L 18 AL 154/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 64 AL 2521/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 154/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 08. Januar 2002 in Anspruch.

Der Kläger, geboren 1941, hatte vom 10. Januar 1991 bis 01. August 1999 vom Bezirksamt T v B Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Ausweislich des Versicherungsverlaufs der ehemaligen Landesversicherungsanstalt B (LVAB) vom 18. Oktober 2004 wurden für ihn Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 01. Oktober 1999 bis 12. Januar 2000 entrichtet; als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt sind vom 01. Oktober 1999 bis 31. Dezember 1999 insgesamt 9.000,00 DM und vom 01. bis 12. Januar 2000 1.200,00 DM aufgeführt. Die Betriebskrankenkasse V U(BKK VBU) bescheinigt (Bescheinigung vom 19. Oktober 2004) eine Mitgliedschaft des Klägers vom 01. Oktober 1999 bis 31. Dezember 1999 und vom 01. Januar bis 12. Januar 2000 zur Betriebsnummer des Arbeitgebers. In den Bescheinigungen über die maschinell erstellte Meldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger vom 01. Februar 2000 (Jahresmeldungen für 1999 und 2000) wird als Arbeitgeber die J F GmbH (Betriebsnummer: ) genannt. Nach dem Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer vom 23. September 1999, der zwischen der J F GmbH und dem Kläger geschlossen worden war, wurde der Kläger ab 01. Oktober 1999 als "Radio-Fernseh-Techniker" eingestellt, und zwar befristet bis zum 30. September 2001. Vom 25. Februar bis 10. Mai 2000 bezog der Kläger Krankengeld von der BKK VBU.

Am 08. Januar 2002 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Er gab an, er sei seit 01. Oktober 1999 bei der E I GmbH beschäftigt gewesen und diese Arbeitgeberin "behaupte trotz entgegengesetzter bereits rechtskräftiger arbeitsgerichtlicher Urteile, dass er bei ihr nicht beschäftigt sei". Ermittlungen der Beklagten wegen der für die Berechnung des Alg erforderlichen Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers blieben erfolglos. Der Kläger verwies auf die rechtskräftigen Versäumnisurteile des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Juni 2000 – 75 Ca 11295/00 – und vom 17. Januar 2002 – 75 Ca 10495/01 –, auf die Bezug genommen wird.

Mit Bescheid vom 30. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg ab mit der Begründung, dass die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 08. Januar 2002 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der – nicht begründete – Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07. Juli 2005).

Die – ebenfalls nicht begründete – Klage auf Gewährung von Alg ab 08. Januar 2002 hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Gerichtsbescheid vom 28. Dezember 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die Kammer verweise auf die Begründung der angefochtenen Bescheide (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Ein Anspruch auf Alg setze die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Diese habe gemäß §§ 123, 124 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung - (SGB III) in der 2002 geltenden Fassung erfüllt, wer innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist, die mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg beginne, mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Dies könne vorliegend nicht festgestellt werden. In der dreijährigen Rahmenfrist vom 08. Januar 1999 bis 07. Januar 2002 sei nur ein Versicherungspflichtverhältnis vom 01. Oktober 1999 bis 12. Januar 2000 feststellbar. Die Versäumnisurteile des Arbeitsgerichts Berlin ließen nicht den Schluss auf ein tatsächlich bestehendes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der E I GmbH für den vom Kläger angegebenen weiteren Zeitraum zu. Sie seien ohne Prüfung des Sachverhalts ergangen. Außer der Behauptung des Klägers, bis zum 30. September 2001 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der E I GmbH gestanden zu haben, gebe es keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein solches Arbeitsverhältnis. Hiergegen spreche auch, dass die Meldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger von der J F GmbH als Arbeitgeberin des Klägers erfolgt sei. Dass nach der Behauptung des Klägers tatsächliche Arbeitgeberin die E I GmbH gewesen sei, sei auch durch Vorlage der Versäumnisurteile nicht nachgewiesen. Da der Kläger weder seinen Widerspruch noch die Klage begründet habe, habe sich die Kammer nicht gedrängt gesehen, weitere Sachverhaltsermittlungen zum Bestehen des behaupteten Arbeitsverhältnisses durchzuführen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt zur Begründung vor: Es sei zwar richtig, dass das Arbeitsgericht in seinem Teilurteil vom 17. Januar 2002 auf Grund des durch Versäumnisurteils entschiedenen Vorverfahrens von einer Rechtskraftwirkung ausgegangen sei und die Frage des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht mehr habe zu entscheiden brauchen. Allerdings seien unabhängig davon ausreichend objektive Tatsachen für das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und der E I GmbH vorhanden. Zunächst einmal habe die E I GmbH eine Kündigung behauptet. Sie habe in ihrem Schreiben vom 08. Februar 2000 ihn zudem aufgefordert, sein Restgehalt abzuholen. In ihrem Schriftsatz vom 11. Juni 2001 habe sie vorgetragen, dass sie sich nicht in Annahmeverzug befunden habe, weil er auf Grund seiner Krankheit nicht leistungsfähig gewesen sei. Erst als sich für die E I GmbH herausgestellt habe, dass sie mit ihrem Einwand nicht durchdringen würde, habe sie dann behauptet, der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt für sie tätig gewesen. Auch die erhobene Widerklage zeige deutlich, dass die E I GmbH selbst davon ausgehe, dass sie ihm Arbeitslohn gezahlt habe. Bei Würdigung all dieser objektiven Tatumstände könne nur davon ausgegangen werden, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Für den Umstand, dass er Mitarbeiter der E I GmbH gewesen sei, benenne er die – im Schriftsatz vom 21. November 2007 aufgeführten – Zeuginnen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juli 2005 zu verurteilen, ihm ab 08. Januar 2002 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Dafür, dass der Kläger bei einer Firma E I GmbH innerhalb der Rahmenfrist vom 08. Januar 1999 bis 07. Januar 2002 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und dadurch die Anwartschaftszeit erfüllt habe, lägen keine Anhaltspunkte vor.

Der Senat hat mit Schreiben vom 06. Oktober 2009, auf das Bezug genommen wird, dem Kläger zur Beantwortung eine Reihe von Fragen vorgelegt, die der Kläger nicht beantwortet hat.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des Arbeitsgerichts Berlin – 75 Ca 11295/00 und 75 Ca 10495/01 –, die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Alg für die Zeit ab 08. Januar 2002. Nach § 117 Abs. 1 SGB III in der im Jahr 2002 geltenden Fassung haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die Anwartschaftszeit hat nach § 123 Satz 1 SGB III in der im Jahr 2002 geltenden Fassung erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (Nr. 1 der Vorschrift).

Der Kläger erfüllt die anspruchsbegründende Voraussetzung der Zurücklegung einer Anwartschaftszeit von 12 Monate nicht. Ausgehend von dem Versicherungsverlauf der ehemaligen LVAB vom 18. Oktober 2004 hatte er innerhalb der maßgebenden Rahmenfrist von drei Jahren (§ 124 Abs. 1 SGB III), die vom 07. Januar 2002 bis zum 08. Januar 1999 läuft, nur Versicherungspflichtzeiten aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung (§ 25 Abs. 1 SGB III) vom 01. Oktober 1999 bis 12. Januar 2000 vorzuweisen; hinzuzurechnen als weitere Versicherungspflichtzeit ist die Zeit des Krankengeldbezuges nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III vom 14. Januar 2000 bis 10. Mai 2000, die die BKK VBU in der Leistungsakte der Beklagten enthaltenen Schreiben vom 11. Dezember 2000 bestätigt hat. Darauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen. Ein – für die Erfüllung der Anwartschaftszeit erforderlicher – Zeitraum von 12 Monaten wird mit diesen Versicherungspflichtzeiten indes nicht erreicht.

Es ist auch auszuschließen, dass eine Zeit versicherungspflichtiger Beschäftigung, die als Versicherungspflichtzeit nach § 25 Abs. 1 SGB III bei der Erfüllung der Anwartschaftszeit zu berücksichtigen wäre, von dem Kläger nach dem 12. Januar 2000 bzw. nach dem Ende des Krankengeldbezuges am 10. Mai 2000 noch zurückgelegt worden ist. Denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lässt sich schon nicht feststellen, zu welcher der in Betracht kommenden Arbeitgeberinnen, der J F GmbH oder aber der E I GmbH der Kläger überhaupt in einen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte oder ob nach dem langjährigen Sozialhilfebezug von 1991 bis 1999 nicht gegebenenfalls nur ein Scheinarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Nach dem in dem Arbeitsgerichtsverfahren – 75 Ca 11295/00 – eingereichten schriftlichen Arbeitsvertrag begründete der Kläger zwar mit der J F GmbH ein Arbeitsverhältnis ab 01. Oktober 1999, das bis zum 30. September 2001 befristet war und aufgrund dessen er als "Radio-Fernseh-Techniker" eingestellt wurde. Gleichzeitig behauptete der Kläger aber in diesem Arbeitsgerichtsverfahren, dass trotz dieses Arbeitsvertrages in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis mit der E I GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer K D, bestanden habe, der auch als Geschäftsführer der J F GmbH fungierte. Soweit das Arbeitsgericht Berlin in seinem rechtskräftigen Versäumnisurteil vom 05. Juni 2000 in dem Verfahren – 75 Ca 11295/00 - das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der E I GmbH festgestellt hatte, beruht dieses Urteil jedenfalls nur auf der Säumnis der Beklagten, also der E I GmbH, und ist ohne jegliche Prüfung des Bestehens des von dem Kläger behaupteten Arbeitsverhältnisses in der Sache ergangen. Für das – vom Kläger geltend gemachte – Fortbestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit der E I GmbH über den 12. Januar 2000, den von ihm behaupteten letzten Arbeitstag hinaus, bietet dieses Urteil damit keinerlei Grundlage.

Auch im Sozialgerichtsverfahren hat sich die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses des Klägers mit der E I GmbH und das Fortbestehen eines derartigen Beschäftigungsverhältnisses über den 12. Januar 2000 hinaus, das zur vollen Überzeugung des Senats hätte nachgewiesen werden müssen, nicht feststellen lassen. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast geht die Nichtfeststellbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen aber zu Lasten des Klägers. Der Kläger hatte die von ihm eingelegten Rechtsbehelfe des Widerspruchs und der Klage zu keiner Zeit begründet und erstmals mit der Berufung überhaupt zur Sache vorgetragen. Das Gericht hatte daraufhin Ermittlungen aufgenommen, indem es dem Kläger mit gerichtlichen Anschreiben vom 06. Oktober 2009 zur Beantwortung eine Reihe von Fragen vorgelegt hatte, zu denen er sich allerdings bis zur Schließung der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2010 nicht geäußert hatte. Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers im Verfahren war davon auszugehen, dass weiterer Sachvortrag nicht beabsichtigt war und nur das bisherige Gesamtergebnis des Verfahrens der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollte. Da es an dem – für weitere Ermittlungen zwingend erforderlichen – substantiierten Sachvortrag des Klägers fehlte und das Gericht durch sein Anschreiben vom 06. Oktober 2009 das aus seiner Sicht bestehende Erfordernis weiteren Sachvortrags unmissverständlich aufgezeigt hatte, brauchte dem Beweisantrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 21. November 2007 nicht gefolgt zu werden. Denn zu Ermittlungen "ins Blaue" hinein ist das Gericht trotz der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht verpflichtet (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 29/09 R – juris; BVerfG, Beschluss vom 09. Oktober 2007 – 2 BvR 1268/03 – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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