Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 AS 17013/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1280/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2010 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Mietschulden der Antragsteller zu 1) und 2) für die von ihnen bewohnte Unterkunft W, B, Mietvertragsnummer , in Höhe von 2.168,- EUR zu übernehmen und diesen Betrag der Vermieterin auf deren Konto , BLZ , bei der B unmittelbar zu der angegebenen Vertragsnummer zu überweisen; die Übernahme der Mietschulden erfolgt als Darlehen. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung ferner verpflichtet, für die Zeit ab Zustellung dieses Beschlusses bis zum 30. September 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, und zwar der Antragstellerin zu 1) monatlich 184,- EUR und dem Antragsteller zu 2) monatlich 159,- EUR. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1) und 2) im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Über die Beschwerde war wegen der Dringlichkeit der Sache in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter zu entscheiden. Von einer vorherigen erneuten Anhörung des Antragsgegners war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten fristlosen Kündigung vom 17. Juni 2010 abzusehen.
Die Beschwerde, mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) ihren schon erstinstanzlich gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iHv 1.681,- EUR monatlich sowie nunmehr auf Übernahme von Mietschulden durch den Antragsgegner weiter verfolgen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde, die sich bei wohlwollender Betrachtung auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren richtet, nicht begründet und war zurückzuweisen.
Der Anordnungsanspruch auf Übernahme von Mietschulden iHv von nunmehr 2.168,- EUR (fernmündliche Auskunft der Vermieterin vom 19. Juli 2010) folgt für die Antragsteller zu 1) und 2) als Parteien des Mietvertrages aus § 22 Abs. 5 SGB II. Danach können Mietschulden übernommen werden, soweit dies – wie hier – zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht der Mietschuldenübernahme in Ausfluss der insoweit vorzunehmenden Folgenabwägung (dazu sh. unten) nicht entgegen. Durch die im Hinblick auf die seit April 2010 aufgehäuften Mietschulden ausgesprochene fristlose Kündigung vom 17. Juni 2010 droht den Antragstellern zu 1) und 2) und ihren Kindern Wohnungslosigkeit. Die Übernahme der Mietschulden ist auch gerechtfertigt und notwendig, um die Räumung abzuwenden. Denn die Kündigung wird unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs, die vorliegend noch gar nicht eingetreten ist, befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – iVm § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Zudem sind, soweit ersichtlich, die Antragsteller zu 1) und 2) in der Vergangenheit nicht bereits als Mietschuldner aufgefallen, die Kosten der Wohnung sind angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG und es ist auch ansonsten nicht erkennbar, dass die Antragsteller zu 1) und 2) missbräuchlich die Mietrückstände gezielt herbeigeführt hätten. Nach fernmündlicher Auskunft der Vermieterin vom 19. Juli 2010 ist zudem die Wohnung noch nicht geräumt. Es war daher vom Regelfall der Schuldenübernahme bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II auszugehen und bei entsprechend gebundenem Ermessen (vgl. hierzu Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rz. 108) der Antragsgegner zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes wie tenoriert zu verpflichten. Der Anordnungsgrund folgt dabei aus der anders nicht abwendbaren drohenden Wohnungslosigkeit. Allerdings ist ein solcher Anordnungsgrund (wie auch schon ein Anordnungsanspruch) für die Schuldenübernahme weder für die Antragsteller zu 3) bis 5) zu ersehen, weil diese nicht Mietvertragsparteien sind, noch für die Bewilligung von (laufenden monatlichen) Unterkunftskosten im Übrigen für alle Antragsteller. Durch die Schuldenübernahme und die damit einhergehende Unwirksamkeit der Kündigung ist eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller nämlich bis auf weiteres nicht zu besorgen. Die Geldleistungen für die angefallenen Mietschulden sind gemäß § 22 Abs. 5 Satz 4 als Darlehen zu erbringen.
Ein Anordnungsgrund ist auch nicht dargetan, soweit die Antragsteller laufende Regelleistungen für die Zeit vor der Zustellung dieses Beschlusses geltend machen. Denn eine Leistungsgewährung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig nicht in Betracht. Gleiches gilt auch, soweit die Antragsteller zu 3) bis 5) mit einer einstweiligen Anordnung zu sichernde Ansprüche auf Regelleistungen für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses begehren. Denn der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens für die Antragsteller zu 3) und 4) anzusetzende Betrag zur Sicherung des absoluten Existenzminimums iHv 159,- EUR monatlich (sh. dazu unten) ist durch die Kindergeldzahlungen iHv monatlich jeweils 184,- EUR abgedeckt. Die Antragstellerin zu 5) hat schließlich keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich überhaupt auf eine Hilfebedürftigkeit schließen ließe. Weder die Antragsschrift noch die eidesstattliche Versicherung der Antragsteller zu 1) und 2) verhalten sich zu den Verhältnissen der – volljährigen – Antragstellerin zu 5).
Hinsichtlich der geltend gemachten Regelleistungen der Antragsteller zu 1) und 2) für die Zeit ab Zustellung des vorliegenden Beschlusses bis zum 30. September 2010 war der Antragsgegner jedoch im Wege einer Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG im tenorierten Umfang zu verpflichten, und zwar unter Berücksichtigung einer verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung und im Hinblick auf die bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärte Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses bei nichtdeutschen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht sich – wie hier – aus dem Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizgG) ergeben kann (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Es begegnet unter Berücksichtigung der durch Art. 39 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU erheblichen rechtlichen Bedenken, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II insoweit mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH - (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08 – juris) kann ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates hergestellt hat, sich auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung kann sich bereits daraus ergeben, dass der Betreffende während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem Mitgliedstaat gesucht hat, wie dies bei den Antragstellern zu 1) und 2) der Fall ist. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 betrifft demgegenüber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe". Der EuGH (vgl. aaO) weist insoweit aber ausdrücklich darauf hin, dass eine Voraussetzung, wie sie in Deutschland für die Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen sei, wonach der Betreffende erwerbsfähig sein müsse, ein Hinweis darauf sein könne, dass diese Leistung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern solle. Im letztgenannten Fall greift Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 aber von vornherein nicht.
Da insbesondere die Prüfung der Erwerbsfähigkeit der Antragsteller zu 1) und 2) iSv § 8 Abs. 2 SGB II ebenso weitere Sachermittlungen erfordert wie die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Antragstellers zu 2), war im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch diesbezüglich eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris). Angesichts des existenzsichernden Charakters der begehrten Leistungen wiegen die den Antragstellern zu 1) und 2) drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des Antrags und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren ungleich schwerer als der Nachteil einer Überzahlung für den Antragsgegner. Aus diesem Grund war der Antragsgegner einstweilen zu verpflichten, das absolute Existenzminimum der Antragsteller zu 1) und 2) zu sichern. Das Gericht hat sich insoweit an dem Wert für den notwendigen Bedarf ohne Unterkunftskosten orientiert, der sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 Asylbewerberleistungsgesetz ergibt. Die einstweilige Anordnung ergeht für die Zeit bis 30. September 2010. Den Antragstellern zu 1) und 2) bleibt es unbenommen, nach Ablauf dieses Zeitraums gegebenenfalls erneut bei dem Sozialgericht (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, sofern das Hauptsacheverfahren bis dahin nicht abgeschlossen sein sollte.
Soweit sich die Antragsteller gegen die die Bewilligung von PKH ablehnende Entscheidung des SG in dem angefochtenen Beschluss wenden, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und 2) gilt dies schon deshalb, weil diese wegen des tenorierten Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Antragsgegner insoweit nicht mehr als bedürftig anzusehen sind. Die Rechtsverfolgung der Antragsteller zu 3) bis 5) hatte hingegen keine hinreichende Erfolgsaussicht (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 iVm § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Für das PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Über die Beschwerde war wegen der Dringlichkeit der Sache in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter zu entscheiden. Von einer vorherigen erneuten Anhörung des Antragsgegners war zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten fristlosen Kündigung vom 17. Juni 2010 abzusehen.
Die Beschwerde, mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) ihren schon erstinstanzlich gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iHv 1.681,- EUR monatlich sowie nunmehr auf Übernahme von Mietschulden durch den Antragsgegner weiter verfolgen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde, die sich bei wohlwollender Betrachtung auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren richtet, nicht begründet und war zurückzuweisen.
Der Anordnungsanspruch auf Übernahme von Mietschulden iHv von nunmehr 2.168,- EUR (fernmündliche Auskunft der Vermieterin vom 19. Juli 2010) folgt für die Antragsteller zu 1) und 2) als Parteien des Mietvertrages aus § 22 Abs. 5 SGB II. Danach können Mietschulden übernommen werden, soweit dies – wie hier – zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht der Mietschuldenübernahme in Ausfluss der insoweit vorzunehmenden Folgenabwägung (dazu sh. unten) nicht entgegen. Durch die im Hinblick auf die seit April 2010 aufgehäuften Mietschulden ausgesprochene fristlose Kündigung vom 17. Juni 2010 droht den Antragstellern zu 1) und 2) und ihren Kindern Wohnungslosigkeit. Die Übernahme der Mietschulden ist auch gerechtfertigt und notwendig, um die Räumung abzuwenden. Denn die Kündigung wird unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs, die vorliegend noch gar nicht eingetreten ist, befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – iVm § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Zudem sind, soweit ersichtlich, die Antragsteller zu 1) und 2) in der Vergangenheit nicht bereits als Mietschuldner aufgefallen, die Kosten der Wohnung sind angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG und es ist auch ansonsten nicht erkennbar, dass die Antragsteller zu 1) und 2) missbräuchlich die Mietrückstände gezielt herbeigeführt hätten. Nach fernmündlicher Auskunft der Vermieterin vom 19. Juli 2010 ist zudem die Wohnung noch nicht geräumt. Es war daher vom Regelfall der Schuldenübernahme bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II auszugehen und bei entsprechend gebundenem Ermessen (vgl. hierzu Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rz. 108) der Antragsgegner zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes wie tenoriert zu verpflichten. Der Anordnungsgrund folgt dabei aus der anders nicht abwendbaren drohenden Wohnungslosigkeit. Allerdings ist ein solcher Anordnungsgrund (wie auch schon ein Anordnungsanspruch) für die Schuldenübernahme weder für die Antragsteller zu 3) bis 5) zu ersehen, weil diese nicht Mietvertragsparteien sind, noch für die Bewilligung von (laufenden monatlichen) Unterkunftskosten im Übrigen für alle Antragsteller. Durch die Schuldenübernahme und die damit einhergehende Unwirksamkeit der Kündigung ist eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller nämlich bis auf weiteres nicht zu besorgen. Die Geldleistungen für die angefallenen Mietschulden sind gemäß § 22 Abs. 5 Satz 4 als Darlehen zu erbringen.
Ein Anordnungsgrund ist auch nicht dargetan, soweit die Antragsteller laufende Regelleistungen für die Zeit vor der Zustellung dieses Beschlusses geltend machen. Denn eine Leistungsgewährung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig nicht in Betracht. Gleiches gilt auch, soweit die Antragsteller zu 3) bis 5) mit einer einstweiligen Anordnung zu sichernde Ansprüche auf Regelleistungen für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses begehren. Denn der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens für die Antragsteller zu 3) und 4) anzusetzende Betrag zur Sicherung des absoluten Existenzminimums iHv 159,- EUR monatlich (sh. dazu unten) ist durch die Kindergeldzahlungen iHv monatlich jeweils 184,- EUR abgedeckt. Die Antragstellerin zu 5) hat schließlich keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich überhaupt auf eine Hilfebedürftigkeit schließen ließe. Weder die Antragsschrift noch die eidesstattliche Versicherung der Antragsteller zu 1) und 2) verhalten sich zu den Verhältnissen der – volljährigen – Antragstellerin zu 5).
Hinsichtlich der geltend gemachten Regelleistungen der Antragsteller zu 1) und 2) für die Zeit ab Zustellung des vorliegenden Beschlusses bis zum 30. September 2010 war der Antragsgegner jedoch im Wege einer Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG im tenorierten Umfang zu verpflichten, und zwar unter Berücksichtigung einer verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung und im Hinblick auf die bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärte Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses bei nichtdeutschen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht sich – wie hier – aus dem Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizgG) ergeben kann (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Es begegnet unter Berücksichtigung der durch Art. 39 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU erheblichen rechtlichen Bedenken, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II insoweit mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH - (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08 – juris) kann ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates hergestellt hat, sich auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung kann sich bereits daraus ergeben, dass der Betreffende während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem Mitgliedstaat gesucht hat, wie dies bei den Antragstellern zu 1) und 2) der Fall ist. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 betrifft demgegenüber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe". Der EuGH (vgl. aaO) weist insoweit aber ausdrücklich darauf hin, dass eine Voraussetzung, wie sie in Deutschland für die Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen sei, wonach der Betreffende erwerbsfähig sein müsse, ein Hinweis darauf sein könne, dass diese Leistung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern solle. Im letztgenannten Fall greift Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 aber von vornherein nicht.
Da insbesondere die Prüfung der Erwerbsfähigkeit der Antragsteller zu 1) und 2) iSv § 8 Abs. 2 SGB II ebenso weitere Sachermittlungen erfordert wie die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Antragstellers zu 2), war im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch diesbezüglich eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris). Angesichts des existenzsichernden Charakters der begehrten Leistungen wiegen die den Antragstellern zu 1) und 2) drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des Antrags und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren ungleich schwerer als der Nachteil einer Überzahlung für den Antragsgegner. Aus diesem Grund war der Antragsgegner einstweilen zu verpflichten, das absolute Existenzminimum der Antragsteller zu 1) und 2) zu sichern. Das Gericht hat sich insoweit an dem Wert für den notwendigen Bedarf ohne Unterkunftskosten orientiert, der sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 Asylbewerberleistungsgesetz ergibt. Die einstweilige Anordnung ergeht für die Zeit bis 30. September 2010. Den Antragstellern zu 1) und 2) bleibt es unbenommen, nach Ablauf dieses Zeitraums gegebenenfalls erneut bei dem Sozialgericht (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, sofern das Hauptsacheverfahren bis dahin nicht abgeschlossen sein sollte.
Soweit sich die Antragsteller gegen die die Bewilligung von PKH ablehnende Entscheidung des SG in dem angefochtenen Beschluss wenden, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und 2) gilt dies schon deshalb, weil diese wegen des tenorierten Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Antragsgegner insoweit nicht mehr als bedürftig anzusehen sind. Die Rechtsverfolgung der Antragsteller zu 3) bis 5) hatte hingegen keine hinreichende Erfolgsaussicht (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 iVm § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Für das PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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