L 3 U 257/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 326/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 257/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung von Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. März 2006.

Der 1951 geborene Kläger stürzte am 23. März 2006 während seiner versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer bei einem Recyclingbetrieb aus ca. 2 Meter Höhe von der Ladebordwand eines Lkws auf den Kopf. Er wurde mit dem Notarztwagen in das V Klinikum F gebracht, wo eine an der Stirn von vorne nach hinten verlaufende 6 cm lange Platzwunde festgestellt und versorgt wurde. Außerdem bestand ein Druckschmerz über den Dornfortsätzen der Halswirbelsäule (HWS). Neurologisch fand sich kein Anhalt für ein Hirntrauma. Im Röntgenbild sowie im spinalen Computertomogramm (CT) zeigten sich keine Hinweise für Frakturen oder Luxationen an der HWS, jedoch eine schwere Spondylosteochondrose C4/5 mit deutlicher Uncarthrose (Durchgangsarztbericht (DAB) PD Dr. Z vom 24. März 2006). Am nächsten Tag stellte sich der Kläger bei dem Chirurgen und Durchgangsarzt Dr. P vor, der eine HWS-Distorsion, eine Stauchung beider Schultergelenke, eine große Riss-/Platzwunde an der Stirn, ein Schädel-Hirn-Trauma I°, eine Knieprellung mit Schürfwunde rechts sowie eine Prellung der rechten Hand und des rechten Unterarms diagnostizierte. Äußerlich fanden sich keine Verletzungszeichen an den Schultern. Rechts wurden ein ziehender Schmerz am Schulterdach, eine schmerzhafte Abduktion sowie ein Druckschmerz am lateralen Kapselbereich, links eine mäßig schmerzhafte Abduktion des Arms sowie ein Druckschmerz am Schulterdach angegeben. Der Kläger klagte über Kopfschmerzen und Schwindel. Röntgenbilder des Schädels sowie der Schultern ergaben keinen Frakturnachweis (DAB des Dr. P vom 24. März 2006). Bei der Sonografie der rechten Schulter fand sich eine regelrechte Kontur der Rotatorenmanschette (RM), die Lage der rechten Bizepssehne war ebenfalls regelrecht. Bei der Funktionsprüfung während der Sonografie tauchte die RM regelrecht subacromial ein. Auch die Sonografie der linken Schulter zeigte eine unauffällige Kontur der RM.

In der Magnetresonanztomografie (MRT) der rechten Schulter am 31. März 2006 zeigten sich irreguläre Gelenkflächen im Schultereckgelenk (AC-Gelenk), eine kräftig hypertrophe und ödematöse Kapsel, ein mäßiger Gelenkerguss, ein enger subacromialer Raum, eine langstreckige irreguläre Verdickung und Unschärfe der Supraspinatussehne innerhalb des distalen Ansatzes begleitet von Flüssigkeit, ein unauffälliger Verlauf der Infraspinatusehne, Subscapularissehne sowie der langen Bizepssehne. In der Beurteilung wurden unter anderem ein Teilriss der Supraspinatussehne mit Bursitis subacromialis-deltoidea und in erster Linie posttraumatisch bedingte gelenkflächennahe ödematöse Markraumveränderungen diagnostiziert (MRT-Befund vom 04. April 2006). Bei der Nachuntersuchung durch Dr. P am 05. April 2006 waren die Beschwerden der rechten Schulter gebessert, das aktive Halten des rechten Arms in Abduktion war möglich. Zur Abklärung der Schulterverletzung stellte sich der Kläger sodann am 06. April 2006 im V Klinikum S bei Dr. T vor, der eine arthroskopisch-operative Versorgung der Supraspinatussehnenläsion sowie eine Dekompression des Subacromialraums für indiziert hielt. Deswegen befand sich der Kläger vom 19. April bis zum 25. April 2006 in stationärer Behandlung im V Klinikum S. Am 19. April 2006 erfolgte die arthroskopische Bursektomie am Schultergelenk nebst Erweiterung des subacromialen Raums. Intraoperativ zeigte sich kein Defekt der RM, die Supraspinatussehne war intakt. Die intraoperativ sichtbaren Schäden wurden als degenerativ und nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 23. März 2006 eingestuft (Entlassungsbericht vom 25. April 2006, Operationsbericht vom 19. April 2006). Daraufhin wurde die Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten beendet und zu Lasten der Krankenkasse fortgeführt.

Am 12. Mai 2006 stellte sich der Kläger in der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften B (UBS) vor und wurde von dem Chirurgen Dr. H untersucht. In einer Stellungnahme vom 12. Mai 2006 führte dieser aus, die Riss-/Quetschwunde am Kopf sei folgenlos ausgeheilt. Die vom Versicherten geklagte Beschwerdesymptomatik mit Kopfschmerzen begründe sich aus einer bestehenden HWS-Symptomatik. Im Rahmen der primären CT-Untersuchung sei eine Unfallschädigung der HWS ausgeschlossen worden. Unter Berücksichtigung des MRT-Befundes und nach nochmaliger Durchsicht der Bildserien sei eine Unfallschädigung der RM, auch unter Berücksichtigung des gesamten Beschwerdeablaufs, nicht nachvollziehbar, insbesondere nicht ein posttraumatisches Impingement. Arthroskopisch seien keine Unfallfolgen gefunden wurden. Primär habe aber sehr wohl eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bestanden wegen einer Kontusion der Schulter bei Vorschaden bzw. bestehender Schadensanlage. Auch die stationäre und operative Behandlung zur Klärung der Diagnose sei noch unfallbedingt.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 bat der Kläger um Überprüfung der Anerkennung des Arbeitsunfalls, da er immer noch unter schmerzhaften Bewegungseinschränkungen leide. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 24. Mai 2006 mit, es spreche nichts gegen die Anerkennung des Unfalls vom 23. März 2006 als Arbeitsunfall. Die erlittene Riss-/Quetschwunde am Kopf sei folgenlos ausgeheilt. Die im CT zu sehenden Veränderungen im Segment C4/5 seien als unfallfremd einzustufen. Dr. H habe in seinem Bericht ausführlich erläutert, dass kein Zusammenhang zwischen der Impingementsymptomatik an der rechten Schulter und dem Unfall bestehe. Unter Berücksichtigung eines bestehenden Vorschadens sei die unfallbedingte Behandlung bis zum Abschluss des stationären Aufenthaltes, also bis einschließlich 25. April 2006 anerkannt. Die darüber hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei über die Krankenkasse abzurechnen. Die sei auch von dem behandelnden Arzt Dr. T so gesehen worden. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Auf ein Schreiben der damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 09. Juni 2006 wertete die Beklagten ihr Schreiben vom 24. Mai 2006 als ablehnenden Verwaltungsakt und das Schreiben der Bevollmächtigten als Widerspruch hiergegen.

Am 12. September 2006 wurde erneut ein MRT der rechten Schulter gefertigt. Hierbei fand sich unter anderem eine Verdickung und Signalanhebung der Supraspinatussehne im ventralen Bereich. Hauptbefund war laut der Beurteilung im Befund vom 14. September 2006 eine massive AC-Gelenkdegeneration mit Ergussbildung, Kapselhypertrophie und relativem Impingement. Außerdem wurde eine deutliche Tendinitis der Supraspinatussehne befundet, zarte Einrisse wurden nicht ausgeschlossen. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Unfallchirurgie Dr. S. In seinem Gutachten vom 24. Juli 2007 stellte er als Unfallfolgen unter Verwertung eines radiologischen Gutachtens des Dr. R vom 20. Juli 2007 einen Zustand nach Kopfverletzung mit Kopfplatzwunde links parietal, einen Zustand nach HWS-Zerrung sowie einen Zustand nach Stauchung beider Schultergelenke, rechts stärker als links, fest. Unfallunabhängig lägen ein chronisches Impingement der rechten Schulter mit Frozen shoulder/Painful arc, ein arterieller Hypertonus sowie eine AC-Gelenkarthrose rechts vor. Der Kläger legte noch ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. G vom 29. Oktober 2007 vor, in dem dieser ein erneutes MRT der rechten Schulter mit Nachtuntersuchung empfahl. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24. Mai 2006 zurück. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit seien als unfallbedingt anzuerkennen, solange sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf arbeitsunfallbedingte Körperschäden zurückzuführen seien. Aufgrund der schlüssigen, überzeugenden und im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Dres. T, H und S sei davon auszugehen, dass eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit/Arbeitsunfähigkeit lediglich bis zum 25. April 2006 bestanden habe und darüber hinaus die Gewährung von Entschädigungsleistungen nicht zu begründen sei. Die Veranlassung eines erneuten MRT mit Nachuntersuchung sei daher entbehrlich gewesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente begehrt. Er hat darauf hingewiesen, dass er nicht auf das Gesicht, sondern kopfüber auf die Schädeldecke gefallen sei.

Das SG hat den Orthopäden Dr. W-R mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 24. Juli 2008 ist dieser nach einer Untersuchung des Klägers am selben Tag zu dem Schluss gelangt, bei dem Kläger bestünden folgende Gesundheitsstörungen: Zustand nach subacromialer Dekompression rechte Schulter mit leichten bis partiellen Bewegungsstörungen, AC-Gelenksarthrose rechts mehr als links, chronisch RM-Degeneration beidseits mit mittelgradigen Bewegungseinschränkungen bei hochgradiger Spondylitis hyperostotica der gesamten HWS. Die bei dem Arbeitsunfall erlittenen Prellungen des rechten Unterarms, des rechten Knies und der HWS seien folgenlos verheilt. Die vorgetragenen Cervicocephalgien und Bewegungseinschränkungen der HWS seien nicht unfallbedingt. Zeitnah durchgeführte Bilddiagnostiken wie ein CT der HWS schlössen Unfallschäden aus. Eine Substanzschädigung an Bandscheiben und Knochengewebe sei somit nicht eingetreten. Die radiologischen Befunde ergäben gravierende anlagebedingte Veränderungen der HWS mit massiven osteophytären Verblockungen. Das radiologische Bild entspreche dem anlagebedingten Krankheitsbild einer Spondylitis hyperostotica. Unfalleinflüsse spielten bei diesem Krankheitsbild keine Rolle. Bewegungsstörungen und die damit verbundenen Reaktionen an der angrenzenden Muskulatur mit Abstrahlung in die Hinterhauptregion könnten zur Genüge durch diese unfallfremde Erkrankung erklärt werden. Die anhaltenden Schulterschmerzen mit Bewegungsdefiziten auf der rechten Seite seien ebenfalls keine Unfallfolge. Eine traumatisch bedingte Schädigung der Muskelmanschette an der Schulter müsse in einem hohen Maße glaubhaft gemacht werden gegenüber den ohnehin häufig vorkommenden, schicksalhaften degenerativen Veränderungen, insbesondere innerhalb des 5. und 6. Lebensjahrzehnts. Gegen eine hier aufgrund des Unfalls erlittene RM-Läsion spreche das Fehlen eines spontanen Funktionsausfalls unmittelbar nach dem Unfall, das Fehlen knöcherner Begleitverletzungen, der fehlende Nachweis eines RM-Schadens in der Sonografie einen Tag nach dem Unfall und zwar auch unter funktioneller Kontrolle, das Fehlen von Umgebungsödemen im MRT vom 31. März 2006 sowie der operative Eindruck einer intakten RM. Eine RM-Läsion nach dem Unfall sei daher nicht gesichert. Selbst wenn man davon ausginge, dass es trotz der Ausführungen des Operateurs und der Sonografieuntersuchung zu einer Partialläsion der Supraspinatussehne gekommen sei, sei die Biomechanik des Unfalls nach der unfallmedizinischen Standardliteratur nicht geeignet gewesen, einen isolierten traumatischen Supraspinatussehnenriss hervorzurufen. Einen solchen isolierten Riss gebe es nicht, in Frage komme allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache. Geeignet seien Abläufe, bei denen es zu einer starken Zugbelastung der Sehne komme. Dies sei bei dem hier erfolgten Sturz nicht der Fall gewesen. Es fänden sich vielmehr deutliche Hinweise für eine degenerativ vorgeschädigte Schulterregion: der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt 54 Jahre alt gewesen, betroffen gewesen sei der Gebrauchsarm, die schicksalhafte RM-Degeneration betreffe häufiger Männer als Frauen, die Gegenseite sei ebenfalls von Veränderungen i. S. v. Abnutzungserscheinungen des AC-Gelenks betroffen und morphologisch seien erhebliche Veränderungen am rechten AC-Gelenk nachgewiesen.

Im Anschluss daran hat das SG nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres orthopädisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S eingeholt. In dem am 27. Mai 2009 nach einer Untersuchung des Klägers am 09. Februar 2009 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Schluss gekommen, es ließen sich keine Unfallfolgen mehr feststellen, insbesondere nicht im Bereich des rechten Schultergelenks. Durch die arthroskopische Darstellung des rechten Schultergelenks könne eindeutig belegt werden, dass es weder zu Bruchverletzungen der knöchernen Strukturen, Rissverletzungen der Weichteilstrukturen noch Rissverletzungen der Sehnen und Muskeln der RM gekommen sei. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Unfall vom 23. März 2006 zu einer Prellverletzung des Schädels mit Platzwunde, einer Zerrung der Nackenmuskulatur, einer Prellverletzung des Schultergelenks sowie einer Hand- und Knieprellung rechts geführt habe. Diese Gesundheitsstörungen seien sämtlich ausgeheilt.

Das SG hat die auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2009 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. W-R gestützt.

In seiner Berufung verweist der Kläger darauf, dass inzwischen eine RM-Ruptur rechts gesichert und operiert worden sei. Dies belege, dass es bei dem Unfall zu einer RM-Ruptur gekommen sei. Bisher sie dies nicht eindeutig diagnostiziert worden. Er legt hierzu einen Arztbrief des Chirurgen Dr. D vom 26. August 2009 nebst Operationskurzprotokoll vom 07. September 2009 und den Entlassungsbericht der Schlosspark-Klinik vom 08. September 2009 vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2009 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2008 zu ändern und festzustellen, dass es sich bei der Supraspinatussehnenruptur rechts um eine Folge des Arbeitsunfalls vom 23. März 2006 handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat den Operationsbericht vom 07. September 2009 von der S-Klinik beigezogen. Aus den Unterlagen ergeben sich ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter sowie eine Typ I Komplettruptur ungefähr in der Mitte der Supraspinatussehne. Ein histologischer Befund ist laut Mitteilung der Klinik von November 2009 nicht erhoben worden. Außerdem hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. W-Ra eingeholt. Auf den Inhalt der Stellungnahme vom 10. März 2010 wird Bezug genommen.

Durch Beschluss des Senats vom 18. März 2010 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Ruptur der Supraspinatussehne rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 23. März 2006.

Soweit der Kläger ursprünglich die Gewährung einer Verletztenrente begehrt hatte, konnte hierüber nicht in zulässiger Weise entschieden werden, denn es fehlt an einer diesbezüglichen anfechtbaren Verwaltungsentscheidung. Weder das als Verwaltungsakt i. S. d. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auszulegende Schreiben der Beklagten vom 24. Mai 2006 noch der Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2008 enthalten eine Regelung zur Frage der Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die nunmehr verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).

Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteile vom 12. Dezember 2006 – B 2 U 1/06 R - und 04. September 2007 - B 2 U 28/06 R -, jeweils in Juris und m. w. N.).

Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben. Der ursächliche Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist dagegen nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen, so dass hierfür grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. hierzu Urteile des BSG in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N., SozR 2200 § 551 Nr. 1 und SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG in Breithaupt 1963, 60, 61). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestands nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale.

Unstreitig hat der Kläger am 23. März 2006 während seiner versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall erlitten und sich hierbei als Körperschäden eine Schädelprellung mit Riss-/Platzwunde am Kopf, eine Distorsion der HWS und Prellungen des rechten Knies, der rechten Schulter, des rechten Unterarms, der rechten Hand sowie der linken Schulter zugezogen. Diese Unfallfolgen sind nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. H und Dr. S (noch im Verwaltungsverfahren) sowie des Dr. W-R und Prof. Dr. S folgenlos ausgeheilt.

Die beim Kläger inzwischen aufgetretene Supraspinatussehnenruptur rechts ist hingegen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 23. März 2006 zurückzuführen. Ein Kausalzusammenhang ist nicht hinreichend wahrscheinlich, wie der gerichtliche Sachverständige Dr. W-R nachvollziehbar dargelegt hat. Eine Supraspinatussehnenruptur in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis ist nicht nachgewiesen, vielmehr sogar durch den intraoperativen Befund vom 19. April 2006 ausgeschlossen. Dieser intraoperative Befund hat die Beurteilung des Radiologien Dr. K in dem MRT-Befund vom 04. April 2006 (Untersuchung am 31. März 2006) widerlegt. Das spätere MRT vom 12. September 2006 (Befund vom 14. September 2006) belegt ebenfalls keine Ruptur oder Läsion der Supraspinatussehne. In dem Befund werden lediglich zarte Einrisse nicht ausgeschlossen. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang der im Jahr 2009 festgestellten Supraspinatussehnenruptur mit dem Arbeitsunfall vom 23. März 2006 spricht bereits der lange zeitliche Abstand zum Arbeitsunfall. Wie Dr. W-R in seiner Stellungnahme vom 10. März 2010 aufgezeigt hat, lässt sich das Eintreten einer solchen Ruptur mit einer durch das Lebensalter und die bestehende AC-Gelenkarthrose mit Impingement eingetretenen Degeneration des Sehnengewebes erklären.

Außerdem sprechen die überwiegenden Umstände gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen der Supraspinatussehnenruptur (=RM-Läsion) und dem Unfall vom 23. März 2006. Dies ist von dem Sachverständigen in seinem Gutachten vom 24. Juli 2008 sowie in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. März 2010 ausführlich und überzeugend dargestellt worden. Seine Überlegungen stimmen mit den Ausführungen in der unfallmedizinischen Literatur überein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage 2010, Anmerkung 8.2.5. bis 8.2.5.7.; Hansis und Mehrhoff "Rupturen der Rotatorenmanschette – traumatische und nichttraumatische Zusammenhangstrennungen" in Die BG Februar 2000, Seite 98 ff; Rompe/Erlenkämper in Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 5. A. 2009, S. 452 ff.). Der Senat hat daher keine Bedenken, den schlüssigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu folgen, zumal es auch an ausreichenden Nachweisen einer für einen Sehnenriss geeigneten frischen Gewalteinwirkung auf die rechte Schulter durch den Sturz fehlt. Im Rahmen der Erstuntersuchung sowie der nachfolgenden Untersuchung durch Dr. P waren keine direkten Weichteilverletzungen, Verschwellungen, Hautabschürfungen, Prellmarken oder Hämatome als Verletzungszeichen im Bereich der rechten Schulter erkennbar.

Auch der vom Kläger benannte weitere orthopädische Sachverständige Prof. Dr. S stützt mit seinem Gutachten vom 27. Mai 2009 die Auffassung des Klägers nicht.

Soweit der Kläger betont, dass er bei dem Sturz nicht auf die Stirn, sondern auf die Schädeldecke gefallen sei und eine große Risswunde oben auf dem Kopf erlitten habe, was zu einer Stauchung insgesamt geführt habe, ändert dies nichts an der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs. Nach wie vor ist eine Läsion der Supraspinatussehne in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis durch den intraoperativen Befund vom 19. April 2006 eindeutig widerlegt. Darüber hinaus stellt auch eine axiale Stauchung der Wirbelsäule bzw. des Körpers keinen geeigneten Unfallmechanismus i. S. einer Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne des Supraspinatus dar (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin Anm. 8.2.5.2).

Der Kläger kann sich auch nicht – worauf schon das SG hingewiesen hat – auf das Gutachten des Dr. G berufen. Dieser stellt keinerlei konkrete Überlegungen zur Biomechanik des Arbeitsunfalls vom 23. März 2006 an. Auch ist es nicht nachvollziehbar, wieso er die Bedeutung eines intraoperativen Befundes der einer MRT-Untersuchung unterordnet.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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