L 28 AS 1466/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 20 AS 1449/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 1466/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 05. August 2009 wird geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, eine Kostenübernahmeerklärung für die Beschaffung von Heizmaterial (Holz) für die Heizperiode 2009/2010 in angemessenem Umfang abzugeben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehrt mit der Beschwerde die Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung für den Kauf von Brennstoff (Holz) für die Heizperiode 2009/2010.

Der Antragsteller lebt allein auf einem Hausgrundstück in W, das im Eigentum seines Sohnes steht. Die von ihm bewohnte Wohnfläche beträgt nach seinen Angaben 45 m² bei einer beheizbaren Gesamtwohnfläche von knapp 150 m². Das Haus ist mit einer Gasheizung ausgestattet. Im Jahr 2006 wurde eine Ofenheizung für das Wohnzimmer angeschafft.

Der Antragsteller bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). In welcher Höhe von dem Antragsgegner Kosten der Unterkunft (KdU) zu übernehmen sind, war und ist zwischen den Beteiligten umstritten (vgl. Urteile des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 2008 – S 16 AS 1121/0 zum Zeitraum Mai bis Oktober 2006 – S 16 AS 61/07 zum Zeitraum November 2006 bis April 2007 und S 16 AS 1043/07 zum Zeitraum August 2007 bis Januar 2008). Nicht entschieden ist bisher, ob aufgrund der Änderung des Nutzungsvertrages vom 10. Januar 2008 auch eine Umlage für die Ofenanlage im Rahmen der KdU zu berücksichtigen ist. Ebenso sind verschiedene Verfahren zu den Heizkosten für Abrechnungszeiträume von 2006 bis 2009 anhängig.

Auch die Frage, ob der Holzbrennstoffkauf im Rahmen der KdU erstattungsfähig ist, ist zwischen den Beteiligten umstritten. So hat der Antragsteller zuletzt im August 2008 erfolglos einen Antrag auf Erstattung von Kaminholz im Umfang von "1,8 Tonnen" für die Heizperiode 2008/2009 gestellt. Der Antrag wurde vom Antragsgegner mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dem Einbau des Ofens in eine Mietwohnung um eine Wert steigernde Erneuerungsmaßnahme gehandelt habe, für die keine Kosten – auch keine Folgekosten für den Kauf von Holz – zu übernehmen seien. Der Antragsteller habe die durch den Kauf für das Holz entstandenen Kosten auch deshalb selbst verursacht, weil er sich diesbezüglich nicht vorher habe beraten lassen und keine Zusage zur Kostenübernahme für den Kauf von Holz eingeholt habe (Bescheid vom 28. August 2008, Widerspruchsbescheid vom 30. September 2008). Das diesbezügliche Klageverfahren ist unter dem Az S 20 AS 1755/08 anhängig.

Der Kläger bezieht gegenwärtig Leistungen nach dem SGB II, wobei im Rahmen der KdU allein die Heizkosten für die Gasheizung neben der Umlage und kalten Betriebskosten berücksichtigt werden. Für den Zeitraum August 2008 bis Januar 2009 wurden vom Antragsgegner Leistungen in Höhe von monatlich 570,79 EUR (KdU-Anteil 219,79) EUR bewilligt (Änderungsbescheid vom 8.8.2008). Nach der Aufschlüsselung im Widerspruchsbescheid vom 5.11.2008 war in den an sich nur zu berücksichtigen KdU von 210,64 EUR ein Anteil von 93,74 EUR für die Umlage für die Gasheizungsanlage gemäß Nutzungsvertrag, von 64,90 EUR für die kalten Betriebskosten (Wasser, Grundsteuern, Gebäudeversicherung etc.) und von 52 EUR für die Heizkosten (Erdgas) enthalten. Gegenwärtig erhält der Antragsteller in Umsetzung einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) Leistungen in Höhe von 562,64 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2009 stellte der Antragsteller erneut einen Antrag auf Kostenübernahme für Holzbrennstoff im Umfang von mindestens "1,8 Tonnen Holz", da dieses verbraucht sei. Die Lieferanten würden nur gegen sofortige Bezahlung liefern. Der Antrag auf Kostenübernahme für feste Brennstoffe wurde mit Bescheid vom 26. Juni 2009 mit der Begründung abgelehnt, dass "die Wohnung bereits mit einer Gasheizung ausreichend ausgestattet ist und die Aufstellung des Ofens und die Kosten, die sich daraus ergeben, nicht zu den angemessenen Kosten gehören."

Am 27. Juli 2009 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Kostenübernahmeerklärung und vorherige Leistung für Holzbrennstoffbedarf ab 1. August 2009. Den Bescheid vom 26. Juni 2009 habe er erst am 22. Juli 2009 erhalten, er sei mittellos und die Heizsaison beginne demnächst.

Das Sozialgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Es fehle schon deshalb an einem Anordnungsgrund, weil die Wohnung des Antragstellers grundsätzlich mit Gas beheizbar sei. Es sei nicht erkennbar, dass bei fehlender Gewährung von Vorleistungen zur Anschaffung von Heizmaterial dem Antragsteller durch ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machende, unzumutbare Nachteile drohen. Hiervon könne erst ausgegangen werden, wenn die Wohnung des Antragstellers trotz bestehender Notwendigkeit nicht geheizt werden könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er geltend macht, seine Wärmebedarfsdeckung erfolge zu 1/3 über Gasheizung und zu 2/3 über Ofenheizung. Auf Anfrage hat der Antragsteller einen Grundriss eingereicht und mitgeteilt, dass er von dem gesamten Haus nur Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und ein Bad nutze und die Wohnung über eine Fußbodenheizung (Gas) und eine Ofenheizung im Wohnzimmer beheizt werde.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG zulässig. Der Antragsteller hat die Kosten für den Brennstoff nicht auf einen bestimmt Betrag begrenzt, sondern eine Mindestmenge an Holz angegeben, weshalb auch der Beschwerdewert über 750,00 EUR liegt.

Die Beschwerde ist im Wesentlichen begründet. Der Erlass einer einzig in Betracht kommenden Regelungsanordnung setzt voraus, dass neben dem Anordnungsgrund nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Antragsgegner war zu verpflichten, eine Kostenübernahmeerklärung abzugeben, denn nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand hat der Antragsgegner zu Unrecht die Übernahme von Kosten für den Kauf von festem Brennstoff mit der Begründung abgelehnt, dies seien nicht erstattungsfähige Folgekosten aus der Aufstellung des Ofens. Zu den erstattungsfähigen KdU nach § 22 Abs. 1 SGB II gehören auch einmalige Leistungen zur Beschaffung von Heizmaterial. Bei der Beschaffung von Heizmaterial (zB Heizöl oder Holz) handelt es sich um Aufwendungen, die einen zukünftigen Heizbedarf decken sollen. Der "Bedarf" besteht gerade darin, dass die Leistungsträger dem Hilfebedürftigen Geldmittel zur Verfügung stellen, die dieser benötigt, um die Lieferung der Wärme durch den Vermieter bzw. um die Lieferung von Heizmaterial bezahlen zu können (BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R – in juris veröffentlicht).

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht und durch Rechnungen in der Vergangenheit belegt, dass er seine Wohnung teilweise mit einer Fußbodenheizung also mit Gas, teilweise mit einer Ofenheizung also mit Holz beheizt. Die Kosten für diese Brennmaterialien stellen auch seine aktuellen Heizkosten dar. Zu Unrecht lehnt der Antragsgegner die Übernahme der Kosten für das Heizmaterial mit der Begründung ab, der Einbau des Ofens sei nicht genehmigt worden und daher seien die Folgekosten (der Kauf von Holz) nicht zu übernehmen. Die Frage, ob die Anschaffung des Ofens im Rahmen einer Umlage durch eine veränderte Nutzungsentschädigung als KdU zu übernehmen ist, ist völlig unabhängig von der Frage der Nutzung dieser Ofenheizung zu beantworten. Es ist nicht erkennbar, auf welcher rechtlichen Grundlage dem Leistungsempfänger eine bestimmte Art der Beheizung (hier nur mit Gas) vorgeschrieben werden könnte. Vielmehr sind die Heizkosten im Rahmen der Angemessenheit nach § 22 Abs. 1 SGB II unabhängig von der Art des Brennstoffs zu übernehmen.

Der Bedarf für Heizmittel entsteht dann, wenn für den Bewilligungszeitraum (§ 41 SGB II) kein Brennmaterial mehr vorhanden ist. Dies hat der Antragsteller glaubhaft gemacht. Die tatsächlichen Aufwendungen entstehen jedoch erst in der Folge der Lieferung von Heizmaterial. Es besteht daher im Regelfall keine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, vor der Lieferung eine Kostenübernahmeerklärung abzugeben (BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R – Rn. 12 in juris veröffentlicht). Hier besteht jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche vorherige Übernahmeerklärung, denn der Antragsgegner hat es in der Vergangenheit aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt, Kosten für Holz im Rahmen von § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen. Im Übrigen hat auch das BSG anerkannt, dass eine Kostenübernahmeerklärung bzw. eine "vorherige" Leistung der Leistungsträgers dann zulässig ist, wenn der Heizmittellieferant nur bereit ist, gegen sofortige Barzahlung zu liefern, was der Antragsteller vorgetragen hat und ohne weiteres glaubhaft ist.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Die Heizperiode hat bereits begonnen. Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, seine Wohnung zunächst in vollem Umfang mit der Fußbodenheizung durch Gas zu wärmen. So ist unklar, ob überhaupt das Wohnzimmer mit dieser Gasheizung vollständig beheizt werden kann. Auch würde er damit auf eine unter Umständen erheblich unwirtschaftlichere Form der Beheizung verwiesen werden, was wiederum Auswirkungen auf die vom Antragsgegner maximal als erstattungsfähig angesehenen Kosten hätte. Vor allem kann jedoch angesichts der Dauer der anhängigen Hauptsacheverfahren nicht von dem Antragsteller verlangt werden, dass er über mehrere Heizperioden hinweg nur eines der ihm zur Verfügung stehenden Heizungssysteme verwendet.

Keinen Erfolg hat der Antragsteller jedoch soweit er eine unbeschränkte Kostenübernahmeerklärung und vorherige Leistung durch den Antragsgegner begehrt. Der Antragsgegner ist frei, ggfs nach Vorlage von unterschiedlichen Kostenvoranschlägen direkt eine Abrechnung mit dem Holzlieferanten vorzunehmen, muss also keine Geldleistungen dem Antragsteller vorab erbringen. Zu übernehmen sind außerdem lediglich die angemessenen Kosten für den festen Brennstoff, die unter Berücksichtigung der bisher und künftig gewährten Abschläge für die Vorauszahlung von Gas zu bemessen sind. Die Nutzung zweier unterschiedlicher Heizsysteme kann nicht dazu führen, dass die Grenze der Angemessenheit der Heizkosten mehrfach ausgeschöpft wird. Der Antragsteller kann also nicht verlangen, dass für seine Gasheizung monatliche Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II in maximal Höhe erstattet werden und er bei der Einmalleistung für die Ofenheizung ebenfalls den maximal angemessenen Betrag ausschöpft. Ob mangels Aufforderung zur Kostensenkung möglicherweise auch – jedenfalls für die Vergangenheit – die unangemessenen Heizkosten zu erstatten sind, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Der Senat weist jedoch vorsorglich darauf hin, dass die Begrenzung auf die (Gesamt)Angemessenheit der Heizkosten nicht dazu führen kann, dass der Antragsgegner unter Hinweis darauf, der Antragsteller habe mit den im Rahmen der KdU gewährten 52 EUR monatlich für die Gasheizung den Maximalbetrag für erstattungsfähige Heizkosten bereits ausgeschöpft, keine Kostenübernahmeerklärung erteilt. Zwar sehen die internen Anweisungen des Antragsgegners vor, dass die maximal angemessenen Heizkosten pro Quadratmeter auf 1,15 EUR festgesetzt werden, woraus sich möglicherweise für die vom Antragsteller bewohnten 45 m² innerhalb des größeren Hauses ein internen Richtwert von monatlich 51,75 EUR ergeben könnten. Diese Berechnung entspricht jedoch nicht der neuesten Rechtsprechung des BSG. Die Heizkosten sind nicht an Hand der tatsächlichen Kosten für die konkret genutzte Quadratmeterzahl des Hauses zu beurteilen. Vielmehr kann erst ein Überschreiten der oberen Grenzwerte des lokalen bzw., soweit ein solcher nicht existiert, des bundesweiten Heizspiegels für eine vergleichbare Wohnung mit abstrakt angemessener Größe als Indiz für fehlende Erforderlichkeit und damit für Unangemessenheit der Heizkosten angesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 33/08 R, als Terminsbericht vorliegend). Orientiert man sich an dem bundesweiten Heizspiegel für 2009, liegt der durchschnittliche Heizenergieverbrauch für das vom Antragsteller bewohnte Gebäude mit einer beheizten Gesamtwohnfläche von 100 bis 250 m² bei einer Erdgasheizung durchschnittlich zwischen 94 und 158 kWh je m² und Jahr, bei erhöhtem Verbrauch zwischen 159 und 220 kWh je m² und Jahr. Werden mehr als 220 kWh pro m² im Jahr verbraucht, ist der Energieverbrauch "extrem hoch" und damit nicht mehr erstattungsfähig. Dies entspricht umgerechnet einem Betrag ab 17,20 EUR pro m² im Jahr (vgl. bundesweiter Heizspiegel 2009, veröffentlicht unter Deutscher Mieterbund). Der Antragsgegner geht für einen Ein-Personen-Haushalt von einer abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 50 m² aus, daraus ergibt sich ein jährlicher Wert von 860 EUR für die maximale Heizkostenerstattung bei einer Gasheizung. Der Antragsteller könnte daher ausgehend von den gewährten monatlichen Abschlagszahlungen für die Heizkosten von 52 EUR (624 EUR/Jahr) noch einen Betrag von 236 EUR für Holzbrennstoffe für eine Heizperiode im Rahmen des Angemessenen erhalten. Ob wegen der gemischten Heizsysteme eine abweichende Berechnung geboten ist, wird der Antragsgegner zu erwägen haben.

Der Senat sieht Anlass für den Hinweis, dass, sollte sich erweisen, dass diese Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, der Antragsteller verpflichtet ist, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzten, der ihm aus der Vollziehung dieser Anordnung entsteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 945 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Der Antragsgegner hat die vollen Kosten für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten, da der Antragsteller im Wesentlichen obsiegt hat und der Antragsgegner im Übrigen auch Veranlassung zur Antragstellung gegeben hat.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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