde und ausreichende Gründe für eine Wiedereinsetzung in die abgelaufene Berufungsfrist nicht vorliegen (§ 158 Satz 1 SGG).

Der Senat kann die nicht fristgerecht eingelegte Berufung gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verwerfen. Einer besonderen Anhörungsmitteilung bedarf es hierzu nicht. Nach den Grundsätzen über die Gewährung rechtlichen Gehörs genügt der – hier mit Schreiben vom 15. März 2010 erfolgte – Hinweis an die Berufungsklägerin, aus welchen Gründen die Berufung unzulässig sein dürfte. Die Klägerin hatte auch die Möglichkeit der Stellungnahme, die sie mit ihrem Schreiben vom 10. April 2010, eingegangen am 21. April 2010, genutzt hat.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gemäß § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Gemäß § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Berufungsfrist nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über das mögliche Rechtsmittel, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, seinen Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Die Berufungsfrist beginnt mit dem Tag der ordnungsgemäßen Zustellung der Ausfertigung des Urteils an den Berufungskläger oder dessen Bevollmächtigten (§ 64 Abs. 1 SGG). Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf des entsprechenden Tages des nächsten Monats. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Hiernach ist festzustellen, dass der Klägerin die Ausfertigung des Urteils gemäß der Zustellungsurkunde der Deutschen Post am 14. Januar 2010 ordnungsgemäß zugestellt wurde. Die Berufungsfrist endete am Montag, dem 15. Februar 2010, da das Ende der Frist auf einen Sonntag (14. Februar 2010) fiel. Die Berufung der Klägerin ist jedoch erst am 16. Februar 2010 bei dem SG eingegangen und damit verspätet. In der dem Urteil beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung ist die Klägerin auch zutreffend darauf hingewiesen worden, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg oder beim Sozialgericht Berlin einzulegen ist.

Ein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 67 SGG) liegt nicht vor. Die Klägerin trägt hierzu vor, sie sei infolge der Wetterlage an einer "Brieferledigung" gehindert gewesen. Es liegt hier also nicht der Fall einer dem Absender nicht anzulastenden Verzögerung auf dem Postlaufweg vor. Vielmehr lag die Ursache der Verspätung im Verantwortungsbereich der Klägerin und dies war ihr auch bewusst, wie ihr bereits in der Berufungsschrift angebrachter Hinweis, der Brief komme "wegen dem Schnee etwas später" zeigt. Die ungünstige Wetterlage stellt indes keinen das Verschulden ausschließenden Grund dar. Die Klägerin war nicht etwa wegen eines am letzten Tag der Frist plötzlich einsetzenden Unwetters an der rechtzeitigen Briefaufgabe gehindert. Vielmehr bestanden die durch Schnee und Eis bedingten schwierigen Wegeverhältnisse bereits seit Anfang des Jahres, so dass die Klägerin genügend Zeit hatte, sich auf die Verhältnisse einzustellen und Vorsorge für eine rechtzeitige Aufgabe ihrer Berufungsschrift zu treffen, zumal die Berufungsschrift ausweislich des Datums 07. Februar 2010 bereits eine Woche vor Ablauf der Berufungsfrist gefertigt worden war. Falls die 83jährige Klägerin wegen der schlechten Wegeverhältnisse den Gang zum nächsten Briefkasten nicht riskieren wollte, was verständlich ist, hätte sie die Briefaufgabe auch durch eine andere, zuverlässige Person besorgen lassen können. Dass ihr solch eine Person nicht zur Verfügung stand, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden. Es wäre auf Grund der Umstände auch nicht nachvollziehbar. Sollte die Klägerin wegen der wochenlang andauernden Schnee- und Eisglätte auf den Berliner Straßen und Gehwegen die Wohnung tatsächlich nicht verlassen haben, hätte sie ja auch eine andere Person mit dem Kauf der notwendigen Lebensmittel und Medikamente beauftragen müssen.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sieht.

Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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