Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 3 SB 241/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 245/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. August 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1936 geborene Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie zur Feststellung der Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF".
Zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 1994 hatte das Landesversorgungsamt Berlin folgende Behinderungen festgestellt:
a) Aufbraucherscheinungen am Skelettsystem mit Funktionsbehinderung im Bereich der Wirbelsäule mit rezidivierenden Reizerscheinungen, degenerativen Gelenkveränderungen, besonders beider Kniegelenke und Fingergelenke, beginnende Arthrose rechtes Ellenbogengelenk; b) linksseitige Hirnnervenschädigung im Bereich des Trigeminus, Facialis, Glossopharyngeus und Hypoglossus bei linksbetonter Hirnstammläsion unklarer Genese; c) Sensibilitätsstörungen des Nervus ulnaris rechts; d) Cardiomyopathie, funktionelle Herzbeschwerden, labile Blutdruckerhöhung.
Wegen der genannten Behinderung hatte das Landesversorgungsamt Berlin den GdB auf 40 festgesetzt und zugleich festgestellt, dass die Körperbehinderung zu einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt habe.
Am 7. April 2006 stellte der unterdessen in das Land Brandenburg verzogene Kläger einen Änderungsantrag wegen Verschlimmerung der bisher festgestellten sowie wegen neu hinzugetretener Leiden. Auf der Grundlage der beim Verwaltungsvorgang befindlichen Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte erstellte die für den Beklagten tätige Fachärztin für Sozialmedizin Dr. M eine Stellungnahme, wonach der GdB insgesamt weiterhin 40 betrage und eine dauernde Einschränkung der Bewegungsfähigkeit gegeben sei. Als neu hinzugekommene Beeinträchtigungen führte sie auf:
- Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (GdB 15), - psychosomatische Störungen (GdB 10)
Mit Bescheid vom 31. August 2006 lehnte der Beklagte die begehrte Feststellung eines höheren Grades der Behinderung und weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen ab und führte zur Begründung aus, der GdB betrage nicht wenigstens 50. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2006 zurück. Mit seiner am 5. Dezember 2006 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und hierzu vorgetragen, sein gesundheitlicher Zustand habe sich nach einer im Jahr 1979 erfolgten zahnärztlichen Fehlbehandlung kontinuierlich verschlechtert.
Das Sozialgericht hat über den Gesundheitszustand des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. B vom 19. Juni 2007. Der Sachverständige ist hierbei zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger leide unter folgenden Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft:
a) Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20), b) partielle linksseitige Hirnnervenschädigung (Teilparese des Nervus facialis links) (Einzel-GdB 10), c) Schwerhörigkeit, verbunden mit Ohrgeräuschen (Einzel-GdB 15), d) psychosomatische Störungen (Einzel-GdB 10), e) Herzleistungsminderung, Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
Ferner hat der Sachverständige den sich aus den vorgenannten Einschränkungen ergebenen Gesamt-GdB mit 30 angegeben und festgestellt, es bestünden keine Leiden, die sich auf das Gehvermögen auswirkten. Im Übrigen sei der Kläger in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr mit 2000 Metern ohne Gefahren für sich oder andere zurückzulegen, und gesundheitliche Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" bestünden nicht. Gegenüber den Feststellungen des Versorgungsamtes Berlin sei insofern eine Besserung eingetreten, als schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen der Wirbelsäule nicht mehr vorlägen und auch keine komplette linksseitige Hirnnervenschädigung festzustellen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. August 2007 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen die Feststellungen des Sachverständigen Dr. B zu Eigen gemacht.
Mit seiner am 2. Oktober 2007 erhobenen Berufung gegen das ihm am 13. September 2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts bringt der Kläger vor, das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten werde seinem tatsächlichen gesundheitlichen Zustand nicht gerecht. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich nicht gebessert, sondern verschlechtert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. August 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 31. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2006 zu verpflichten, einen GdB von mindestens 50 festzusetzen und die Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "RF" festzustellen. Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht hat Beweis erhoben über die beim Kläger vorliegenden nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigungen durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. G vom 17. November 2009. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das bei der Akte befindliche Gutachten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung eines GdB von mindestens 50 sowie auf Feststellung der Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF".
Nach den §§ 2 Abs. 1 und 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 2005 und 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin- Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 festgelegten Versorgungsmedizinischen Grundsätze in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP abgelöst haben.
Hinsichtlich der beim Kläger festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen und des daraus resultierenden GdB macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G zueigen, denen er folgt. In seinem Gutachten hat der Sachverständige folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt:
a) Herzleistungsminderung, Bluthochdruck (GdB 30) b) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20), c) Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (Tinnitus) (GdB 15), d) Teilparese des Nervus facialis links mit Geschmacksstörungen (Ramus marginalis mandibulae) (GdB 10), e) psychosomatische Störungen (GdB 10).
Des Weiteren hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt, denen er jedoch keine messbare Funktionsbehinderung von einem GdB in Höhe von mindestens 10 zugeordnet hat:
Polyarthrose der Fingergelenke mit Schmerzen in rechter Hand, Myopie, Astigmatismus, Cataracta progrediens, Rectusdiastase, Fußfehlform, Fersensporn, Potenzstörungen, Übergewicht.
Hierzu hat er ausgeführt, die Herzleistungsminderung bzw. der Bluthochdruck seien das Hauptleiden des Klägers. In Zusammenwirkung mit den unter b) und e) genannten weiteren Leiden halte er eine Bemessung des Gesamt-GdB mit 40 für angemessen. Die festgestellten Behinderungen wirkten sich auf die Fortbewegungsfähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung seines Lebensalters nicht erkennbar aus. Auch brauche er weder fremde Hilfe noch habe er große Mühe bei der Bewegung außerhalb eines Fahrzeuges.
Soweit der Sachverständige hinsichtlich des Herzleidens und des Gesamt-GdB von den Feststellungen des in erster Instanz eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. B abweicht, gibt dies keinen Anlass für weitere Ermittlungen, denn der Sachverständige Dr. G hat sich hierzu auf die Ergebnisse von Untersuchungen gestützt, die erst nach der Untersuchung durch den Sachverständigen in erster Instanz stattgefunden haben. Seine fachkundige Einschätzung der insoweit anzusetzenden Funktionsbeeinträchtigung deckt sich auch mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. Mai 2008. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers seit der Begutachtung in erster Instanz verschlechtert hat.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G zur Bildung des Gesamt-GdB von 40 sind in sich nachvollziehbar und schlüssig und stehen insoweit mit der Anlage zu § 2 der VersMedV vom 10. Dezember 2008 (hier Teil A 3) im Einklang. Danach ist bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen keine Addierung der einzelnen Werte vorzunehmen, sondern maßgeblich auf die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander abzustellen, wobei in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen ist, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. In sich schlüssig und überzeugend hat der Sachverständige dargelegt, dass die Hauptbeeinträchtigung des Klägers in der Funktionsbeeinträchtigung des Herz-Kreislaufsystems zu sehen ist, die er mit einem Einzel-GdB von 30 bemisst. Diese Funktionsbeeinträchtigung beeinflusst das Leistungsvermögen des Klägers insgesamt und wird durch die ebenfalls festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule für den Funktionsbereich Beweglichkeit zusätzlich verstärkt. Insoweit ist eine Anhebung des Gesamt-GdB von 30 auf 40 angemessen. Hinsichtlich der weiteren festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen die in ihrem Einzel-GdB deutlich hinter den bereits genannten Funktionsbeeinträchtigungen zurück bleiben, ist eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB nicht angezeigt. Soweit der Kläger insbesondere auf die im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung 1979 erlittene Nervenschädigung abstellt, haben beide Sachverständige die Funktionsbeeinträchtigung insoweit nachvollziehbar und schlüssig mit einem Einzel-GdB von 10 bemessen. Dies führt in Anwendung der Ziffer A 3 ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamt-GdB. Zwar ist dem Kläger durchaus abzunehmen, dass die aus der Nervenbeschädigung resultierende Beeinträchtigung für ihn von subjektiv erheblicher Bedeutung ist, objektiv lässt sich dies allerdings nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht verifizieren.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX, falls neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Voraussetzung für die Gewährung des Merkzeichens "G" als Voraussetzung für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ist gemäß 145 Abs. 1 S. 1 SGB IX in Verbindung mit § 146 Abs. 1 SGB IX die Eigenschaft als Schwerbehinderter, mithin gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX das Vorliegen eines Gesamt-GdB von wenigstens 50. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nach den vorherigen Ausführungen nicht. Im Übrigen ist der Kläger nach den Feststellungen der eingeholten Gutachten auch nicht in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Diese Einschätzung trifft nach der eigenen Anschauung, die der Senat vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung hat gewinnen können, zu. Der Kläger erfüllt damit auch nicht die weiteren persönlichen Voraussetzungen der §§ 145 Abs. 1 Satz 1 und 146 Abs. 1 SGB IX.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF". Maßgeblich sind insoweit die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen 8. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. S. 82), welches die bis dahin geltende Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 2. Januar 1992 aufgehoben hat. Nach der hier allein maßgeblichen Nummer 8 des Vertrages werden auf Antrag folgende natürliche Personen und deren Ehegatten im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht befreit: Behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 v. H. beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger offenkundig nicht. Ein Grad der Behinderung von 80 ist aus den genannten Gründen nicht anzunehmen. Im Übrigen ist nicht auch nur im Ansatz ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht sollte teilnehmen können. Auch insoweit kann der Senat auf den im Termin zur mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck vom Kläger Bezug nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Tatbestand:
Der 1936 geborene Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie zur Feststellung der Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF".
Zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 1994 hatte das Landesversorgungsamt Berlin folgende Behinderungen festgestellt:
a) Aufbraucherscheinungen am Skelettsystem mit Funktionsbehinderung im Bereich der Wirbelsäule mit rezidivierenden Reizerscheinungen, degenerativen Gelenkveränderungen, besonders beider Kniegelenke und Fingergelenke, beginnende Arthrose rechtes Ellenbogengelenk; b) linksseitige Hirnnervenschädigung im Bereich des Trigeminus, Facialis, Glossopharyngeus und Hypoglossus bei linksbetonter Hirnstammläsion unklarer Genese; c) Sensibilitätsstörungen des Nervus ulnaris rechts; d) Cardiomyopathie, funktionelle Herzbeschwerden, labile Blutdruckerhöhung.
Wegen der genannten Behinderung hatte das Landesversorgungsamt Berlin den GdB auf 40 festgesetzt und zugleich festgestellt, dass die Körperbehinderung zu einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt habe.
Am 7. April 2006 stellte der unterdessen in das Land Brandenburg verzogene Kläger einen Änderungsantrag wegen Verschlimmerung der bisher festgestellten sowie wegen neu hinzugetretener Leiden. Auf der Grundlage der beim Verwaltungsvorgang befindlichen Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte erstellte die für den Beklagten tätige Fachärztin für Sozialmedizin Dr. M eine Stellungnahme, wonach der GdB insgesamt weiterhin 40 betrage und eine dauernde Einschränkung der Bewegungsfähigkeit gegeben sei. Als neu hinzugekommene Beeinträchtigungen führte sie auf:
- Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (GdB 15), - psychosomatische Störungen (GdB 10)
Mit Bescheid vom 31. August 2006 lehnte der Beklagte die begehrte Feststellung eines höheren Grades der Behinderung und weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen ab und führte zur Begründung aus, der GdB betrage nicht wenigstens 50. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2006 zurück. Mit seiner am 5. Dezember 2006 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und hierzu vorgetragen, sein gesundheitlicher Zustand habe sich nach einer im Jahr 1979 erfolgten zahnärztlichen Fehlbehandlung kontinuierlich verschlechtert.
Das Sozialgericht hat über den Gesundheitszustand des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. B vom 19. Juni 2007. Der Sachverständige ist hierbei zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger leide unter folgenden Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft:
a) Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20), b) partielle linksseitige Hirnnervenschädigung (Teilparese des Nervus facialis links) (Einzel-GdB 10), c) Schwerhörigkeit, verbunden mit Ohrgeräuschen (Einzel-GdB 15), d) psychosomatische Störungen (Einzel-GdB 10), e) Herzleistungsminderung, Bluthochdruck (Einzel-GdB 10).
Ferner hat der Sachverständige den sich aus den vorgenannten Einschränkungen ergebenen Gesamt-GdB mit 30 angegeben und festgestellt, es bestünden keine Leiden, die sich auf das Gehvermögen auswirkten. Im Übrigen sei der Kläger in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr mit 2000 Metern ohne Gefahren für sich oder andere zurückzulegen, und gesundheitliche Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" bestünden nicht. Gegenüber den Feststellungen des Versorgungsamtes Berlin sei insofern eine Besserung eingetreten, als schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen der Wirbelsäule nicht mehr vorlägen und auch keine komplette linksseitige Hirnnervenschädigung festzustellen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. August 2007 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen die Feststellungen des Sachverständigen Dr. B zu Eigen gemacht.
Mit seiner am 2. Oktober 2007 erhobenen Berufung gegen das ihm am 13. September 2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts bringt der Kläger vor, das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten werde seinem tatsächlichen gesundheitlichen Zustand nicht gerecht. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich nicht gebessert, sondern verschlechtert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. August 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 31. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2006 zu verpflichten, einen GdB von mindestens 50 festzusetzen und die Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "RF" festzustellen. Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landessozialgericht hat Beweis erhoben über die beim Kläger vorliegenden nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigungen durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. G vom 17. November 2009. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das bei der Akte befindliche Gutachten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung eines GdB von mindestens 50 sowie auf Feststellung der Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF".
Nach den §§ 2 Abs. 1 und 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 2005 und 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin- Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 festgelegten Versorgungsmedizinischen Grundsätze in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP abgelöst haben.
Hinsichtlich der beim Kläger festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen und des daraus resultierenden GdB macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Dr. G zueigen, denen er folgt. In seinem Gutachten hat der Sachverständige folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt:
a) Herzleistungsminderung, Bluthochdruck (GdB 30) b) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20), c) Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (Tinnitus) (GdB 15), d) Teilparese des Nervus facialis links mit Geschmacksstörungen (Ramus marginalis mandibulae) (GdB 10), e) psychosomatische Störungen (GdB 10).
Des Weiteren hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt, denen er jedoch keine messbare Funktionsbehinderung von einem GdB in Höhe von mindestens 10 zugeordnet hat:
Polyarthrose der Fingergelenke mit Schmerzen in rechter Hand, Myopie, Astigmatismus, Cataracta progrediens, Rectusdiastase, Fußfehlform, Fersensporn, Potenzstörungen, Übergewicht.
Hierzu hat er ausgeführt, die Herzleistungsminderung bzw. der Bluthochdruck seien das Hauptleiden des Klägers. In Zusammenwirkung mit den unter b) und e) genannten weiteren Leiden halte er eine Bemessung des Gesamt-GdB mit 40 für angemessen. Die festgestellten Behinderungen wirkten sich auf die Fortbewegungsfähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung seines Lebensalters nicht erkennbar aus. Auch brauche er weder fremde Hilfe noch habe er große Mühe bei der Bewegung außerhalb eines Fahrzeuges.
Soweit der Sachverständige hinsichtlich des Herzleidens und des Gesamt-GdB von den Feststellungen des in erster Instanz eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. B abweicht, gibt dies keinen Anlass für weitere Ermittlungen, denn der Sachverständige Dr. G hat sich hierzu auf die Ergebnisse von Untersuchungen gestützt, die erst nach der Untersuchung durch den Sachverständigen in erster Instanz stattgefunden haben. Seine fachkundige Einschätzung der insoweit anzusetzenden Funktionsbeeinträchtigung deckt sich auch mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. Mai 2008. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers seit der Begutachtung in erster Instanz verschlechtert hat.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G zur Bildung des Gesamt-GdB von 40 sind in sich nachvollziehbar und schlüssig und stehen insoweit mit der Anlage zu § 2 der VersMedV vom 10. Dezember 2008 (hier Teil A 3) im Einklang. Danach ist bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen keine Addierung der einzelnen Werte vorzunehmen, sondern maßgeblich auf die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander abzustellen, wobei in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen ist, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. In sich schlüssig und überzeugend hat der Sachverständige dargelegt, dass die Hauptbeeinträchtigung des Klägers in der Funktionsbeeinträchtigung des Herz-Kreislaufsystems zu sehen ist, die er mit einem Einzel-GdB von 30 bemisst. Diese Funktionsbeeinträchtigung beeinflusst das Leistungsvermögen des Klägers insgesamt und wird durch die ebenfalls festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule für den Funktionsbereich Beweglichkeit zusätzlich verstärkt. Insoweit ist eine Anhebung des Gesamt-GdB von 30 auf 40 angemessen. Hinsichtlich der weiteren festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen die in ihrem Einzel-GdB deutlich hinter den bereits genannten Funktionsbeeinträchtigungen zurück bleiben, ist eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB nicht angezeigt. Soweit der Kläger insbesondere auf die im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung 1979 erlittene Nervenschädigung abstellt, haben beide Sachverständige die Funktionsbeeinträchtigung insoweit nachvollziehbar und schlüssig mit einem Einzel-GdB von 10 bemessen. Dies führt in Anwendung der Ziffer A 3 ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamt-GdB. Zwar ist dem Kläger durchaus abzunehmen, dass die aus der Nervenbeschädigung resultierende Beeinträchtigung für ihn von subjektiv erheblicher Bedeutung ist, objektiv lässt sich dies allerdings nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht verifizieren.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX, falls neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Voraussetzung für die Gewährung des Merkzeichens "G" als Voraussetzung für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ist gemäß 145 Abs. 1 S. 1 SGB IX in Verbindung mit § 146 Abs. 1 SGB IX die Eigenschaft als Schwerbehinderter, mithin gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX das Vorliegen eines Gesamt-GdB von wenigstens 50. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nach den vorherigen Ausführungen nicht. Im Übrigen ist der Kläger nach den Feststellungen der eingeholten Gutachten auch nicht in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Diese Einschätzung trifft nach der eigenen Anschauung, die der Senat vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung hat gewinnen können, zu. Der Kläger erfüllt damit auch nicht die weiteren persönlichen Voraussetzungen der §§ 145 Abs. 1 Satz 1 und 146 Abs. 1 SGB IX.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF". Maßgeblich sind insoweit die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen 8. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. S. 82), welches die bis dahin geltende Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 2. Januar 1992 aufgehoben hat. Nach der hier allein maßgeblichen Nummer 8 des Vertrages werden auf Antrag folgende natürliche Personen und deren Ehegatten im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht befreit: Behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 v. H. beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger offenkundig nicht. Ein Grad der Behinderung von 80 ist aus den genannten Gründen nicht anzunehmen. Im Übrigen ist nicht auch nur im Ansatz ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht sollte teilnehmen können. Auch insoweit kann der Senat auf den im Termin zur mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck vom Kläger Bezug nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
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