L 15 SO 125/10 B RG

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 244/08
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 125/10 B RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge des Beklagten vom 16. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren der Anhörungsrüge zu erstatten.

Gründe:

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 1. Juli 2010 ist nicht statthaft und damit unzulässig. Nach § 178 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist im Sozialgerichtsprozess auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und 2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Beklagte "Beteiligter" des Bewilligungsverfahrens über die Prozesskostenhilfe ist. Denn dieses Verfahren ist nach den in allen Verfahrensordnungen anwendbaren §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) ein nicht streitiges Antragsverfahren, das angesichts des Charakters der Prozesskostenhilfe als Mittel zur Herstellung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit (s. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 1 BvR 439/08) der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnen ist. In ihm stehen sich deshalb nur der Antragsteller, der Prozesskostenhilfe begehrt, und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüber (unstreitig, s. nur BGH, Urteil vom 15. November 1983 – VI ZR 100/83, BGHZ 89, 65 und daran anschließend BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1991 – 1 BvR 41/88, NJW 1991, 2078). Die sich somit stellende Frage, ob der Begriff des "Beteiligten" im Rahmen des § 178a Abs. 1 Satz 1 SGG darüber hinaus auch diejenigen umfasst, denen – wie dem Beklagten nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO – durch Gesetz ein Anspruch auf rechtliches Gehör eingeräumt ist (s. auch in diesem Zusammenhang BGH und BVerfG wie eben), kann jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls reicht für eine statthafte Anhörungsrüge nicht aus, dass der Anspruch eines "Beteiligten" auf rechtliches Gehör durch ein Gericht verletzt worden ist (s. insoweit § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Vielmehr muss außerdem die gerichtliche Entscheidung den rügeführenden Beteiligten (tatsächlich) beschweren, § 178a Abs. 1 Satz 1 Einleitungssatz SGG. Der Begriff der Beschwer hat die gleiche Bedeutung wie im Rechtsmittelrecht (Leipold in Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Auflage 2008, § 321a Rz. 25 zur Parallelvorschrift in der ZPO). Eine Beschwer liegt danach vor, wenn der Inhalt der Entscheidung für einen Beteiligten nachteilig ist (s. Eckertz in LPK-SGG, 3. Aufl. 2009, § 178a Rz. 9). Das ist hier nicht der Fall. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat ausschließlich für die verpflichtete Staatskasse einen (unmittelbaren) Nachteil; folgerichtig besteht ein Beschwerderecht in diesem Fall nur für diese Stelle nach Maßgabe des § 127 Abs. 3 ZPO (§ 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Umstand, dass die aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe anwaltlich vertretene Beteiligte des Hauptsacheverfahrens ihr Rechtsschutzbegehren möglicherweise besser verfolgen kann als ohne rechtlichen Beistand, stellt für die anderen Verfahrensbeteiligten im Hauptsacheverfahren lediglich einen tatsächlichen Reflex der Bewilligungsentscheidung dar, aber keinen Nachteil im Rechtssinn. Dies gilt im Sozialgerichtsprozess noch umso mehr, als wegen des Grundsatzes der Amtsermittlung der Ausgang des Verfahrens nicht vom Vorbringen der Beteiligten oder der Einhaltung formaler Anforderungen (wie Verfahrensfristen) abhängt. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved