L 3 U 78/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 15 U 164/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 78/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. November 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Lärmschwerhörigkeit –.

Der 1949 geborene Kläger war bis März 2008 im Beitrittsgebiet tätig. Nach seinen ersten Angaben im Verwaltungsverfahren durchlief er von 1964 bis zum 31. August 1967 eine Maurerlehre und war danach bis zum Jahr 2000 in seinem Beruf tätig. Am 11. November 1999 erstatteten die Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. W/S. G eine ärztliche Anzeige über eine BK. Bei dem Kläger liege eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits vor, die der Kläger auf Baulärm zurückführe. Dem Antrag beifügt waren Audiogramme vom 02. Juli 1991 und 13. Oktober 1998 sowie ein Untersuchungsbogen "Lärm III" vom 25. Oktober 1999. Nach Auswertung dieser Unterlagen stellte Dr. J vom Arbeitsmedizinischen Dienst B am 14. Dezember 1999 fest, es bestehe eine lärmatypische pancochleäre Innenohrschwerhörigkeit (nach dem Tonaudiogramm vom 02. Juli 1991 früher apikocochleär) und empfahl eine Begutachtung. Der Kläger wurde zunächst zu den Einzelheiten seiner Tätigkeit befragt. Er führte aus, von 1968 bis 1972 und von 1983 bis 1990 Arbeiten als Maurer und Monteur im Mon-tagebau mit Fertigteilen aus Beton-Holz-Stahl und Stahlbeton verrichtet zu haben. Von 1973 bis 1982 und 1991 bis 1999 habe er im Landwirtschafts- und Industriebau Erdarbeiten, Schalungsarbeiten (Bewehrungsbau), Arbeiten im Beton- und Betonstraßenbau sowie Stahlbetonbau verrichtet. Er gab die dabei jeweils verwendeten Maschinen und deren Typen an. Er sei seit seiner Lehrzeit vom 01. September 1964 an bis jetzt immer bei demselben Unternehmer beschäftigt gewesen, nur dessen Firmenname habe sich mehrfach geändert (Angaben vom 03. Januar 2000). Der Arbeitgeber des Klägers, die Firma Hoch-, Tief- und Straßenbau GmbH & Co. KG S, gab in ihrer Auskunft vom 17. Januar 2000 als Lärmquellen den allgemeinen Baustellenlärm, einen unstetigen Einsatz bedingt durch die erforderlichen Arbeiten, Bohrmaschinen, Bohrhämmer, Winkelschleifer, Trennsägen, eventuell Bagger oder LKW auf der Baustelle an. Die Beklagte holte außerdem einen Bericht der Ärztin S vom 20. Januar 2000 ein, nach der sie den Kläger 1997 erstmals wegen einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit behandelt habe. Sie verordnete dem Kläger Hörgeräte beidseits. In dem Bericht ist eine familiäre Otosklerose angegeben. Außerdem zog die Beklagte ein Audiogramm des Hörgeräteakustikers Dr. H Hörakustik GmbH vom 10. Januar 1997 und die medizinischen Unterlagen aus dem ehemaligen Betriebsgesundheitswesen H bei. In den Grunduntersuchungsbögen vom 27. Oktober 1988 und 10. Juli 1986 wurde als ausgeübte Tätigkeit die eines Baufacharbeiters angegeben und bei der Be-rufsvorgeschichte die Frage nach Lärm verneint. Als Hauptdiagnosen wurden jeweils eine Innenohrschwerhörigkeit und am 27. Oktober 1988 zusätzlich eine Hypertonie angegeben. Bei der arbeitsmedizinischen Tauglichkeits- und Überwachungsuntersuchung am 27. Oktober 1988 ergab sich ein beidseits reduziertes Gehör.

Der Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten führte in einer Stellungnahme vom 17. Februar 2000 aus, der Kläger sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während seiner beruflichen Tätigkeit einem Beurteilungspegel von 83 dB in der Zeit als Maurer vom 01. September 1964 bis zum 31. Dezember 1968, von 81 dB in der Zeit als Maurer vom 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1972, von 88 dB in der Zeit als Betonierer vom 01. Januar 1973 bis zum 31. Dezember 1990 und von 89 dB in der Zeit vom 01. Januar 1991 bis zum 17. Februar 2000 ausgesetzt gewesen.

Die Beklagte veranlasste dann eine Hals-Nasen-Ohrenärztliche Begutachtung durch Dr. R, der in seinem Gutachten vom 18. März 2000 die Diagnose einer Innenohrschwerhörigkeit beidseits bestätigte und zu dem Ergebnis gelangte, der Schrägabfall der Tonschwellenkurven und der weitgehende symmetrische Kurvenverlauf, das lang-same Fortschreiten der Hörstörung beiderseits bei vorhandener Lärmarbeit sowie das positive Recruitment sprächen für das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit beiderseits. Für nicht lärmbedingte Faktoren der Schwerhörigkeit hätten sich keine entschei-denden Hinweise gefunden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde mit 20 v. H. ab dem 02. Juli 1991 und mit 30 v. H. ab dem 10. Januar 1997 eingeschätzt. Nach diesem Zeitpunkt habe sich das Schwellengehör nicht wesentlich verschlechtert. Dr. J konnte in ihrer Stellungnahme vom 18. April 2000 dem Gutachten und der MdE- Einschätzung des Gutachters nicht zustimmen. Der Empfehlung der beratenden Ärztin folgend beauftragte die Beklagte den Hals-Nasen-Ohrenarzt Prof. Dr. N mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens nach Ak-tenlage. Der Gutachter kam in seinem Gutachten vom 09. Mai 2000 zu dem Ergebnis, die Tonschwellenkurve bei dem Kläger sei für einen Lärmschaden derart atypisch, dass es allein schon dadurch praktisch auszuschließen sei, dass Lärm die alleinige Ursache für die Schwerhörigkeit sei. Bei näherer Betrachtung sei auch die Tatsache, dass nur sieben Jahre nach Beginn der Lärmarbeit schon eine merkliche Schwerhörigkeit bestanden habe, bei den genannten Expositionspegeln äußerst ungewöhnlich. Demnach dürfte Lärm nicht die alleinige Ursache der Schwerhörigkeit sein. Dr. R habe zwar den Lärm als die wesentliche Ursache der Schwerhörigkeit angesehen, er sei bei seiner Beurteilung aber nicht auf den lärmatypischen Abfall auch der tieferen Frequenzen eingegangen. Geklärt werden müsse noch die Frage der Otosklerose und die von Dr. R ungewöhnliche MdE- Bewertung mit 30 v. H., die korrekt nach dem gewichteten Sprachaudiogramm angegeben worden sei. Dr. J (Stellungnahme vom 16. Juni 2000) und der Gewerbearzt Dr. K (Stellungnahme vom 22. Juni 2000) empfahlen der Beklagten, die BK Nr. 2301 nicht anzuerkennen. Auf Nachfrage erklärte die Ärztin S am 13. Juli 2000, die familiäre Belastung mit einer Otosklerose sei ihr als Nachbarin der verstorbenen Mutter des Klägers und der Schwester bekannt. Eine BK-Meldung sei durch sie nicht erfolgt, da der Kläger als Maurer keinem Lärm ausgesetzt gewesen sei und die familiären Belastungen nach eigenen Angaben bekannt gewesen seien.

In einer weiteren Stellungnahme vom 07. August 2000 führte der TAD aus, die Angaben zur Lärmbelastung seien anhand der Schilderung des Klägers erfolgt. Die Angaben seien überprüft worden und ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Arbeitgebers, Herrn W, am 04. August 2000 habe ergeben, dass der Kläger von 1967 bis 1990 in das Berufsbild des Maurers einzustufen sei. Hierzu zählten auch Nebentätigkeiten wie z. B. kleine Stemmarbeiten, Beton mischen und Beton verarbeiten, die aber insgesamt gesehen aufgrund der kurzen Einsatzzeiten in das Berufsbild des Maurers zu integrieren seien. Von 1991 bis jetzt, so der Geschäftsführer, sei der Kläger der Straßenbauabteilung zugeordnet worden. Zu ca. 20 % seien von ihm hier Straßenvorbereitungsarbeiten ausgeführt worden, ansonsten zähle ausschließlich wieder das Berufsbild des Maurers.

In einer weiteren gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 09. Oktober 2000 ist Dr. K bei seiner Auffassung geblieben, er empfahl weiterhin nicht die Anerkennung der BK Nr. 2301. Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung wegen einer Lärmschwerhörigkeit nach BK Nr. 2301 der BKV mit Bescheid vom 07. November 2000 ab. Die schon 1980 (gemeint wohl:1986 ) erstmalig diagnostizierte beiderseitige Hörstörung, die lärmatypischen Hörkurvenverläufe, die Hörverluste bei 1 kHz und im Tieftonbereich sowie der nur geringe Abstand zwischen den Diskriminationskurven für Zahlen und Einsilber schlössen bei einer ab 1991 nur gelegentlich schädigenden Lärmexposition bei Straßenbauarbeiten die berufliche Tätigkeit als rechtlich wesentliche Bedingung für das Entstehen der Innenohrschwerhörigkeit aus. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, überwiegend im Landwirtschafts- und Industriebau tätig gewesen zu sein. Die klassische Tätigkeit als Maurer mit Hammer, Kelle und Wasserwaage habe in seiner gesamten Tätigkeit nur einen geringen Zeitraum umfasst. Überwiegend habe er mit Maschinen, Geräten und Technik gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine relevante berufliche Lärmexposition, d. h. Lärm von mehr als 85 dB, habe lediglich ab dem 01. Januar 1991 vorgelegen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit als Maurer und der Hörstörung habe nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen sowie der eingeholten Hals-Nasen-Ohrenärztlichen Gutachten nicht festgestellt werden können.

Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Cottbus erhoben. Im Wesentlichen habe die Beklagte ihre Entscheidung auf Angaben des langjährigen Arbeitgebers sowie einer Stellungnahme des TAD vom 07. August 2000 gestützt. Beide Grundlagen seien jedoch falsch. Zu der von ihm ausgeübten Tätigkeit seit 1968 hat der Kläger auf eine ausführliche Aufstellung der einzelnen Arbeiten, Arbeitgeber, Arbeitsorte und Zeiten vom 26. Februar 2001 verwiesen. Auf die Einzelheiten der Aufstellung wird Bezug genommen. Die Aufstellung enthält einen handschriftlichen Zusatz des Herrn W vom 27. Februar 2001, in der er den zeitlichen Ablauf der Arbeiten sowie die angefallenen Arbeiten, die dort genannt worden seien, bestätigt.

Das Sozialgericht hat zunächst einen Befundbericht von Dr. R vom 28. März 2002, bei dem sich der Kläger nach der Gutachtenerstellung im März 2000 in Behandlung begeben hat, und der Ärztin S vom 04. April 2002 beigezogen. Dr. R hat als Befund angegeben, im März 2000 sei eine cochleobasale Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits mit Hörverlust auch in den tiefen Frequenzen festgestellt worden. Im Januar 2002 sei eine an Taubheit grenzende pancochleäre Schwerhörigkeit links registriert worden. Rechts habe der Tonschwellenkurvenverlauf in etwa der Kurve des Voraudiogramms im Jahr 2000 entsprochen. Die BERA zeige keine Hinweise für eine retrocochleäre Schädigung beiderseits. Dann hat das Sozialgericht Dr. E, Chefarzt der HNO-Klinik am C Klinikum C, mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 29. Oktober 2002 festgestellt, bei dem Kläger lägen keine Erkrankungen auf HNO-fachärztlichem Gebiet vor, die wahrscheinlich ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Das Ausmaß der Hörminderung in Verbindung mit der Lärmintensität und der Expositionszeit am Arbeitsplatz sprächen deutlich dagegen, dass die vorliegende Schwerhörigkeit berufsbedingt sei. Ein in seiner Aussagekraft gering valide einzustufendes Audiogramm weise schon für das Jahr 1991 beidseitige Hörstörungen nach. Sicher und in den Kontext anderer Audiogram-me einfügbar bestehe seit 1997 eine beidseitig fortgeschrittene Schwerhörigkeit. Das Ausmaß der linksseitigen Schwerhörigkeit sei überlagert von den Auswirkungen eines Hörsturzes, der zum Jahreswechsel 2001/2002 aufgetreten sei. Bei der rechtsseitigen Schwerhörigkeit, die bis zum Jahr 2000 symmetrisch auch auf der linken Seite vorhanden gewesen sei, könne angenommen werden, dass es sich hier um eine heriditäre (erbliche), möglicherweise konstitutionell bedingte Schwerhörigkeit handele. Die Aussage der Hausärztin deute darauf hin, dass auch die Mutter des Klägers vorzeitig Höreinbußen aufgewiesen habe. Das Vorliegen einer Otosklerose halte er jedoch für höchst unwahrscheinlich, da zu keinem Zeitpunkt nennenswerte Schallleitungskomponenten im Tonschwellenaudiogramm aufgetreten seien. Gerade die Ausprägung einer Mittelohrschwerhörigkeit sei jedoch in der Regel das Leitsymptom einer Otosklerose. Die jetzt nicht ableitbaren Stapediusreflexe erklärten sich aus dem hohen Ausmaß der vorhandenen Schwerhörigkeit. Sie gäben weniger Auskunft über eine even-tuell vorhandene Pathologie im Mittelohrraum. Es sei davon auszugehen, dass beim Kläger endogene Degenerationsprozesse der Haarsinneszellen, die unabhängig von der beruflichen Tätigkeit einträten, die Hauptursache für das Eintreten der Schwerhörigkeit darstellten. Die Voraussetzungen einer BK Nr. 2301 lägen nicht vor. Bei Anerkennung einer BK müsse die MdE auf 30 v. H. geschätzt werden.

Gegen das Gutachten hat der Kläger eingewandt, in der Berufsanamnese fehlten die Montagebauzeiten von insgesamt 15 Jahren. Dies habe der TAD nicht berücksichtigt, obwohl diese Tätigkeit besonders lärmintensiv gewesen sei. Er habe unmittelbar neben den dabei verwendeten Maschinen, dem Kran T 157 mit 107 dB sowie neben einem Autokran ADK 5 mit über 100 dB gestanden. Er sei ständig im Straßenbau tätig gewesen. Dies habe 45 % seines Arbeitslebens ausgemacht und sei nicht berücksichtigt worden. Auf die weiteren detaillierten Angaben des Klägers zu seiner beruflichen Lärmbelastung vom 05. Januar 2003 wird Bezug genommen.

Auf Aufforderung des Gerichts hat der Kläger unter dem 18. Mai 2003 eine weitere ausführliche Darstellung seiner beruflichen Tätigkeit abgegeben. Sie enthält einen Zusatz seines Arbeitgebers vom 19. Mai 2003, wonach nach heutigem Erkenntnisstand die Angaben des Klägers, mit welchen Geräten er auf Baustellen in mittelbarer bzw. unmittelbarer Weise zu tun gehabt habe, bestätigt würden. Die dB-Werte dagegen würden wegen fehlender Messwerte durch seine Firma nicht bestätigt. Außerdem hat der Kläger eine Aufstellung über die in der Bau- und Baustoffindustrie verwendeten Maschinen einschließlich deren Lärmpegel und der Randbedingungen vorgelegt.

Dazu hat der TAD mit Schreiben vom 15. Juli 2003 und 03. Dezember 2003 erneut Stellung genommen. Die Berechnung der Lärmexposition des Klägers sei unter Berücksichtigung der Mischtätigkeiten als Maurer bzw. Montagearbeiter und der von ihm genannten Geräte und Arbeitsmittel bei der Berechnung der Tagesbeurteilungsdosis entsprechend korrigiert worden. Es habe sich ein Beurteilungspegel von mehr als 85 dB ergeben. Keine Berücksichtigung habe der Hinweis des Klägers gefunden, dass die tägliche Arbeitszeit mehr als acht Stunden betragen habe. Der Tagesbeurteilungspegel werde unter Zugrundelegung eines Acht-Stunden-Tages berechnet. Konkret hat der TAD für die Tätigkeit als Straßenbauer eine Lärmexposition von 89,3 dB (Einwirkungsanteil 60 %), bei der Bedienung von Druckluftgeräten von 92 dB (Einwirkungs-anteil 1%), Vibrationsplatten (Flachrüttler) Wacker, DVPN 75, von 101 dB (10 % Ein-wirkungsanteil) und als Betondeckenbauer von 93,4 dB (Einwirkungsanteil von 29 %) zugrunde gelegt. Die Aussage des Klägers, er sei seit 1968 einem täglichen Beurteilungspegel von mindestens 94 dB ausgesetzt gewesen, halte er, der TAD, nicht für möglich. Der Kläger habe die verschiedenen Arbeitsgeräte und Maschinen beschrieben, in deren Nähe er im Umkreis von bis zu sechs Metern gearbeitet bzw. mit denen er eigenhändig Umgang gehabt habe. Laut dem anliegenden Kataster der DDR werde der T 157 mit 93 dB, der Traktor ZT 300 mit einem Beurteilungspegel von 91 dB und der Dumper Typ Picco mit 87 dB angegeben, gemessen jeweils am Ohr. Die Angaben des Klägers zum Schallpegel bestimmter Maschinen und Geräte seien nachweislich nicht korrekt.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 20. Februar 2004 hat Dr. E ausgeführt, nach dem nunmehr berechneten Beurteilungspegel spreche mehr für als gegen eine Lärmschwerhörigkeit. Nach der neuen Datensituation sei aber noch kein Beweis dafür eingetreten, dass der Lärm als alleiniger Verursacher der Hörstörung anzusehen sei. Dazu hat die Beklagte eine Stellungnahme von Prof. Dr. N vom 30. März 2004 vorgelegt, der darauf hingewiesen hat, dass die Tonschwellenkurve nach wie vor nicht mit einem Lärmschaden zu vereinbaren sei. Sie passe auch gut zu einer endogenen Schwerhörigkeit. Der Kläger hat schließlich ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Dipl. Ing. R J vom 04. Mai 2004 zur Ermittlung von beruflichen Lärmeinwirkungen im Rahmen einer Lärmexpositionsanalyse vorgelegt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, die unter Berücksichtigung des Dosisprinzips für den Zeitraum vom 01. August 1967 bis zum 31. Dezember 1990 von ihm durchgeführte Lärmexpositionsanalyse ergebe einen mittleren Beurteilungspegel von 97,8 dB. Der Kläger sei in dem gegebenen Untersuchungszeitraum 280 Monate im Lärm beschäftigt gewesen. Der Beurteilungspegel zur Vermeidung von lärmbedingten Hörschäden von 85 dB sei in dieser Zeit ständig überschritten worden. Der wesentliche Ergebnisunterschied begründe sich aus dem zeitlichen Ansatz des Berufsbildes einer Rohbaumontage (150 von 280 Monaten Einsatzzeit) und dem damit verbundenen DDR-spezifischen Einsatz von hochgradig lärmemitierenden Baumaschinen. Besonders genannt sei hier der Lader T 157. Selbst bei einer Nichtbeachtung aller weiteren Arbeitsprozesse wäre ein Beurteilungsergebnis von weniger als 95 dB nicht nachweisbar, was den primären Einfluss des bei bisherigen Ermittlungen vernachlässigten Berufsbildes der Rohbaumontage verdeutliche.

Das Sozialgericht hat eine weitere Stellungnahme von Dr. E vom 05. Juli 2004 eingeholt in der er bei seiner Auffassung verblieben ist. Die Beklagte hat dazu eine erneute Stellungnahme von Prof. Dr. N vom 20. August 2004 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, selbst wenn die Lärmbelastung von knapp 98 dB über 23 Jahre bestanden haben solle, könne man zwar als seltene Ausnahme die jetzige Schwerhörigkeit als Folge der Lärmposition ansehen, nicht aber die Kurve von Juli 1991 und auch nicht die Kurve vom 13. Oktober 1998. In beiden Fällen und auch in der Kurve von Oktober 1999 zeige sich ein Maximum des Tonschwellenverlustes bei 2 kHz und ein – wenn auch in 1998 und 1999 nur leichter – Wiederanstieg zu den höheren Frequenzen. Dies sei ein Bild, wie es bei einer Lärmschwerhörigkeit sicher nicht vorkomme. Wenn die tatsächliche Lärmexposition bei Beurteilungspegeln um oder dicht oberhalb von 90 dB gelegen habe, dann seien auch die später gemessenen Kurven nicht mit Lärm zu erklären.

Außerdem hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme des TAD vom 22. November 2004 zu dem Gutachten des Dipl. Ing. J vorgelegt. Danach sei die durch Dipl. Ing. J erstellte Lärmexpositionsanalyse zwar mathematisch korrekt. Allerdings werde zu den fachlichen Ansätzen der Lärmexpositionsanalyse festgestellt, dass die Addition lärmintensiver Tätigkeiten, bei denen der Umgang mit lärmintensiven Geräten bereits eingerechnet worden sei, mit zusätzlichen Geräten und Fahrzeugen nicht korrekt sei. Herr J habe die Angaben des Klägers zugrunde gelegt, ohne zu hinterfragen, um welche Bauobjektive es sich tatsächlich gehandelt habe, z. B. das Arbeiten in geschlossenen Räumen, Rohbaumontagearbeiten usw. Nach dem errechneten mittleren Beurteilungspegel von 99,6 dB handele es sich bei den Lärmdaten für den ADK 63 und den T 175 um Kabinenmesswerte. Der Pegel für den Kabinenarbeitsplatz könne aber nicht gleichgesetzt werden mit einem Arbeitsplatz außerhalb der Kabine bzw. in der Umgebung. Der Kläger habe diese Geräte zudem nicht selbst bedient, sondern in der Umgebung gearbeitet. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Schall mit der Entfernung abnehme, so dass für den Kläger als Anschläger oder Monteur niemals der gleiche Pegel zugrunde gelegt werden könne wie beim Baumaschinisten, der die Maschine bediene. Der im Gutachten zum Betondeckenbau errechnete Mittelungspegel von 91 dB sei nicht zu berücksichtigen, denn im Berufsbild des Betonbauers sei das Arbeiten mit Flaschenrüttlern etc. bereits enthalten, so dass ein Zuschlag nicht zu rechtfertigen sei. Auch die Arbeit in geschlossenen Räumen als Tiefbauer sei bei der Berechnung ergänzend einbezogen worden. In dem Gespräch mit dem Kläger habe sich ergeben, dass es sich dabei um Arbeiten in größeren, zum Teil offenen Hallen (Landwirtschaftsbauten) gehandelt habe. Der Kläger sei nach den Angaben seines Arbeitgebers sowohl lärmgefährdend tätig gewesen als auch in Bereichen beschäftigt gewesen, in denen er keinem Lärm ausgesetzt gewesen sei. Es sei deshalb für die Zeit von 1967 bis 1991 unter Berücksichtigung der ergänzenden Angaben des Klägers und der seines Arbeitgebers nochmals eine Berechnung durchgeführt worden. In dem Zeitraum von 1967 bis 1972 ergebe sich eine Lärmbelastung von 90 dB, von 1973 bis 1981 von 89 dB und von 1982 bis 1991 von 90 dB. Der Stellungnahme des TAD sind beigefügt gewesen die Richtlinie Arbeitshygienische WAO-Untersuchungen im Verkehrswesen, Ausgabe 1979, und Gesprächsprotokolle des Dipl. Ing. L vom TAD vom 01. November 2004 mit dem Kläger und vom 05. November 2004 mit den Herren W und M (ehemaliger Montagemeister). Außerdem hat der Arbeitgeber des Klägers dem TAD ein Attest der Ärztin S vom 22. Juni 1999 über eine bei dem Kläger bestehende familiär bedingte Schwerhörigkeit beidseits und einen augenärztlichen Befundbericht von Dipl. Med. H vom 25. Juni 1999 vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Klage schließlich durch Urteil vom 15. November 2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass der Kläger von 1967 bis Ende 1990 einer durchschnittlichen Lärmbelastung von 97,8 dB ausgesetzt gewesen sei, wie von Dipl. Ing. J dargestellt. Die Beklagte habe dazu in ihrer Stellungnahme vom 26. November 2004 nachvollziehbare Einwendungen erhoben. Dipl. Ing. J habe lediglich die Angaben des Klägers zugrunde gelegt, wohingegen die Beklagte auch die Angaben des Geschäftsführers und Montagemeisters berücksichtigt habe. Es sei zu berücksichtigen, dass die Lärmbelastung eines Maschinenführers im Kabineninneren nicht der Lärmbelastung im Außenbereich entspreche. Der Schalldruck nehme zudem mit zunehmender Entfernung ab. Der Nachweis einer Lärmbelastung während eines ca. 35jährigen Berufslebens könne auch nur schwer gelingen. Dies gelte auch deshalb, weil die Ausführungen des Klägers als Beteiligtem im Sozialgerichtsprozess kein taugliches Beweismittel darstellten. Insoweit fehle in § 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Verweis auf die Vorschriften der Parteivernehmung nach §§ 445 bis 455 Zivilprozessordnung (ZPO). Das Gericht könne zwar seine Überzeugung von dem Vorliegen der rechtlich erheblichen Tatsachen auf die Aussagen der Beteiligten stützen, dies setze allerdings voraus, dass sie schlüssig und glaubhaft seien. Der Kläger habe jedoch im Laufe des Verfahrens fortwährend neue Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsbeschreibungen beigebracht, insbesondere nachdem gutachterliche Stellungnahmen zu seinem Nachteil ausgefallen seien. Die Lärmbelastung könne daher nur mittels einer annäherungsweisen Schätzung ermittelt werden, die notwendigerweise als Schätzungsgrundlage von der Beklagten durchgeführte Erhebungen zu vergleichbaren Arbeitsplätzen haben müsse. Auch der Umstand, dass die Einschätzungen des Dipl. Ing. J ohne weitere Begründung von den von der Beklagten im Schriftsatz vom 26. November 2004 mitgeteilten Werten abweiche, führe dazu, dass dieses Gutachten für das Gericht nicht überzeugend sei. Das Gericht halte es auch nicht für wahrscheinlich, dass die Schwerhörigkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen sei. Dr. E habe in seiner Stellungnahme vom 14. (gemeint wohl: 04.) Juli 2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Schwerhörigkeit weder eindeutig als berufsbedingt noch als nicht berufsbedingt zu beurteilen sei. Er habe nur die Möglichkeit einer wesentlichen beruflichen Verursachung gesehen. Diese Auffassung werde von Prof. Dr. N in seiner Stellungnahme vom 20. August 2004 bestätigt. Bei einer solchen Sachlage liege eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Rechtssinn nicht vor.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt, zu deren Begründung er geltend macht, er habe von Anfang an seine Arbeitsbiographie ausführlich dargestellt, die die Beklagte jedoch nicht in vollem Umfang berücksichtigt habe. Die Beklagte und der TAD hätten mehrfach dargelegt, die in der Arbeitsbiographie dargestellten Tätigkeiten nicht in Abrede zu stellen. Der Vorwurf des Sozialgerichts, er habe ständig neue Tätigkeiten beigebracht, sei deshalb unverständlich. Die Einwendungen gegen das Gutachten des Dipl. Ing. J seien ebenfalls nicht nachvollziehbar, denn dieser habe seine dargetane Arbeitsbiographie, die von der Beklagten nicht in Abrede gestellt werde, seinem Gutachten vollständig zugrunde gelegt und sei zu einem mittleren Beurteilungspegel von 97,8 dB gelangt. Der Gutachter habe eine bisher von der Beklagten außer Acht gelassene Tätigkeit in der Rohbaumontage berücksichtigt. Das Gericht habe nicht beachtet, dass es bei einem außen tätigen Arbeiter zu einer wesentlich höheren Lärmbelastung komme, als für den durch die Kabine geschützten Maschinenführer. Er selbst habe in unmittelbarer Nähe der Lärmquellen durch den Kran und den Lader T 157 gearbeitet. Der Kläger hat drei Fotos eines T 157 ohne Kabine vorgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. November 2005 und den Bescheid vom 07. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2000 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung besteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die von dem Kläger als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erhobene Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Nach der stän-digen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (- BSG - vgl. BSG vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 15/07 R – zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de) kann ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Arbeitsunfall bzw. eine BK nicht gegeben ist, deren Vorliegen als Grundlage infrage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG klären lassen. Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm eine Schwerhörigkeit im Sinne der BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV besteht.

Nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle und BKen Versicherungsfälle i. S. des SGB VII. BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BK bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 SGB VII).

Nach diesen Vorschriften in Verbindung mit Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist eine Lärmschwerhörigkeit als BK anzusehen. Für die Anerkennung und Entschädigung der geltend gemachten BK muss also eine Schwerhörigkeit vorliegen, die durch beruflichen Lärm verursacht worden ist.

Die Anerkennung im konkreten Einzelfall setzt voraus, dass die schädigende Einwirkung ihre rechtlich wesentliche Ursache in der versicherten Tätigkeit haben muss (haftungsbegründende Kausalität) und die schädigende Einwirkung die Gesundheitsstörung verursacht hat (haftungsausfüllende Kausalität). Hierbei reicht sowohl bei der haftungsbegründenden wie auch bei der haftungsausfüllenden Kausalität die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs aus, d. h. nach vernünftiger Abwägung aller Umstände müssen die auf die berufliche Verursachung der Krankheit deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 38). Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen dagegen i. S. des Vollbeweises, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit, nachgewiesen werden.

Wie der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 7.3.3.1) zu entnehmen ist, kommt es nach längerer Lärmbelastung (bis über Jahre) zu einer Erschöpfung des Innenohrstoffwechsels, die zu bleibendem Haarzell- bzw. Sinneszellenschaden führen kann. Eine unmittelbare Zerstörung der Sinneszellen tritt nur bei akuten Lärmschäden durch sehr hohe Lärmpegel auf. Bei weiterer Lärmbelastung kann es zu bleibenden Hörverlusten im Hochtonbereich kommen, die nach ungeschützter Lärmbelastung bis zu einem Sättigungsgrad zunehmen. Meistens führt der Berufslärm nur zu geringgradiger Schwerhörigkeit, die sich auf hohe Frequenzen beschränkt. Eine mittelgradige Schwerhörigkeit durch berufliche Lärmeinwirkung stellt den seltenen Einzelfall dar. Eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung ist nahezu ausgeschlossen. Übereinstimmung besteht, dass Ertaubung durch chronische Lärmeinwirkung nicht entsteht. Das heißt im Umkehrschluss: Schwerhörigkeit kann auch andere Ursachen aufweisen trotz jahrelanger erheblicher beruflicher Lärmbelastung. Lärmschwerhörigkeit liegt vor, wenn sich eine Innenohrschwerhörigkeit in einem Zeitraum entwickelt hat, in dem eine adäquate Lärmexposition bestand und die Lärmeinwirkung wahrscheinlich ursächlich ist. Dabei erschweren zahlreiche Faktoren die Diagnostik und Beurteilung.

Nach den Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Merkblatt – (4. Auflage 1995, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand Oktober 2009, M 2301, S. 6b f) und den Darlegungen hierzu von H. Feldmann (Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 6. Auflage 2006, S. 210 f) sind für die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit folgende Kriterien zu prüfen: 1. Es muss eine adäquate Lärmexposition bei der beruflichen Tätigkeit vorgelegen haben. 2. Es muss sich um eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit handeln. 3. Es muss ein positives Recruitment vorliegen, d.h. eine Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohres (cochleäre Hörstörung) lokalisiert werden. 4. Die Schwerhörigkeit muss sich während der Lärmarbeit entwickelt haben, sie darf nach Beendigung der Lärmexposition nur im Rahmen der altersentsprechenden Entwicklung fortgeschritten sein. 5. Die Tonschwellenkurven müssen typisch sein, d.h. bei beginnender Lärmschwerhörigkeit umschriebene Hochtonsenke bei 4 kHz, in fortgeschrittenen Stadien Steilabfall oder Übergang in einen Schrägverlauf. 6. Die Tonschwellenkurven müssen beidseits annähernd symmetrisch sein.

Zwar sind hier die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2301 erfüllt, denn der Kläger war während seiner Tätigkeit als Maurer und Straßenbauer in dem von ihm geschilderten Umfang von 1967 bis zumindest Juli 2003 einem Lärm ausgesetzt, der sich gehörschädigend auswirken kann. Dies haben die Ermittlungen des TAD der Beklagten ergeben. Nach der unfallmedizinischen Literatur (z. B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Kap. 7.3.3.2.2) ist maßgebend für die Beurteilung der beruflichen Lärmexposition der auf acht Stunden bezogene äquivalente Dauerschallpegel (Tages-Lärmexpositionspegel, früher Beurteilungspegel). Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem Acht-Stunden-Tag über viele Arbeitsjahre. Je höher der Schallpegel ist, desto kürzere Einwirkungszeiten sind bereits gehörschädigend. Hat die Lärmexposition durchweg unter 85 dB gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen, es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile, die für das Gehör besonders schädigend sind (über 1000 Hz).

Nach den Stellungnahmen des TAD, der aufgrund der differenten Angaben des Versicherten immer wieder neue Berechnungen vornehmen musste, insbesondere den Stellungnahmen vom 17. Februar 2000, 15. Juli 2003 und 22. November 2004, war der Kläger während seiner Ausbildung zum Maurer von September 1964 bis 31. August 1967 einer durchschnittlichen Lärmbelastung von 83 dB ausgesetzt. In den Jahren von August 1967 (nach der Ausbildung) bis Dezember 1972 war er im Hoch-, Tief- und Straßenbau überwiegend mit Rohbau- und Montagearbeiten (90%) beschäftigt (90 dB wegen Arbeit in Maschinennähe), aber auch als Arbeiter mit Drucklufthämmern (97 dB), Maurer (86 dB) und als sonstiger Spezialtiefbauer (91,8 dB) tätig. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Lärmbelastung von 90 dB. Vom 01. Januar 1973 bis zum 31. Dezember 1981 errechnete der TAD eine durchschnittliche Lärmbelastung von 89 dB. Er legte eine Maurertätigkeit mit Mischtätigkei-ten (86 dB), Betonarbeiten (88,2 dB), Arbeiten mit Druckluftgeräten (97 dB) und sonstige Spezialtiefbauarbeiten (91,8 dB) zugrunde. Vom 01. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1991 stand erneut die Rohbau- und Montagearbeit mit 90% und einer Lärmbelastung von 89 dB (keine Arbeit in Maschi-nennähe) im Vordergrund. Daneben hat der TAD Arbeiten mit Druckluftgeräten (97 dB) und sonstige Spezialtiefbauarbeiten (91,8 dB) berücksichtigt. Daraus errechnet sich eine durchschnittliche Belastung von 90 dB. In dem Zeitabschnitt ab dem 01. Januar 1992 bis zumindest Juli 2003, dem Zeitpunkt der letzten Berechnungen des TAD, hat der TAD wegen der Arbeiten als Straßenbauer mit der Bedienung von Druckluftgeräten und Vibrationsplatten (Flachrüttlern) sowie wegen der erforderlichen Betondeckenarbeiten einen durchschnittlichen Lärmpegel von 94 dB errechnet. Den Stellungnahmen des TAD haben Gespräche mit dem Kläger, dem Geschäftsführer W und dem ehemaligen Montagemeister M, die Arbeitsrichtlinie "Arbeitshygienische WAO-Untersuchungen im Verkehrswesen" - Ausgabe 1979 -, der BIA Report "Lärm" sowie Auszüge aus dem sog. DDR-Kataster zugrunde gelegen.

Es kann dahin stehen, ob die Ermittlung der beruflichen Lärmeinwirkung im Rahmen einer Lärmexpositionsanalyse vom 04. Mai 2004 von Dipl. Ing. J eine durchschnittliche Lärmbelastung von 97,8 dB in der Zeit vom 01. August 1967 bis zum 31. Dezember 1990 im Sinne des Vollbeweises belegt. Die Beklagte hat an dem Gutachten mit überzeugenden Gründen Kritik geübt. Insbesondere sind ihm methodische Fehler vorzuhalten. Dazu gehört vor allem, dass Dipl. Ing. J lärmintensive Tätigkeiten mit dem Lärm von Geräten und Fahrzeugen addiert hat, obwohl der Lärm der Geräte bereits in die Bewertung der lärmintensiven Tätigkeiten eingeflossen ist. Zudem hat er unzulässigerweise die Kabinenmesswerte zugrunde gelegt und nicht berücksichtigt, dass der Lärm in der Umgebung damit nicht gleichzusetzen ist. Jedenfalls ist durch das nunmehr auch von der Beklagten zugestandene Überschreiten der Schwelle von 85 dB seit August 1967 davon auszugehen, dass der Kläger langjährig einem gehörschädigenden beruflich bedingten Lärm ausgesetzt war. Diese Auffassung teilt auch Prof. Dr. N in seiner Stellungnahme vom 30. März 2004.

Der Kläger leidet nach den gutachterlichen Feststellungen auch an einer Innenohrschwerhörigkeit beidseits, die am 10. Juli 1986 bei einer arbeitsmedizinischen Tauglichkeitsuntersuchung erstmals als reduzierte Hörfähigkeit beidseits aktenkundig gemacht und als Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert wurde. Laut dem Bericht der Ärztin S vom 20. Januar 2000, die bis 1990 als Betriebsärztin im Betriebsgesundheitswesen H gearbeitet hatte und 1990 eine eigene Praxis gründete (Befundbericht vom 04. April 2002), wurde die Innenohrschwerhörigkeit 1997 als hochgradig beurteilt. Es erfolgte im Januar 1997 eine Versorgung mit Hörgeräten. Den audiologischen Messungen zwischen 1991 und 2000 lässt sich nach der Auswertung durch Prof. Dr. N in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 09. Mai 2000 insbesondere in Knochenleitung eine Zunahme der Schwerhörigkeit erkennen. In Luftleitung hat die Schwerhörigkeit seit 1997 zugenommen. Am 04. Januar 2002 stellte der Gutachter und mittlerweile behandelnde Arzt des Klägers Dr. R ein sich seit 2000 deutlich verschlechterndes Hörvermögen fest. Er diagnostizierte eine an Taubheit grenzende pancochleäre Schwerhörigkeit links. Rechts sei keine Veränderung festzustellen, die Schwerhörigkeit rechts hat er als hochgradig beurteilt. Die Computeraudiometrie (BERA) habe keinen Hinweis auf eine retrocochleäre Schädigung beiderseits ergeben (Befundbericht vom 28. März 2002).

Unter Zugrundelegung der oben ausgeführten Grundsätze hält es der Senat jedoch nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass die bei dem Kläger bestehende Schwerhörigkeit wesentlich durch die berufliche Lärmbelastung verursacht worden ist. Zwar hat sich die Schwerhörigkeit, wie bereits oben dargelegt, während der Lärmarbeit entwickelt, denn insbesondere in dem Zeitraum von 1982 bis 1991 lag der Beurteilungspegel bei 90 dB, die erstmalige Feststellung einer Innenohrschwerhörigkeit erfolgte 1986. Die weiteren Faktoren sprechen jedoch nicht für eine berufliche Verursachung. Dies ergibt sich für den Senat nachvollziehbar und überzeugend aus dem Gutachten von Prof. Dr. N nach Aktenlage vom 09. Mai 2000 nebst den weiteren Stellungnahmen vom 30. März 2004 und 20. August 2004. Der Arzt hat unter Abwägung der für und gegen einen Ursachenzusammenhang sprechenden Faktoren und bei Beachtung der in der unfallmedizinischen Literatur genannten Kriterien in einer Gesamtschau den Kausalzusammenhang nicht für wahrscheinlich gehalten. Danach sprechen für den Zusammenhang das Vorliegen eines Innenohrschadens sowie die Tatsache, dass sich die Hörfähigkeit nach 1991 verschlechtert hat, was zu einer Versorgung mit Hörgeräten 1997 geführt hat. Prof. Dr. N hat als weiteres für den Ursachenzusammenhang sprechendes Argument auf die Symmetrie des Hörverlustes verwiesen. Hier ist allerdings anzumerken, dass der Hörschaden nur anfangs symmetrisch war. Denn im Januar 2002 diagnostizierte der behandelnde Arzt Dr. R links eine sich seit 2000 entwickelnde praktische Taubheit, während rechts unverändert "nur" eine hochgradige Schwerhörigkeit vorlag. Hier ist allerdings wiederum zu berücksichtigen, dass der Kläger im Dezember 2001 einen Hörsturz links erlitten hatte, so dass die Entwicklung der Hörminderung auch darauf zurückzuführen sein könnte. Konkurrierende Ursachen sind nicht festgestellt worden. Weder ist eine Lärmbelastung in der Freizeit noch eine familiäre Vorbelastung nachgewiesen. Die von der Ärztin S berichtete Erkrankung der Mutter und Schwester des Klägers an einer Otosklerose ist lediglich als Verdacht angegeben worden, der Kläger hat Vorbelastungen in der Familienanamnese verneint.

Gegen einen Ursachenzusammenhang spricht jedoch entscheidend, dass der Tonschwellenverlauf bei dem Kläger atypisch ist. Eine typische Tonschwellenkurve als weiteres Positivkriterium setzt bei beginnender Lärmschwerhörigkeit eine Hochtonsenke bei 4 kHz, in fortgeschrittenen Stadien einen Steilabfall oder Übergang in einen Schrägverlauf voraus. Die Hochtonsenke bleibt andeutungsweise oft noch lange erkennbar (vgl. H. Feldmann, a. a. O., S. 220; T. Brusis, Schwerhörigkeit beim Lärmarbeiter = Lärmschwerhörigkeit?, in HNO-Nachrichten 2007, S. 29 f). Für einen Lärmschaden ist ein Absinken der mittleren und tiefen Frequenzen, insbesondere die 1 kHz-Frequenz, beidseits auf unter 60 dB bzw. auf unter 30 dB äußerst ungewöhnlich. Ein Hörverlust im Tieftonbereich – jedenfalls bei durchschnittlichen Lärmbelastungen – ist eher ungewöhnlich (vgl. P. Plath, Lärmschäden des Gehörs und ihre Begutachtung, Schlütersche Verlagsanstalt und Druckerei, 1991, der darauf hinweist, dass Hörverluste von mehr als 30 dB in den tiefen Frequenzen nicht zum typischen Bild der chronischen Lärmschwerhörigkeit gehören). Im hier zu beurteilenden Fall des Klägers ist der für eine Lärmschwerhörigkeit typische Abfall der hohen Frequenzen sogar in das Gegenteil verkehrt, denn die Tonschwellen steigen zu den hohen Frequenzen hin an. So zeigt sich im Audiogramm vom 02. Juli 1991 ein Herabsinken der Hörschwelle rechts bei 1 kHz auf 50 dB bzw. 60 dB (Knochen- bzw. Luftleitungswerte), bei 2 kHz auf 55 dB bzw. 65 dB, dagegen bei 4 kHz rechts auf 35 dB bzw. 40 dB, bei 6 kHz auf 20 dB bzw. 40 dB und bei 8 kHz auf 25 dB bzw. 35 dB. Links zeigt sich ein Herabsinken der Hörschwelle bei 1 kHz und 2 kHz jeweils auf 50 dB bzw. 55 dB, dagegen bei 4 kHz und 6 kHz jeweils auf 40 dB bzw. 50 dB und bei 8 kHz auf 30 dB bzw. 40 dB. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger während seiner Berufstätigkeit ungewöhnlich hohen Lärmstärken oder ausgesprochenem Impulslärm ausgesetzt war, sind nicht erkennbar. Bereits in seinem Gutachten vom 09. Mai 2000 hat Prof. Dr. N darauf hingewiesen, dass der Hörverlust im Tieftonbereich nur bei sehr starker Lärmeinwirkung eintrete, die hier nicht vorliege. Er hat in seinen Stellungnahmen vom 30. März 2004 und 20. August 2004 in Kenntnis der Neuberechnungen des TAD an seiner Auffassung festgehalten und dies auch damit begründet, dass die hohe MdE, die ü-bereinstimmend mit 30 v. H. bewertet wird, gegen einen Ursachenzusammenhang spricht. Die Form der Tonschwellenkurve mit einem erheblichen Schwellenabfall in den tiefen und mittleren Frequenzen als auch die hochgradige Schwerhörigkeit sprechen damit entscheidend gegen eine wesentliche Verursachung der Schwerhörigkeit.

Das im Verwaltungsverfahren erstattete Gutachten des Dr. R vom 18. März 2000 vermag demgegenüber nicht zu überzeugen Dieser hat, worauf schon Prof. Dr. N hingewiesen hat, bei seiner Beurteilung den atypischen Tonschwellenverlauf und den Tieftonverlust nicht berücksichtigt. Dadurch ist die Aussagekraft dieses Gutachtens entscheidend gemindert. Die Verwertbarkeit des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. E vom 29. Oktober 2002 leidet daran, dass dieser für die Beurteilung des Ursachenzusammen-hangs maßgebend auf das Ausmaß der Hörminderung, die Lärmintensität und die Expositionsdauer nach der mittlerweile überarbeiteten Stellungnahme des TAD vom 07. August 2000 abgestellt hat. In Kenntnis der Stellungnahmen des TAD vom 15. Juli und 03. Dezember 2003 hat Dr. E unter dem 20. Februar 2004 dann ausgeführt, dass die zwischenzeitlich deutlich aufgewertete Lärmexposition die Wahrscheinlichkeit einer beruflich bedingten Schwerhörigkeit erhöht habe, dass aber gleichwohl kein Beweis dafür angetreten werde, dass der Lärm die alleinige Ursache der Hörstörung sei. Weshalb er gleichwohl zu dem Schluss kommt, dass der Lärm die wesentliche Ursache für die Schwerhörigkeit des Klägers sei, begründet der Sachverständige jedoch nicht. In seiner letzten Stellungnahme vom 05. Juli 2004 schließt der Sachverständige dann wiederum mit der Auffassung, bei dem momentan bestehenden Kenntnisstand über Lärmschwerhörigkeiten sei die Schwerhörigkeit des Klägers weder eindeutig als berufsbedingt noch als nicht berufsbedingt einzustufen. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung wäre der Kläger damit beweisfällig geblieben, denn er trägt nach den allgemeinen Beweislastregeln die Beweislast für das Vorliegen der Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.

Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Insbesondere musste er nicht dem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, einen noch zu benennenden Arzt nach § 109 SGG zu hören, nachgehen. Der Antrag ist aus Nachlässigkeit so spät gestellt worden und deshalb abzulehnen, denn der rechtskundig vertretene Kläger ist bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 10. April 2007 auf sein Antragsrecht hingewiesen worden. Trotz entsprechender Ankündigung ist der Antrag, einen bestimmten, vom Kläger namentlich genannten Arzt nach § 109 SGG zu hören, nicht gestellt worden. Darüber hinaus ist dem Kläger mit Schreiben vom 03. Juli 2007 mitgeteilt worden, dass der Senat den Rechtsstreit für entscheidungsreif hält. Auch danach ist kein Antrag auf eine erneute Begutachtung gestellt worden.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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