L 1 KR 43/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1051/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 43/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufungen werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die rentenversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") im Unternehmen ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 2) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene").

Der Beigeladene betreibt die Firma M. Die Beigeladene war für ihn seit 1. Oktober 1990 zunächst ohne Entgeltzahlung tätig. Ein erster Anstellungsvertrag bestand für die Zeit vom 1. Februar 1992 bis zum 31. Dezember 1992. Nach der Kündigung zum 31. Dezember 1992 war sie weiterhin unternehmerisch für das Familienunternehmen tätig, seit dem 1. November 1993 wieder im Rahmen eines Arbeitsvertrages als kaufmännische Leiterin.

Sie verfügt über eine (mündlich erteilte) Handlungsvollmacht und hat Vollmacht für das Geschäftskonto. Sie kann im Tätigkeitsbereich als kaufmännische Leiterin eigenverantwortlich entscheiden. Strategische Unternehmensentscheidungen treffen die Eheleute gemeinsam und gleichberechtigt. Laut Arbeitsvertrag vom 1. November 1993 erhält die Beigeladene ein Bruttomonatsgehalt von 4.850,00 DM. Sie ist darüber hinaus seit 2000 Eigentümerin des betrieblich genutzten Grundstückes, wofür ihr der Beigeladene eine Miete in Höhe von 4.958,76 Euro monatlich zahlt.

Die Beigeladene ist daneben Inhaberin des Unternehmens "H", das H anbietet.

Mit Schreiben vom 22. März 2006 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit für das Unternehmen ihres Ehemannes. Im beigefügten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses – von beiden Beigeladenen unterschrieben unter dem 10. Januar 2006 – gaben sie an, die Tätigkeit der Beigeladenen bestehe aus "Finanz- und Lohnbuchhaltung; Leitung in gleichberechtigter Stellung mit ihrem Ehemann". Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Konto überwiesen. Von ihm werde Lohnsteuer entrichtet. Es werde als Betriebsausgabe gebucht. Der Angehörige übe neben der zu beurteilenden Beschäftigung eine selbständige freiberufliche Tätigkeit aus.

Mit Bescheid vom 5. Mai 2006 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen fest, dass für diese ab 1. August 2002 keine Versicherungspflicht als Arbeitnehmer zur Sozialversicherung bestehe. Die Beigeladene sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in die Firma des Beigeladenen eingegliedert, könne ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten und sei nicht an Weisungen des Betriebsinhabers gebunden. Das Verhältnis sei durch familienhafte Rücksichtnahme und durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander und durch einen fehlenden Interessengegensatz gekennzeichnet. Sie sei auch Eigentümerin des betrieblich genutzten Grundstückes und der Gebäude und habe Vollmacht für das Geschäftskonto.

Der Klägerin ist dieser Bescheid (erst) durch Übersendung der Barmer Ersatzkasse am 27. September 2006 bekannt geworden. Diese hat die Versicherungspflicht für die Zeit vor dem 1. August 2002 zu überprüfen.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 auf, die Aufhebung des Bescheides zu prüfen. Diese antwortete mit Schreiben vom 22. Januar 2007, bei ihrer Auffassung zu verbleiben.

Die Klägerin hat am 29. März 2007 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

Die Beigeladene hat vorgebracht, der schriftliche Arbeitsvertrag sei in der Praxis nicht umgesetzt worden. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Familienangehörige fremdarbeitnehmertypische Arbeitsverträge abfassten, die in der weiteren Praxis keinerlei Bedeutung erlangten. Die Klage sei verspätet.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2008 hat der Beigeladene erklärt, seine Ehefrau und er betrieben drei verschiedene Firmen, einen Bbetrieb, den er als Mehrheitsgesellschafter einer GmbH leite, die K und die Firma H. Bei der Tätigkeit seiner Ehefrau könne häufig nicht unterschieden werden, für welche Firma sie erfolge. Sie sei für das eigene Unternehmen und die K tätig. Aufgrund seiner Tätigkeit im Baubetrieb sei er auf die Mitarbeit seiner Ehefrau angewiesen.

Die Beigeladenen haben ergänzend erklärt, das Betriebsgrundstück sei im Interesse der Firma gekauft worden und nicht, weil die Beigeladene als Vermieterin auftreten wolle. Aus steuerlichen Gründen sei das Grundstück von ihr persönlich erworben worden.

Das SG hat mit Urteil vom selben Tag den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2006 insoweit aufgehoben, als dort festgestellt wurde, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen ab dem 1. August 2002 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Es hat festgestellt, dass sie vielmehr der Versicherungspflicht unterliege. Es bestünde auf der Grundlage der Angaben der Beigeladenen kein Zweifel daran, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit tatsächlich verrichtet worden sei. Andernfalls hätte der Beigeladene eine fremde Arbeitskraft einstellen müssen. Die Beigeladene habe regelmäßig das vereinbarte Gehalt bezogen. Sie habe die ihr in den Arbeitsverträgen übertragenen Aufgaben ausgeübt, woraus sich eine funktional dem Betrieb dienende Teilhabe und damit Eingliederung in dem Betrieb ergebe. Dass sie auf das Gehalt nach den wirtschaftlichen Verhältnissen zum Teil verzichtet habe, ändere daran nichts. Es sei nämlich daraus nicht abzuleiten, dass die Verpflichtung zur Gehaltszahlung als solche abbedungen worden sei. Außerdem habe sie selbst in den Zeiträumen teilweisen Gehaltsverzichtes immer noch ein nicht unerhebliches Gehalt von der mehr als 2.000,00 Euro erhalten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass diese gegenseitigen Pflichten nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern eines anderen Rechtsverhältnisses erbracht worden seien. Sämtliche vertragliche Regelungen widersprächen insbesondere einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage. Dass es sich weder bei dem Arbeitsvertrag noch bei dem Mietvertrag um zum Schein geschlossene Verträge handle, hätten die Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung bekräftigt. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag sei nicht geschlossen worden. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für eine Innengesellschaft vor. Es könne ferner nicht von einem völligen Fehlen von Weisungsgebundenheit ausgegangen werden. Zwar könne in Ausnahmefällen auch ein Geschäftsführer, der selbst nicht am Unternehmen beteiligt sei, als nicht weisungsgebunden angesehen werden, wenn besondere Umstände vorlägen, die dafür sprächen, dass er wie ein Inhaber des Betriebs tätig werde. Es sei hier aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beigeladene alleine über die wesentlichen Fachkenntnisse für den Betrieb verfügen würde.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufung der Beigeladenen und der Beklagten.

Die Beigeladene trägt vor, die Klägerin sei nicht anfechtungsberechtigt. Sie werde durch den angefochtenen Bescheid selbst nicht beschwert. Einer Rückerstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge stünde die Entlastung von möglichen Leistungspflichten gleichwertig gegenüber. Sie wiederholt ferner ihr Vorbringen zur Verfristung der Klage. Die Klägerin könne nicht auf eine eigene Rechtsbehelfsbelehrung und die Bekanntgabe des Bescheides gemäß der gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände vom 29. März 2005 verzichten und im Anschluss daran weiterführende Rechte beanspruchen.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2008 aufzuheben.

Die Beklagte verweist auch auf ein Urteil des Sozialgerichts Dresden, in welchem eine Klagebefugnis der Klägerin abgelehnt worden sei. Sie teile diese Auffassung. Bei einer Befugnis anderer Versicherungsträger im Rahmen der §§ 7 a und 28 h SGB IV würde die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz der Beteiligten entgegen der Intention des Gesetzgebers herabgesetzt. Diese Bescheide müssten deshalb für die übrigen Versicherungsträger bindend sein.

Die Beklagte beantragt mittlerweile nur noch,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufungen zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 28. Januar 2010 sind die Beteiligten daraufhin gewiesen worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Mit Verfügung vom 2. Juli 2010 wurde ergänzend mitgeteilt, weiterhin so verfahren zu wollen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, wiederholt hingewiesen worden.

Die Berufungen haben keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet, wie das SG im angefochtenen Urteil richtig ausgeführt hat. Auf die Ausführungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Die Klage ist als Kombination von Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig.

Vor Erhebung der Anfechtungsklage bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGG ist.

Die Klägerin ist auch klagebefugt, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Sie macht geltend, durch den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2006 in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ist der Verwaltungsakt wie hier gegenüber einem Dritten ergangen, ist eine Rechtsverletzung möglich, sofern zumindest mittelbar eigene rechtliche Interessen der Klägerin betroffen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rdnr. 14 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSGE 61, 27). Eine solche rechtliche Beschwer der Klägerin besteht hier, wie sogleich auszuführen ist. Die Feststellungen der Beklagten zur Versicherungsfreiheit haben Auswirkung auf deren Beitragsansprüche.

Die Klage ist auch fristgemäß erhoben. Die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG beginnt gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtsmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist hat deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG eine Jahresfrist seit Bekanntgabe gegolten. Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Klagerechts sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Klage hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch SGB VI ). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob ein Arbeitnehmer abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 1 BvR 21/96 SozR 3 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung entstehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 8. August 1990 11 RAr 77/89 SozR 3 2400 § 7 Nr. 4 Seite 14, und vom 8. Dezember 1994 11 RAr 49/94 SozR 3 4100 § 168 Nr. 18 Seite 45; so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 B 12 KR 30/04 R juris).

Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH Geschäftsführer BSG, a. a. O.).

Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 12 RK 72/92 NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 12 BK 98/94 ).

Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 B 7 AL 34/02 R USK 2002 - 42).

Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8).

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat angeschlossen hat, ist ferner bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z. B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird, oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987 7 RAr 25/86 BB 1989, 72; vom 14. Dezember 1999 B 2 U 48/98 R USK 9975).

Für abhängige Beschäftigung spricht hier, dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht und die Beigeladene eine regelmäßige (Mindest-)Zahlung unabhängig von der Ertragslage des Betriebes erhalten hat. Für sie ist Lohnsteuer abgeführt, und das Gehalt als Betriebsausgabe hat den Erlös des Unternehmens des Beigeladenen vermindert.

Für eine bewusste Wahl der Rechtsgeschäfte –und gegen die Annahme einer irgendwie gearteten Mitunternehmereigenschaft der Beigeladenen am Unternehmen ihres Ehemannes - spricht ferner, dass die Beigeladene als Vermieterin des Beigeladenen auftritt.

Ganz allgemein müssen und können sich Eheleute oder andere (Geschäfts-)Partner an die von ihnen gewählte Vertragsgestaltung auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht festhalten lassen. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG - Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -).

Es ist auch nach dem Vortrag der Eheleute nicht so, dass die Beigeladene nach eigenem Gutdünken wie eine Alleingeschäftsführerin auftreten konnte und kann. Sie ist zwar für den kompletten kaufmännischen Bereich zuständig. Im Innen- wie im Außenverhältnis ist allerdings allein ihr Ehemann zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet. Rein rechtlich hat sie keinen Einfluss. An dieser Einschätzung ändert sich auch durch den Umstand nichts, dass der Beigeladene nicht in jedem Moment weiß, für welches der verschiedenen Unternehmen seine Ehefrau gerade tätig ist.

Dass sie Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regelten und regeln, ist nach den vorgenannten Grundsätzen nicht ausschlaggebend. Ganz allgemein kann ein ständig und dauerhaft bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben.

Der Vertrauensschutz der §§ 45 Abs. 1 bis 4, 47 und 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gilt per Gesetz nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt von einem Dritten angefochten worden ist und deshalb nicht bestandskräftig wurde, § 49 SGB X.

Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -). § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigende Bescheid der Beklagten als Einzugsstelle aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -). Die Klage ist aus den soeben ausgeführten Gründen auch begründet.

Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Beigeladene als Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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