L 3 R 1279/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 R 350/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1279/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
- Nur gültig in Verbindung mit dem Beschluss vom 02. Juni 2010 (Anlage). -

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 11. November 2009 aufgehoben. Dem Kläger wird für das bereits abgeschlossene Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H P ab Antragstellung am 30. Mai 2008 gewährt.

Gründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere steht ihr nicht der Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat, denn das Sozialgericht hat vorliegend den Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.

Die Beschwerde ist auch begründet, denn es bestand eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73 a SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann i. d. R. die Erfolgsaussicht nicht verneint werden. Bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist grundsätzlich Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren. Ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen, muss Prozesskostenhilfe gewährt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A. 2008, § 73 a SGG RdNr. 7 a und 7 b m. w. N.). Maßgebender Zeitpunkt der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Ein früherer Zeitpunkt kommt dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den Antrag verzögert hat und eine Änderung zum Nachteil des Antragstellers eingetreten ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., RdNr. 7 d und 13 d). Ausnahmsweise kann die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auch noch nach Erledigung in der Hauptsache erfolgen, wenn der Antragsteller alles Zumutbare getan hat, um vor dem Wegfall der Rechtshängigkeit eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu erwirken, und das Gericht es versäumt hat, rechtzeitig zu entscheiden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., RdNr. 11 a).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hätte das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Erfolgsaussichten ablehnen dürfen. Zwar bestand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, also am 11. November 2009, keine Erfolgsaussicht mehr, denn die Klage galt nach Zustellung der Betreibensaufforderung am 03. Dezember 2008 und Ablauf von drei Monaten bereits seit dem 03. März 2009 als zurückgenommen mit der Folge, dass der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt war. Das Sozialgericht hätte aber bereits viel früher über den Antrag entscheiden können und müssen.

Zwar war die Klage nicht begründet worden, wie sich aber aus § 92 Abs. 1 Satz 4 SGG ergibt, ist die Begründung der Klage kein zwingendes Erfordernis ("soll"). Der rechtskundig vertretene Kläger hatte jedoch einen noch hinreichend deutlichen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gestellt, den angefochtenen Widerspruchsbescheid beigefügt und die weitere Begründung in Aussicht gestellt. In die Verwaltungsakte der Beklagten, die wegen der Akteneinsicht durch den Klägerbevollmächtigten und wegen eines vom 30. Juli 2008 bis zum 20. August 2008 durchgeführten stationären Heilverfahrens zeitweise nicht vorgelegt werden konnte, hatte das Sozialgericht zu keinem Zeitpunkt Einsicht genommen, obwohl es nach § 103 SGG den Sachverhalts von Amts wegen zu erforschen hat und dazu nach §§ 106 Abs. 2, 119 Abs.1 SGG u. a. die Verwaltungsakten anfordern kann, die es ihm hier ermöglicht hätten, auch ohne Begründung der Klage eine sachgerechte Entscheidung über die Erfolgsaussichten nach Aktenlage zu treffen. Zudem hätte das Sozialgericht auch ohne Verwaltungsakte feststellen können, dass möglicherweise zwar keine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Betracht gekommen wäre, dass aber wegen der ebenfalls beantragten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit noch Ermittlungen wegen der Frage der Berufsunfähigkeit erforderlich gewesen wären. Es hätte sich dem Sozialgericht aufdrängen müssen, dass der Kläger, was von der Beklagten auch zugestanden worden ist, aufgrund seiner Malerausbildung nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts als Facharbeiter anzusehen ist und deshalb nur eine Verweisung auf Anlerntätigkeiten mit einer echten betrieblichen Ausbildung von wenigstens drei Monaten sozial zumutbar ist. Die im Widerspruchsbescheid von der Beklagten noch genannte Verweisungstätigkeit eines Warenmaler-/-lackierers gibt es nach dem Berufsinformationssystem der Bundesagentur für Arbeit (BERUFENET) jedoch nicht, es existiert nur eine Helfertätigkeit als Warenmaler oder –lackierer, die keine Anlernzeit erfordert (Einweisung am Arbeitsplatz) und auch schwerlich mit dem qualitativ eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers zu vereinbaren ist, da es sich dabei um zum Teil schwere Arbeit handelt.

Das Sozialgericht war auch nicht an einer rechtzeitigen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag gehindert, weil die Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht vollständig gewesen wären. Der Kläger hatte den Bezug von Arbeitslosengeld II in Höhe von 398,13 Euro sowie den aktuellen Kontostand durch Vorlage des Bewilligungsbescheids vom 10. Januar 2008, in dem auch die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 196,06 Euro erklärt war, und einen Kontoauszug vom 01. Juni 2008 nachgewiesen. Er hatte seine irrtümliche Angabe, eine Rechtschutzversicherung trage die Kosten der Prozessführung, durch Korrektur der am 16. Juni 2008 eingegangenen Erklärung berichtigt. Das Erfordernis weiterer Angaben und Belege hätte das Sozialgericht präzisieren müssen, insbesondere weil nach dem Hinweis zwischen D und E in dem Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" ausdrücklich ausgeführt wird, dass bei dem Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und Vorlage des letzten Bewilligungsbescheids Angaben zu E bis J entbehrlich sind, wenn das Gericht nicht etwas anderes anordnet. Der Kläger hatte im Übrigen die Fragen zu vorhandenem Vermögen im Abschnitt G mit Ausnahme des nachgewiesenen Solls auf dem Girokonto durchgehend verneint. Die Wohnkosten waren durch den Bewilligungsbescheid des Job-Centers Elbe-Elster belegt. Angaben zu sonstigen Zahlungsverpflichtungen oder besondere Belastungen (I und J) müssen natürlich nicht beantwortet werden, wenn solche nicht bestehen. Wie das Sozialgericht letztlich nach Abzug eines Freibetrags von 380,- Euro zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Einkommen des Klägers ergäben sich Ratenzahlungen in Höhe von 75,- Euro, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Der Kläger war demnach bedürftig.

Zusammenfassend war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe spätestens nach Eingang des Heilverfahrensentlassungsberichts vom 25. August 2008 bei Gericht am 14. Oktober 2008 entscheidungsreif. Die Bedürftigkeit des Klägers war zu bejahen und die Klage bot zumindest teilweise hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§177 SGG).

Anlage Berichtigungsbeschluss vom 02.Juni 2010:

Das Datum des Beschlusses des Senats über die Aufhebung des die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses des Sozialgerichts Cottbus vom 11. November 2009 wird dahingehend berichtigt, dass es statt "21. Mai 2010" richtig "21. April 2010" heißt.

Gründe:

Bei dem im Beschluss des Senats aufgeführten Entscheidungsdatum handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit (Schreibfehler) im Sinne von §§ 142, 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Beschluss ist von den Berufsrichterinnen des Senats am 21. April 2010 unterzeichnet und am 22. April 2010 der Geschäftsstelle zur weiteren Ausfertigung übergeben worden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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