L 1 KR 37/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 85 KR 2587/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 37/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Gewährung von Krankengeld im Zeitraum 1. Juli 2006 bis zum 26. Juli 2006.

Der 1958 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 2005 versicherungspflichtig beschäftigt. Am 21. Dezember 2005 erkrankte er und wurde arbeitsunfähig. Er erhielt seit dem 1. Januar 2006 von der Beklagten ausweislich deren Bescheids vom 11. Mai 2006 kalendertäglich 53,72 Euro Krankengeld brutto, abzüglich eines Beitragsanteils zur Rentenversicherung in Höhe von 5,24 Euro, zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 1,75 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,66 Euro, also kalendertäglich netto 46,07 Euro.

Die Beklagte zahlte ihm auf den Auszahlungsschein hin vom 22. Juli 2006 Krankengeld für den Zeitraum vom 30. Mai 2006 bis 22. Juni 2006 aus.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2006 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) dem Kläger ab 1. Juli 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 1.137,30 Euro, monatlich, abzüglich eines Beitragsanteils des Rentners zur Krankenversicherung in Höhe von 72,78 Euro, eines zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von 10,24 Euro sowie des Beitrags zur Pflegeversicherung in Höhe von 22,18 Euro, insgesamt netto 1.032,10 Euro.

Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 Krankengeld erhalten habe. Dem Rentenversicherungsträger sei der Bezug von Krankengeld für diesen Zeitraum mitgeteilt worden.

Am 26. Juli 2006 ging bei der Beklagten der Auszahlungsschein für Krankengeld vom 25. Juli 2006 ein. Am selben Tag erhielt der Kläger den Rentenbescheid der DRV Bund. Die Beklagte zahlte Krankengeld nur noch bis zum 30. Juni 2006 aus.

Der Kläger sandte daraufhin eine E-Mail an die Pressestelle der Beklagten mit dem Betreff "Einstellung Krankengeldzahlung Dienstaufsichtsbeschwerde". Bis zur Kenntnisnahme bzw. Eingang des Rentenbescheides bei der Beklagten sei ihm Krankengeld zu gewähren. Für diesen noch zu zahlenden Zeitraum gehe der Rentenanspruch auf die Beklagte über. Mit Schreiben vom 9. August 2006 teilte er ergänzend mit, nach einem Besprechungsergebnis der Spitzverbände der Krankenversicherung sei bei rückwirkender Bewilligung einer Rente das Krankengeld bis zu dem Tag zu zahlen, an welchem der Rentenbescheid bei der Krankenkasse eingehe. Er halte seinen Widerspruch aufrecht.

Mit gleicher Begründung hat der Kläger am 17. August 2006 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2006 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezögen, ende ein Anspruch auf Krankengeld von Beginn dieser Leistung an, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Beginn der Leistung im Sinne dieser Vorschrift sei der Zeitpunkt, von dem an die Leistung zugebilligt werde, bei Renten der Tag, von dem an ein Rentenanspruch bestehe (Bezug auf Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 12. Dezember 1979 – 1 RJ 74/78). Ein Versicherter könne selbst dann, wenn ihm das Krankengeld vor Erteilung des Rentenbescheides rechtsirrtümlich nicht gezahlt worden sei, für den Zeitraum, für den der Krankengeldanspruch rückwirkend entfallen sei, den Unterschiedsbetrag zwischen Rente und Krankengeld nicht beanspruchen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 8. März 1990 – 3 RK 9/89). Aus der Vereinbarung zwischen dem Verband der Rentenversicherungsträger und den Verbänden der Krankenkassen könne der Kläger keinen konkreten Anspruch herleiten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm den Differenzbetrag zwischen der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Krankengeld abzüglich der Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 26. Juli 2006 zu zahlen zuzüglich 4 % Zinsen gemäß den gesetzlichen Vorschriften.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Oktober 2007 abgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Differenzbetrag zwischen Krankengeld und Rente nicht zu. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei eindeutig. Der Krankengeldanspruch ende mit Beginn der Leistung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das dem unter Umständen entgegen stehende Rundschreiben und das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkasse ändere hieran nichts. Aus § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V folge nur, dass die Krankenkasse bereits gezahlte Krankengeldleistungen in Höhe des überschießenden Betrages nicht zurückfordern könne. Dies bedeute aber nicht, dass die Krankenkasse verpflichtet sei, in Kenntnis einer Rentenbewilligung Krankengeld noch über den eigentlichen Rentenbeginn hinaus zu zahlen. Die Beklagte habe also in Kenntnis der Rentenbewilligung zu Recht Krankengeld nur noch bis 30. Juli 2006 gezahlt. Ein nachträglicher Anspruch auf den Spitzbetrag bestehe nicht (Bezugnahme auf Kassler Kommentar § 50 SGB V RdNr. 8b mit weiteren Nachweisen). Da ein Anspruch auf weiteres Krankengeld nicht bestehe, scheide auch ein Anspruch auf Verzinsung gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch aus.

Gegen dieses Urteil hat sich zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gerichtet. Die Frage, ob nicht jedenfalls bis zu dem Tag, an welchem der Versicherte selbst (erst) Kenntnis vom rückwirkenden Rentenbescheid erhalte Krankengeld noch auszuzahlen sei, habe grundsätzliche Bedeutung.

Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Januar 2010 die Berufung zugelassen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. Juli 2006 und 3. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den Differenzbetrag zwischen der Rente wegen voller Erwerbsminderung und dem Krankengeld abzüglich der Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 26. Juli 2006 zu zahlen und diesen Betrag mit 4 % seit 1. August 2006 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Beschluss vom 28. Januar 2010 hingewiesen worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend), sowie im Widerspruchsbescheid. Auch das hiesige Landessozialgericht hat bereits entschieden, dass der Ausschluss aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V nur voraussetzt, dass eine entsprechende Rente bewilligt wurde, auch wenn dies rückwirkend erfolgt und unabhängig von der Kenntnis des Versicherten von der Rentenbewilligung (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2007 – L 9 KR 1071/05, juris RdNr. 15):

"Dass der Klägerin die vorgenannte Rente für die Zeit ab dem 1. Februar 2004 erst nach Ablauf des hier streitbefangenen Zeitraums bewilligt worden ist, ändert an dem vorstehenden Ergebnis nichts. Denn maßgeblich für den in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V geregelten Ausschluss des Krankengeldanspruchs ist nicht der tatsächlich zeitgleiche Bezug von Rente und Krankengeld, sondern allein der Umstand, dass dem betroffenen Versicherten für die Zeit, für die er das Krankengeld begehrt, die Rente durch Verwaltungsakt zuerkannt worden ist. Dies ergibt sich bereits aus dem mit § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V verfolgten Ziel, dem gleichen Zweck (hier: dem Ersatz von Arbeitsentgelt bzw. von Arbeitseinkommen) dienende Doppelleistungen zu verhindern, und findet überdies seine Bestätigung im Wortlaut der vorgenannten Vorschrift, wonach der Krankengeldanspruch vom "Beginn" der Rentenleistung an ausgeschlossen ist. Denn unter dem Beginn einer solchen Leistung ist der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an der Versicherte die Leistung aufgrund eines die Behörde bindenden Titels, d. h. – abgesehen vom Fall der Titulierung durch Urteil – aufgrund eines Verwaltungsakts beanspruchen kann (vgl. BSG SozR 3 – 2500 § 50 Nr. 3 S. 7 f.; BSG SozR 3 – 2500 § 48 Nr. 4 S. 19). Darüber hinaus lässt sich das vorstehende Ergebnis aber auch aus § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V herleiten. Soweit die Krankenkasse danach in den Fällen, in denen Krankengeld über den Beginn der Rentenleistung hinaus gezahlt worden ist und das Krankengeld die Rente übersteigt, den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern kann, zeigt diese Regelung, dass auch eine erst rückwirkend bewilligte Vollrente wegen Alters zum Ausschluss des Krankengeldanspruchs führen muss, weil das Problem der Rückforderung eines überschießenden Spitzbetrages nicht nur bei tatsächlich zeitgleichen Leistungen, sondern auch bei rückwirkend bewilligten Leistungen auftreten kann."

Der hier erkennende Senat macht sich diese Ausführungen zu Eigen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG (grundsätzliche Bedeutung) zuzulassen. Die vom Kläger aufgestellte Frage ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Die Kommentarliteratur ist zumindest missverständlich. So heißt es beispielsweise bei Kruse (in Kruse/Hänlein SGB V § 50 Nr. 10), dass "nach Zustellung des Rentenbescheides" keine Krankengeldzahlung mehr beansprucht werden könne, auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches.
Rechtskraft
Aus
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