L 18 AS 772/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 24/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 772/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2010 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab Zustellung des vorliegenden Beschlusses bis zum 31. Juli 2010 in Höhe eines monatlichen Leistungsbetrages von 251,- EUR als Darlehn zu gewähren. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Antrag- stellers im Beschwerdeverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der der Antragsteller (vgl. Schriftsatz vom 3. Mai 2010) noch die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstrebt, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit ab 17. März 2010 als Darlehn zu gewähren, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen.

Ein Anordnungsgrund iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses ist für die begehrte gerichtliche Regelung, soweit diese Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die nunmehr offenbar neu bezogene Wohnung betrifft, nicht ersichtlich. Denn eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers ist derzeit nicht zu besorgen. Die von dem Antragsteller bewohnte Unterkunft ist ungekündigt. Mit dem Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren sind nicht mehr rückgängig zu machende Nachteile jedenfalls derzeit nicht verbunden. Im Übrigen enthält § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 SGB II eine Regelung gerade auch für den – hier nicht vorliegenden – Fall einer Räumungsklage. Auch soweit der Antragsteller insgesamt Leistungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltend macht, hat er einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht in Betracht. Ein besonderer Nachholbedarf des Antragstellers oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart sind nicht dargetan.

Etwas anderes gilt für die Zeit ab Zustellung des vorliegenden Beschlusses, soweit der Antragsteller – als Darlehn - die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung der monatlichen Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II begehrt, allerdings nur in Höhe eines Betrages von 251,- EUR monatlich. Diesbezüglich ist eine an dem Grundrecht des Antragstellers auf Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auszurichtende Folgenabwägung vorzunehmen, weil abschließende Sachermittlungen zu den Werten der dem Antragsteller gehörenden Grundstücke und - insbesondere – zu deren augenscheinlich nur durch weitere Ermittlungen zu klärender Verwertbarkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren untunlich sind. Gleiches gilt für die Einnahmen des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit, die dieser jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum in Abrede stellt. In derartigen Fällen ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen haben. Das gilt insbesondere, wenn es – wie bei den SGB II-Leistungen – um die Würde des Menschen geht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris – mwN). Allerdings ist auch hier grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden, z.B. indem Leistungen nur mit einem Abschlag gewährt werden (vgl. BVerfG aaO). Der Senat hält insoweit einen Abschlag von 30% der Regelleistung für angemessen, zumal im Hinblick auf die Wertung des § 30 Abs. 1 SGB II auch der Gesetzgeber insoweit noch von einer hinreichenden Existenzsicherung ausgeht. Hieraus errechnet sich unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift in § 41 Abs. 2 SGB II ein Leistungsbetrag von 251,- EUR monatlich. Da insoweit ohne weiteres auch von einem Anordnungsgrund auszugehen ist, war der angefochtene Beschluss im Übrigen aufzuheben. Die Regelungsanordnung war bis zum 31. Juli 2010 zu befristen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Eine Kostenerstattung für das erstinstanzliche Verfahren kam nicht in Betracht, weil die Existenzsicherung des Antragstellers jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts durch die Wohngeldbewilligung iHv monatlich 330, - EUR (Schriftsatz des Antragstellers vom 24. März 2010) gewährleistet war.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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