L 13 SB 23/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 161 SB 1786/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 23/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Januar 2010 aufgehoben und der Klägerin für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 7. Juli 2009 unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten gewährt. Monatsraten oder Beiträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist statthaft, § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage nach §§ 73a SGG, 114 Zivilprozessordnung (ZPO) verneint.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet i. V. m. dem u. a. in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses Nebenverfahren an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28.11.2007, 1 BvR 68/07). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (BVerfG, a. a. O., und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 04.07.1993, 1 BvR 1523/92). Demnach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entweder noch Beweis zu erheben ist oder wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund eines geklärten Sachverhalts für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.

Unter Anlegung dieses Maßstabes bietet die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Versagung der Feststellung eines höheren GdB als 60 durch den Beklagten mit Bescheid vom 4. August 2008 und die Herabsetzung des GdB auf 50 mit Bescheid vom 23. März 2009, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2009.

Zwar wird die Klägerin mit ihrem Begehren, zusätzlich zur festgestellten Funktionsbeeinträchtigung Poly-Neuropathie auch eine Funktionsbeeinträchtigung durch eine Nerven-Neuropathie feststellen zu lassen, keinen Erfolg haben können, weil es sich bei einer Nerven-Neuropathie nicht um eine zusätzliche Erkrankung zur Poly-Neuropathie, sondern nach der Klassifizierung ICD-10 Ziffer G60.0 um deren Unterfall handelt, doch begegnen alle genannten Bescheide jedenfalls insofern rechtlichen Bedenken, als sie für die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen keinen Einzel-GdB benennen und daher auch nicht unmittelbar erkennen lassen, auf welchen Erwägungen die Festsetzung des jeweiligen Gesamt-GdB beruht. Insoweit ist eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nötig und hierbei zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit Bescheid vom 23. März 2009 den Gesamt-GdB auf der Grundlage von § 48 SGB X Abs. 1 von 60 auf 50 herabgesetzt hat, und daher für die Voraussetzungen der Herabsetzung das Beweisrisiko trägt. Darüber hinaus fehlt es den genannten Bescheiden an einer eindeutigen Regelung dazu, ab welchem Datum die jeweilige Festsetzung des Gesamt-GdB Geltung beansprucht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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