L 18 AL 231/09 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 1162/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 231/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Ihm war für das erstinstanzliche Verfahren keine Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen; die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hat bei der im PKH-Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –iVm § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Der von dem Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) iHv 190,- EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. November 2007 gilt nach § 107 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) als erfüllt, so dass der Kläger keine (letztlich doppelte) Zahlung verlangen kann.

Nach § 107 Abs. 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Diese Erfüllungsfiktion tritt gegenüber dem Inhaber eines Anspruchs gegen einen Sozialleistungsträger demnach ein, wenn diesem im Hinblick auf die betreffende Sozialleistung gegen einen anderen Leistungsträger ein Erstattungsanspruch iS der §§ 102 bis 105 SGB X zusteht. Dadurch wird eine Verknüpfung zwischen den Ansprüchen des Berechtigten gegen einen Sozialleistungsträger und dem davon an sich unabhängigen Anspruch des vorleistenden Trägers auf Erstattung gegen den eigentlich verpflichteten Leistungsträger in der Weise hergestellt, dass der Anspruch des Berechtigten als erloschen gilt und damit Doppelleistungen aus öffentlichen Kassen vermieden werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 – B 2 U 12/02 R = SozR 3-5190 § 76 Nr. 4 mwN).

Die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X ist gegenüber dem von dem Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von BAB für die Monate Oktober und November 2007 eingetreten, da ein entsprechender Erstattungsanspruch des Jobcenters Berlin Mitte (JC) wegen der u.a. für diesen Zeitraum dem Kläger gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) gegenüber der Beklagten (bis zu dessen Erfüllung) bestand. Es spricht einiges dafür, dass sich dieser Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X richtet, wobei dies im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung schon deshalb keiner abschließenden Beurteilung bedarf, weil auch bei einem Erstattungsanspruch nach Maßgabe von § 103 Abs. 1 Abs. 1 SGB X oder § 105 Abs. 1 SGB X die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X greift.

Nach § 104 Abs. 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit dieser Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (Satz 1). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungspflicht eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre (Satz 2). Erläuternd führt § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X zum Nachrangverhältnis aus, dass ein Erstattungsanspruch nicht besteht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. § 104 SGB X geht also von nebeneinander bestehenden Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger aus, wobei die Verpflichtung eines dieser Leistungsträger wegen System- oder Einzelanspruchssubsidiarität der Leistungspflicht des anderen nachgeht (vgl BSG aaO; BSGE 74, 36, 38 = SozR 3-1300 § 104 Nr. 8, 12 mwN; BSG SozR 3-2600 § 13 Nr. 2).

Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein. Denn das JC hat als grundsätzlich nachrangig verpflichteter Leistungsträger gegenüber dem Kläger in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. November 2007 Sozialleistungen in Form von Arbeitslosengeld II erbracht, und zwar aufgrund der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide vom 6. September 2007 und 14. November 2007, obwohl dem Grunde nach ein Leistungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten bestand. Die von § 104 Abs. 1 SGB X vorausgesetzte Nachrangigkeit der Ansprüche eines Hilfebedürftigen gegenüber dem zuständigen SGB II-Träger ergibt sich aus der in § 9 Abs. 1 SGB II normierten Systemsubsidiarität der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Danach ist (nur) hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Dass der Kläger gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen in den in Rede stehenden Monaten hatte, spricht zwar insoweit gegen eine nachrangige Verpflichtung des JC. § 104 SGB X dürfte aber auch dann Anwendung finden, wenn – wie hier - ein Leistungssystem, nämlich das des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung – (SGB III) – mit dem – grundsätzlich subsidiären – Leistungssystem des SGB II zusammentrifft (vgl. BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 12). Andererseits kommt ein Erstattungsanspruch des JC nach § 105 Abs. 1 SGB X deshalb in Betracht, weil das JC unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II dem nach dem SGB II insoweit nicht leistungsberechtigten Kläger durch die genannten Bescheide bindend Leistungen gewährt hat, und zwar möglicherweise als insoweit unzuständiger Träger. Auch bei einem Erstattungsanspruch des JC nach § 105 Abs. 1 SGB X kommt jedoch die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X zum Tragen. Da die Beklagte nicht bereits geleistet hatte, bevor sie von der Leistung des JC Kenntnis erlangte, sind auch die weiteren Voraussetzungen der §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

Im PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved