L 2 U 544/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 1066/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 544/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2008 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. ab 1. Dezember 2004.

Die 1973 geborene Klägerin befand sich am 25. November 2003 mit dem Auto auf dem Weg zu einem Termin beim Amtsgericht Berlin, in dem sie als Zeugin aussagen sollte, und stand an einer roten Ampel, als ein anderer Pkw auf ihren stehenden Wagen auffuhr (Unfallanzeige vom 26. November 2003). Im Durchgangsarztbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. B vom 4. Dezember 2003 wurde als Diagnose eine Distorsion der Halswirbelsäule genannt. Die Röntgenaufnahmen ergaben keinen Anhalt für knöcherne Verletzungen. Ein an diesem Tag durchgeführtes MRT ergab im Liegen eine aufgehobene Lordosierung mit flachbogiger Kyphosierung in Neutralposition sowie ein in Anteflexion eingeschränktes Funktionsverhalten mit Hypomobilität der Halswirbelsäule. Eine Gefügestörung lag nicht vor. Des Weiteren fand sich bei C5/6 eine geringe Spondylochondrosis intervertebralis mit dorsal paramedian rechtsseitigem flachem Nucleus pulposus-Prolaps (NPP), welcher den perimedullären Reserveraum einengte und ganz dezent zu einer Myelonpelottierung führte. Weiter wurde ausgeführt, das Neuroforamen für C6 rechts könnte dezent eingeengt sein. Die übrigen Bandscheibenfächer waren unauffällig. Die MR-Myelographie zeigte kein Liquorpassagehindernis, aber dezente Turbulenzen bei C5/6 rechts bei einem eingeengten perimedullären Reserveraum. Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 30. November 2004. Nach Angaben der Klägerin entstand an ihrem PKW ein Sachschaden in Höhe von ca. 1.000,00 EUR.

Am 19. Dezember 2003 suchte die Klägerin die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. W wegen einer Hörverzerrung des rechten Ohres auf. Ab 3. Februar 2004 erfolgte eine Mitbehandlung der Klägerin wegen anhaltender Schwindelsymptomatik und Ohrgeräuschen durch die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und ab 3. März 2004 auch durch die Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Ukrankenhauses B. Wegen der anhaltenden Schwindelproblematik wurde am 24. Februar 2004 eine Otolithenfunktionsprüfung durchgeführt, die auf eine gestörte Otolithenfunktion der linken Seite hindeutete, die weitgehend kompensiert war. Ein am 25. Februar 2004 durchgeführtes MRT sowie eine MR-Angiographie ergaben keinen Hinweis auf einen raumfordernden beziehungsweise entzündlichen Prozess im Kleinhirnbrückenwinkel beidseits. Linksseitig war ein mikrovaskuläres Kompressionssyndrom bedingt durch einen AICA-Ast mit dezenter Verlagerung des vestibulären Anteils des Nervus vestibulocochlearis nicht auszuschließen. Das cerebrale MRT war ansonsten unauffällig. Es lagen keine Stenosierungen beziehungsweise Kaliberschwankungen im Bereich der basalen Hirnarterien und der hirnversorgenden Arterien des Halses vor.

Die Beklagte veranlasste eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. B vom 15. Mai 2004, der unter anderem ausführte, im Ergebnis der bisher durchgeführten Untersuchungen habe sich eine gestörte, aber inzwischen kompensierte Otolithenfunktion links ergeben. Ein mikrovaskuläres Kompressionssyndrom habe nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sicher bestätigt werden können. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden wie Schwindel und Ohrgeräusche seien hierdurch erklärbar und seines Erachtens überwiegend durch die Folgen des Verkehrsunfalls bedingt, wobei die unfallunabhängigen Vorschäden an der Halswirbelsäule im Segment C5/6 möglicherweise mit verursachend für die Beschwerdesymptomatik seien. Bei den erhobenen Befunden halte er Funktionsstörungen auf Dauer für nicht sehr wahrscheinlich. Mit Schreiben vom 14. Juli 2004 erkannte die Beklagte ihre sachliche Zuständigkeit im vorliegenden Fall an.

Die Beklagte zog unter anderem einen Befundbericht der Klinik für Neurologie des Ukrankenhauses B vom 8. Juli 2004 sowie einen ausführlichen ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B K vom 13. August 2004 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 14. Juli 2004 bis 12. August 2004 bei.

Der mit der Erstellung eines neurologisch-neurochirurgischen Gutachtens beauftragte Prof. Dr. Z (Chefarzt der Abteilung für Neurochirurgie des Krankenhauses N) führte in seinem Gutachten vom 18. Oktober 2004 unter anderem aus, es sei in Folge des Auffahrunfalls im November 2003 zu einer Muskelfunktionsstörung im Bereich des Nackens gekommen. Eine Zerrung der Nackenmuskulatur oder auch eine Distorsion der Halswirbelsäule würden keine Symptome verursachen, die jetzt fast ein Jahr bestehen würden. Die durch den Unfall verursachte Muskelfunktionsstörung heile innerhalb von einigen Wochen genauso wie andere Muskelzerrungen in anderen Körperregionen aus. Ein Fortbestehen der Symptome müsse also eine andere Ursache haben, die zugegeben medizinisch schwer nachweisbar und gutachterlich, besonders im Hinblick auf die verschiedenen Versicherungsmodalitäten, Zuständigkeiten der Kostenerstattung sowie Unterschiede der Betrachtungsweise der Folge des Unfalls in der privaten und gesetzlichen Versicherung, umstritten sei. Die Klägerin klage über bei Belastung auftretende Nacken- und Kopfschmerzen, ein Gefühl des verzerrten Hörens, Müdigkeit, verminderte Belastbarkeit, Übelkeit und Erbrechen bei extremen Kopfbewegungen nach hinten und nach vorne. Auf neurologisch-neurochirurgischem Fachgebiet hätten sich bei der Untersuchung keine Abweichungen von der Norm gefunden. Es sei kein Körperschaden im Sinne einer traumatischen Entstehung auf das Ereignis vom 25. November 2003 zurückzuführen. Es würde auf unfallchirurgischem Gebiet an Zeichen einer strukturellen Verletzung fehlen. Es handle sich um funktionelle Beschwerden. Die Klägerin leide unter einer klinisch stummen und nicht relevanten Bandscheibenprotrusion HWK 5/6. Diese Befunde seien weder unfallverursacht noch dürften sie als Anlass für die jetzigen Beschwerden gesehen werden. Unfallbedingt seien keine weiteren Behandlungsmaßnahmen notwendig. Arbeitsunfähigkeit habe seiner Ansicht nach unfallbedingt für sechs bis acht Wochen bestanden. Auch die unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit solle diesen Zeitraum nicht überschreiten. Er rege eine Begutachtung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet an.

Der mit der Erstellung eines HNO-ärztlichen Zusatzgutachtens beauftragte Prof. Dr. E (Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Ukrankenhauses B) führte in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2004 unter anderem aus, es ergebe sich das Bild einer chronifizierten HWS-Weichteildistorsion mit myofaszialem Schmerzsyndrom und belastungsabhängigem ungerichtetem Schwindel. Die auffälligen Ergebnisse in der Posturographie würden in ihrer Deutlichkeit nicht zu dem Krankheitsbild der Klägerin passen, hier müsse von Aggravation ausgegangen werden. Unfallunabhängig bestehe ein mikrovaskuläres Kompressionssyndrom links. Die MdE betrage unter 10 v.H. Er rege eine psychosomatische Zusatzbegutachtung an.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 3. Mai 2005 eine folgenlos ausgeheilte Weichteildistorsion der Halswirbelsäule als Folge des Arbeitsunfalls vom 25. November 2003 an, führte aus, unabhängig von dem Arbeits-/Wegeunfall liege eine klinisch stumm verlaufene Bandscheibenprotrusion HWK 5/6 sowie ein mikrovaskuläres Kompressionssyndrom links vor und lehnte die Gewährung einer Rente ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte die Begutachtung der Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Dr. H, der in seinem Gutachten vom 8. August 2005 unter anderem ausführte, die Klägerin klage nach wie vor über stress- und belastungsabhängige Symptome und Beschwerden. Sie fühle sich vorzeitig erschöpft und abends völlig k.o. Es gelinge ihr erst allmählich, hier eine Verbesserung und Stabilisierung zu bewirken. Ein neurologisch-pathologischer Befund bestehe nicht. Psychiatrisch liege auch keine Depression vor. Neurosen-psychologisch bestünde eine gewisse psychosomatische Störung, die als Somatisierungsstörung interpretiert werden könne. Insoweit sei schon eine psychosomatische Problematik entstanden, deren Ursache in der Reaktion der Klägerin auf das Ereignis und den nachfolgenden Ablauf zu sehen sei, wobei seiner Ansicht nach aus der Gesamtstruktur keine eindeutige Simulation, aber doch eine deutliche Intendierung des Beschwerdebildes im Sinne einer Aggravation möglich sei, was er als teilbewussten Versuch der Klägerin interpretiere, Verständnis für ihre subjektiv vorhandene Symptomatik zu erreichen. Abgesehen von dieser Reaktionsbildung sei ein Körperschaden nicht nachzuweisen. Unfallunabhängig liege ein Zervikalsyndrom aufgrund einer Bandscheibendegeneration in dem bezeichneten Segment vor. Das Ereignis und der anschließende Verlauf seien sicherlich mit und wesentlich ursächlich für die entstandene Reaktionsbildung, ebenso wie die unfallunabhängig vorhandene Persönlichkeitsstruktur. Beides sei sozusagen für das Entstehen der gegebenen Konstellation nötig. Man könne also von einer vorübergehenden Dekompensation dieses Systems sprechen, nicht aber von einer dauerhaften richtunggebenden Veränderung im Sinne einer anhaltenden Verschlimmerung. In diesem Zusammenhang von einer Gelegenheitsursache zu sprechen sei nicht einfach, da man aus den Befunden nicht ableiten könne, dass auch ohne das Ereignis und ohne besonderen Anlass eine solche Symptomatik entstanden wäre.

Die Beklagte zog ein HNO-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. K (Chefarzt der Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des St. G-Krankenhauses) vom 30. Juli 2004, welches im Auftrag der A V-Aktiengesellschaft erstellt worden war, bei.

Des Weiteren veranlasste die Beklagte eine nervenärztliche Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P, die in ihrem Gutachten vom 5. Oktober 2006 unter anderem ausführte, die Klägerin habe am 25. November 2003 eine HWS-Distorsion erlitten, die als leichtgradig einzuschätzen sei. Auf nervenärztlichem (neurologischem sowie psychiatrischem) Fachgebiet seien keine Unfallfolgen festzustellen. Unfallunabhängig anzuführen seien degenerative Halswirbelsäulenveränderungen bei einer Osteochondrosis intervertebralis sowie einem NPP in Höhe C5/6, eine auf dem Boden einer sehr leistungsorientierten, narzisstisch geprägten Persönlichkeit im Rahmen der beruflichen Belastungssituation entwickelte sonstige somatoforme Störung mit unsystematischem Schwindel, Spannungskopfschmerzen sowie einer dadurch ich-synton erreichbaren (bewusstseinsfernen) Entlastung. Eine MdE auf nervenärztlichem Fachgebiet sei nicht festzustellen.

Der mit der Erstellung eines fachchirurgischen Zusammenhangsgutachtens beauftragte Facharzt für Chirurgie H führte in seinem Gutachten vom 10. Oktober 2006 unter anderem aus, auf unfallchirurgischem Fachgebiet würden sich keine Unfallfolgen nachweisen lassen. Gemäß den vorliegenden Dokumenten habe die Klägerin eine HWS-Distorsion Typ Erdmann I mit zunächst typischer Beschwerdesymptomatik erlitten. Diese hätte unter adäquater Therapie nach sechs Wochen ausheilen sollen. Aufgrund der langen Ruhigstellungsphase zu Beginn der Therapie mit sechs Wochen Halskrawatte müsse aber ein prolongierter unfallbedingter Verlauf angenommen werden, so dass insgesamt von einer unfallbedingten Behandlung von circa drei Monaten auszugehen sei. Die darüber hinausgehenden Beschwerden würden sich aus seiner Sicht nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 25. November 2003 zurückführen lassen. Bei der Klägerin fänden sich im MRT trotz des jungen Alters degenerative Veränderungen. Auch wenn diese Schadensanlage bisher zu keiner klinischen Symptomatik geführt habe, müsse ihr ein eigenständiger Krankheitswert zugeschrieben werden. Dem niederenergetischen Auffahrunfall komme dementsprechend nicht der Status einer rechtlich wesentlichen Teilursache zur Auslösung der noch bestehenden Beschwerden zu. Er rege eine zusätzliche Begutachtung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet an. Nach Eingang der Zusatzgutachten werde er zum Gesamtzusammenhang Stellung nehmen.

Die mit der Erstellung eines HNO-fachärztlichen Gutachtens beauftragte Fachärztin für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. C führte in ihrem Gutachten vom 8. Januar 2007 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. März 2007 unter anderem aus, es liege eine linksseitige Otolithenfunktionsstörung vor, die Unfallfolge und mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2007 erkannte die Beklagte zusätzlich eine Otolithenorganfunktionsstörung linksseitig als Unfallfolge an, wies jedoch den Widerspruch im Übrigen, d. h. in Bezug auf die Anerkennung einer MdE von wenigstens 20 v.H. zurück.

Der im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin als Sachverständiger bestellte Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde L hat in seinem Gutachten vom 23. Mai 2008 unter anderem ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine weitgehend kompensierte Otilithenfunktionsstörung links sowie (anamnestisch) ein rezidivierendes Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule. Das nunmehr weit gehend kompensierte HWS-Distorsionstrauma beruhe im Sinne der erstmaligen Entstehung auf dem Unfall vom 25. November 2003, bei der Otilithenfunktionsstörung links handele es sich um eine wesentliche Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens. Es lägen Gleichgewichtsstörungen ohne wesentliche Folgen vor. Im Alltag bestehe weitgehend Beschwerdefreiheit. Bei hohen Belastungen (zum Beispiel beruflich, bei Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur, bei extremen Kopfbewegungen) fänden sich geringe Schwindelbeschwerden und leichte Unsicherheiten (leichte Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen erst auf höheren Belastungsstufen nachweisbar). Beim derzeitigen subjektiven Erleben des Schwindels sei eine psychosomatische Komponente, möglicherweise getriggert durch das Rentenbegehren, anzunehmen. Er verweise insoweit auf das schlüssige psychologische Gutachten des Dr. H. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Unfall die Ursache für die jetzigen Beschwerden sei. Erst durch den Unfall habe sich die Störung des Gleichgewichtes so ausgebildet, dass diese bewusst wahrgenommen werde, und habe sich die psychosomatische Komponente entwickeln können. Eine relevante MdE resultiere daraus aber nicht. Weitere unfallbedingte Gesundheitsstörungen seien nicht hinzugetreten. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen seien deutlich abgeklungen. Schwindelbeschwerden (mit Übelkeit) würden anamnestisch deutlich seltener auftreten als nach dem Unfall. Während die Klägerin anfangs nicht in der Lage gewesen sei, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, sei sie heute wieder vollzeitbeschäftigt in einer gehobenen und anspruchsvollen Position. Sie fahre regelmäßig selbst Auto. Auch die Untersuchungsergebnisse würden eine Besserung der Gesundheitsstörungen bestätigen. Während bei der Untersuchung der Otilithenorgane 2004 noch eine Störung links beschrieben worden sei, zeige diese in der Untersuchung von 2007 eine "fortschreitende Erholung". In den vestibulospinalen Reaktionen habe sich im Romberg-Versuch 2004 noch eine Fallneigung nach hinten gefunden, jetzt sei diese nur noch ganz diskret im forcierten Romberg erkennbar. Ohrgeräusche im Sinne eines Tinnitus bestünden nicht mehr. Aus den Akten gehe hervor, dass volle Arbeitsfähigkeit ab 1. Dezember 2004 bestanden habe. Auf HNO-ärztlichem Gebiet sei die unfallbedingte MdE ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit fortlaufend mit 10 v.H. zu bemessen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer habe unter maßgeblicher Berücksichtigung der im Unfallversicherungsrecht geltenden Grundsätze nicht feststellen können, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin infolge des Unfalls vom 25. November 2003 um wenigstens 20 v.H. gemindert sei. Sie stütze ihre Beurteilung des Sachverhalts - soweit das Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Fachgebiet betroffen sei - vor allem auf das auf einer umfassenden Befunderhebung beruhende, wissenschaftlich fundierte, in sich schlüssige und letztlich überzeugende Sachverständigengutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde L vom 23. Mai 2008. Danach lägen bei der Klägerin auf dem genannten Fachgebiet eine weitgehend kompensierte Otholithenfunktionstörung links und ein rezidivierendes Schmerzsyndrom der HWS vor, die beide mit Wahrscheinlichkeit Folge des streitgegenständlichen Unfalls seien. Hieraus resultiere aber - so der Sachverständige mit nachvollziehbarer Begründung - keine relevante MdE beziehungsweise eine solche in Höhe von lediglich 10 v.H. und damit nicht in rentenberechtigendem Grade. Herr L weise darauf hin, dass die unfallbedingten Gesundheitsstörungen deutlich abgeklungen seien; Schwindelbeschwerden würden anamnestisch deutlich seltener auftreten als nach dem Unfall. Auch die Untersuchungsergebnisse würden eine Besserung der Gesundheitsstörungen der Klägerin bestätigen. Während bei der Untersuchung der Otolithenorgane im Jahr 2004 noch eine Störung links beschrieben worden sei, zeige sich in der Untersuchung aus dem Jahr 2007 eine fortschreitende Erholung. In den vestibulospinalen Reaktionen habe sich im Romberg-Versuch 2004 noch eine Fallneigung nach hinten gefunden, während diese nunmehr nur noch ganz diskret im forcierten Romberg erkennbar gewesen sei. Ohrgeräusche im Sinne eines Tinnitus hätten nicht mehr bestanden. Die Feststellungen des Sachverständigen würden nicht entscheidungserheblich von denen der Vorgutachten abweichen. Die Kammer sehe keine Veranlassung, seine überzeugenden Ausführungen in Zweifel zu ziehen. Sie sehe im Übrigen auch keinen Grund zu einer neurologisch-psychiatrischen oder psychologischen Begutachtung der Klägerin von Amts wegen. Die Beklagte habe bereits zwei Gutachten auf diesen Fachgebieten eingeholt. An ihren Ausführungen zu zweifeln sehe die Kammer jedenfalls insoweit keinen Anlass, als die Frage einer MdE wegen eines unfallbedingten Erkrankungsbildes auf psychiatrischem Fachgebiet betroffen sei. Nach den zutreffenden Feststellungen in dem Gutachten des Dr. H sei das Unfallgeschehen nur als Bagatelltrauma anzusehen. Es habe sich auch kein neurologisch pathologischer Befund dokumentieren lassen. Neurosen-psychologisch bestehe eine gewisse psychosomatische Störung, die als Somatisierungsstörung interpretiert werden könne. Eine deutliche Intendierung des Beschwerdebildes im Sinne einer Aggravation werde für möglich gehalten. Ähnlich habe sich der gerichtlich beauftragte Sachverständige L geäußert. Danach sei zwar beim derzeitigen subjektiven Erleben des Schwindels eine psychosomatische Komponente anzunehmen, diese sei aber möglicherweise durch ein Rentenbegehren der Klägerin getriggert und würde überdies ohnehin nicht zu einer relevanten MdE führen. Dr. P habe in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 5. Oktober 2006 bei der Klägerin infolge der Distorsion der Halswirbelsäule eine Beschwerdeausweitung und bewusstseinsferne Beschwerdepräsentation diagnostiziert. Eine somatoforme Störung sehe sie nicht als Folge des streitgegenständlichen Unfallgeschehens, sondern viel mehr persönlichkeitsbedingt durch einen ich-syntonen Konfliktlösungsversuch im Hinblick auf eine berufliche Belastungssituation. Für die Kammer könne letztlich offen bleiben, ob eine Somatisierungsstörung der Klägerin ihren Grund - entsprechend den Ausführungen der Dr. P - in bestimmten Persönlichkeitszügen der Klägerin habe. Jedenfalls finde eine psychosomatische Komponente keine Entsprechung in einem objektivierten Krankheitsbild, so dass sowohl der Sachverständige L als auch der Gutachter Dr. H (gegebenenfalls bewusstseinsferne) Aggravations- und Intendierungstendenzen erkannt haben. Diese würden jedoch nicht dazu führen, bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zahlung einer Verletztenrente anzuerkennen. Das objektivierte Krankheitsbild der Klägerin lasse jedenfalls nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen L keinen Raum für eine rentenberechtigende MdE.

Gegen diesen ihr am 2. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18. Juli 2008 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Sie ist weiterhin der Ansicht, die bei ihr vorliegenden Beschwerden seien hinreichend wahrscheinlich Folge des Arbeitsunfalls vom 25. November 2003. Soweit der Sachverständige L ausgeführt habe, Gleichgewichtsunsicherheiten seien bei ihr nur gering ausgeprägt und würden im Alltag kaum zu Beschwerden führen, entspreche dies nicht der Realität. Zwar habe sie im Alltag nur geringe Schwindelerscheinungen, die sich durch Schwanken und Ausfallschritte bemerkbar machen würden. Bei körperlicher oder geistiger Belastung habe sie jedoch regelmäßig mit Schwindel bis hin zu Übelkeit und Erbrechen zu kämpfen. Völlig außer acht gelassen worden sei durch Herrn L auch ihre starke Unsicherheit bei geschlossenen Augen zu stehen oder zu gehen. Des Weiteren sei es ihr nicht möglich ohne Schwindelerscheinungen nach oben zu schauen und somit Arbeiten über Kopf auszuführen. Auch bestünden Ohrgeräusche im Sinne eines Tinnitus seit dem Unfall und würden sich in Belastungssituationen durch verzerrte Geräuschwahrnehmungen im rechten Ohr und damit einhergehenden erheblichen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie Geräuschempfindlichkeiten zeigen. Das Schmerzsyndrom ihrer Halswirbelsäule sei nicht rezidivierend, sondern permanent vorhanden. Hierfür habe der Sachverständige L degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule genannt. Beschwerden habe sie erst seit dem Unfall. Eine degenerativ veränderte Wirbelsäule könne einer Traumatisierung weniger Widerstand entgegensetzen, sei also verletzungsanfälliger als eine Wirbelsäule, die weniger degenerativ verändert sei. Der Bundesgerichtshof habe bereits im Jahr 1968 entschieden, dass wenn ein gesundheitlich schon geschwächter Mensch durch einen Unfall geschädigt werde, der Schädiger keinen Anspruch darauf habe, so gestellt zu werden, als hätte er einen gesunden geschädigt. Dem Schädiger seien daher auch solche schädigenden Auswirkungen der Verletzungshandlung zuzurechnen, die sich erst deshalb ergeben würden, weil der Betroffene bereits eine Krankheitsanlage oder einen Körperschaden habe, die oder den der Unfall ausgelöst habe. Es komme bekanntlich darauf an, dass die Schädigung nicht eingetreten sei, wenn es den Unfall nicht gegeben hätte. Es gehöre zu den ungeschriebenen, aber tragenden Grundsätzen des Sozialrechts, dass das Unfallopfer durch die Rechtsordnung in dem Gesundheitszustand geschützt sei, indem es sich bei Eintritt des schädigenden Ereignisses befunden habe und zum damaligen Zeitpunkt sei sie beschwerdefrei gewesen. Es habe sich bei dem Unfallgeschehen auch nicht um ein Bagatellgeschehen gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2008 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund des Arbeitsunfalls vom 25. November 2003 eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der im Berufungsverfahren gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständiger bestellte Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. St hat in seinem Gutachten vom 5. Mai 2009 unter anderem ausgeführt, die Klägerin leide unter einem Zustand nach Kopfanpralltrauma und Distorsion der Halswirbelsäule durch Schleudertrauma, einem posttraumatischen cervico-cephalen und cervico-brachialen Syndrom, Kopfschmerzen vom Nacken beginnend über den Hinterkopf aufsteigend, Nacken-, Schulter- und Armschmerzen beidseits, Verspannungen der paravertebralen HWS- und BWS-Muskulatur, Verspannungen der Nacken-Schultergürtel-Muskulatur, posttraumatischen Veränderungen der Halswirbelsäule mit Weichteilverletzungen des Halses, einer posttraumatischen Bandscheibenprotrusion C5, posttraumatischen Schäden der Halswirbelsäule im Segment C5/6, einer posttraumatischen Segmentinstabilität C5 mit nachfolgendem NPP C5, einen durch Segmentinstabilität C5 entstandenen NPP C6, einer posttraumatischen mikrovaskulären Kompressionsschädigung des Kopf-HWS-Übergangs, der HWS und des Hals-Brustkorb-Übergangs, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, häufig spontan auftretend sowie immer bei Überkopfarbeiten oder beim Nach-Oben-Schauen, Übelkeit (Nausea), Erbrechen, einer posttraumatischen Otolithenorganfunktionsstörung, belastungsabhängigen Hörstörungen rechts sowie Konzentrationsschwäche mit in diesen Phasen verminderter geistiger Belastbarkeit. Alle genannten Gesundheitsstörungen seien auf den Unfall vom 25. November 2003 zurückzuführen. Diese seien durch eine plötzliche unvorhergesehene Gewalteinwirkung von hinten erfolgt. Es habe keine gesundheitlichen Vorschädigungen gegeben. Trotz intensiver Therapie unter Regie der Berufsgenossenschaft hätten die durch den Unfall entstandenen gesundheitlichen Störungen und Schädigungen nicht behoben werden können. Es bestünden weiterhin erhebliche gesundheitliche Schädigungen mit ausgeprägten Einschränkungen der Belastbarkeit im Beruf und im Alltag. Die MdE betrage vom 25. November 2003 bis zum 30. November 2004 100 v.H. und ab dem 1. Dezember 2004 30 v.H. auf Dauer. Die Einschränkungen seien durch die Belastbarkeitsminderungen des Stütz- und Bewegungsapparates mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Motorik, Koordination, Kondition und Ausdauer begründet. Die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestünden seit dem 25. November 2003. Eine Besserung des Zustandes sowie eine Behebung der Minderung seien aufgrund des inzwischen chronischen Verlaufs ausgeschlossen. Ein erneutes psychiatrisches Gutachten sei seiner Ansicht nach nicht erforderlich, die Klägerin sei emotional und psychisch stabil.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, denn Folgen des Unfalls vom 25. November 2003, die eine MdE von wenigstens 20 v.H. bedingen, liegen nicht vor.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die sechsundzwanzigste Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Unstreitig hat die Klägerin am 25. November 2003 einen Arbeitsunfall erlitten. Als dessen Folgen hat die Beklagte eine folgenlos ausgeheilte Weichteildistorsion der Halswirbelsäule sowie eine Otolithenorganfunktionsstörung linksseitig anerkannt hat.

Zur Überzeugung des Senates sind keine weiteren Arbeitsunfallfolgen festzustellen, dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin geklagten weiterhin andauernden Beschwerden der Halswirbelsäule. Die bereits anerkannten Arbeitsunfallfolgen sind mit einer MdE von unter 20 v.H. zutreffend bewertet.

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist erforderlich, dass sowohl zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Arbeitsunfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltendenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG Urteil vom 02. Mai 2001, Az. B 2 U 16/00 RSozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass die richterliche Überzeugung hierauf gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 06. April 1989, Az. 2 RU 69/87, zitiert nach iuris; Urteil vom 02. Februar 1978, Az. 8 RU 66/77, BSGE 45, 285, 286).

Die Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis und einem Gesundheitsschaden besteht, ist in erster Linie nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung hat das Gericht alles Erforderliche zu tun, um diese Frage zu klären (§§ 103, 128 SGG), wobei es sich des Urteils fachkundiger Sachverständiger zu bedienen hat, um mit deren Hilfe festzustellen, ob nach den einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen das angeschuldigte Ereignis die wahrscheinliche Ursache des bestehenden Gesundheitsschadens ist. Maßgebend ist hierfür grundsätzlich die herrschende medizinische Lehrmeinung, soweit sie sich auf gesicherte Erkenntnisse stützen kann. Andererseits ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich mit voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen im Einzelnen auseinanderzusetzen und darüber zu entscheiden, welche von ihnen richtig ist (BSG, Urteile vom 20. September 1977, Az: 8 RU 24/77, vom 12. November 1986, Az: 9b RU 76/86 und vom 26. Februar 1997, Az. 9 BV 221/96, zitiert nach Juris).

Der Senat ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach Auswertung und Würdigung der vielfältigen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erstatteten umfangreichen Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin keine weiteren Folgen des am 25. November 2003 erlittenen Auffahrunfalls festzustellen sind.

Als Unfallfolge liegt zunächst eine folgenlos ausgeheilte Weichteildistorsion der Halswirbelsäule vor, dies folgt aus den Gutachten des Prof. Dr. Z und des Herrn H, die für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt haben, dass der Auffahrunfall vom 25. November 2003 zu einer Zerrung der Nackenmuskulatur bzw. zu einer Distorsion der Halswirbelsäule geführt hat, die Herr Heumann als HWS-Distorsion Typ Erdmann I qualifiziert hat. Eine solche heilt nach übereinstimmender Aussage dieser Gutachter innerhalb von einigen Wochen aus. Selbst wenn man unterstellt, dass die zunächst erfolgte Behandlung mit einer Halskrawatte über mehrere Wochen zu einem prolongierten Heilungsverlauf geführt hat, sind Beschwerden von mehr als drei Monaten nicht mehr nachvollziehbar. Die weiteren von Dipl.-Med. St beschriebenen Gesundheitsstörungen an der Halswirbelsäule insbesondere das cervico-cephale und cervico-brachiale Syndrom, die Kopfschmerzen vom Nacken beginnend über den Hinterkopf aufsteigend, die Nacken-, Schulter- und Armschmerzen beidseits, die Verspannungen der paravertebralen HWS- und BWS-Muskulatur sowie der Nacken-Schultergürtel-Muskulatur, die Veränderungen der Halswirbelsäule mit Weichteilverletzungen des Halses, die Bandscheibenprotrusion C5, die Schäden der Halswirbelsäule im Segment C5/6, die Segmentinstabilität C5 mit nachfolgendem NpP C5, der durch Segmentinstabilität C5 entstandene NpP C6 sowie die mikrovaskuläre Kompressionsschädigung des Kopf-HWS-Übergangs, der HWS und des Hals-Brustkorb-Übergangs lassen sich zur Überzeugung des Senates nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückführen. Begründungen warum all diese Gesundheitsschäden ihre Ursache im Unfall vom 25. November 2003 haben sollen, hat Dipl.-Med. St nicht gegeben, er hat lediglich angeführt, es habe vor dem Unfall keine gesundheitlichen Vorschädigungen gegeben. Zu der Frage, ob es sich bei den bei der Klägerin vorliegenden Beschwerden um altersbedingte oder unfallbedingte Schädigungen handele, hat er ausgeführt, es sei aufgrund des Alters der Klägerin und weil im Nachhinein der Beweis der vorbestehenden degenerativen Veränderungen nicht erbracht werden könne, davon auszugehen, dass die Schädigungen unfallbedingt seien. Allein die Tatsache, dass die Klägerin vor dem Unfall beschwerdefrei war, Beschwerden also zeitgleich mit dem Unfall bzw. zeitlich gesehen in dessen Folge aufgetreten sind, führt nicht dazu, dass diese Beschwerden hinreichend wahrscheinlich auf den Unfall zurückgeführt werden können. Es spricht vielmehr mehr gegen als für den ursächlichen Zusammenhang, denn auch die unfallversicherungsrechtliche Literatur (vgl. nur: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 8. Auflage, 209. Kapitel 8.3.4.2.1. S. 464) geht davon aus, dass Beschwerden nach einer Halswirbelsäulendistorsion Typ Erdmann I meist nur Tage bis Wochen, jedenfalls weniger als einen Monat, andauern. Um die nach Dipl.-Med. St bei der Klägerin nunmehr bereits seit nahezu sechs Jahren andauernden Beschwerden der Halswirbelsäule noch hinreichend wahrscheinlich auf den Unfall zurückführen zu können, bedürfte es eines ganz außergewöhnlichen Umstandes, der weder ersichtlich noch von Dipl.-Med. St angeführt worden ist. Allein die Tatsache der vorherigen Beschwerdefreiheit reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

Als weitere Arbeitsunfallfolge liegt eine Otolithenorganfunktionsstörung linksseitig vor, die bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung der Klägerin durch den Sachverständigen L im April 2008 weitgehend kompensiert war. Diese führt zu den auch von dem Dipl.-Med. St beschriebenen Beschwerden wie Gleichgewichtsstörungen und Schwindel. Hierzu hat der Sachverständige L ausgeführt, erst im forcierten Rombergversuch habe eine diskrete Falltendenz nach rechts hinten bestanden, eine leichte Abweichung bei den Geh- und Stehversuchen habe erst auf höherer Belastungsstufe bestanden. Dem widersprichen die von dem Dipl.-Med. St geäußerten Diagnosen "häufig spontan sowie immer bei Überkopfarbeiten oder beim Nach-Oben-Schauen auftretenden Schwindels, Übelkeit (Nausea) und Erbrechen", die er lediglich nennt, für deren Vorliegen er aber keine nachvollziehbaren Befunde oder Begründungen angibt. Auch die von ihm beschriebenen belastungsabhängigen Hörstörungen rechts sowie eine Konzentrationsschwäche mit in diesen Phasen verminderter geistiger Belastbarkeit konnten die Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen bzw. die neurologischen und psychiatrischen Sachverständigen und Gutachter, die als fachnähere Ärzte für die Beurteilung solcher Beschwerden qualifizierter sind, nicht finden. Auch insoweit nennt der Sachverständige Dipl.-Med. St diese Diagnosen lediglich, ohne sie durch objektive Befunde zu unterlegen. Bereits das Vorliegen dieser häufigen Schwindelanfälle, der Übelkeit und des Erbrechens ist damit nicht bewiesen. Erst recht fehlt es an einer Begründung der Kausalität.

Es ist auch nicht nachgewiesen, dass – wie von der Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die im Sozialrecht allgemein geltenden Grundsätze vorgetragen – eine degenerativ vorgeschädigte Wirbelsäule, die unstreitig jedenfalls bei bestehenden schweren Bewegungseinschränkungen mit mangelnder Möglichkeit von Ausweichbewegungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kapitel 8.3.4.2.2.5., Seite 465) einer Traumatisierung weniger Widerstand entgegensetzen kann, vorliegend durch den Unfall stärker geschädigt worden ist. Zum einen fehlt es bereits an einer so schwer vorgeschädigten Wirbelsäule, dass diese weniger widerstandsfähig in diesem Sinne gewesen wäre, zum anderen konnten Verletzungen, die über eine HWS-Distorsion Typ I nach Erdmann hinausgehen, weder Prof. Z noch Herr H bei der Klägerin finden. Es liegen damit bei der Klägerin keine schädigenden Auswirkungen der Verletzungshandlung vor, die sich erst deshalb ergeben haben, weil sie eine Krankheitsanlage oder einen Körperschaden hat, die oder den der Unfall ausgelöst hat. Die Klägerin hat vielmehr zunächst eine HWS-Distorsion Typ Erdmann I erlitten und leidet nunmehr unter HWS-Beschwerden, die sich lediglich in zeitlicher, nicht aber in ursächlicher Folge des Unfalls entwickelt haben. Dass diese auf degenerativen Prozessen beruhenden Beschwerden nicht eingetreten wären, wenn es den Unfall nicht gegeben hätte, ist reine Spekulation.

Weitere als die von der Beklagten bereits anerkannten Arbeitsunfallfolgen liegen bei der Klägerin nach alledem nicht vor. Zutreffend hat die Beklagte die anerkannten Unfallfolgen mit unter 20 v. H. bewertet.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956, Az: 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001, Az: B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG Urteil vom 02. Mai 2001, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).

Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985, Az: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987, Az: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.3). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).

Die Erfahrungswerte bei vestibulären Störungen der Gleichgewichtsregulation sind wiedergegeben in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit (a.a.O. Kapitel 7.2.4, Seite 320). Danach bedingt eine Intensitätsstufe 1 (geringe Schwindelbeschwerden/leichte Unsicherheit) in den Belastungsstufen 3 bzw. 4 (hohe bzw. sehr hohe Belastung) eine MdE von 10 bzw. von unter 10. Erst wenn Beschwerden auch bei mittleren Belastungen auftreten oder bei hohen Belastungen starke Schwindelbeschwerden mit deutlicher Unsicherheit auftreten ist eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt. Dem folgend haben sowohl der Sachverständige Loß als auch die im Verwaltungsverfahren tätige Gutachterin Dr. C eine MdE von 10 v.H. für angemessen erachtet.

Die Berufung ist zurückzuweisen, denn eine MdE von wenigstens 20 v.H. ergibt sich nach alledem nicht.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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