Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 874/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 79/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970.
Die 1944 geborene Klägerin erlitt am 29. Oktober 1970 einen in der DDR als Arbeit-unfall anerkannten Unfall, bei dem sie eine offene Fraktur des rechten Unter- und O-berarms sowie eine Läsion des Nervus radialis rechts erlitt (Unfallanzeige vom 02. November 1970). Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls (Zustand nach operativ ver-sorgter offener Ober- und Unterarmfraktur rechts mit Radialisläsion) bezog sie in der DDR zunächst Unfallrente nach einem Körperschaden von 50% (Bescheid vom 27. Dezember 1971), später nach einem Körperschaden von 30% (Bescheid vom 12. Juni 1972). Die Rente wurde überführt und von der Beklagten weiter geleistet.
Am 15. Februar 2000 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag unter Hinweis auf eine Verschlechterung. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung der Klägerin und die Erstellung eines 2. Rentengutachtens auf unfallchirurgischem Fach-gebiet durch Prof. Dr. N. H/Dr. K. Im dem Gutachten vom 26. Juli 2000 stellten diese als Unfallfolgen eine geringfügige funktionell nicht nennenswert behindernde Bewe-gungseinschränkung im rechten Schultergelenk sowie eine geringfügige Bewegungs-einschränkung im rechten Ellenbogengelenk fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nur noch 10 vom Hundert (v. H.). In einem anschließend außerdem im Auftrag der Beklagten angefertigten chirurgischen Gutachten vom 05. Februar 2001 gelangten Prof. Dr. E/Dr. E/Dr. K zu dem Schluss, bei der Klägerin bestünden als Un-fallfolgen eine Bewegungseinschränkung am rechten Ellenbogengelenk mit einem Streckdefizit von 10 Grad, eine Bewegungseinschränkung am rechten Handgelenk bei Beugung und Streckung, reizlose Narbenbildungen am rechten Ober- und Unterarm, eine Verminderung der groben Kraft bei diskreter Verschmächtigung des Muskelman-tels am rechten Oberarm, ein Zustand nach knöchern konsolidierter Humerus- und Unterarmfraktur rechts mit Ausbildung degenerativer Veränderungen am rechten El-lenbogengelenk und am rechten Handgelenk sowie Angabe einer Hypästhesie am dritten und vierten Strahl der rechten Hand beuge- und streckseitig. Es sei zwar zu einer Besserung, jedoch nicht zu einer maßgeblichen Befundänderung gekommen,
weshalb die MdE weiterhin 30 v. H. betrage. In einem neurologischen Zusatz-Gutachten vom 06. April 2001 stellten Prof. Dr. W. H/Dr. S eine leichte residuelle Schädigung des Nervus radialis und Nervus ulnaris rechtsseitig als Unfallfolge fest. Eine MdE werde dadurch aber nicht bedingt. In ihrer abschließenden Stellungnahme zur Gesamt-MdE vom 24. April 2001 hielten Prof. Dr. E/Dr. E/Dr. K deshalb eine MdE von 30 v. H. weiterhin für angemessen. Nach Einholung von Stellungnahmen des be-ratenden Facharztes Dr. M vom 03. und 14. November 2001 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht, die Rente wegen einer wesentlichen Besserung der Unfall-folgen zu entziehen, an. In der Folge entzog die Beklagte die Verletztenrente zum Ab-lauf des Monats Februar 2002. Die dem letzten Bescheid zugrunde liegenden Ver-hältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es sei zu einer verbesserten Beweglichkeit im Ellenbogengelenk und bei der Unterarmdrehung sowie einer vollständigen Wieder-herstellung der durch die Schädigung des Speichennerven bedingten funktionellen Einschränkungen des Armes gekommen. Die Erwerbsfähigkeit sei jetzt nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert. Als Unfallfolgen wurden nicht anerkannt: "Am rechten Arm: Eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit nach Bruch der Spei-chenbasis. Umformende Veränderungen zwischen der Speichenbasis und den Hand-wurzelknochen und innerhalb der Handwurzelknochen. Sensibilitätsstörungen und Kraftminderung im Versorgungsbereich des Ellennerven durch Schädigung dieses Nervs im Bereich der Ellenrinne. Eingeschränkte Beweglichkeit der Finger. Umfor-mende Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper." Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückge-wiesen (Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2002). Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens stellte das Sozialgericht (SG) Berlin nach Einholung eines orthopädi-schen Sachverständigengutachtens von Dr. W-R vom 18. August 2004 nebst ergän-zender Stellungnahme vom 15. Februar 2005 durch Urteil vom 28. April 2006 fest, dass die radiologischen Veränderungen und funktionellen Einschränkungen seitens des rechten Handgelenks der Klägerin sowie ihrer rechten Hand mit Ausnahme von Beeinträchtigungen infolge einer abgelaufenen Läsion des Nervus ulnaris Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970 sind. Im Übrigen wurde die auf Feststellung weiterer Unfallfolgen gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsverfahren endete durch Rücknahme der Berufung am 23. Oktober 2006.
Mit Schreiben vom November 2006 (Eingang bei der Beklagten am 23. November 2006) beantragte die Klägerin die Gewährung einer Verletztenrente. Die Bewertung durch den Sachverständigen Dr. W-R sei falsch.
Die Beklagte holte daraufhin Auskünfte von dem behandelnden Neurologen Dr. S vom 20. Dezember 2006, dem Allgemeinmediziner Dr. P vom 08. Januar 2007 sowie dem Orthopäden Dr. M vom 23. Januar 2007 ein. Anschließend beauftragte sie die Chirur-gen Dr. S/Dr. S mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstellung eines Renten-gutachtens. In ihrem Gutachten vom 22. Mai 2007 stellten sie folgende Unfallfolgen fest: diskrete Veränderungen im Bereich des rechten Hand- und Ellenbogengelenks mit dezenter Verschmälerung des Gelenkspaltes, minimale funktionelle und nicht be-sonders behindernde Bewegungseinschränkung im rechten Schulter- und Ellenbo-gengelenk, mäßige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, verminderte Kraftentwicklung der rechten Hand, Empfindungsstörungen im Bereich des 3., 4. und 5. Fingers rechts. Die MdE betrage 10 v. H ... In einem neurologischen Zusatz-Gutachten vom 09. Juli 2007 gelangte Prof. Dr. V außerdem zu dem Schluss, die im Bereich des rechten Arms nachweisbaren neurologischen Störungen bedingten – un-abhängig von der Frage des ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfall – lediglich eine MdE von unter 5 v. H ... In der Zusammenschau bewertete Dr. S die Gesamt-MdE daraufhin mit 10 v. H. (Stellungnahme vom 09. August 2007). In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2008 bewertete der Chirurg Dr. R für Dr. S nach einer erneuten körperlichen Untersuchung der Klägerin am 05. Dezember 2007 die MdE unter Beachtung der Maßgaben aus dem Urteil des SG Berlin vom 28. April 2006 wei-terhin mit 10 v. H ...
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 21. Mai 2008, bestätigt durch Wider-spruchsbescheid vom 06. August 2008, die Gewährung einer Verletztenrente ab. Wie bisher liege wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970 keine renten-berechtigende MdE vor. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Am rechten Arm: Einschränkungen der Beweglichkeit im Handgelenk und im Ellenbogengelenk nach Speichen- und Oberarmbruch. Arthrose im Handgelenk, an den Handwurzelkno-chen und im Ellenbogengelenk. Muskel- und Kraftminderung. Reizlose Narben." Als Unfallfolgen wurden nicht anerkannt: " Am rechten Arm: Sensibilitätsstörungen und Kraftminderung im Versorgungsbereich des Ellennerven durch Schädigung dieses Nervs im Bereich der Ellenrinne. Umformende Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper. Beschwerden an der Halswirbelsäule. Beschwerden des rechten Schultergelenks."
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin ihr Begehren aus dem Verwal-tungsverfahren weiter verfolgt.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 16. März 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, denn die noch vorhandenen Unfallfolgen bedingten keine MdE von wenigsten 20 v. H. Das SG hat sich in erster Linie auf die Gutachten der Dres. S, S und R gestützt. Diese seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund des Unfalls vom 29. Oktober 1970 nicht in rentenberechtigendem Grad gemindert sei. Diese Ein-schätzung stehe auch im Einklang mit der arbeitsmedizinischen Gutachterliteratur. So werde in Mehrhoff/Meindl/Muhr (Unfallbegutachtung 11. Aufl. 2005) auf Seite 164 für eine Restbewegungsmöglichkeit des Ellenbogens von 0/30/120 eine MdE von 10 v. H. veranschlagt. Die bei der Klägerin vorhandene Bewegungseinschränkung von 20 Grad bleibe dahinter sogar zurück. In Bezug auf das rechte Handgelenk habe Dr. R nur mäßiggradige Bewegungseinschränkungen feststellen können. Auch dies führe nicht zu einer MdE von 20 v. H., denn laut Seite 164 f in Mehrhoff/Meindl/Muhr sei eine MdE von 20 v. H. erst bei einer Versteifung des Handgelenks bzw. der Heraus-bildung eines Falschgelenks anzunehmen. Sofern die Klägerin vortrage, an Schmer-zen zu leiden, sei darauf hinzuweisen, dass die von der wissenschaftlichen Literatur herausgebildeten MdE-Erfahrungswerte bereits dasjenige Maß an Schmerzen mit ein-schlössen, das regelmäßig mit einer entsprechenden Beeinträchtigung verbunden sei. Hinzu komme, dass auch Prof. Dr. V in seinem neurologischen Zusatzgutachten keine MdE in rentenberechtigender Höhe habe finden können.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin nach wie vor vor, die Un-fallfolgen hätten sich nicht verbessert. Ihr stehe eine Verletztenrente zu.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 06. August 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 23. November 2006 wegen der Folgen des Ar-beitunfalls vom 29. Oktober 1970 Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Die Beteiligten sind mit Schreiben des Senats vom 09. Juni 2010 zur Absicht des Se-nats, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entschei-den, angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, denn er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2008 er-weist sich, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, als rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970.
Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hin-aus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz1 Siebtes Buch Sozialge-setzbuch (SGB VII)). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beein-trächtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden vermin-derten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente - das Vorliegen ei-nes Versicherungsfalls, hier: eines Arbeitsunfalls - ist erfüllt und von der Beklagten auch anerkannt.
Die mit dem Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2008 anerkannten Arbeitsunfallfolgen, also Einschränkungen der Be-weglichkeit im rechten Handgelenk und im rechten Ellenbogengelenk nach Speichen- und Oberarmbruch, eine Arthrose im rechten Handgelenk, an den Handwurzelkno-chen und im rechten Ellenbogengelenk, eine Muskel- und Kraftminderung im Bereich des rechten Arms sowie reizlose Narben, bedingen nach den vorliegenden chirurgi-schen und neurologischen Gutachten bzw. Stellungnahmen der Dres. S/S, Prof. Dr. V und Dr. R vom 22. Mai 2007, 09. Juli 2007 und 18. März 2008 aus dem Verwaltungs-verfahren, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, Randnr. 7f zu § 128 SGG), zur Über-zeugung des Senats jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Grad. Das Sozialge-richt ist nach sorgfältiger Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin nach wie vor keine ursächlich auf dem Arbeitsunfall vom 29. Oktober 1970 beruhenden funktionellen Einschränkungen mehr bestehen, die eine MdE von 30 v. H. oder wenigsten 20 v. H. bedingen.
Hierbei haben sowohl die Gutachter der Beklagten als auch das SG zutreffend die in der unfallmedizinischen Gutachterliteratur benannten Erfahrungswerte für die MdE-Bemessung angewandt. Der Senat schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgrün-den zu seinem Urteil vom 16. März 2010 an und sieht von einer weiteren Darstellung ab (§§ 153 Abs. 4, 2 SGG)
Anlass zu weiterer Beweiserhebung vom Amts wegen bestand nicht, denn die Kläge-rin hat weder im Klage- noch im Berufungsverfahren abweichende objektive Befunde vorgelegt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die von Dr. R am 05. Dezember 2007 erhobenen Befunde nicht wesentlich von denjenigen abweichen, die Dr. W-R am 17. August 2004 im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens vom 18. August 2004 erhoben hat. Soweit Dr. R gegenüber Dr. W-R eine verstärkte Bewe-gungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks in der Streckung und Beugung festgestellt hat, bedingen diese Befunde – wie das SG herausgearbeitet hat – den-noch keine rentenberechtigende MdE. Denn eine solche wäre erst bei einer Bewe-gungseinschränkung auf 0-30-90 oder einer Versteifung des Handgelenks in Stre-ckung/Beugung 10-10-0, Ulnarabduktion 0-10° bei freier Unterarmdrehung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 530) oder einem Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschrän-kung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80° (vgl. Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 544) anzunehmen.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970.
Die 1944 geborene Klägerin erlitt am 29. Oktober 1970 einen in der DDR als Arbeit-unfall anerkannten Unfall, bei dem sie eine offene Fraktur des rechten Unter- und O-berarms sowie eine Läsion des Nervus radialis rechts erlitt (Unfallanzeige vom 02. November 1970). Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls (Zustand nach operativ ver-sorgter offener Ober- und Unterarmfraktur rechts mit Radialisläsion) bezog sie in der DDR zunächst Unfallrente nach einem Körperschaden von 50% (Bescheid vom 27. Dezember 1971), später nach einem Körperschaden von 30% (Bescheid vom 12. Juni 1972). Die Rente wurde überführt und von der Beklagten weiter geleistet.
Am 15. Februar 2000 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag unter Hinweis auf eine Verschlechterung. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung der Klägerin und die Erstellung eines 2. Rentengutachtens auf unfallchirurgischem Fach-gebiet durch Prof. Dr. N. H/Dr. K. Im dem Gutachten vom 26. Juli 2000 stellten diese als Unfallfolgen eine geringfügige funktionell nicht nennenswert behindernde Bewe-gungseinschränkung im rechten Schultergelenk sowie eine geringfügige Bewegungs-einschränkung im rechten Ellenbogengelenk fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nur noch 10 vom Hundert (v. H.). In einem anschließend außerdem im Auftrag der Beklagten angefertigten chirurgischen Gutachten vom 05. Februar 2001 gelangten Prof. Dr. E/Dr. E/Dr. K zu dem Schluss, bei der Klägerin bestünden als Un-fallfolgen eine Bewegungseinschränkung am rechten Ellenbogengelenk mit einem Streckdefizit von 10 Grad, eine Bewegungseinschränkung am rechten Handgelenk bei Beugung und Streckung, reizlose Narbenbildungen am rechten Ober- und Unterarm, eine Verminderung der groben Kraft bei diskreter Verschmächtigung des Muskelman-tels am rechten Oberarm, ein Zustand nach knöchern konsolidierter Humerus- und Unterarmfraktur rechts mit Ausbildung degenerativer Veränderungen am rechten El-lenbogengelenk und am rechten Handgelenk sowie Angabe einer Hypästhesie am dritten und vierten Strahl der rechten Hand beuge- und streckseitig. Es sei zwar zu einer Besserung, jedoch nicht zu einer maßgeblichen Befundänderung gekommen,
weshalb die MdE weiterhin 30 v. H. betrage. In einem neurologischen Zusatz-Gutachten vom 06. April 2001 stellten Prof. Dr. W. H/Dr. S eine leichte residuelle Schädigung des Nervus radialis und Nervus ulnaris rechtsseitig als Unfallfolge fest. Eine MdE werde dadurch aber nicht bedingt. In ihrer abschließenden Stellungnahme zur Gesamt-MdE vom 24. April 2001 hielten Prof. Dr. E/Dr. E/Dr. K deshalb eine MdE von 30 v. H. weiterhin für angemessen. Nach Einholung von Stellungnahmen des be-ratenden Facharztes Dr. M vom 03. und 14. November 2001 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht, die Rente wegen einer wesentlichen Besserung der Unfall-folgen zu entziehen, an. In der Folge entzog die Beklagte die Verletztenrente zum Ab-lauf des Monats Februar 2002. Die dem letzten Bescheid zugrunde liegenden Ver-hältnisse hätten sich wesentlich geändert. Es sei zu einer verbesserten Beweglichkeit im Ellenbogengelenk und bei der Unterarmdrehung sowie einer vollständigen Wieder-herstellung der durch die Schädigung des Speichennerven bedingten funktionellen Einschränkungen des Armes gekommen. Die Erwerbsfähigkeit sei jetzt nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert. Als Unfallfolgen wurden nicht anerkannt: "Am rechten Arm: Eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit nach Bruch der Spei-chenbasis. Umformende Veränderungen zwischen der Speichenbasis und den Hand-wurzelknochen und innerhalb der Handwurzelknochen. Sensibilitätsstörungen und Kraftminderung im Versorgungsbereich des Ellennerven durch Schädigung dieses Nervs im Bereich der Ellenrinne. Eingeschränkte Beweglichkeit der Finger. Umfor-mende Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper." Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückge-wiesen (Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2002). Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens stellte das Sozialgericht (SG) Berlin nach Einholung eines orthopädi-schen Sachverständigengutachtens von Dr. W-R vom 18. August 2004 nebst ergän-zender Stellungnahme vom 15. Februar 2005 durch Urteil vom 28. April 2006 fest, dass die radiologischen Veränderungen und funktionellen Einschränkungen seitens des rechten Handgelenks der Klägerin sowie ihrer rechten Hand mit Ausnahme von Beeinträchtigungen infolge einer abgelaufenen Läsion des Nervus ulnaris Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970 sind. Im Übrigen wurde die auf Feststellung weiterer Unfallfolgen gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsverfahren endete durch Rücknahme der Berufung am 23. Oktober 2006.
Mit Schreiben vom November 2006 (Eingang bei der Beklagten am 23. November 2006) beantragte die Klägerin die Gewährung einer Verletztenrente. Die Bewertung durch den Sachverständigen Dr. W-R sei falsch.
Die Beklagte holte daraufhin Auskünfte von dem behandelnden Neurologen Dr. S vom 20. Dezember 2006, dem Allgemeinmediziner Dr. P vom 08. Januar 2007 sowie dem Orthopäden Dr. M vom 23. Januar 2007 ein. Anschließend beauftragte sie die Chirur-gen Dr. S/Dr. S mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstellung eines Renten-gutachtens. In ihrem Gutachten vom 22. Mai 2007 stellten sie folgende Unfallfolgen fest: diskrete Veränderungen im Bereich des rechten Hand- und Ellenbogengelenks mit dezenter Verschmälerung des Gelenkspaltes, minimale funktionelle und nicht be-sonders behindernde Bewegungseinschränkung im rechten Schulter- und Ellenbo-gengelenk, mäßige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, verminderte Kraftentwicklung der rechten Hand, Empfindungsstörungen im Bereich des 3., 4. und 5. Fingers rechts. Die MdE betrage 10 v. H ... In einem neurologischen Zusatz-Gutachten vom 09. Juli 2007 gelangte Prof. Dr. V außerdem zu dem Schluss, die im Bereich des rechten Arms nachweisbaren neurologischen Störungen bedingten – un-abhängig von der Frage des ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfall – lediglich eine MdE von unter 5 v. H ... In der Zusammenschau bewertete Dr. S die Gesamt-MdE daraufhin mit 10 v. H. (Stellungnahme vom 09. August 2007). In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2008 bewertete der Chirurg Dr. R für Dr. S nach einer erneuten körperlichen Untersuchung der Klägerin am 05. Dezember 2007 die MdE unter Beachtung der Maßgaben aus dem Urteil des SG Berlin vom 28. April 2006 wei-terhin mit 10 v. H ...
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 21. Mai 2008, bestätigt durch Wider-spruchsbescheid vom 06. August 2008, die Gewährung einer Verletztenrente ab. Wie bisher liege wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970 keine renten-berechtigende MdE vor. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Am rechten Arm: Einschränkungen der Beweglichkeit im Handgelenk und im Ellenbogengelenk nach Speichen- und Oberarmbruch. Arthrose im Handgelenk, an den Handwurzelkno-chen und im Ellenbogengelenk. Muskel- und Kraftminderung. Reizlose Narben." Als Unfallfolgen wurden nicht anerkannt: " Am rechten Arm: Sensibilitätsstörungen und Kraftminderung im Versorgungsbereich des Ellennerven durch Schädigung dieses Nervs im Bereich der Ellenrinne. Umformende Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper. Beschwerden an der Halswirbelsäule. Beschwerden des rechten Schultergelenks."
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin ihr Begehren aus dem Verwal-tungsverfahren weiter verfolgt.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 16. März 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, denn die noch vorhandenen Unfallfolgen bedingten keine MdE von wenigsten 20 v. H. Das SG hat sich in erster Linie auf die Gutachten der Dres. S, S und R gestützt. Diese seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund des Unfalls vom 29. Oktober 1970 nicht in rentenberechtigendem Grad gemindert sei. Diese Ein-schätzung stehe auch im Einklang mit der arbeitsmedizinischen Gutachterliteratur. So werde in Mehrhoff/Meindl/Muhr (Unfallbegutachtung 11. Aufl. 2005) auf Seite 164 für eine Restbewegungsmöglichkeit des Ellenbogens von 0/30/120 eine MdE von 10 v. H. veranschlagt. Die bei der Klägerin vorhandene Bewegungseinschränkung von 20 Grad bleibe dahinter sogar zurück. In Bezug auf das rechte Handgelenk habe Dr. R nur mäßiggradige Bewegungseinschränkungen feststellen können. Auch dies führe nicht zu einer MdE von 20 v. H., denn laut Seite 164 f in Mehrhoff/Meindl/Muhr sei eine MdE von 20 v. H. erst bei einer Versteifung des Handgelenks bzw. der Heraus-bildung eines Falschgelenks anzunehmen. Sofern die Klägerin vortrage, an Schmer-zen zu leiden, sei darauf hinzuweisen, dass die von der wissenschaftlichen Literatur herausgebildeten MdE-Erfahrungswerte bereits dasjenige Maß an Schmerzen mit ein-schlössen, das regelmäßig mit einer entsprechenden Beeinträchtigung verbunden sei. Hinzu komme, dass auch Prof. Dr. V in seinem neurologischen Zusatzgutachten keine MdE in rentenberechtigender Höhe habe finden können.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin nach wie vor vor, die Un-fallfolgen hätten sich nicht verbessert. Ihr stehe eine Verletztenrente zu.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 06. August 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 23. November 2006 wegen der Folgen des Ar-beitunfalls vom 29. Oktober 1970 Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Die Beteiligten sind mit Schreiben des Senats vom 09. Juni 2010 zur Absicht des Se-nats, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entschei-den, angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, denn er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2008 er-weist sich, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, als rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 1970.
Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hin-aus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz1 Siebtes Buch Sozialge-setzbuch (SGB VII)). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beein-trächtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden vermin-derten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente - das Vorliegen ei-nes Versicherungsfalls, hier: eines Arbeitsunfalls - ist erfüllt und von der Beklagten auch anerkannt.
Die mit dem Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2008 anerkannten Arbeitsunfallfolgen, also Einschränkungen der Be-weglichkeit im rechten Handgelenk und im rechten Ellenbogengelenk nach Speichen- und Oberarmbruch, eine Arthrose im rechten Handgelenk, an den Handwurzelkno-chen und im rechten Ellenbogengelenk, eine Muskel- und Kraftminderung im Bereich des rechten Arms sowie reizlose Narben, bedingen nach den vorliegenden chirurgi-schen und neurologischen Gutachten bzw. Stellungnahmen der Dres. S/S, Prof. Dr. V und Dr. R vom 22. Mai 2007, 09. Juli 2007 und 18. März 2008 aus dem Verwaltungs-verfahren, die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, Randnr. 7f zu § 128 SGG), zur Über-zeugung des Senats jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Grad. Das Sozialge-richt ist nach sorgfältiger Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin nach wie vor keine ursächlich auf dem Arbeitsunfall vom 29. Oktober 1970 beruhenden funktionellen Einschränkungen mehr bestehen, die eine MdE von 30 v. H. oder wenigsten 20 v. H. bedingen.
Hierbei haben sowohl die Gutachter der Beklagten als auch das SG zutreffend die in der unfallmedizinischen Gutachterliteratur benannten Erfahrungswerte für die MdE-Bemessung angewandt. Der Senat schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgrün-den zu seinem Urteil vom 16. März 2010 an und sieht von einer weiteren Darstellung ab (§§ 153 Abs. 4, 2 SGG)
Anlass zu weiterer Beweiserhebung vom Amts wegen bestand nicht, denn die Kläge-rin hat weder im Klage- noch im Berufungsverfahren abweichende objektive Befunde vorgelegt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die von Dr. R am 05. Dezember 2007 erhobenen Befunde nicht wesentlich von denjenigen abweichen, die Dr. W-R am 17. August 2004 im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens vom 18. August 2004 erhoben hat. Soweit Dr. R gegenüber Dr. W-R eine verstärkte Bewe-gungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks in der Streckung und Beugung festgestellt hat, bedingen diese Befunde – wie das SG herausgearbeitet hat – den-noch keine rentenberechtigende MdE. Denn eine solche wäre erst bei einer Bewe-gungseinschränkung auf 0-30-90 oder einer Versteifung des Handgelenks in Stre-ckung/Beugung 10-10-0, Ulnarabduktion 0-10° bei freier Unterarmdrehung (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 530) oder einem Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschrän-kung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80° (vgl. Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 544) anzunehmen.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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