Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 44 SB 1670/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 330/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 2009 aufgehoben und der Klägerin unter Beiordnung der Rechtsanwältin Prozesskostenhilfe gewährt. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz –SGG– zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Streitverfahren zum Az. S 44 SB 1670/09, in dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" vorliegen, zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klägerin, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht – auch nicht in Raten – aufbringen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung –ZPO–). Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahren an die Stelle des Verfahrens der Hauptsache treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a.a.O). Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält bzw. – sofern der Tatsachenstoff noch nicht geklärt ist – eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (so BVerfG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Hiernach ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, nämlich dem Tag des Eingangs der vollständigen Unterlagen, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abzusprechen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die Klage nicht bereits mangels Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 78 SGG unzulässig. Nach ihrem Verschlimmerungsantrag vom 2. Februar 2007 beantragte die Klägerin am 10. März 2008 die Zuerkennung des Merkzeichens "B". Beide Anträge lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2008 ab. Obwohl die Klägerin hiergegen ohne Einschränkung Widerspruch eingelegt hatte, beschied der Beklagte sie mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009 lediglich hinsichtlich ihres Verschlimmerungsantrags. Das Fehlen eines Widerspruchsbescheides hinsichtlich des Merkzeichens "B" führt jedoch nicht zu der Unzulässigkeit ihrer Klage, mit der sie dieses Begehren weiterverfolgt. Vielmehr ist das Verfahren analog § 114 Abs. 2 SGG auszusetzen, damit der Widerspruchsbescheid nachgeholt werden kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Rn. 3a zu § 78 SGG). Da angesichts der detaillierten Schilderung der Klägerin, dass sie wegen ihrer Behinderungen öffentliche Verkehrsmittel nicht eigenständig besteigen könne und in fahrenden Verkehrsmitteln einer erhöhten Unfallgefahr durch Stürze und Umkippen ausgesetzt sei, eine Beweiserhebung – nicht zuletzt mangels aktueller Befundberichte – notwendig sein dürfte, ist die Erfolgsaussicht der Klage nicht zu verneinen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz –SGG– zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Streitverfahren zum Az. S 44 SB 1670/09, in dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" vorliegen, zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klägerin, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht – auch nicht in Raten – aufbringen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung –ZPO–). Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahren an die Stelle des Verfahrens der Hauptsache treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a.a.O). Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält bzw. – sofern der Tatsachenstoff noch nicht geklärt ist – eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (so BVerfG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Hiernach ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, nämlich dem Tag des Eingangs der vollständigen Unterlagen, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abzusprechen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die Klage nicht bereits mangels Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 78 SGG unzulässig. Nach ihrem Verschlimmerungsantrag vom 2. Februar 2007 beantragte die Klägerin am 10. März 2008 die Zuerkennung des Merkzeichens "B". Beide Anträge lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2008 ab. Obwohl die Klägerin hiergegen ohne Einschränkung Widerspruch eingelegt hatte, beschied der Beklagte sie mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009 lediglich hinsichtlich ihres Verschlimmerungsantrags. Das Fehlen eines Widerspruchsbescheides hinsichtlich des Merkzeichens "B" führt jedoch nicht zu der Unzulässigkeit ihrer Klage, mit der sie dieses Begehren weiterverfolgt. Vielmehr ist das Verfahren analog § 114 Abs. 2 SGG auszusetzen, damit der Widerspruchsbescheid nachgeholt werden kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Rn. 3a zu § 78 SGG). Da angesichts der detaillierten Schilderung der Klägerin, dass sie wegen ihrer Behinderungen öffentliche Verkehrsmittel nicht eigenständig besteigen könne und in fahrenden Verkehrsmitteln einer erhöhten Unfallgefahr durch Stürze und Umkippen ausgesetzt sei, eine Beweiserhebung – nicht zuletzt mangels aktueller Befundberichte – notwendig sein dürfte, ist die Erfolgsaussicht der Klage nicht zu verneinen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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