L 18 AS 826/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 110 AS 3608/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 826/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2008 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von (weiterem) Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 01. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 sowie die Erstattung von Beiträgen für die Arbeitslosenversicherung.

Die 1951 geborene Klägerin hatte im Jahr 2004 von Sozialhilfe gelebt. Im Oktober 2004 hatte sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beantragt, die mit Bescheid vom 11. Januar 2005 ab 01. Februar 2005 bewilligt wurden. Für Januar 2005 wurde zunächst nicht bewilligt und gezahlt, weil das Bezirksamt T (BA) als Sozialhilfeträger noch Leistungen gewährt hatte. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einem Schreiben vom 14. Februar 2005 an das Sozialgericht Berlin (SG), welches unter dem Aktenzeichen S 37 AS 525/05 als Klage registriert wurde. Mit Bescheid vom 16. August 2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II für Januar 2005 in Höhe von 564,69 Euro und kündigte der Klägerin an, den bewilligten Betrag an das BA bis zur Höhe der von diesem erbrachten Leistungen zu überweisen. Unter dem 25. August 2005 meldete das BA für seine für Januar 2005 für die Klägerin erbrachten Leistungen beim Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Höhe von 561,54 Euro an.

Mit der am 26. September 2005 beim SG erhobenen Klage S 94 AS 9250/05 machte die Klägerin geltend, sie habe für Januar 2005 weder vom BA noch vom Beklagten Leistungen erhalten. Der Bescheid vom 16. August 2005 könne nicht gültig sein, da dem Beklagten dafür ein schriftlicher Abrechnungs- und Rückforderungsbescheid des BA vorliegen müsste.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 28. Dezember 2005 für die Zeit von 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 564,69 Euro. Wegen einer Mieterhöhung wurden der Klägerin mit (Änderungs-)Bescheid vom 02. Februar 2006 für die Zeit vom 01. April 2006 bis 31. Juli 2006 monatlich 565,86 Euro Arbeitslosengeld II bewilligt. Mit dem am 09. März 2006 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben vom 07. März 2006 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. Februar 2006, der mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2006 wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Unter dem 21. August 2006 überwies der Beklagte dem BA den mit Schreiben vom 25. August 2005 beanspruchten Betrag sowie der Klägerin für den Monat Januar 2005 den (Rest-)Betrag in Höhe von 3,15 Euro aus der Bewilligung vom 16. August 2005.

Das SG wies die Klage S 94 AS 9250/05 mit dem von der Klägerin im Berufungsverfahren L 19 AS 37/07 angefochtenen Gerichtsbescheid vom 06. Oktober 2006 ab und führte zur Begründung u.a. aus: In Höhe von 561,54 Euro gelte ihr Auszahlungsanspruch als durch die Leistungen des BA als erfüllt. Nach der Zahlung von 3,15 Euro an die Klägerin im Laufe des Klageverfahrens sei die auf Zahlung gerichtete Leistungsklage in vollem Umfang unbegründet.

Mit Bescheid vom 01. Februar 2007 lehnte der Beklagte, der den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 02. Februar 2006 zugleich als Antrag nach § 44 SGB X gewertet hatte, diesen Überprüfungsantrag ab.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. März 2008 wies das SG die Klage S 37 AS 525/05 ab und führte zur Begründung aus: Die Klage sei unzulässig. Denn mit den zum Streitkomplex – Leistungsbeginn Alg II, Verrechnung mit Leistungen des BA – geführten Verfahren bei der 94. und der 110. Kammer seien etwaige Ansprüche und Anträge der Klägerin erschöpfend abgehandelt worden.

Mit der bereits am 21. März 2006 beim SG erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 02. Februar 2006 gewandt und die Zahlung von weiteren 9 Euro aus diesem Bescheid sowie der "vollen Euro 345" begehrt. Auf Anfrage des SG, was mit der Klage erreicht werden solle, hat die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2007 unter Bezugnahme auf das "ursprüngliche" Verfahren S 94 AS 9250/05 mitgeteilt, der Beklagte müsse 345,- Euro für Januar 2005 an sie zahlen und verzinsen sowie ihr den Abrechnungsbescheid/Rückzahlungsbescheid des BA aushändigen, ferner die gesamten 345,- Euro für die (folgenden) Monate zahlen und schließlich 135,- Euro auszahlen und verzinsen, die von der Wohnungsbaugesellschaft der Klägerin ausgezahlt worden seien. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr den Abrechnungs- und Rückforderungsbescheid des BA für den Gesamtzeitraum des Sozialhilfebezuges auszuhändigen, eine Abrechnung über alle Beträge zu erstellen, die der Beklagte eingefordert bzw. zurückgenommen oder abgezogen habe, ab Januar 2005 das Existenzminimum auszuzahlen in Höhe von monatlich 985,- Euro, den Versicherungsbetrag der Arbeitslosenversicherung auszuzahlen, der durch ihre Beiträge erworben worden sei, und einen Leistungsanspruch auf GEZ-Befreiung – auch für die Vergangenheit – sicherzustellen. Das SG hat die Klage mit dem der Klägerin am 01. März 2008 zugestellten Urteil vom 21. Januar 2008 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klage sei ohne Erfolg. Ein Anspruch auf Aushändigung eines Abrechnungs-/Rückforderungsbescheides bestehe nicht, weil ein solcher Bescheid weder zu ergehen habe noch von der Beklagten erstellt worden sei und überdies das insoweit erhobene Begehren wohl bereits im Verfahren S 94 AS 9250/05 geltend gemacht worden sei. Das Auskunftsbegehren der Klägerin hinsichtlich der Abrechnung der von der Beklagten eingeforderten bzw. zurückgenommenen oder abgezogenen Beträge sei zu unbestimmt und zu pauschal gehalten. Es bestehe ferner auch kein Anspruch auf Auszahlung von monatlich insgesamt 985,- Euro ab Januar 2005. Soweit die Klägerin die Auszahlung des Versicherungsbetrages der Arbeitslosenversicherung begehre bzw. einen Leistungsanspruch auf GEZ-Befreiung geltend mache, sei hierfür keine Anspruchsgrundlage ersichtlich.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schreiben vom 11. März 2008 einen "Revisionsantrag" verbunden mit einem "Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung um weitere vier Wochen" gestellt. Nachdem sie mit Schreiben der Vorsitzenden der 110. Kammer des SG vom 17. März 2008 darauf hingewiesen worden war, dass die gesetzlichen Fristen zur Einlegung der Berufung oder Beantragung der Zulassung der (Sprung-)Revision zum Bundessozialgericht (BSG) durch das Gericht nicht verlängert werden könnten und davon auszugehen sei, dass mit dem Schreiben vom 11. März 2008 weder Berufung eingelegt noch ein Antrag auf Zulassung der Revision gestellt worden sei, hat die Klägerin mit dem am 21. April 2008 beim Landessozialgericht abgegebenen Schreiben vom 18. April 2008 unter Hinweis auf die "Berufung vom 11.03.08" und "hier enthaltene Beschwerde gegen "AZ S 37 AS 525/05" die Bearbeitung ihrer (erstinstanzlichen) Anträge begehrt.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Erörterungstermin vom 3. September 2010 beantragt die Klägerin,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2008 sowie Änderung des Bescheides des Beklagten vom 02. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 und des Bescheides vom 01. Februar 2007 den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 419,14 Euro monatlich zu gewähren

sowie

den Beklagten zu verurteilen, den Gegenwartswert der Arbeitslosenversicherung auszuzahlen, den sie durch Beiträge erworben habe.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Leistungsakte des Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Verfahren S 37 AS 525/05 und S 37 AS 525/05 ER haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig und war daher gemäß § 158 Satz 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.

Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist das Urteil des SG vom 21. Januar 2008. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 18. April 2008 neben der Berufung gegen das Urteil vom 21. Januar 2008 auch Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. März 2008 – S 37 AS 525/05 – eingelegt hat. Die Klägerin hat mit ihren im Erörterungstermin vom 03. September 2009 gestellten Anträgen sich nur (noch) gegen das Urteil vom 21. Januar 2008 gewandt, so dass sich eine etwaige Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 20. März 2008 erledigt hat.

Die Berufung der Klägerin ist nicht in der gesetzlichen Frist des § 151 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGG von einem Monat eingelegt worden. Ausweislich der Postzustellungsurkunde der Deutschen Post AG wurde das Urteil vom 21. Januar 2008 der Klägerin am 01. März 2008 zugestellt. Die Berufungsfrist von einem Monat (vgl. § 151 Abs. 1 SGG), über die die Klägerin in dem angefochtenen Urteil ordnungsgemäß belehrt worden war, lief somit vom 02. März 2008 bis zum Ablauf des 01. April 2008 (vgl. § 64 SGG). Das als Berufung gegen dieses Urteil anzusehende Schreiben der Klägerin vom 18. April 2008 ist jedoch erst am 21. April 2008 bei dem SG eingegangen und somit verfristet. Die Berufung ist auch nicht mit dem am 12. März 2008 beim Landessozialgericht eingegangenen Schreiben vom 11. März 2008 eingelegt worden. Eine Auslegung dieses Schreibens im Sinne einer Berufung käme allenfalls dann in Betracht, wenn außer der Bezeichnung des Rechtsbehelfs alle übrigen Ausführungen für eine Berufung sprächen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 25/01 R -, juris). Dies trifft jedoch bereits deshalb nicht zu, weil die Klägerin mit Schreiben vom 11. März 2008 ausdrücklich nur einen "Revisionsantrag" gestellt und damit den Eindruck erweckt hat, dass sie einen – grundsätzlich statthaften – Antrag nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGG stellen wollte. Eine Umdeutung eines etwaigen Antrags auf Zulassung der Revision in eine Berufung scheidet wegen der der angegriffenen Entscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung, durch die Irrtümer oder Verwechslungen bei der Bezeichnung des Rechtsmittels weitgehend ausgeschlossen werden, ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin nicht rechtskundig vertreten war, von vorneherein aus (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 2003, ebda.).

Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren (vgl. § 153 Abs. 1, 67 Abs. 1 SGG). Denn es ist nicht ersichtlich, dass sie ohne Verschulden gehindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Auf das gerichtliche Schreiben vom 17. März 2008, mit dem sie darauf hingewiesen wurde, dass ihr Schreiben vom 21. März 2008 nicht als Berufung zu werten war, hat sich die Klägerin nicht geäußert. Nach Aktenlage sind Wiedereinsetzungsgründe nicht erkennbar.

Da die Berufung mithin bereits unzulässig ist und durch Beschluss zu verwerfen war (§ 158 Satz 1 und Satz 2 SGG), hat der Senat in der Sache nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved