Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 241/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 135/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Kosten werden auch für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
Gründe:
Die Beschwerde, mit welcher der Antragsteller unter Zugrundelegung der gemäß § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebotenen sachdienlichen Auslegung unter Würdigung seines Gesamtvorbringens – sachdienlich gefasst - beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2010 aufzuheben und der An-tragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller hinsichtlich der bei ihm bestehenden inkompletten Tetraplegie Heilbehandlung ein-schließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren,
ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG abgelehnt. Der Antragsteller hat es nicht vermocht, einen Anordnungsan-spruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen, §§ 86b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Zunächst sind die Voraussetzungen der einzig in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Heilbehandlung einschließlich medizinischer Rehabilitation aus § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nicht glaubhaft gemacht. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der fol-genden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buchs unter anderem Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst früh-zeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Nach § 26 Abs. 4 SGB VII haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den me-dizinischen Fortschritt zu berücksichtigen; sie werden als Dienst- und Sachleistung zur Verfü-gung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.
Ein Versicherungsfall im vorstehenden Sinne erscheint unter Zugrundelegung der im vorlie-genden Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen überschlägigen Prüfung nicht über-wiegend wahrscheinlich.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Zwar hat der Senat keinen Zweifel daran, dass in der Inanspruchnahme stationärer Kranken-hausleistungen auf Kosten der Krankenkasse durch den Antragsteller im S Klinikum eine den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII begründende Tätigkeit vorlag. Je-doch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Unfallereignis – wahrscheinlich Ausrut-schen und Stürzen während eines Gangs zur Toilette am 15. Juni 2009 - infolge eben dieser versicherten Tätigkeit eintrat, wobei eine Berufskrankheit vorliegend von vornherein ausschei-det.
Der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung "infolge" in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII das Erfor-dernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders be-zeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Ent-schädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kau-salzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbe-gründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungs-ausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 21 f.).
Der Senat hält einen derartigen Zurechnungszusammenhang im vorliegenden Fall nicht für überwiegend wahrscheinlich. Zunächst ist die erforderliche Unfallkausalität nicht zu erkennen.
Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 28).
Vorliegend besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unfallereignis im Wesentli-chen eine innere Ursache hat. Hierfür bezieht sich der Senat zunächst auf den ärztlichen Be-richt des S Klinikums vom 30. Juni 2009, wonach der Antragsteller am 08. Juni 2009 im Rahmen einer Notfalleinweisung durch den Notarzt wegen zunehmender Schwäche, mehrfa-chen Schwindels, Schweißausbrüchen und Gangunsicherheit im Krankenhaus aufgenommen wurde und bei ihm zunächst unter anderem Herzrhythmusstörungen festgestellt wurden. Hier-mit stimmt eine telefonische Auskunft der Ehefrau vom 20. Januar 2010 gegenüber der Sach-bearbeitung der Antragsgegnerin überein, wonach der Antragsteller vor dem Sturz am 15. Juni 2009 bereits einmal im Bad und einmal beim Aufstehen aus dem Bett gestürzt war. Dem ent-sprechen auch die von der Antragsgegnerin eingeholten Angaben des damals mit der Erstver-sorgung des Antragstellers betrauten Arztes auf der kardiologischen Station, Herrn Z, wonach der Antragsteller sich wegen seines schlechten Allgemeinzustands in stationärer Behandlung befand, körperlich deutlich geschwächt war und eine schlaffe Tetraplegie hatte, weswegen er strikt angewiesen worden war, das Bett nicht allein zu verlassen, weil er seine Bewegungen nicht mehr koordinieren konnte (vgl. schriftlicher Vermerk vom 25. Januar 2010, unterzeichnet von Herrn Z am 01. Februar 2010). Demgegenüber ist nichts dafür vorgetragen oder sonst er-sichtlich, dass der Untergrund, auf welchem der Antragsteller zu Fall kam, Stolperstellen oder glatte Stellen aufwies. Vielmehr liegen lediglich auf das Gegenteil hindeutende Angaben in der zuvor erwähnten Auskunft Herrn Zs vor, welcher den Antragsteller am 15. Juni 2009 mitten im Patientenzimmer auf dem Boden sitzend und mit blutig geschlagener Nase vorgefunden hatte. Auch führt die eidesstattliche Versicherung der Tochter des Antragstellers nicht zu einer ande-ren Einschätzung. Die Erklärung ist zunächst in sich widersprüchlich, indem es dort einerseits über den Antragsteller heißt, "dass er nicht mehr völlig problemlos Treppen steigen konnte", zum anderen, dass "das Steigen von Treppen aber dennoch problemlos möglich" gewesen sei. Der dort geschilderte Umstand, dass der Antragsteller ohne fremde Hilfe zu Fuß zum Chi-rurgen gegangen sei, gibt keine Auskunft über den Krankheitszustand des Antragstellers, wel-cher letztlich zur Notfalleinweisung führte und nach den oben genannten ärztlichen Stellung-nahmen auch in der Zeit danach im S Klinikum fortbestand.
Zudem erachtet es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass eine haftungsbegrün-dende Kausalität (zum Wahrscheinlichkeitsgrad BSG, a.a.O., Rn. 20) zwischen Unfallereignis und dem vom Antragsteller behaupteten Gesundheitserstschaden – inkomplette Tetraplegie sub C 4 - besteht, wobei unter diesem jede körperliche Beeinträchtigung zu verstehen ist, die un-mittelbar auf die Einwirkung durch das äußere Ereignis zurückzuführen ist (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 22). Auch wenn der Senat keinen Zweifel am Bestehen des vor-getragenen Gesundheitsschadens hat und die Antragsgegnerin zunächst in ihrer Befundbe-richtsanforderung vom 07. Dezember 2009 die neurologische Verschlechterung des Antragstel-lers als Sturzfolge bei vorbestehender Spinalkanalstenose wertete, hat der Senat bereits ernste Zweifel, dass zwischen der beim Antragsteller vorliegenden Erkrankung und dem Unfallereig-nis ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang besteht. Zwar heißt es im Durchgangsarztbe-richt vom 21. Oktober 2009 zunächst noch, dass die neurologische Verschlechterung als Sturz-folge bei vorbestehender cervikaler Spinalkanalstenose anzusehen sei, wobei im Durchgangs-arztbericht im Folgenden angegeben ist, dass Hergang und Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprechen würden, weil der Zusammenhang zu klären sei. Jedenfalls enthalten der bereits oben erwähnte ärztliche Bericht des S Klinikums vom 30. Juni 2009 und der Zwi-schenbericht des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte beimU) vom 17. Dezember 2009 nach Durchführung weiterer körperlicher Untersuchungen des Klägers keine Anhalts-punkte mehr für einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Nach dem letztgenannten Be-richt erlitt der Antragsteller bei seinem Sturz am 15. Juni 2009 eine Nasenbeinfraktur, nach deren Versorgung im U er ins S Klinikum zurückverlegt wurde und "Im weiteren Verlauf ... sich bei vorbestehender Spinalkanalstenose eine inkomplette Tetraplegie sub C 4 (entwickel-te), so dass Herr P. erneut in die Neurochirurgische Abteilung verlegt wurde ".
Davon abgesehen sieht der Senat nach dem bisherigen Erkenntnisstand die beim Antragsteller bestandene, bereits zuvor beschriebene Krankheitsanlage und nicht das schädigende Ereignis nach den vorstehenden ärztlichen Stellungnahmen als wesentlich für den Gesundheitsschaden an, weil nichts dafür vorliegt, dass die Krankheitsanlage entweder zur Entstehung krankhafter Veränderungen einer besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung bedurfte oder ohne das Unfallereignis zu einem – nicht unwesentlich – späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre, dieser aber durch die schädigende Einwirkung erheblich vorverlegt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987 – 2 RU 35/87 -, zitiert nach juris Rn. 27).
Die vom Gericht durchgeführte summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügt auch eingedenk der besonderen Umstände des Falls dem Gebot effektiven Rechtsschut-zes nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 des Grundgesetzes (GG). Eine Folgenabwägung (zu den Anforde-rungen grundlegend Bundesverfassungsgericht (BVerfG), stattgebende Kammerbeschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586//02 -, zitiert nach juris Rn. 6 ff., und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris Rn. 24 ff.) war nicht geboten, weil die Versagung vorläufi-gen Rechtsschutzes im vorliegenden Fall nicht zu schweren und unzumutbaren Nachteilen für den Antragsteller führt. Er kann mangels gegenteiliger medizinischer Anhaltspunkte bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens auf die Inanspruchnahme von Heilbehandlung und Rehabi-litationsleistungen durch die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung verwiesen werden, zumal für den 1935 geborenen Antragsteller unter Rückgriff auf das Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung auch keine Rückführung ins Arbeitsleben mehr im Raum steht.
Nach alldem kann dahinstehen, ob auch ein Anordnungsgrund im Sinne einer gegenwärtigen existenziellen Notlage besteht. Hiergegen spricht jedenfalls, dass nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass der Antragsteller gerade jetzt, das heißt in seiner gegenwärtigen Krankheitssituation einer Kranken- oder rehabilitativen Behandlung bedürfte, welche ihm die Kranken- oder Pflegeversicherung nicht gewährte, zumal – wie gezeigt – im Fall des An-tragstellers für bestehenden Unfallversicherungsschutz keine, insbesondere keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 2. Senat, Beschluss vom 30. September 2009 – L 2 U 260/09 B ER -, zitiert nach juris, Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgte dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die Beschwerde, mit welcher der Antragsteller unter Zugrundelegung der gemäß § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebotenen sachdienlichen Auslegung unter Würdigung seines Gesamtvorbringens – sachdienlich gefasst - beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2010 aufzuheben und der An-tragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller hinsichtlich der bei ihm bestehenden inkompletten Tetraplegie Heilbehandlung ein-schließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren,
ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG abgelehnt. Der Antragsteller hat es nicht vermocht, einen Anordnungsan-spruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen, §§ 86b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Zunächst sind die Voraussetzungen der einzig in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Heilbehandlung einschließlich medizinischer Rehabilitation aus § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nicht glaubhaft gemacht. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der fol-genden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buchs unter anderem Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln möglichst früh-zeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Nach § 26 Abs. 4 SGB VII haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den me-dizinischen Fortschritt zu berücksichtigen; sie werden als Dienst- und Sachleistung zur Verfü-gung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.
Ein Versicherungsfall im vorstehenden Sinne erscheint unter Zugrundelegung der im vorlie-genden Eilverfahren gebotenen und auch nur möglichen überschlägigen Prüfung nicht über-wiegend wahrscheinlich.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Zwar hat der Senat keinen Zweifel daran, dass in der Inanspruchnahme stationärer Kranken-hausleistungen auf Kosten der Krankenkasse durch den Antragsteller im S Klinikum eine den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII begründende Tätigkeit vorlag. Je-doch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Unfallereignis – wahrscheinlich Ausrut-schen und Stürzen während eines Gangs zur Toilette am 15. Juni 2009 - infolge eben dieser versicherten Tätigkeit eintrat, wobei eine Berufskrankheit vorliegend von vornherein ausschei-det.
Der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung "infolge" in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII das Erfor-dernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders be-zeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Ent-schädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kau-salzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbe-gründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungs-ausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und längerandauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 21 f.).
Der Senat hält einen derartigen Zurechnungszusammenhang im vorliegenden Fall nicht für überwiegend wahrscheinlich. Zunächst ist die erforderliche Unfallkausalität nicht zu erkennen.
Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 28).
Vorliegend besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unfallereignis im Wesentli-chen eine innere Ursache hat. Hierfür bezieht sich der Senat zunächst auf den ärztlichen Be-richt des S Klinikums vom 30. Juni 2009, wonach der Antragsteller am 08. Juni 2009 im Rahmen einer Notfalleinweisung durch den Notarzt wegen zunehmender Schwäche, mehrfa-chen Schwindels, Schweißausbrüchen und Gangunsicherheit im Krankenhaus aufgenommen wurde und bei ihm zunächst unter anderem Herzrhythmusstörungen festgestellt wurden. Hier-mit stimmt eine telefonische Auskunft der Ehefrau vom 20. Januar 2010 gegenüber der Sach-bearbeitung der Antragsgegnerin überein, wonach der Antragsteller vor dem Sturz am 15. Juni 2009 bereits einmal im Bad und einmal beim Aufstehen aus dem Bett gestürzt war. Dem ent-sprechen auch die von der Antragsgegnerin eingeholten Angaben des damals mit der Erstver-sorgung des Antragstellers betrauten Arztes auf der kardiologischen Station, Herrn Z, wonach der Antragsteller sich wegen seines schlechten Allgemeinzustands in stationärer Behandlung befand, körperlich deutlich geschwächt war und eine schlaffe Tetraplegie hatte, weswegen er strikt angewiesen worden war, das Bett nicht allein zu verlassen, weil er seine Bewegungen nicht mehr koordinieren konnte (vgl. schriftlicher Vermerk vom 25. Januar 2010, unterzeichnet von Herrn Z am 01. Februar 2010). Demgegenüber ist nichts dafür vorgetragen oder sonst er-sichtlich, dass der Untergrund, auf welchem der Antragsteller zu Fall kam, Stolperstellen oder glatte Stellen aufwies. Vielmehr liegen lediglich auf das Gegenteil hindeutende Angaben in der zuvor erwähnten Auskunft Herrn Zs vor, welcher den Antragsteller am 15. Juni 2009 mitten im Patientenzimmer auf dem Boden sitzend und mit blutig geschlagener Nase vorgefunden hatte. Auch führt die eidesstattliche Versicherung der Tochter des Antragstellers nicht zu einer ande-ren Einschätzung. Die Erklärung ist zunächst in sich widersprüchlich, indem es dort einerseits über den Antragsteller heißt, "dass er nicht mehr völlig problemlos Treppen steigen konnte", zum anderen, dass "das Steigen von Treppen aber dennoch problemlos möglich" gewesen sei. Der dort geschilderte Umstand, dass der Antragsteller ohne fremde Hilfe zu Fuß zum Chi-rurgen gegangen sei, gibt keine Auskunft über den Krankheitszustand des Antragstellers, wel-cher letztlich zur Notfalleinweisung führte und nach den oben genannten ärztlichen Stellung-nahmen auch in der Zeit danach im S Klinikum fortbestand.
Zudem erachtet es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass eine haftungsbegrün-dende Kausalität (zum Wahrscheinlichkeitsgrad BSG, a.a.O., Rn. 20) zwischen Unfallereignis und dem vom Antragsteller behaupteten Gesundheitserstschaden – inkomplette Tetraplegie sub C 4 - besteht, wobei unter diesem jede körperliche Beeinträchtigung zu verstehen ist, die un-mittelbar auf die Einwirkung durch das äußere Ereignis zurückzuführen ist (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 22). Auch wenn der Senat keinen Zweifel am Bestehen des vor-getragenen Gesundheitsschadens hat und die Antragsgegnerin zunächst in ihrer Befundbe-richtsanforderung vom 07. Dezember 2009 die neurologische Verschlechterung des Antragstel-lers als Sturzfolge bei vorbestehender Spinalkanalstenose wertete, hat der Senat bereits ernste Zweifel, dass zwischen der beim Antragsteller vorliegenden Erkrankung und dem Unfallereig-nis ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang besteht. Zwar heißt es im Durchgangsarztbe-richt vom 21. Oktober 2009 zunächst noch, dass die neurologische Verschlechterung als Sturz-folge bei vorbestehender cervikaler Spinalkanalstenose anzusehen sei, wobei im Durchgangs-arztbericht im Folgenden angegeben ist, dass Hergang und Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprechen würden, weil der Zusammenhang zu klären sei. Jedenfalls enthalten der bereits oben erwähnte ärztliche Bericht des S Klinikums vom 30. Juni 2009 und der Zwi-schenbericht des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte beimU) vom 17. Dezember 2009 nach Durchführung weiterer körperlicher Untersuchungen des Klägers keine Anhalts-punkte mehr für einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang. Nach dem letztgenannten Be-richt erlitt der Antragsteller bei seinem Sturz am 15. Juni 2009 eine Nasenbeinfraktur, nach deren Versorgung im U er ins S Klinikum zurückverlegt wurde und "Im weiteren Verlauf ... sich bei vorbestehender Spinalkanalstenose eine inkomplette Tetraplegie sub C 4 (entwickel-te), so dass Herr P. erneut in die Neurochirurgische Abteilung verlegt wurde ".
Davon abgesehen sieht der Senat nach dem bisherigen Erkenntnisstand die beim Antragsteller bestandene, bereits zuvor beschriebene Krankheitsanlage und nicht das schädigende Ereignis nach den vorstehenden ärztlichen Stellungnahmen als wesentlich für den Gesundheitsschaden an, weil nichts dafür vorliegt, dass die Krankheitsanlage entweder zur Entstehung krankhafter Veränderungen einer besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung bedurfte oder ohne das Unfallereignis zu einem – nicht unwesentlich – späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre, dieser aber durch die schädigende Einwirkung erheblich vorverlegt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987 – 2 RU 35/87 -, zitiert nach juris Rn. 27).
Die vom Gericht durchgeführte summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügt auch eingedenk der besonderen Umstände des Falls dem Gebot effektiven Rechtsschut-zes nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 des Grundgesetzes (GG). Eine Folgenabwägung (zu den Anforde-rungen grundlegend Bundesverfassungsgericht (BVerfG), stattgebende Kammerbeschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586//02 -, zitiert nach juris Rn. 6 ff., und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, zitiert nach juris Rn. 24 ff.) war nicht geboten, weil die Versagung vorläufi-gen Rechtsschutzes im vorliegenden Fall nicht zu schweren und unzumutbaren Nachteilen für den Antragsteller führt. Er kann mangels gegenteiliger medizinischer Anhaltspunkte bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens auf die Inanspruchnahme von Heilbehandlung und Rehabi-litationsleistungen durch die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung verwiesen werden, zumal für den 1935 geborenen Antragsteller unter Rückgriff auf das Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung auch keine Rückführung ins Arbeitsleben mehr im Raum steht.
Nach alldem kann dahinstehen, ob auch ein Anordnungsgrund im Sinne einer gegenwärtigen existenziellen Notlage besteht. Hiergegen spricht jedenfalls, dass nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass der Antragsteller gerade jetzt, das heißt in seiner gegenwärtigen Krankheitssituation einer Kranken- oder rehabilitativen Behandlung bedürfte, welche ihm die Kranken- oder Pflegeversicherung nicht gewährte, zumal – wie gezeigt – im Fall des An-tragstellers für bestehenden Unfallversicherungsschutz keine, insbesondere keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 2. Senat, Beschluss vom 30. September 2009 – L 2 U 260/09 B ER -, zitiert nach juris, Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgte dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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