L 28 AS 1455/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 168 AS 10850/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 1455/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2010 werden als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch für die Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2010 sind nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.

1) Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung richtet (L 28 AS 1453/10 B ER), ist sie nicht statthaft.

Gemäß § 172 Absatz 3 Nr. 1 1. Halbsatz SGG in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur statthaft, wenn in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Dies ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG nur dann der Fall, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt oder wiederkehrende bzw. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.

Der Antragstellerin sind mit Bescheid des Antragsgegners vom 07. Januar 2010 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. Februar bis zum 31. Juli 2010 in Höhe von monatlich 265,00 EUR bewilligt worden. Mit ihrem Antrag begehrt sie die Übernahme der tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten in Höhe von 359,05 EUR ab dem 01. Juni 2010. Bezogen auf den zugrunde liegenden Bewilligungsabschnitt beschränkt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes mithin für zwei Monate auf 188,10 EUR. Dass die Antragstellerin die Gewährung entsprechend höherer Leistungen fortlaufend ab dem 01. Juni 2009 begehrt, verhilft ihrer Beschwerde nicht zur Statthaftigkeit. Lediglich mit der Behauptung der fiktiven Möglichkeit, auch nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts erneut Leistungen gewährt zu bekommen, kann die Beschwerdefähigkeit nicht hergestellt werden, denn diese ist auf das sachlich verfolgbare (materiell mögliche) Prozessziel beschränkt (vgl. für die Berufungsfähigkeit: BSG, Beschluss vom 30.07.2008 – B 14 AS 7/08 B – abrufbar unter juris, Rn. 5).

Lediglich am Rande sei daher darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte. Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes scheidet in aller Regel aus, soweit diese Dringlichkeit lediglich vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat. Insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar. Umstände, die hier trotz Ablaufs des maßgeblichen Bewilligungsabschnitts noch ein Bedürfnis an einer Entscheidung im Eilverfahren begründen könnten, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

2) Soweit sich die Beschwerde der Antragstellerin auf die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht Berlin bezieht (L 28 AS 1455/10 B PKH), sieht der Senat diese zwar als statthaft, mangels Rechtsschutzbedürfnisses indes nicht als zulässig an.

§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, der in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze für einstweilige Rechtsschutzverfahren seit dem 11. August 2010 in seinem zweiten Halbsatz vorsieht, dass "dies" (der Ausschluss der Beschwerde, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre) auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag gilt, findet vorliegend angesichts der am 07. August 2010 eingegangenen Beschwerde noch keine Anwendung. Für die Zeit vor Inkrafttreten der Neuregelung geht der Senat für einstweilige Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe unabhängig von dem Beschwerdewert in der Hauptsache zulässig ist (vgl. für das Klageverfahren: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2008 – L 28 B 919/08 AS ER und L 28 B 1059/08 AS PKH - in juris veröffentlicht). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2007 – L 25 B 109/07 AS PKH - und neuerdings Beschluss vom 13.05.2009 – L 34 B 2136/08 AS PKH - in juris veröffentlicht) konnte er sich bereits im Hinblick auf die umfangreiche Änderung des § 172 SGG zum 1. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsverfahrens hierzu nicht anschließen (vgl. im Einzelnen unter Aufgabe der bisherigen Rechtssprechung LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.05.2008 – L 6 B 48/08 AS; zitiert nach juris Rn. 6 ff.). In dieser Rechtsauffassung sieht er sich durch die nunmehr erfolgte Änderung bestätigt. Der Ergänzung der Norm hätte es nicht bedurft, wenn ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO möglich gewesen wäre.

Allerdings fehlt es der Beschwerde am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Auch wenn dies im Sozialgerichtsgesetz keine ausdrückliche Erwähnung findet, so setzt doch jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Dies gilt nicht nur für die Klage, sondern auch für jedes Rechtsmittel. Für die Annahme des Rechtsschutzinteresses reicht es nicht, dass der Rechtsschutz Suchende durch die ihrem Inhalte nach für ihn nachteilige erstins¬tanzliche Entscheidung beschwert ist. Vielmehr muss darüber hinaus ein (allgemeines) Rechtsschutzinteresse für das Verfahren der höheren Instanz bestehen. Denn die Beschwer gehört zwar zum Rechtsschutzinteresse, ist mit diesem aber nicht identisch. Es ist durchaus denkbar, dass trotz Vorliegens einer Beschwer ein Rechtsschutzinteresse für eine Weiterverfolgung eines Verfahrens fehlt (Bernsdorff in Hennig, SGG, Vorbemerkung §§ 143-178, Rn. 21; vgl. Keller, in Keller/Leitherer/Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., Vor § 51 Rn. 16a ff. a.a.O. und Meyer-Ladewig in Keller/Leitherer/Meyer-Ladewig, a.a.O., Vor § 143 Rn. 5).

So aber liegt der Fall hier. Die begehrte Entscheidung – die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren - würde die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Antragstellerin nicht verbessern. Das erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren ist abgeschlossen. Da Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 183 Satz 1 SGG u.a. für Leistungsempfänger kostenfrei sind, könnte die Gewährung von Prozesskostenhilfe Bedeutung mithin nur noch im Hinblick auf etwaige Kosten für eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt entfalten. Vorliegend ist das erstinstanzliche Verfahren jedoch abgeschlossen, ohne dass die Antragstellerin zuvor einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin eingeschaltet hätte. Ihr sind daher keine Kosten entstanden; eine nachträgliche Mandatierung eines oder einer Verfahrensbevollmächtigten kommt nicht in Betracht (so schon Beschluss des Senats vom 21.11.2008 – L 26 B 1921/08 AS ER und L 26 B 1923/08 AS PKH, vgl. auch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.02.2010 – L 10 AS 157/10 B PKH).

Schließlich scheidet die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren aus. Für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe von vornherein nicht in Betracht. Im Übrigen fehlt es der Beschwerde aus den oben aufgezeigten Gründen an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht im Hinblick auf die PKH-Beschwerde auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO, im Übrigen auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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