L 18 AL 254/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 12 AL 653/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 254/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 6. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2003, mit dem die Beklagte ihre Entscheidungen über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in den Zeiträumen vom 17. September 2001 bis 6. Januar 2002, 21. Januar 2002 bis 1. April 2002 und 13. Mai 2002 bis – nunmehr nur noch - 3. Oktober 2002 aufgehoben hat und die Erstattung der in diesen Zeiträumen gezahlten Alhi sowie die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung fordert.

Der Klägerin, geboren 1960, die im Alhi-Leistungsbezug bei der Beklagten stand, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2001 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2002 Alhi in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 37,36 DM und ebenso für den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001. Ab 1. Januar 2002 zahlte die Beklagte Alhi in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 19,11 EUR, ebenso ab 1. Juli 2002. Am 3. September 2001 nahm die Klägerin eine Beschäftigung bei der Rettungsdienst gGmbH B - Abteilung Behindertenfahrdienst - auf. Nach den daraufhin von der Beklagten von der Arbeitgeberin der Klägerin angeforderten "Bescheinigungen über Nebeneinkommen" lag das Bruttoarbeitsentgelt monatlich jeweils unter 400,- DM bzw. 165,- EUR; die Arbeitszeit in der jeweiligen Beschäftigungs- bzw. Kalenderwoche war ab Antritt der Beschäftigung mit jeweils unter 15 Stunden in der Woche angegeben worden. Im Rahmen einer bei der Rettungsdienst gGmbH B am 9. Dezember 2002 durchgeführten Betriebsprüfung wiesen die Stundenabrechnungen für die Klägerin ab September 2001 indes zum Teil Arbeitszeiten von über 15 Stunden in der Woche aus, und zwar in der Woche vom 17. September bis 21. September 2001 25,35 Stunden, in der Woche vom 24. September bis 28. September 2001 21,20 Stunden, in der Woche vom 8. Oktober bis 12. Oktober 2001 15,5 Stunden, in der Woche vom 15. Oktober bis 19. Oktober 2001 17,5 Stunden, in der Woche vom 22. Oktober bis 26. Oktober 2001 16,25 Stunden, in der Woche vom 5. November bis 9. November 2001 17,4 Stunden, in der Woche vom 12. November bis 16. November 2001 15,25 Stunden, in der Woche vom 26. November bis 30. November 2001 17,35 Stunden, in der Woche vom 3. Dezember bis 7. Dezember 2001 15,5 Stunden, in der Woche vom 10. Dezember bis 14. Dezember 2001 16,15 Stunden, in der Woche vom 21. Januar bis 25. Januar 2002 16,4 Stunden, in der Woche vom 11. März bis 15. März 2002 16,05 Stunden, in der Woche vom 18. März bis 22. März 2002 16,20 Stunden, in der Woche vom 3. Mai bis 7. Mai 2002 18,05 Stunden, in der Woche vom 27. Mai bis 31. Mai 2002 15,35 Stunden, in der Woche vom 10. Juni bis 14. Juni 2002 19,25 Stunden, in der Woche vom 17. Juni bis 21. Juni 2002 17,05 Stunden, in der Woche vom 24. Juni bis 28. Juni 2002 16,55 Stunden, in der Woche vom 1. Juli bis 5. Juli 2002 17,20 Stunden, in der Woche vom 8. Juli bis 12. Juli 2002 19,45 Stunden und in der Woche vom 19. August bis 23. August 2002 17,25 Stunden. Während dieses Gesamtzeitraumes hatte die Klägerin am 7. Januar 2002 und 2. April 2002 und dann erst wieder – nach ihrem Vorbringen - am 4. Oktober 2002 bei der Beklagten persönlich vorgesprochen.

Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Juni 2003 die Entscheidungen über die Bewilligung von Alhi für die Zeiträume vom 17. September 2001 bis 6. Januar 2002, vom 21. Januar 2002 bis 1. April 2002 und vom 13. Mai 2002 bis 9. Oktober 2002 auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der in dieser Zeit gezahlten Alhi in Höhe 6.292,40 EUR sowie die Erstattung der in den Aufhebungszeiträumen gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von insgesamt 1.175,04 EUR. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. September 2003). Zur Begründung des Widerspruchsbescheides ist ausgeführt: Der angefochtene Bescheid werde nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) umgedeutet, da teilweise die Rechtsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X iVm § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) zur Anwendung komme. Der Widerspruch sei nicht begründet. Die Wirkung der Meldung erlösche u. a. mit der Aufnahme einer Beschäftigung, wenn der Arbeitslose diese dem Arbeitsamt nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Die Klägerin habe am 3. September 2001 nach den vorliegenden Nebeneinkommensbescheinigungen eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung bei der Rettungsdienst gGmbH B aufgenommen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten von den vorliegenden Nebenverdienstbescheinigungen abwichen. Infolge schwankender Arbeitszeiten sei teilweise die Arbeitslosigkeit entfallen. Die Ermittlung einer durchschnittlichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Rechtslage setze voraus, dass es sich um keine gelegentliche Abweichung iS des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB III handele, ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis bestehe und keine veränderten Arbeitsbedingungen während des Bewertungszeitraumes eingetreten seien. Diese Erfordernisse seien nicht ausreichend erfüllt. Tatsächlich ergebe die Saldierung der Arbeitszeiten in den strittigen Zeiträumen eine über 15 Stunden liegende wöchentliche Arbeitszeit, woraus sich eine uneingeschränkte Sozialversicherungspflicht ergebe. Die Rechtswirkung der Arbeitslosmeldung sei erloschen mit der Folge, dass der Leistungsanspruch in der strittigen Zeit entfallen sei. Die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi sei nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X wegen der ab 17. September 2001 geänderten Verhältnisse zu den angegebenen Zeiträumen bis einschließlich 30. Juni 2002 aufzuheben. Ab 1. Juli 2002 sei die Bewilligung der Alhi vom 15. August 2002 bis einschließlich 9. Oktober 2002 nach § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB X zurückzunehmen, da diese von Anfang rechtswidrig begünstigend gewesen sei. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X, gleichzeitig ergebe sich die Erstattungsverpflichtung nach § 335 SGB III.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Die Arbeitsvertragsparteien hätten mit Aufnahme der Beschäftigung eine grundsätzliche monatliche Arbeitszeit von höchstens 64,9 Stunden vereinbart, wobei wegen der schwankenden Auftragslage klargestellt gewesen sei, dass der Mitarbeiter auf Abruf tätig werde. Es treffe zu, dass sie teilweise mehr als 15 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Es sei aber eine durchschnittliche Arbeitszeit vereinbart worden, und sie habe auch Freizeitausgleiche erhalten. Die Notwendigkeit einer solchen Vereinbarung ergebe sich bereits aus dem Gegenstand der Tätigkeit, dem Transport von Behinderten. Es sei ein gleich bleibendes monatliches Gehalt vereinbart gewesen. Entscheidend sei allein, welche Stundenzahl im Vorhinein vereinbart worden sei. Es sei auch nicht auf die Kalenderwoche, sondern auf die Beschäftigungswoche abzustellen. Von September 2001 bis Oktober 2002 habe sie durchschnittlich 12,72 Stunden in der Woche gearbeitet. Im Übrigen könne ihr nicht der Vorwurf vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens gemacht werden.

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat mit Urteil vom 31. Januar 2007 die auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi aufgehoben, denn die Klägerin habe in den von der Aufhebung betroffenen Zeiträumen keinen Anspruch auf Alhi gehabt. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Aufhebungen sei zu differenzieren zwischen den Aufhebungen aufgrund des Eintretens von Änderungen seit der vorgenommenen Leistungsbewilligung und den Aufhebungen von Leistungsbewilligungen, die von vornherein rechtswidrig gewesen seien. Dementsprechend seien für den ersten Aufhebungszeitraum ab 17. September 2001 die Voraussetzungen des § 48 SGB X zu prüfen. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2001 über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2002 handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Bewilligungsbescheides vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung dahin gehend eingetreten, dass der Anspruch der Klägerin auf Alhi für die Zeiträume vom 17. September 2001 bis 6. Januar 2002, vom 21. Januar 2002 bis 1. April 2002 und vom 13. Mai 2002 bis 30. Juni 2002 entfallen sei. Ab 17. September 2001, 21. Januar 2002 und 13. Mai 2002 seien Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, weil die Klägerin ab diesen Stichtagen jeweils nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Sie sei ab 17. September 2001 nicht mehr beschäftigungslos gewesen, da sie eine Beschäftigung ausgeübt habe, die nicht mehr unter der in § 118 Abs. 2 SGB III geregelten Zeitgrenze gelegen habe. Nach dem Vortrag der Klägerin sei eine konkrete wöchentliche Arbeitszeit zwischen ihr und der Rettungsdienst gGmbH B nicht vereinbart worden. Vielmehr habe es mündliche Abreden gegeben, wonach die monatliche Arbeitszeit höchstens 64,9 Stunden habe betragen sollen. Bereits bei Aufnahme der Beschäftigung habe somit festgestanden, dass die Klägerin wegen der schwankenden Auftragslage auf Abruf habe tätig werden sollen und Überschreitungen der im Gesetz vorgesehenen wöchentlichen Arbeitszeit von unter 15 Stunden durch einen Freizeitausgleich hätten abgegolten werden sollen. Prognostisch sei damit bereits zum Beginn der Beschäftigung klar gewesen, dass diese Zeitgrenze in unregelmäßigen Frequenzen überschritten werden würde. Die Kammer folge der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 23. März 2006 - L 28 AL 155/04 -. Eine monatliche Betrachtungsweise sei im Gesetz nicht vorgesehen, so dass die Bildung eines Monatsdurchschnitts für eine vereinbarte Arbeitszeit nicht zulässig sei. Unabhängig davon habe die Klägerin sogar die nach ihrem Vortrag vereinbarten 64,9 Stunden monatlich bereits in den Monaten Oktober und November 2001 überschritten. Im Übrigen läge selbst bei der Annahme einer gelegentlichen Abweichung eine geringe Dauer der Abweichung nicht vor. Die Klägerin habe innerhalb der im Zeitraum vom 3. September 2001 bis 31. August 2002 liegenden rund 52 Wochen, für die Stundenabrechnungen aufgefunden worden seien, in mindestens 23 Wochen die für eine geringfügige Beschäftigung zulässige wöchentliche Arbeitszeit überschritten. Damit sei der Anspruch der Klägerin auf Alhi zunächst für die Zeit vom 17. September 2001 bis 6. Januar 2002 entfallen. Einen Anspruch auf diese Leistung habe die Klägerin auch in den Wochen nicht gehabt, in denen sie weniger als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Ihr Anspruch auf Alhi habe ab 17. September 2001 wegen des Wegfalls der Arbeitslosigkeit nicht mehr bestanden. Einen erneuten Anspruch habe die Klägerin erst wieder mit einer erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung begründen können. Dies treffe auch für die Zeiten vom 21. Januar bis 1. April 2002 und vom 13. Mai bis 30. Juni 2002 zu. Die Klägerin habe nämlich in der Beschäftigungswoche vom 21. Januar 2002 bis 27. Januar 2002 erneut die für eine Nebenbeschäftigung zulässige Zeitgrenze überschritten. Ihr Anspruch auf Alhi sei ab 21. Januar 2002 erneut entfallen und erst aufgrund ihrer persönlichen Vorsprache vom 2. April 2002 wieder entstanden. Dieser Anspruch sei wiederum mit der Beschäftigungswoche ab 13. Mai 2002 entfallen, in der die Klägerin 18,05 Stunden gearbeitet habe. Die Beklagte habe auch zu Recht für die aufgeführten Zeiträume die Bewilligung der Leistung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X aufgehoben. Die Klägerin mache geltend, davon ausgegangen zu sein, jedenfalls im Durchschnitt ihrer Beschäftigungszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Sie habe sich für die Zeiten, in denen sie die Zeitgrenze überschritten habe, auf die Aussage ihres Arbeitgebers verlassen, dass dies alles mit dem Arbeitsamt abgesprochen sei. Aus dem Vortrag der Klägerin erschließe sich, dass ihr die zulässige Arbeitszeit von unter 15 Stunden für eine Nebenbeschäftigung bekannt gewesen sei. Nach Auffassung der Klägerin sei jedoch grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Ihrer Argumentation könne aber schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Klägerin selbst bei der von ihr für korrekt angesehenen monatlichen Betrachtungsweise mehrfach die zulässige Zeitgrenze überschritten habe. So habe sie beispielsweise im Oktober 2001 insgesamt 65 Stunden gearbeitet, im November 2001 69,25 Stunden und im Juni 2002 68,25 Stunden und damit die nach ihrer Aussage vereinbarten 64,9 Stunden monatlich teilweise erheblich überschritten. Dieser Sachverhalt müsse der Klägerin auch bekannt gewesen sein, denn sie habe die Stundenabrechnungen, auf denen die monatlichen Soll- und Ist-Stunden handschriftlich vermerkt worden seien, jeweils durch ihre Unterschrift bestätigt. Bereits aufgrund dieses Sachverhalts wäre die Klägerin gehalten gewesen, sich entweder im Merkblatt 1 für Arbeitslose oder aber besser noch bei der Beklagten darüber zu informieren, ob diese Überschreitungen der zulässigen Arbeitszeit auch noch unschädlich für ihren Leistungsanspruch seien. Wenn die Klägerin selbst nicht kontrolliert habe, ob sie die zulässigen Stunden überschreite, und nicht einmal die Stundenzettel, die sie unterschrieben habe, geprüft habe, so werde dies als grob fahrlässig angesehen. Die letzten Zweifel hätten bei der Klägerin schließlich aufkommen müssen, als der Arbeitgeber auf den für die Beklagte bestimmten Nebenverdienstbescheinigungen zum Teil erheblich von den tatsächlich geleisteten Stunden abweichende Arbeitsstunden eingetragen habe. Auch die Hinnahme falscher Eintragungen auf einer Nebeneinkommensbescheinigung, die maßgeblich für den Leistungsanspruch sein könne, spreche für sich gesehen für eine grobe Fahrlässigkeit. In der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2007 sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin intellektuell in der Lage gewesen sei, die regelmäßigen Überschreitungen der für eine Nebenbeschäftigung zulässigen wöchentlichen Arbeitszeit und noch mehr die Überschreitungen der nach ihrer Aussage vereinbarten monatlichen Arbeitszeit von 64,9 Stunden und auch die falschen Angaben des Arbeitgebers in den Arbeitsbescheinigungen zu erkennen und die Schlussfolgerung zu ziehen, dass rechtswidrige Unregelmäßigkeiten vorliegen könnten. Von der Klägerin habe erwartet werden können, dass sie sich hierüber auch tatsächlich Gedanken mache und sich an die Beklagte wende, die im Rahmen des bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses über die Leistungsansprüche der Klägerin und das Vorliegen der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen zu entscheiden habe. Spätestens im Rahmen der persönlichen Vorsprachen bei der Beklagten habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, Mitarbeiter der Beklagten hierzu zu befragen. Die in § 48 Abs. 4 SGB X geregelten Fristen habe die Beklagte eingehalten. Für den Aufhebungszeitraum vom 1. Juli 2002 bis 9. Oktober 2002 sei das Vorliegen der in § 45 SGB X geregelten Rücknahmevoraussetzungen zu prüfen. Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2002 sei von Beginn an rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin Alhi bewilligt worden sei, obwohl die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides nicht vorgelegen hätten. Der zum 13. Mai 2002 eingetretene Wegfall des Anspruches auf Alhi wirke bis zur nächsten persönlichen Arbeitslosmeldung der Klägerin am 10. Oktober 2002 fort, so dass durchgehend ein Anspruch auf Alhi vom 1. Juli 2002 bis 9. Oktober 2002 nicht bestanden habe. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X lägen vor. Die Beklagte habe auch die in § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X geregelten Fristen beachtet. Die Beklagte habe auch einen Anspruch auf Erstattung der an die Klägerin gezahlten Leistungen in Höhe von 6.292,40 EUR. Die Beklagte habe den Erstattungsbetrag in zu geringer Höhe festgesetzt. Ausweislich der Zahlungsnachweise in der Akte der Beklagten sei der Klägerin vom 1. Juli 2002 bis 9. Oktober 2002 Alhi mit einem täglichen Zahlbetrag von 19,11 EUR bewilligt worden. Die Beklagte habe als tägliche Leistungshöhe lediglich 18,80 EUR zugrunde gelegt. Auch die Erstattungsforderung nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III habe die Beklagte in zu geringer Höhe festgesetzt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren weiter. Sie trägt zur Begründung vor: Sie habe während des gesamten Zeitraumes von 52 Wochen durchschnittlich 12,72 Stunden wöchentlich gearbeitet. Ihr könnten jedenfalls nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

Nachdem die Beklagte den Klageanspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide für die Zeit vom 4. Oktober 2002 bis 9. Oktober 2002 anerkannt und die Klägerin dieses Teilanerkenntnis angenommen hat, beantragt die Klägerin,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2003 und den Widerspruchsbescheid vom 9. September 2003 aufzuheben. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das Urteil des BSG vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 44/07 R -.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten der Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind – in dem zuletzt noch streitigen Umfang – rechtmäßig, wie das SG insoweit mit zutreffender Begründung entschieden hat.

Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alhi für die Zeiträume vom 17. September 2001 bis 06. Januar 2002, vom 21. Januar 2002 bis 01. April 2002 und vom 13. Mai 2002 bis 03. Oktober 2002 nach den §§ 45, 48 SGB X iVm § 330 Absätze 2 und 3 SGB III zurückgenommen und gemäß § 50 Abs. 1 SGB X und § 335 SGB III die Erstattung der überzahlten Alhi einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gefordert.

Für den Aufhebungszeitraum ab 17. September 2001, der im Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli 2001 bis 30. Juni 2002 liegt, bietet § 48 SGB X iVm § 330 Abs. 3 SGB III die erforderliche Rechtsgrundlage. Danach muss ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, sobald in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihm nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) oder er wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebene Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X), und die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X eingehalten sind. Die Bewilligung der Alhi im Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli 2001 bis 30. Juni 2002 war wegen der nachträglich nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 20. Juni 2001 eingetretenen Änderung in den für die Bewilligungsentscheidung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtlich wesentlichen Verhältnissen für die Zeiträume vom 17. September 2001 bis 06. Januar 2002, vom 21. Januar 2002 bis 01. April 2002 und ab 13. Mai 2002 aufzuheben, weil der Anspruch der Klägerin auf Alhi für diese Zeiten wegen fehlender Arbeitslosigkeit entfallen war.

Nach § 190 SGB III in der ab 01. Januar 2000 geltenden Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I, 2624), die in dem Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli 2001 bis 30. Juni 2002 galt, hatten Anspruch auf Alhi nur Arbeitnehmer, die u. a. arbeitslos waren (Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift). Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, der nach § 198 Satz 2 Nr. 1 SGB III hinsichtlich der Arbeitslosigkeit entsprechend anzuwenden ist, war arbeitslos derjenige Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung suchte. Nach § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III schloss die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit iS des Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt. Die Ausübung der von der Klägerin ab 03. September 2001 bei der Rettungsdienst gGmbH B ausgeübten Beschäftigung war jedoch nicht in diesem Sinne kurzzeitig.

Die Beurteilung, wann eine Beschäftigung die Zeitgrenze des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der hier maßgebenden Fassung überschreitet, ist unter Heranziehung der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Vorgängervorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) entwickelten Kriterien vorzunehmen (BSG, Urteile vom 29. Oktober 2008 – B 11 AL 52/07 R = SozR 4-4300 § 118 Nr 2 - und – B 11 AL 44/07 R = SozR 4-4300 § 118 Nr 3). Demgemäß kommt es für die Beurteilung der Kurzzeitigkeit einer Beschäftigung vorrangig auf die vertraglichen Vereinbarungen und eine vorausschauende Betrachtungsweise an, die an die Verhältnisse zu Beginn der Beschäftigung anknüpft (BSG aaO mwN auf die Rechtsprechung des BSG zu § 102 AFG).

Maßgeblich sind demgemäß die zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen sowie eine prognostische Betrachtungsweise anhand der Merkmale und Umstände, wie sie bei Beschäftigungsbeginn am 03. September 2001 vorlagen (vgl. BSG aaO). Nach dem Klagevortrag der Klägerin hatte sie bei Aufnahme ihrer Beschäftigung im Behindertenfahrdienst der Rettungsdienst gGmbH B mit ihrer Arbeitgeberin eine grundsätzliche monatliche Arbeitszeit von höchstens 64,9 Stunden vereinbart; wegen der schwankenden Auftragslage sei gleichzeitig klargestellt gewesen, dass sie auf Abruf tätig werden würde. Ein Nachweis, z. B. eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, für die nach dem Vorbringen der Klägerin vereinbarte monatliche Stundenhöchstzahl liegt nicht vor. Der als Zeuge gehörte Wachleiter bei der Rettungsdienst L B GmbH B, der seinerzeit ab 01. April 2001 ebenfalls bei der Rettungsdienst gGmbH B beschäftigt gewesen war, konnte zu der konkreten Vereinbarung, die der Beschäftigung der Klägerin bei der Rettungsdienst gGmbH B zugrunde lag, keine Angaben machen. Selbst wenn aber von der von der Klägerin angegebenen monatlichen Stundenhöchstzahl von 64,9 Stunden ausgegangen wird, lässt sich die von der Klägerin am 03. September 2001 aufgenommene Beschäftigung im Behindertenfahrdienst der Rettungsdienst gGmbH B nicht als kurzzeitige Beschäftigung qualifizieren. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war die geschlossene Vereinbarung regelhaft darauf angelegt, die Kurzzeitigkeitsgrenze zu überschreiten. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals betont, dass es wegen der spezifischen Tätigkeit zu Überschreitungen kommen musste. Demgemäß sollte die Klägerin wegen der schwankenden Auftragslage auf Abruf tätig werden. Damit stand von vornherein fest, dass die wöchentliche Kurzzeitigkeitsgrenze von weniger als 15 Stunden überschritten werden konnte, da der Umfang der Beschäftigung der Klägerin ausschließlich von der jeweiligen Auftragslage und der sich daraus ergebenen Anzahl der Arbeitseinsätze abhing. Entsprechend diesem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung erfolgte dann nach dem Vorbringen der Klägerin auch die tatsächliche Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses. Die Klägerin räumt selbst ein, dass sie teilweise mehr als 15 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Dementsprechend weisen die bei der Betriebsprüfung am 09. Dezember 2002 bei der Rettungsdienst gGmbH aufgefundenen Stundenabrechnungen für die Klägerin in der Woche vom 17. September bis 21. September 2001 25,35 Stunden, in der Woche vom 24. September bis 28. September 2001 21,20 Stunden, in der Woche vom 08. Oktober bis 12. Oktober 2001 15,5 Stunden, in der Woche vom 15. Oktober bis 19. Oktober 2001 17,5 Stunden, in der Woche vom 22. Oktober bis 26. Oktober 2001 16,25 Stunden, in der Woche vom 05. November bis 09. November 2001 17,4 Stunden, in der Woche vom 12. November bis 16. November 2001 15,25 Stunden, in der Woche vom 26. November bis 30. November 2001 17,35 Stunden, in der Woche vom 03. Dezember bis 07. Dezember 2001 15,5 Stunden, in der Woche vom 10. Dezember bis 14. Dezember 2001 16,5 Stunden, in der Woche vom 21. Januar bis 25. Januar 2002 16,4 Stunden, in der Woche vom 11. März bis 15. März 2002 16,05 Stunden, in der Woche vom 18. März bis 22. März 2002 16,20 Stunden, in der Woche vom 03. Mai bis 07. Mai 2002 18,05 Stunden, in der Woche vom 27. Mai bis 31. Mai 2002 15,35 Stunden, in der Woche vom 10. Juni bis 14. Juni 2002 19,25 Stunden, in der Woche vom 17. Juni bis 21. Juni 2002 17,05 Stunden und in der Woche vom 24. Juni bis 28. Juni 2002 16,55 Stunden auf. Dabei war die Woche ab 17. September 2001 zum einen die dritte Beschäftigungswoche, zum anderen war der 17. September 2001 der Beginn der dritten Kalenderwoche, sodass es auf die von der Klägerin für maßgeblich erachtete Differenzierung zwischen Beschäftigungs- und Kalenderwoche nicht ankommt. Wegen der Überschreitung der zulässigen wöchentlichen Arbeitszeit in der Woche ab 17. September 2001 entfiel jedenfalls die Arbeitslosigkeit der Klägerin iS des § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III und wegen dieser Änderung in den Verhältnissen iS des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist die Aufhebung der Bewilligung von Alhi in den im Bescheid vom 06. Juni 2003 aufgeführten Zeitabschnitten rechtens. Da nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung mit der Aufnahme der Beschäftigung erlischt, entfiel der Anspruch der Klägerin auf Alhi auch für den gesamten Zeitraum vom 17. September 2001 bis 06. Januar 2002, bis sie sich am 07. Januar 2002 erneut bei der Beklagten persönlich meldete. Der Anspruch auf Alhi entfiel dann wieder mit der Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze in der Woche vom 21. Januar bis 25. Januar 2002, und zwar bis zum 01. April 2002, bis sich die Klägerin am 02. April 2002 bei der Beklagten wiederum persönlich meldete. Nach der Vorsprache am 02. April 2002 entfiel der Anspruch auf Alhi dann wieder ab 13. Mai 2002 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 30. Juni 2002.

Bei den aufgeführten Überschreitungen der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III handelt es sich auch nicht nur um gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer iS des § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III, die die Kurzzeitigkeit nicht ausschlössen. Gelegentlich ist eine Überschreitung nur dann, wenn sie nicht vorhersehbar ist und sich innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht wiederholt (BSG aaO). Wegen der Vorhersehbarkeit der zeitlichen Überschreitung der vereinbarten Stundenhöchstzahl bereits bei der Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses war vielmehr das Tatbestandsmerkmal der "Gelegentlichkeit" iS des § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III nicht erfüllt. Dass die Klägerin bei Bedarf und "auf Abruf" eingesetzt werden sollte, erfordert keine andere Beurteilung. Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarung von vornherein auf eine Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III angelegt war (BSG aaO).

Die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wegen der Änderung der Verhältnisse ab 17. September 2001 war nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X auch für die Vergangenheit zulässig, weil die Klägerin ihrer Mitteilungspflicht iS des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen war, oder aber es zumindest nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, dass ihr Anspruch auf Alhi kraft Gesetzes weggefallen war (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Wenn die Klägerin zur Begründung ihrer Klage selbst vorträgt, dass sie das einschlägige Merkblatt von der Beklagten zwar erhalten habe, jedoch im Zusammenhang mit ihrer Nebenbeschäftigung nicht mehr gelesen habe, so lässt dieses Vorbringen nur die Schlussfolgerung zu, dass die Klägerin die ihr obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat und damit grob fahrlässig gehandelt hat. Zudem wusste die Klägerin nach ihrem eigenen Klagevortrag, dass sie in bestimmten Zeiten die Zeitgrenze überschritten hatte. Wenn sie – wie sie vorbringt – sich dabei auf die Aussage ihres Arbeitgebers verlassen habe, dass dies alles mit dem Arbeitsamt abgesprochen sei, und beim Arbeitsamt nicht noch einmal nachgefragt habe, ob das so korrekt sei, erweist sich der Vorwurf zumindest grober Fahrlässigkeit in jedem Falle als begründet. Aus dem langjährigen Alhi-Bezug vom 31. Dezember 1991 bis 19. September 1992, vom 15. September 1993 bis 11. März 1995 und ab 14. April 1997 waren der Klägerin jedenfalls auch aufgrund der damaligen Aushändigung von Merkblättern ihre Mitwirkungspflichten bestens bekannt. Ausweislich der Akte der Beklagten hatte die Klägerin zudem am 13. Juni 2001 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten mitgeteilt, dass sie am 11. Juni 2001 mit einer Nebentätigkeit begonnen habe. Nach dem Inhalt des Beratungsvermerks war der Klägerin dazu auch eine Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden. Im Übrigen ergibt sich aus der nach den Angaben der Klägerin mit der Rettungsdienst gGmbH B vereinbarten monatlichen Stundenhöchstgrenze von 64,9 Stunden, dass die Klägerin wusste, dass eine Überschreitung der Stundenhöchstgrenze sich anspruchsschädlich auswirken würde, weil die Arbeitslosigkeit gegebenenfalls entfallen würde. Aufgrund des Eindrucks von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 07. Juni 2010 lässt sich der Klägerin auch die erforderliche Einsichts- und Kritikfähigkeit nicht absprechen. Das insgesamt als grob leichtfertig zu wertende Verhalten der Klägerin rechtfertigt damit den Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Einsichts- und Kritikfähigkeit.

Für die Aufhebungszeiträume ab 01. Juli 2002 bis – nunmehr – 03. Oktober 2002 bildet § 45 SGB X die erforderliche Rechtsgrundlage für die Aufhebung der bewilligenden Alhi-Entscheidung. Der Bescheid vom 15. August 2002, mit dem die Beklagte Alhi ab 01. Juli 2002 bewilligt hatte, stellt sich als von Anfang an rechtswidrig iS des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Denn zur Zeit des Erlasses dieses Bescheides war die Klägerin bereits seit 13. Mai 2002 durchgehend nicht mehr arbeitslos iS des § 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, weil sie in der Woche ab 13. Mai 2002 die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III überschritten hatte. Insoweit gilt nichts anderes als hinsichtlich der rechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung von Alhi in den Zeiträumen ab 17. September 2001 auf der Grundlage des § 48 SGB X. Auch insoweit ist der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet, weil die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 15. August 2002 zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Nach § 45 Abs. 4 SGB X war die Beklagte daher berechtigt, den Bescheid vom 15. August 2002 mit dem Aufhebungsbescheid vom 06. Juni 2003 und damit für die Vergangenheit zurückzunehmen. Auch die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt.

Da die Beklagte ihre Bewilligungsentscheidungen über die Gewährung von Alhi nach §§ 45, 48 SGB X für die streitigen Zeiträume zurücknehmen durfte, hat die Klägerin nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Beklagten die in diesen Zeiten gezahlte Alhi zu erstatten. Die Beklagte hatte einen Gesamtbetrag der überzahlten Alhi in der Zeit vom 07. September 2001 bis 09. Oktober 2002 in Höhe von 6.292,40 EUR ermittelt, und zwar für das Jahr 2001 2.024,80 EUR und für das Jahr 2002 4.267,60 EUR. Im Jahr 2001 hatte die Beklagte der Klägerin durchgehend für den Aufhebungszeitraum vom 17. September 2001 bis 31. Dezember 2001 und damit für 106 Kalendertage Alhi in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 37,36 DM = 19,10 EUR gewährt; dementsprechend ergibt sich der angesetzte Rückforderungsbetrag von 2.024,80 EUR. Im Jahr 2002 umfassen die Aufhebungszeiträume vom 01. Januar 2002 bis 06. Januar 2002, vom 21. Januar 2002 bis 01. April 2002 und vom 13. Mai 2002 bis – ursprünglich – 09. Oktober 2002 insgesamt 227 Kalendertage. Bei der Berechnung der Rückforderung hatte die Beklagte anstelle des der Klägerin gewährten Leistungssatzes von 19,11 EUR täglich einen täglichen Leistungssatz von 18,80 EUR zugrunde gelegt. Dementsprechend ergab sich zu Gunsten der Klägerin ein Rückforderungsbetrag für das Jahr 2002 in Höhe von nur 4.267,60 EUR. Ungeachtet der die Klägerin rechtswidrig begünstigenden Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X in Höhe von nur 6.292,40 EUR ist indes aufgrund des von der Beklagten ausgesprochenen Teilanerkenntnisses, mit dem der Bescheid vom 06. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2003 für die Zeit vom 04. Oktober 2002 bis 09. Oktober 2002 aufgehoben wird, eine weitere Reduzierung der Erstattungsforderung der Beklagten vorzunehmen. Denn insoweit ist der Zeitraum vom 04. Oktober 2002 bis 09. Oktober 2002, der in dem ursprünglichen Aufhebungszeitraum enthalten war, in Höhe der darauf entfallenden Erstattungsforderung der Beklagten in Abzug zu bringen, d. h. 6 Kalendertage multipliziert mit dem – von der Beklagten irrigerweise angesetzten – Leistungssatz von 18,80 EUR = 112,80 EUR, so dass sich – noch – eine Erstattungsforderung der Beklagten nach § 50 Abs. 1 SGB X von 6.179,60 EUR ergibt.

Auch die in den angefochtenen Bescheiden von der Beklagten erhobene Forderung auf Erstattung der in den Aufhebungszeiträumen gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung besteht gemäß § 335 Abs. 1 und 5 SGB III zu Recht. Auch insoweit hat die Beklagte ihre Erstattungsforderung die Klägerin rechtswidrig begünstigend zu niedrig festgesetzt. Ausgehend von einem wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt bzw. Bemessungsentgelt von 600,- DM im Jahr 2001 bemessen sich die Beiträge zur Krankenversicherung nach § 232 a Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in der im Jahr 2001 geltenden Fassung. Danach ist das wöchentliche Arbeitsentgelt durch 7 zu teilen, und 58 % davon sind der Beitragsbemessung zugrunde zu legen bei einem im Jahr 2001 geltenden Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von 13,8 %; demgemäß ergeben sich täglich 6,86 EUR und damit für 106 Kalendertage des Aufhebungszeitraums im Jahr 2001 insgesamt 727,22 DM (= 371,82 EUR). Für 2002 ist ausgehend von einem wöchentlichen Arbeitsentgelt bzw. Bemessungsentgelt von 305,- EUR bei einem Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von 14,5 % ein täglicher Betrag von 3,66 EUR anzusetzen, multipliziert mit dem Aufhebungszeitraum 2002 von 227 Kalendertagen; daraus ergeben sich 831,81 EUR für das Jahr 2002 und insgesamt für den Gesamtaufhebungszeitraum vom 17. September 2001 bis 09. Oktober 2002 ein Betrag von 1.203,63 EUR. Die Beklagte hat indes in dem Bescheid vom 06. Juni 2003 nur 1.111,22 EUR festgesetzt. Auch insoweit ist allerdings aufgrund des von der Beklagten ausgesprochenen Teilanerkenntnisses der Erstattungsbetrag nach § 335 Abs. 1 SGB III um den auf die Zeit vom 04. Oktober 2002 bis 09. Oktober 2002 entfallenden Betrag zu mindern. Abzuziehen sind für 6 Kalendertage insgesamt 21,96 EUR, so dass sich eine Erstattungsforderung nach § 335 Abs. 1 SGB III von nur noch 1.089,26 EUR ergibt.

Das Gleiche gilt für die Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 335 Abs. 5 iVm Abs. 1 SGB III. Ausgehend von einem Beitragssatz von 1,7 % in der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 2001 (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – SGB XI) gilt nach § 57 Abs. 1 SGB XI damaliger Fassung als beitragspflichtige Einnahme die gezahlte Alhi. Bei einem täglichen Leistungssatz von 37,36 DM, den die Klägerin vom 17. September bis 31. Dezember 2001 erhielt, fiel ein Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung von täglich 0,64 DM an, so dass sich im Aufhebungszeitraum von 106 Kalendertagen insgesamt 67,32 DM (= 34,42 EUR) an Beiträgen zur Pflegeversicherung ergeben. Bei demselben Beitragssatz von 1,7 % und einem von der Beklagten - irrigerweise nur – mit 18,80 EUR angesetzten täglichen Leistungssatz ergaben sich für den Aufhebungszeitraum von 227 Kalendertagen im Jahr 2002 täglich 0,32 EUR an Beiträgen für die gesetzliche Pflegeversicherung. Multipliziert mit dem Aufhebungszeitraum von 227 Kalendertagen folgt daraus ein Gesamtbetrag von 72,55 EUR an Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung; insgesamt hatte die Beklagte damit 106,97 EUR an Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung im Aufhebungszeitraum getragen, während sie in dem Bescheid vom 06. Juni 2003 nur 63,82 EUR von der Klägerin fordert. Gleichwohl sind von der Erstattungsforderung wegen des Teilanerkenntnisses wiederum für die Zeit vom 04. Oktober 2002 bis 09. Oktober 2002 die anfallenden Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Abzug zu bringen. Es sind also von den geltend gemachten 63,82 EUR 6 x 0,32 EUR = 1,92 EUR abzuziehen, so dass sich eine Erstattungsforderung für die gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 61,90 EUR ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen unter Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteile des BSG vom 29. Oktober 2008 – B 11 AL 44/07 R – aaO und – B 11 AL 52/07 R – aaO) nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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