Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 85 KR 1087/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 308/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 30. September 2005 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 06. Dezember 2007 der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlegen hat. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf beide Instanzen auf jeweils 10 000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene") bei seiner Ehefrau, der Beigeladenen zu 2) (nachfolgend nur noch "die Beigeladene") in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 06. Dezember 2007.
Der 1952 geborene Beigeladene ist gelernter Industriekaufmann. Er war bis Anfang 1983 geschäftsführender Gesellschafter der W GmbH, welche sich in der Rezessionsphase 1982/1983 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befand. Die Geschäftstätigkeit wurde aufgegeben, da erforderliche Kapitalmittel nicht aufgebracht werden konnten. Zum 21. Februar 1983 wurde die U als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) von der Beigeladenen und Frau U G gegründet. Der Beigeladene arbeitete für die GbR. Er brachte aufgrund seiner Ausbildung und der Führung der vorherigen Firma W GmbH die erforderlichen kaufmännischen Kenntnisse und den gesamten Kundenstamm ein. Er kaufte das Material bei den ihm bekannten Herstellern ein und verkaufte die Waren an einen festen Kundenstamm weiter. Ihm oblagen die Preisgestaltung und die Transportlogistik. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen ihm und der GbR wurde nicht geschlossen. Zum 01. Januar 1990 übernahm die Beigeladene, die gelernte Bauzeichnerin ist, sämtliche Anteile der Frau U G. Seit 01. Januar 1990 firmierte das Unternehmen unter "H". Es betrieb Großhandel mit Rohrzubehör, indem Fertig- und Halbfertigteile angekauft und nach Kundenwünschen bearbeitet oder umgearbeitet wurden. Zwischen den Beigeladenen wurde am 04. Januar 1990 rückwirkend ab 01. Januar 1990 ein schriftlicher Arbeitsvertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen als kaufmännischer Angestellter geschlossen. Es sollten die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung gelten. Als Arbeitsentgelt wurde ursprünglich 2.081,99 DM vereinbart. Für den Beigeladenen wurden für seine Beschäftigung bei der Beigeladenen laufend Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgeführt. Dieser übernahm in der Folgezeit auch Bürgschaften für die Geschäftsverbindlichkeiten seiner Ehefrau (für bis zu 60.000,00 DM vom 14.02.1990; über maximal 76.694,00 EUR vom 26.04.2001). Die Beigeladene arbeitete im Unternehmen die ersten Jahre mit und betreute hauptsächlich die Auftragsabwicklung, die Dokumentation sowie die Finanzbuchhaltung. Zum 01. April 1998 beendete sie die innerbetriebliche Mitarbeit. Ihr Ehemann übernahm damals den Finanzbereich. Für die übrigen Aufgaben wurden zwei Mitarbeiter neu eingestellt.
Der Beigeladene bat mit Schreiben vom 29. Juni 2004 die Beklagte um Prüfung seiner Versicherungspflicht. Beide Beigeladenen reichten den von ihnen unter dem 03. Dezember 2004 ausgefüllten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" ein. Danach betrug das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt des Beigeladenen nunmehr 6.300,00 EUR monatlich bei einer 45 Stunden Woche mit Arbeitszeiten nach Belieben. Er erhalte ein Monatsgehalt als Urlaubs /Weihnachtsgeld sowie Tantiemen. Das Arbeitsentgelt werde bei Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Wochen fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt sei übertariflich. Vom Arbeitsentgelt wurde Lohnsteuer entrichtet. Es wurde als Betriebsausgabe gebucht.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 04. Mai 2005 mit, ihres Erachtens liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Sie fragte an, ob sich die Klägerin dieser Auffassung anschlösse. Sie erhielt zunächst trotz Erinnerung keine Antwort.
Sie stellte mit Bescheid vom 30. September 2005 gegenüber dem Beigeladenen fest, dass er seit dem 01. Januar 1991 nicht renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig sei. Es bestehe außerdem aufgrund der Höhe des Entgelts Kranken- und Pflegeversicherungsfreiheit. Einen Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge vom 05. Dezember 2005 der Beigeladenen reichte die Beklagte an die Klägerin weiter. Dort ging er einschließlich einer Abschrift des Bescheides vom 30. September 2005 am 16. Dezember 2005 ein.
Der Beigeladene beantragte am 30. Januar 2006 (Eingangsdatum) bei der Klägerin die Beitragszahlung für eine freiwillige Versicherung und gab dabei an, dass für ihn bis September 2005 Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden seien.
Mit Schreiben vom 02. Februar 2006 sowie mit Schreiben vom 06. April 2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, von abhängiger Beschäftigung auszugehen.
Sie hat am 16. Juni 2006 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Die Beklagte hat ihre Auffassung verteidigt, aufgrund der Gesamtumstände habe der Beigeladene im Betrieb seiner Ehefrau keine weisungsgebundene und abhängige Beschäftigung ausgeübt.
Die Beigeladene hat ausgeführt, ihr Mann sei zu keiner Zeit weisungsgebunden gewesen. Sie seien seit 30 Jahren verheiratet und es habe gegeben bzw. gäbe keinen Grund für sie, an seiner Loyalität zu zweifeln. Kein anderer Mitarbeiter hätte mehr als zehn Jahre auf seinen Jahresurlaub verzichtet.
Zum 01. Januar 2008 ist das Unternehmen der Beigeladenen in eine GmbH umgewandelt worden. In der neuen H GmbH ist der Beigeladene geschäftsführender Gesellschafter.
Das SG hat die Klage, die erstinstanzlich auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 30. September 2005 und auf Feststellung, dass der Beigeladene der Rentenversicherungspflicht ab 01. Januar 1991 unterliege, gerichtet gewesen ist, mit Urteil vom 29. Mai 2008 abgewiesen. Es sei nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, sondern von familienhafter Mithilfe im Rahmen einer gemeinsam ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit. Ein auch nur schwach ausgeprägtes Weisungsrecht der Beigeladenen sei nicht erkennbar. Der Beigeladene beeinflusse maßgeblich die Geschicke der Firma und habe durch die Übernahme von Bürgschaften im Umfang von zirka 100.000,00 EUR auch ein entsprechendes Unternehmerrisiko getragen, welches typischerweise ein Arbeitnehmer nicht zu tragen bereit sei. Dass Ehegatten untereinander üblicherweise Bürgschaften eingingen, sei kein gewichtiges Gegenargument. Dass nämlich Eheleute generell den entsprechenden Ansinnen der Darlehensgeber bzw. Banken nachgäben, vermöge die Kammer nicht zu erkennen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 09. Juli 2008.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 06. Dezember 2007 der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlegen hat.
Die Beklagte sowie der Beigeladene halten die Entscheidung des SG für richtig.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Es sei hier von einer familienhaften Mithilfe im Rahmen einer gemeinsam ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Das Abführen der Lohnsteuer sowie das Vorliegen eines Arbeitsvertrages träten hinter den übrigen Merkmalen einer selbständigen Tätigkeit zurück. Der Beigeladene habe eine Vormachtsstellung ausgeübt, welcher ein Weisungsrecht seiner Ehefrau gerade nicht gegenübergestanden habe. Er habe das Unternehmen faktisch wie ein Alleininhaber geführt.
Der Beigeladene hat ergänzend vorgebracht, auch bei einer Familien-GmbH werde für den Gesellschafter-Geschäftsführer Lohnsteuer abgeführt.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Die Berufung hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch SGB VI ). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob ein Arbeitnehmer abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 1 BvR 21/96 SozR 3 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung entstehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 8. August 1990 11 RAr 77/89 SozR 3 2400 § 7 Nr. 4 Seite 14, und vom 8. Dezember 1994 11 RAr 49/94 SozR 3 4100 § 168 Nr. 18 Seite 45; so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 B 12 KR 30/04 R juris).
Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH Geschäftsführer BSG, a. a. O.).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 12 RK 72/92 NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 12 BK 98/94 ). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R USK 2002 - 42).
Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8).
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z. B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird, oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteile vom 8. Dezember 1987 7 RAr 25/86 BB 1989, 72; vom 14. Dezember 1999 B 2 U 48/98 R USK 9975).
Zur Überzeugung des Senats hat es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen nicht nur um eine familienhafte Mitarbeit gehandelt. Er war vielmehr (normal) vollzeitbeschäftigt und hat zum Schluss ein übertarifliches Gehalt bezogen. Es ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen die ihnen zustehende Freiheit so ausübten, dass nur die Beigeladene Unternehmerin sein sollte und ihr Ehemann leitender Angestellter, bewusst anders als zu Zeiten der WGmbH und der jetzigen HGmbH. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beigeladene lediglich eine Art Strohfrau o. ä. gewesen ist. Sie hat jahrelang wesentliche Teile des Unternehmens betreut.
Aus dem Umstand, dass auch für GmbH-Geschäftsführer Lohnsteuer für laufende Bezüge abgeführt wird, auch wenn diese als Alleingesellschafter nicht abhängig im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen sind, folgt für den hier zu entscheidenden Fall nichts. Dass die Beigeladene und ihr Ehemann über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regelten, ist nach den vorgenannten Grundsätzen nicht ausschlaggebend. Ganz allgemein kann ein ständig und dauerhaft bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Rein faktisch kann zwischen der Tätigkeit des Beigeladenen als leitende "Angestellte" und derjenigen eines Alleingeschäftsführers unterschieden werden.
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichts gesetzt (SGG) dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -). § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigende Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -). Die Klage ist aus den soeben ausgeführten Gründen auch begründet.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Klage geändert und erweitert hat, indem die Feststellung der Rentenversicherungspflicht auch auf das Jahr 1990 erstreckt werden soll, ist die Klageänderung als Klageerweiterung nach § 153 Abs. 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGG zulässig. Die Änderung ist sachdienlich, weil damit im Sinne einer einheitlichen Entscheidung die Tätigkeit des Beigeladenen bei seiner Ehefrau insgesamt einer Entscheidung zugeführt wird. Das Feststellungsverfahren hat sich von Anfang an auf den Zeitraum des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen seit Beginn der alleinigen Unternehmerschaft seiner Ehefrau bezogen. Die Beklagte hat auch nicht bewusst eine Entscheidung nur für die Zeit ab 01. Januar 1991 getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die grundsätzlichen Kriterien sind von der Rechtsprechung geklärt.
Der Beschluss über den Streitwert, der nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar ist, folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich dieser für Fälle außerhalb des Antragsverfahrens nach § 7a SGB IV in einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht regelmäßig nach dem Auffangstreitwert. Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Rechtsstreits kann nämlich regelmäßig nicht überblickt werden. Er korrespondiert regelmäßig nicht mit der Höhe der entweder zu erstattenden oder nachzufordernden Versicherungsbeiträge. Auch kann der wirtschaftliche Wert, gesetzlich rentenversichert zu sein, kaum bemessen werden. Sind aber Zeiträume von mehr als fünfzehn Jahren streitbefangen, ist regelmäßig eine Verdoppelung des Streitwertes angemessen, ab dreißig Jahren eine Verdreifachung. Ein Ausnahmefall, in welchem eine Eingrenzung aufgrund der Umstände des Einzelfalles geboten ist (zum Beispiel bei fehlender Zukunftsbezogenheit, Begrenzung der Versicherung auf wenige Tage oder ähnliches) liegt nicht vor. Hier steht ein Zeitraum von über fünfzehn aber weniger als dreißig Jahren im Streit. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rentenversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene") bei seiner Ehefrau, der Beigeladenen zu 2) (nachfolgend nur noch "die Beigeladene") in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 06. Dezember 2007.
Der 1952 geborene Beigeladene ist gelernter Industriekaufmann. Er war bis Anfang 1983 geschäftsführender Gesellschafter der W GmbH, welche sich in der Rezessionsphase 1982/1983 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befand. Die Geschäftstätigkeit wurde aufgegeben, da erforderliche Kapitalmittel nicht aufgebracht werden konnten. Zum 21. Februar 1983 wurde die U als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) von der Beigeladenen und Frau U G gegründet. Der Beigeladene arbeitete für die GbR. Er brachte aufgrund seiner Ausbildung und der Führung der vorherigen Firma W GmbH die erforderlichen kaufmännischen Kenntnisse und den gesamten Kundenstamm ein. Er kaufte das Material bei den ihm bekannten Herstellern ein und verkaufte die Waren an einen festen Kundenstamm weiter. Ihm oblagen die Preisgestaltung und die Transportlogistik. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen ihm und der GbR wurde nicht geschlossen. Zum 01. Januar 1990 übernahm die Beigeladene, die gelernte Bauzeichnerin ist, sämtliche Anteile der Frau U G. Seit 01. Januar 1990 firmierte das Unternehmen unter "H". Es betrieb Großhandel mit Rohrzubehör, indem Fertig- und Halbfertigteile angekauft und nach Kundenwünschen bearbeitet oder umgearbeitet wurden. Zwischen den Beigeladenen wurde am 04. Januar 1990 rückwirkend ab 01. Januar 1990 ein schriftlicher Arbeitsvertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen als kaufmännischer Angestellter geschlossen. Es sollten die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung gelten. Als Arbeitsentgelt wurde ursprünglich 2.081,99 DM vereinbart. Für den Beigeladenen wurden für seine Beschäftigung bei der Beigeladenen laufend Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgeführt. Dieser übernahm in der Folgezeit auch Bürgschaften für die Geschäftsverbindlichkeiten seiner Ehefrau (für bis zu 60.000,00 DM vom 14.02.1990; über maximal 76.694,00 EUR vom 26.04.2001). Die Beigeladene arbeitete im Unternehmen die ersten Jahre mit und betreute hauptsächlich die Auftragsabwicklung, die Dokumentation sowie die Finanzbuchhaltung. Zum 01. April 1998 beendete sie die innerbetriebliche Mitarbeit. Ihr Ehemann übernahm damals den Finanzbereich. Für die übrigen Aufgaben wurden zwei Mitarbeiter neu eingestellt.
Der Beigeladene bat mit Schreiben vom 29. Juni 2004 die Beklagte um Prüfung seiner Versicherungspflicht. Beide Beigeladenen reichten den von ihnen unter dem 03. Dezember 2004 ausgefüllten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" ein. Danach betrug das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt des Beigeladenen nunmehr 6.300,00 EUR monatlich bei einer 45 Stunden Woche mit Arbeitszeiten nach Belieben. Er erhalte ein Monatsgehalt als Urlaubs /Weihnachtsgeld sowie Tantiemen. Das Arbeitsentgelt werde bei Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Wochen fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt sei übertariflich. Vom Arbeitsentgelt wurde Lohnsteuer entrichtet. Es wurde als Betriebsausgabe gebucht.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 04. Mai 2005 mit, ihres Erachtens liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Sie fragte an, ob sich die Klägerin dieser Auffassung anschlösse. Sie erhielt zunächst trotz Erinnerung keine Antwort.
Sie stellte mit Bescheid vom 30. September 2005 gegenüber dem Beigeladenen fest, dass er seit dem 01. Januar 1991 nicht renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig sei. Es bestehe außerdem aufgrund der Höhe des Entgelts Kranken- und Pflegeversicherungsfreiheit. Einen Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge vom 05. Dezember 2005 der Beigeladenen reichte die Beklagte an die Klägerin weiter. Dort ging er einschließlich einer Abschrift des Bescheides vom 30. September 2005 am 16. Dezember 2005 ein.
Der Beigeladene beantragte am 30. Januar 2006 (Eingangsdatum) bei der Klägerin die Beitragszahlung für eine freiwillige Versicherung und gab dabei an, dass für ihn bis September 2005 Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden seien.
Mit Schreiben vom 02. Februar 2006 sowie mit Schreiben vom 06. April 2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, von abhängiger Beschäftigung auszugehen.
Sie hat am 16. Juni 2006 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Die Beklagte hat ihre Auffassung verteidigt, aufgrund der Gesamtumstände habe der Beigeladene im Betrieb seiner Ehefrau keine weisungsgebundene und abhängige Beschäftigung ausgeübt.
Die Beigeladene hat ausgeführt, ihr Mann sei zu keiner Zeit weisungsgebunden gewesen. Sie seien seit 30 Jahren verheiratet und es habe gegeben bzw. gäbe keinen Grund für sie, an seiner Loyalität zu zweifeln. Kein anderer Mitarbeiter hätte mehr als zehn Jahre auf seinen Jahresurlaub verzichtet.
Zum 01. Januar 2008 ist das Unternehmen der Beigeladenen in eine GmbH umgewandelt worden. In der neuen H GmbH ist der Beigeladene geschäftsführender Gesellschafter.
Das SG hat die Klage, die erstinstanzlich auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 30. September 2005 und auf Feststellung, dass der Beigeladene der Rentenversicherungspflicht ab 01. Januar 1991 unterliege, gerichtet gewesen ist, mit Urteil vom 29. Mai 2008 abgewiesen. Es sei nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, sondern von familienhafter Mithilfe im Rahmen einer gemeinsam ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit. Ein auch nur schwach ausgeprägtes Weisungsrecht der Beigeladenen sei nicht erkennbar. Der Beigeladene beeinflusse maßgeblich die Geschicke der Firma und habe durch die Übernahme von Bürgschaften im Umfang von zirka 100.000,00 EUR auch ein entsprechendes Unternehmerrisiko getragen, welches typischerweise ein Arbeitnehmer nicht zu tragen bereit sei. Dass Ehegatten untereinander üblicherweise Bürgschaften eingingen, sei kein gewichtiges Gegenargument. Dass nämlich Eheleute generell den entsprechenden Ansinnen der Darlehensgeber bzw. Banken nachgäben, vermöge die Kammer nicht zu erkennen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 09. Juli 2008.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) in der Zeit vom 01. Januar 1990 bis zum 06. Dezember 2007 der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlegen hat.
Die Beklagte sowie der Beigeladene halten die Entscheidung des SG für richtig.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Es sei hier von einer familienhaften Mithilfe im Rahmen einer gemeinsam ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Das Abführen der Lohnsteuer sowie das Vorliegen eines Arbeitsvertrages träten hinter den übrigen Merkmalen einer selbständigen Tätigkeit zurück. Der Beigeladene habe eine Vormachtsstellung ausgeübt, welcher ein Weisungsrecht seiner Ehefrau gerade nicht gegenübergestanden habe. Er habe das Unternehmen faktisch wie ein Alleininhaber geführt.
Der Beigeladene hat ergänzend vorgebracht, auch bei einer Familien-GmbH werde für den Gesellschafter-Geschäftsführer Lohnsteuer abgeführt.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.
Die Berufung hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch SGB VI ). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob ein Arbeitnehmer abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 1 BvR 21/96 SozR 3 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung entstehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 8. August 1990 11 RAr 77/89 SozR 3 2400 § 7 Nr. 4 Seite 14, und vom 8. Dezember 1994 11 RAr 49/94 SozR 3 4100 § 168 Nr. 18 Seite 45; so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 B 12 KR 30/04 R juris).
Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH Geschäftsführer BSG, a. a. O.).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 12 RK 72/92 NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 12 BK 98/94 ). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R USK 2002 - 42).
Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8).
Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z. B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird, oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteile vom 8. Dezember 1987 7 RAr 25/86 BB 1989, 72; vom 14. Dezember 1999 B 2 U 48/98 R USK 9975).
Zur Überzeugung des Senats hat es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen nicht nur um eine familienhafte Mitarbeit gehandelt. Er war vielmehr (normal) vollzeitbeschäftigt und hat zum Schluss ein übertarifliches Gehalt bezogen. Es ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen die ihnen zustehende Freiheit so ausübten, dass nur die Beigeladene Unternehmerin sein sollte und ihr Ehemann leitender Angestellter, bewusst anders als zu Zeiten der WGmbH und der jetzigen HGmbH. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beigeladene lediglich eine Art Strohfrau o. ä. gewesen ist. Sie hat jahrelang wesentliche Teile des Unternehmens betreut.
Aus dem Umstand, dass auch für GmbH-Geschäftsführer Lohnsteuer für laufende Bezüge abgeführt wird, auch wenn diese als Alleingesellschafter nicht abhängig im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV anzusehen sind, folgt für den hier zu entscheidenden Fall nichts. Dass die Beigeladene und ihr Ehemann über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regelten, ist nach den vorgenannten Grundsätzen nicht ausschlaggebend. Ganz allgemein kann ein ständig und dauerhaft bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Rein faktisch kann zwischen der Tätigkeit des Beigeladenen als leitende "Angestellte" und derjenigen eines Alleingeschäftsführers unterschieden werden.
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichts gesetzt (SGG) dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -). § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigende Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -). Die Klage ist aus den soeben ausgeführten Gründen auch begründet.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Klage geändert und erweitert hat, indem die Feststellung der Rentenversicherungspflicht auch auf das Jahr 1990 erstreckt werden soll, ist die Klageänderung als Klageerweiterung nach § 153 Abs. 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGG zulässig. Die Änderung ist sachdienlich, weil damit im Sinne einer einheitlichen Entscheidung die Tätigkeit des Beigeladenen bei seiner Ehefrau insgesamt einer Entscheidung zugeführt wird. Das Feststellungsverfahren hat sich von Anfang an auf den Zeitraum des Arbeitsverhältnisses des Beigeladenen seit Beginn der alleinigen Unternehmerschaft seiner Ehefrau bezogen. Die Beklagte hat auch nicht bewusst eine Entscheidung nur für die Zeit ab 01. Januar 1991 getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die grundsätzlichen Kriterien sind von der Rechtsprechung geklärt.
Der Beschluss über den Streitwert, der nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar ist, folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Senats bemisst sich dieser für Fälle außerhalb des Antragsverfahrens nach § 7a SGB IV in einem Rechtsstreit über die Versicherungspflicht regelmäßig nach dem Auffangstreitwert. Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Rechtsstreits kann nämlich regelmäßig nicht überblickt werden. Er korrespondiert regelmäßig nicht mit der Höhe der entweder zu erstattenden oder nachzufordernden Versicherungsbeiträge. Auch kann der wirtschaftliche Wert, gesetzlich rentenversichert zu sein, kaum bemessen werden. Sind aber Zeiträume von mehr als fünfzehn Jahren streitbefangen, ist regelmäßig eine Verdoppelung des Streitwertes angemessen, ab dreißig Jahren eine Verdreifachung. Ein Ausnahmefall, in welchem eine Eingrenzung aufgrund der Umstände des Einzelfalles geboten ist (zum Beispiel bei fehlender Zukunftsbezogenheit, Begrenzung der Versicherung auf wenige Tage oder ähnliches) liegt nicht vor. Hier steht ein Zeitraum von über fünfzehn aber weniger als dreißig Jahren im Streit. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
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