Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 2637/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 184/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Beklagte gewährte dem Kläger durch einen Bescheid vom 21. Januar 2008 unter Bezug auf dessen Antrag vom 2. April 2007 ein persönliches Budget. Durch einen weiteren Bescheid gleichen Datums lehnte es der Beklagte ab, einem Antrag des Klägers vom August 2007 auf Erhöhung der Stundenzahl im Rahmen des persönlichen Budgets zu entsprechen. Gegen beide Bescheide legte der Kläger mit zwei Schriftsätzen seines (damals noch als Einzelanwalt tätigen) jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 30. Januar 2008, die am selben Tag bei der Beklagten eingingen, Widerspruch ein. In der einen Widerspruchsschrift bezog sich der Kläger auf den "Antrag vom 02.04.2007" und "Bescheid zum TPB vom 21.01.2008", in der anderen auf den "Antrag vom 16.08.2007" und "Bescheid zum TPB vom 21.01.2008". Durch Beschluss des Amtsgerichtes T-K vom 5. Februar 2008 wurde für den Kläger ein Betreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden bestellt; die Betreuung ist durch Beschluss desselben Gerichts vom 25. April 2008 ersatzlos wieder aufgehoben worden. Erstmals in einem Vermerk vom 25. Februar 2008 wurde in den Akten des Beklagten erwähnt, dass für den Kläger ein Betreuer eingesetzt worden war. Am 5. März 2008 wandte sich der Betreuer an den Beklagten, gab seinen Aufgabenkreis bekannt und bat um Akteneinsicht und ein Gespräch, um eine Übersicht über den Vorgang zu bekommen. In der Folge fanden am 26. März und 3. April 2008 zwei Gespräche zwischen dem Betreuer und Mitarbeitern des Beklagten statt. Ausweislich des Gesprächsvermerks wurde am 3. April 2008 die weitere Herangehensweise bei der Pflege des Klägers nach Beendigung des trägerübergreifenden persönlichen Budgets zum 31. März 2008 erörtert. Der Betreuer teilte mit, dass der Kläger die weitere Betreuung durch ihn ablehne; er sei aber noch Betreuer und strebe die Erweiterung seines Aufgabenkreises, insbesondere auf die Gesundheitsfürsorge, an. Mit einem undatierten, beim Beklagten am 1. April 2008 eingegangenen Schreiben hatte der Kläger unterdessen persönlich die weitere Gewährung eines (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets ab 1. April 2008 beantragt. In seinem Schreiben führte er unter anderem aus, dass er mit der Vorgehensweise seines derzeitigen "Finanzbetreuers" ausdrücklich nicht einverstanden sei. Er werde sich umgehend an das Amtsgericht wenden, um die Betreuung zu beenden. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 2. April 2008 ab, hiergegen legte der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten am 23. April 2008 Widerspruch ein. Am 24. April 2008 wandte sich eine Mitarbeiterin des Beklagten zunächst per elektronischer Post an den Betreuer des Klägers, der daraufhin telefonisch mit ihr Kontakt aufnahm. Beide Male wurden die anhängigen Widersprüche thematisiert. In dem Telefonvermerk heißt es: "Ich fragte nach den Widersprüchen von RA W, denn entsprechend der Gesprächsrunde vom 03.04.08 wollte er (der Betreuer) dazu Stellung nehmen ... Er gab an, ein Schreiben aufgesetzt zu haben, faxt es zu". Am selben Tag ging ein aus zwei Seiten bestehendes Telefax des Betreuers des Klägers ein. Dessen erstes Blatt war ein auf den "08. April 2008" datiertes Schreiben, in dem es unter anderem heißt: "wie bereits am 03.04.08 persönlich besprochen, ziehe ich sämtliche Widersprüche bezüglich des trägerübergreifenden persönlichen Budgets zurück". Das zweite Blatt war ein Schreiben mit Datum des 24. April 2008, in dem es unter anderem heißt, der Betreuer ziehe "ebenfalls den eingelegten Widerspruch vom 23.04.08 vertreten durch den Rechtsanwalt M W zurück." Über die mit dem Betreuer des Klägers geführten Gespräche war der Prozessbevollmächtigte durch den Beklagten bis dahin nach Lage der Akten nicht unterrichtet worden. Dem Rechtsanwalt war auf seine telefonische Anfrage nach dem Widerspruch vom 23. April 2008 mit Schreiben vom 29. April 2008 dessen Eingang bestätigt worden. Das Schreiben enthielt keine Mitteilung über das Telefax des Betreuers vom 24. April 2008. Am 14. Mai 2008 ging beim Beklagten ein Schreiben der Dipl.-Sozialpädagogin M P mit Datum des 8. Mai 2008 ein. Mit Bezug auf eine beigefügte, vom Kläger unterzeichnete Vollmacht führte sie aus, dass sie vom Kläger in vollem Umfang bevollmächtigt sei, ihn gegenüber Ämtern und Behörden in seinen Angelegenheiten zu vertreten. Sie bitte deshalb um Zusendung sämtlicher Termine, Informationen und Bescheide an ihre Anschrift. Weitere Gespräche über das trägerübegreifende persönliche Budget für die Zeit ab 1. April 2008 wurden daraufhin vom Beklagten mit ihr geführt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten mit, dass er Gelegenheit erhalte, "den" Widerspruch bis zum 31. Juli 2008 zu begründen und machte Ausführungen in der Sache. Der Prozessbevollmächtigte reichte, nachdem er Einsicht in die Verwaltungsakten genommen hatte, am 31. Juli 2008 eine Begründung zum Widerspruch gegen den "Bescheid zum TPB vom 21.01.2008" (betreffend den Antrag vom 2. April 2007) ein. Daraufhin wurde vom Beklagten nichts weiter veranlasst.
Am 30. September 2008 hat der Kläger durch den Prozessbevollmächtigten Klage mit dem Antrag eingereicht, seinen Widerspruch vom 30. Januar 2008 gegen "den" Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2008 zu bescheiden, sowie über den Antrag auf Weitergewährung der Leistungen im Rahmen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets ab 1. April 2008 endgültig zu entscheiden. Zu der Klage reichte er den Widerspruch und die Begründung ein, die sich auf den leistungsgewährenden Bescheid vom 21. Januar 2008 ("Antrag vom 02.04.2007") bezogen. Durch Bescheid vom 13. November 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. April 2008 Leistungen in Form eines (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets. Durch Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2009 wies der Beklagte die Widersprüche gegen beide Bescheide vom 21. Januar 2008 als unzulässig zurück. Die Widersprüche seien durch Rücknahme erledigt. Der vom Amtsgericht bestellte Betreuer habe mit seinem Schreiben vom 8. April 2008 sämtliche Widersprüche betreffend das trägerübergreifende persönliche Budget zurückgezogen. Diese Erklärung sei unwiderruflich und unanfechtbar und führe zur Erledigung des Widerspruchs. Soweit in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli 2008 ein eigenständiger Widerspruch zu sehen sei, sei er wegen Überschreitung der Widerspruchsfrist unzulässig. Nur zur Klarstellung werde darauf hingewiesen, dass die Widersprüche vom 30. Januar 2008 auch inhaltlich zurückzuweisen seien (wird ausgeführt). Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2009 hat der Prozessbevollmächtigte daraufhin beantragt, "den" Bescheid vom 21. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2009 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 4. August 2009 hat er zur Begründung des neuen Klageantrags ausgeführt, dass "der" Widerspruch nicht wirksam zurückgenommen worden sei. Der ehemalige Betreuer und der Beklagte hätten zu Lasten des Klägers sittenwidrig zusammengewirkt. Der Beklagte handle auch treuwidrig, wenn er den Kläger zunächst auffordere, den Widerspruch zu begründen, den begründeten Widerspruch dann aber als unzulässig zurückweise. Würde der Auffassung des Beklagten gefolgt werden, müsse das anwaltliche Schreiben vom 31. Juli 2008 jedenfalls als Antrag auf Überprüfung gewertet werden. Im weiteren werden Ausführungen zur materiellen Rechtslage gemacht. Am 28. Juni 2010 fand in der Sache ein Erörterungstermin vor dem Sozialgericht statt. In ihm beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Er ergänzte ferner, nachdem eine den Beteiligten von der Kammervorsitzenden nahegelegte Einigung über die Beendigung des Rechtsstreits nicht zustande kam, die Klage um einen Leistungsantrag. Die Kammervorsitzende führte in dem Termin unter anderem aus, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 9. Mai 2009 zutreffend sein dürfte, jedoch "in dem später erneut eingelegten, verfristeten Widerspruch ein Überprüfungsantrag enthalten" sei. Der Kläger machte nach dem Termin in einem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16. August 2010 weitere Ausführungen dazu, warum seiner Auffassung nach der Widerspruch nicht wirksam zurückgenommen worden sei. Durch Beschluss vom 24. August 2010 wies das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der vom Amtsgericht bestellte Betreuer habe im Rahmen seiner Vertretungsmacht wirksam die Rücknahme des Widerspruchs gegen "den" Bescheid vom 21. Januar 2008 erklärt. Diese Erklärung wirke für und gegen den Kläger. Sie sei nicht unwirksam, der Betreuer habe seine Vertretungsmacht nicht missbraucht. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Grenze des rechtlich Tragbaren überschritten sei. Dass die Überzeugung des Betreuers, für den Kläger das Richtige zu tun, mit der Ansicht der Beklagten übereinstimme, stelle weder ein arglistiges Zusammenwirken zum Nachteil des Klägers zwischen Beklagtem und Betreuer dar, noch habe der Betreuer in einer für den Beklagten ersichtlichen Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag gehandelt. Vielmehr sei es in einem rechtlichen Betreuungsverhältnis oft der Fall, dass eine Erklärung des Betreuers nicht mit dem Willen des Betreuten übereinstimme. Mit seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Selbst wenn der Auffassung des Sozialgerichts zur Wirksamkeit der Rücknahme des Widerspruchs gefolgt werde, müsse es in der Sache entscheiden. Denn es habe selbst festgestellt, dass in der Widerspruchsbegründung vom 30. Juli 2009 ein Überprüfungsantrag enthalten sei. Über ihn habe die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid entschieden, ein neues Widerspruchsverfahren sei entbehrlich. Im übrigen verkenne das Sozialgericht die Wirkungen der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Erklärungen des Betreuers für den Betreuten. Im besonderen dürfe der Betreuer nicht gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten entscheiden. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger nach ärztlicher Feststellung im Betreuungsverfahren geschäftsfähig sei. Die Rücknahmeerklärungen seien ferner zu unbestimmt, um rechtliche Wirkungen zu entfalten.
Gründe:
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Prozesskostenhilfe sind deren Voraussetzungen bereits deshalb nicht erfüllt, weil dies dem Antragsprinzip der Prozesskostenhilfe widerspricht (s. stellvertretend BFH, Beschluss vom 26. November 2008 – II E 5/08 m.w.Nachw.). Ab dem Zeitpunkt des Antrags liegen dagegen die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor (§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i.V. mit §§ 114ff Zivilprozessordnung [ZPO]). Der Kläger, der laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, ist zwar nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Die Rechtsverfolgung hat aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Sie ist begründet, wenn und soweit die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind, deswegen aufgehoben werden können und der Leistungsanspruch in dem geltend gemachten Umfang besteht. Es kann dahingestellt bleiben, ob noch zu klären sein könnte, ob der Kläger mit der Klage tatsächlich nur den einen der beiden mit Datum des 21. Januar 2008 ergangenen Bescheide mit dem Bezug auf den Antrag vom 2. April 2007 angefochten hat oder anfechten wollte (dieser Bescheid bewilligt Leistungen und könnte möglicherweise keine Entscheidung über die Ablehnung höherer Leistungen enthalten) oder ob etwa beide Bescheide der Sache nach eine "Einheit" bilden und damit einheitlich anzufechten wären (zur Rechtsfigur der Bescheideinheit s. stellvertretend BSG, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 68/09 R mit zahlreichen Nachweisen); dementsprechend auch, ob ein (weiterer) richterlicher Hinweis nach § 106 Abs. 1 SGG geboten sein könnte. Unabhängig davon können beide Bescheide vom 21. Januar 2008 nur dann gerichtlich in der Sache überprüft werden, wenn sie mit ihren Verfügungssätzen nicht bestandskräftig geworden sind und deshalb im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufgehoben werden. Die mit der Bestandskraft verbundene Bindungswirkung eines Bescheides (§ 77 SGG) tritt auch dann ein, wenn der gegen ihn eingelegte Widerspruch zurückgenommen worden ist (BSG SozR Nr. 19 zu § 78 SGG). Die Bestandskraft wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht etwa dadurch durchbrochen, dass die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid über einen etwaig in der Widerspruchsbegründung vom 31. Juli 2008 zu sehenden Antrag im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) entschieden hätte. Dies bereits deshalb, weil der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides ausweist, dass keine Sachentscheidung über die Bescheide vom 21. Januar 2008 getroffen worden ist. Auch aus der Begründung des Widerspruchsbescheides ergibt sich kein abweichender oder weitergehender Verfügungssatz. Die Ausführungen zur Unbegründetheit eines zulässigen Widerspruchs sind trotz ihrer Länge deutlich als nicht die Widerspruchsentscheidung tragend erkennbar ("Nur zur Klarstellung weise ich deshalb darauf hin, dass die Widersprüche vom 30.1.2008 und 31.7.2008, wären sie nicht zurückgenommen worden, bzw. als unzulässig zurückzuweisen gewesen, inhaltlich als unbegründet zurückzuweisen gewesen ..." – Seite 2 des Widerspruchsbescheides, vierter Absatz von unten). Ob durch eine Sachentscheidung des Beklagten über den Widerspruch Zulässigkeitsmängel unbeachtlich geworden sein könnten (s. BSG SozR 3-1500 § 87 Nr. 1 und SozR 1500 § 84 Nr. 3), kann deshalb dahinstehen. Hätte die Widerspruchsstelle mit dem Widerspruchsbescheid einerseits die Widersprüche als unzulässig verworfen, andererseits aber auch eine Entscheidung über einen Antrag nach § 44 SGB X getroffen, so würde auch dies nicht die Bestandskraft der Ausgangsbescheide durchbrechen oder die Entscheidung nach § 44 SGB X ohne neuerliches Widerspruchsverfahren einer gerichtlichen Entscheidung zugänglich machen. Vielmehr wäre die Rechtsfolge in diesem Fall allein, dass der Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Entscheidung nach § 44 SGB X deshalb aufzuheben wäre, weil die Widerspruchsstelle nicht die funktionale und sachliche Zuständigkeit für Erstentscheidungen, wie eine Ausgangsbehörde, besitzt (s. BSG SozR 3-1500 § 87 Nr. 1 und im Anschluss daran BSG SozR 4-2600 § 70 Nr. 1). Die Klage – soweit sie auf Leistung gerichtet ist – wäre in der Folge mangels durchgeführten Widerspruchsverfahrens unzulässig (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund ist nicht die Prüfung entbehrlich, ob die Widersprüche gegen beide als Verfahrensgegenstand in Betracht kommende Bescheide vom 21. Januar 2008 wirksam zurückgenommen worden sind. An die Rücknahme eines Widerspruchs und vergleichbare Willenserklärungen im Vorverfahren sind dieselben besonderen Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit zu stellen wie für Prozesserklärungen im gerichtlichen Verfahren. Wie diese entfaltet die wirksam erklärte Rücknahme eines Widerspruchs eine im Regelfall nicht mehr zu beseitigende Rechtswirkung (s. BSG SozR Nr. 19 zu § 78 SGG, auch BVerwG DVBl. 1996, 105). An einer wirksamen Rücknahme bestehen keine ernsthaften Zweifel. Im besonderen lagen die Prozesshandlungsvoraussetzungen (s. dazu etwa Zöller/Greger, ZPO, 28. Auflage 2010, Vor § 128 Rn. 16) auch in der Person des Betreuers vor. Dessen Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis erfasste Erklärungen wie die Rücknahme von Widersprüchen (§ 1902 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) mit der Folge, dass sie für und gegen den Kläger wirkt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob der Betreuer mit ihr im konkreten Fall Pflichten im Innenverhältnis verletzt, ist insoweit rechtlich grundsätzlich ohne Belang (s. Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Auflage 2010, § 1902 Rn. 1).
Ausnahmsweise können zwar bestimmte Umstände im Einzelfall die Vertretungsmacht privatrechtlich auch im Außenverhältnis beseitigen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob dies auch die Prozesshandlungsfähigkeit des Vertreters beseitigt. Denn keiner dieser Umstände liegt vor (s. dazu Palandt/Ellenberger, § 164 BGB Rn. 13, 14). Weder ist erkennbar, dass der Betreuer des Klägers und der Beklagte zum Nachteil des Klägers zusammengewirkt hätten, noch dass der Betreuer seine Vertretungsmacht offensichtlich – also für den Beklagten erkennbar – missbraucht hätte. Nach Lage der Akten war die Rücknahme der Widersprüche Gegenstand eines Gesprächs zwischen dem Betreuer und dem Beklagten, zu dem die Initiative vom Betreuer selbst ausging; danach hat sich der Beklagte – mit einem Abstand von mehreren Wochen – ein Mal an den Betreuer mit dem Ziel gewandt, eine Rücknahmeerklärung zu erreichen. Selbst wenn dem Beklagten bekannt war, dass eine Rücknahme nicht der Auffassung des Klägers selbst entsprochen hätte oder dass eine Aufhebung der Betreuung am 24. April 2008 bereits zu erwarten war, liegt damit keine der genannten Konstellationen vor. Das Sozialgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betreuer lediglich aus seiner Überzeugung heraus gehandelt hat, für den Kläger das Richtige zu tun. Hiergegen wird von seiten des Klägers der Sache nach nicht mehr vorgetragen, als dass die Erklärungen des Betreuers den von ihm zu beachtenden Obliegenheiten und Pflichten gegenüber dem Betreuten widersprächen. Dies hat aber für sich genommen keine rechtliche Bedeutung. Der Erklärungsempfänger ist im Regelfall durch § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB in seinem Vertrauen auf die Vertretungsmacht geschützt und gerade nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Vertretung im Innenverhältnis zu prüfen. Ferner war auch eindeutig, auf welche Widersprüche sich das Schreiben mit Datum "08. April 2008" bezog, weil das gleichzeitig übersandte Schreiben mit Datum 24. April 2008 ausdrücklich auf den Widerspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. April 2008 Bezug nahm und daneben andere als die Widersprüche gegen die Bescheide vom 21. Januar 2008 nicht anhängig waren. Gründe, die ausnahmsweise im Verhältnis zum Beklagten zur Unbeachtlichkeit oder Unwirksamkeit einer "Quasi-Prozesserklärung" im Widerspruchsverfahren führen können, sind nicht ersichtlich. In Betracht kommen lediglich zum einen der Missbrauch behördlicher Macht (s. BVerwGE 19, 159) und zum anderen das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen im Sinne des Prozessrechts (s. BVerwGE 57, 342). Für beides ergibt sich kein Anhaltspunkt. Es ist nicht einmal im Ansatz ersichtlich, dass der Beklagte für den Fall der Abgabe oder des Unterlassens einer Rücknahmeerklärung unzulässig Rechtsfolgen in Aussicht gestellt und damit gegenüber dem Kläger eine Machtposition ausgenutzt hätte. Ebensowenig gibt es Indizien dafür, dass die Voraussetzungen für eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage vorliegen könnten (§ 179 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit §§ 579, 580 ZPO). Im besonderen war der Kläger durch seinen Betreuer ordnungsgemäß im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vertreten; soweit die Art der Vertretung nicht dem von ihm geäußerten Willen entsprochen hat, berührt dies – wie bereits ausgeführt – nicht den Umfang der Vertretungsmacht nach außen. Nichts anderes ergibt sich schließlich daraus, dass der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers – dessen Vollmacht durch die Betreuung nicht berührt worden war (§ 13 Abs. 2 SGB X) – entgegen § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht davon verständigt hat, dass er sich an den (an Stelle des Klägers handelnden) Betreuer gewandt hatte bzw. dass der Beklagte sich entgegen § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X in dem Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 21. Januar 2008 nicht weiterhin an den Prozessbevollmächtigten gewandt hat. Die Vorschriften dienen nicht dem Schutz der Prozessbevollmächtigten, sondern – neben dem öffentlichen Interesse – dem des Verfahrensbeteiligten (BVerwG DVBl. 1984, 1080). Letzterer ist folglich (soweit nicht eine Vertretung durch Prozessbevollmächtigte ausdrücklich vorgeschrieben ist) ohne weiteres in der Lage, selbst Prozesserklärungen wirksam abzugeben; nichts anderes gilt für einen Betreuer, zu dessen Aufgabe es gerade gehört, an Stelle des Betreuten zu handeln. Ob der Beklagte möglicherweise Kosten des Widerspruchsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung zu tragen haben könnte – die Aufforderung, den Widerspruch zu begründen, war ergangen, nachdem dem Beklagten die Rücknahmeerklärung bereits vorlag – kann offen bleiben, weil dies nicht Gegenstand der Klage in der Hauptsache ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO; danach sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten. Wegen der Kostenfreiheit dieses Verfahrens konnte schließlich auch dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht entsprochen werden. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Beklagte gewährte dem Kläger durch einen Bescheid vom 21. Januar 2008 unter Bezug auf dessen Antrag vom 2. April 2007 ein persönliches Budget. Durch einen weiteren Bescheid gleichen Datums lehnte es der Beklagte ab, einem Antrag des Klägers vom August 2007 auf Erhöhung der Stundenzahl im Rahmen des persönlichen Budgets zu entsprechen. Gegen beide Bescheide legte der Kläger mit zwei Schriftsätzen seines (damals noch als Einzelanwalt tätigen) jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 30. Januar 2008, die am selben Tag bei der Beklagten eingingen, Widerspruch ein. In der einen Widerspruchsschrift bezog sich der Kläger auf den "Antrag vom 02.04.2007" und "Bescheid zum TPB vom 21.01.2008", in der anderen auf den "Antrag vom 16.08.2007" und "Bescheid zum TPB vom 21.01.2008". Durch Beschluss des Amtsgerichtes T-K vom 5. Februar 2008 wurde für den Kläger ein Betreuer mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden bestellt; die Betreuung ist durch Beschluss desselben Gerichts vom 25. April 2008 ersatzlos wieder aufgehoben worden. Erstmals in einem Vermerk vom 25. Februar 2008 wurde in den Akten des Beklagten erwähnt, dass für den Kläger ein Betreuer eingesetzt worden war. Am 5. März 2008 wandte sich der Betreuer an den Beklagten, gab seinen Aufgabenkreis bekannt und bat um Akteneinsicht und ein Gespräch, um eine Übersicht über den Vorgang zu bekommen. In der Folge fanden am 26. März und 3. April 2008 zwei Gespräche zwischen dem Betreuer und Mitarbeitern des Beklagten statt. Ausweislich des Gesprächsvermerks wurde am 3. April 2008 die weitere Herangehensweise bei der Pflege des Klägers nach Beendigung des trägerübergreifenden persönlichen Budgets zum 31. März 2008 erörtert. Der Betreuer teilte mit, dass der Kläger die weitere Betreuung durch ihn ablehne; er sei aber noch Betreuer und strebe die Erweiterung seines Aufgabenkreises, insbesondere auf die Gesundheitsfürsorge, an. Mit einem undatierten, beim Beklagten am 1. April 2008 eingegangenen Schreiben hatte der Kläger unterdessen persönlich die weitere Gewährung eines (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets ab 1. April 2008 beantragt. In seinem Schreiben führte er unter anderem aus, dass er mit der Vorgehensweise seines derzeitigen "Finanzbetreuers" ausdrücklich nicht einverstanden sei. Er werde sich umgehend an das Amtsgericht wenden, um die Betreuung zu beenden. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 2. April 2008 ab, hiergegen legte der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten am 23. April 2008 Widerspruch ein. Am 24. April 2008 wandte sich eine Mitarbeiterin des Beklagten zunächst per elektronischer Post an den Betreuer des Klägers, der daraufhin telefonisch mit ihr Kontakt aufnahm. Beide Male wurden die anhängigen Widersprüche thematisiert. In dem Telefonvermerk heißt es: "Ich fragte nach den Widersprüchen von RA W, denn entsprechend der Gesprächsrunde vom 03.04.08 wollte er (der Betreuer) dazu Stellung nehmen ... Er gab an, ein Schreiben aufgesetzt zu haben, faxt es zu". Am selben Tag ging ein aus zwei Seiten bestehendes Telefax des Betreuers des Klägers ein. Dessen erstes Blatt war ein auf den "08. April 2008" datiertes Schreiben, in dem es unter anderem heißt: "wie bereits am 03.04.08 persönlich besprochen, ziehe ich sämtliche Widersprüche bezüglich des trägerübergreifenden persönlichen Budgets zurück". Das zweite Blatt war ein Schreiben mit Datum des 24. April 2008, in dem es unter anderem heißt, der Betreuer ziehe "ebenfalls den eingelegten Widerspruch vom 23.04.08 vertreten durch den Rechtsanwalt M W zurück." Über die mit dem Betreuer des Klägers geführten Gespräche war der Prozessbevollmächtigte durch den Beklagten bis dahin nach Lage der Akten nicht unterrichtet worden. Dem Rechtsanwalt war auf seine telefonische Anfrage nach dem Widerspruch vom 23. April 2008 mit Schreiben vom 29. April 2008 dessen Eingang bestätigt worden. Das Schreiben enthielt keine Mitteilung über das Telefax des Betreuers vom 24. April 2008. Am 14. Mai 2008 ging beim Beklagten ein Schreiben der Dipl.-Sozialpädagogin M P mit Datum des 8. Mai 2008 ein. Mit Bezug auf eine beigefügte, vom Kläger unterzeichnete Vollmacht führte sie aus, dass sie vom Kläger in vollem Umfang bevollmächtigt sei, ihn gegenüber Ämtern und Behörden in seinen Angelegenheiten zu vertreten. Sie bitte deshalb um Zusendung sämtlicher Termine, Informationen und Bescheide an ihre Anschrift. Weitere Gespräche über das trägerübegreifende persönliche Budget für die Zeit ab 1. April 2008 wurden daraufhin vom Beklagten mit ihr geführt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten mit, dass er Gelegenheit erhalte, "den" Widerspruch bis zum 31. Juli 2008 zu begründen und machte Ausführungen in der Sache. Der Prozessbevollmächtigte reichte, nachdem er Einsicht in die Verwaltungsakten genommen hatte, am 31. Juli 2008 eine Begründung zum Widerspruch gegen den "Bescheid zum TPB vom 21.01.2008" (betreffend den Antrag vom 2. April 2007) ein. Daraufhin wurde vom Beklagten nichts weiter veranlasst.
Am 30. September 2008 hat der Kläger durch den Prozessbevollmächtigten Klage mit dem Antrag eingereicht, seinen Widerspruch vom 30. Januar 2008 gegen "den" Bescheid des Beklagten vom 21. Januar 2008 zu bescheiden, sowie über den Antrag auf Weitergewährung der Leistungen im Rahmen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets ab 1. April 2008 endgültig zu entscheiden. Zu der Klage reichte er den Widerspruch und die Begründung ein, die sich auf den leistungsgewährenden Bescheid vom 21. Januar 2008 ("Antrag vom 02.04.2007") bezogen. Durch Bescheid vom 13. November 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. April 2008 Leistungen in Form eines (trägerübergreifenden) persönlichen Budgets. Durch Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2009 wies der Beklagte die Widersprüche gegen beide Bescheide vom 21. Januar 2008 als unzulässig zurück. Die Widersprüche seien durch Rücknahme erledigt. Der vom Amtsgericht bestellte Betreuer habe mit seinem Schreiben vom 8. April 2008 sämtliche Widersprüche betreffend das trägerübergreifende persönliche Budget zurückgezogen. Diese Erklärung sei unwiderruflich und unanfechtbar und führe zur Erledigung des Widerspruchs. Soweit in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli 2008 ein eigenständiger Widerspruch zu sehen sei, sei er wegen Überschreitung der Widerspruchsfrist unzulässig. Nur zur Klarstellung werde darauf hingewiesen, dass die Widersprüche vom 30. Januar 2008 auch inhaltlich zurückzuweisen seien (wird ausgeführt). Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2009 hat der Prozessbevollmächtigte daraufhin beantragt, "den" Bescheid vom 21. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2009 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 4. August 2009 hat er zur Begründung des neuen Klageantrags ausgeführt, dass "der" Widerspruch nicht wirksam zurückgenommen worden sei. Der ehemalige Betreuer und der Beklagte hätten zu Lasten des Klägers sittenwidrig zusammengewirkt. Der Beklagte handle auch treuwidrig, wenn er den Kläger zunächst auffordere, den Widerspruch zu begründen, den begründeten Widerspruch dann aber als unzulässig zurückweise. Würde der Auffassung des Beklagten gefolgt werden, müsse das anwaltliche Schreiben vom 31. Juli 2008 jedenfalls als Antrag auf Überprüfung gewertet werden. Im weiteren werden Ausführungen zur materiellen Rechtslage gemacht. Am 28. Juni 2010 fand in der Sache ein Erörterungstermin vor dem Sozialgericht statt. In ihm beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Er ergänzte ferner, nachdem eine den Beteiligten von der Kammervorsitzenden nahegelegte Einigung über die Beendigung des Rechtsstreits nicht zustande kam, die Klage um einen Leistungsantrag. Die Kammervorsitzende führte in dem Termin unter anderem aus, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 9. Mai 2009 zutreffend sein dürfte, jedoch "in dem später erneut eingelegten, verfristeten Widerspruch ein Überprüfungsantrag enthalten" sei. Der Kläger machte nach dem Termin in einem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16. August 2010 weitere Ausführungen dazu, warum seiner Auffassung nach der Widerspruch nicht wirksam zurückgenommen worden sei. Durch Beschluss vom 24. August 2010 wies das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der vom Amtsgericht bestellte Betreuer habe im Rahmen seiner Vertretungsmacht wirksam die Rücknahme des Widerspruchs gegen "den" Bescheid vom 21. Januar 2008 erklärt. Diese Erklärung wirke für und gegen den Kläger. Sie sei nicht unwirksam, der Betreuer habe seine Vertretungsmacht nicht missbraucht. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Grenze des rechtlich Tragbaren überschritten sei. Dass die Überzeugung des Betreuers, für den Kläger das Richtige zu tun, mit der Ansicht der Beklagten übereinstimme, stelle weder ein arglistiges Zusammenwirken zum Nachteil des Klägers zwischen Beklagtem und Betreuer dar, noch habe der Betreuer in einer für den Beklagten ersichtlichen Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag gehandelt. Vielmehr sei es in einem rechtlichen Betreuungsverhältnis oft der Fall, dass eine Erklärung des Betreuers nicht mit dem Willen des Betreuten übereinstimme. Mit seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Selbst wenn der Auffassung des Sozialgerichts zur Wirksamkeit der Rücknahme des Widerspruchs gefolgt werde, müsse es in der Sache entscheiden. Denn es habe selbst festgestellt, dass in der Widerspruchsbegründung vom 30. Juli 2009 ein Überprüfungsantrag enthalten sei. Über ihn habe die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid entschieden, ein neues Widerspruchsverfahren sei entbehrlich. Im übrigen verkenne das Sozialgericht die Wirkungen der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Erklärungen des Betreuers für den Betreuten. Im besonderen dürfe der Betreuer nicht gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten entscheiden. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger nach ärztlicher Feststellung im Betreuungsverfahren geschäftsfähig sei. Die Rücknahmeerklärungen seien ferner zu unbestimmt, um rechtliche Wirkungen zu entfalten.
Gründe:
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Prozesskostenhilfe sind deren Voraussetzungen bereits deshalb nicht erfüllt, weil dies dem Antragsprinzip der Prozesskostenhilfe widerspricht (s. stellvertretend BFH, Beschluss vom 26. November 2008 – II E 5/08 m.w.Nachw.). Ab dem Zeitpunkt des Antrags liegen dagegen die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor (§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i.V. mit §§ 114ff Zivilprozessordnung [ZPO]). Der Kläger, der laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, ist zwar nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Die Rechtsverfolgung hat aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG). Sie ist begründet, wenn und soweit die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind, deswegen aufgehoben werden können und der Leistungsanspruch in dem geltend gemachten Umfang besteht. Es kann dahingestellt bleiben, ob noch zu klären sein könnte, ob der Kläger mit der Klage tatsächlich nur den einen der beiden mit Datum des 21. Januar 2008 ergangenen Bescheide mit dem Bezug auf den Antrag vom 2. April 2007 angefochten hat oder anfechten wollte (dieser Bescheid bewilligt Leistungen und könnte möglicherweise keine Entscheidung über die Ablehnung höherer Leistungen enthalten) oder ob etwa beide Bescheide der Sache nach eine "Einheit" bilden und damit einheitlich anzufechten wären (zur Rechtsfigur der Bescheideinheit s. stellvertretend BSG, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 68/09 R mit zahlreichen Nachweisen); dementsprechend auch, ob ein (weiterer) richterlicher Hinweis nach § 106 Abs. 1 SGG geboten sein könnte. Unabhängig davon können beide Bescheide vom 21. Januar 2008 nur dann gerichtlich in der Sache überprüft werden, wenn sie mit ihren Verfügungssätzen nicht bestandskräftig geworden sind und deshalb im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufgehoben werden. Die mit der Bestandskraft verbundene Bindungswirkung eines Bescheides (§ 77 SGG) tritt auch dann ein, wenn der gegen ihn eingelegte Widerspruch zurückgenommen worden ist (BSG SozR Nr. 19 zu § 78 SGG). Die Bestandskraft wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht etwa dadurch durchbrochen, dass die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid über einen etwaig in der Widerspruchsbegründung vom 31. Juli 2008 zu sehenden Antrag im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) entschieden hätte. Dies bereits deshalb, weil der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides ausweist, dass keine Sachentscheidung über die Bescheide vom 21. Januar 2008 getroffen worden ist. Auch aus der Begründung des Widerspruchsbescheides ergibt sich kein abweichender oder weitergehender Verfügungssatz. Die Ausführungen zur Unbegründetheit eines zulässigen Widerspruchs sind trotz ihrer Länge deutlich als nicht die Widerspruchsentscheidung tragend erkennbar ("Nur zur Klarstellung weise ich deshalb darauf hin, dass die Widersprüche vom 30.1.2008 und 31.7.2008, wären sie nicht zurückgenommen worden, bzw. als unzulässig zurückzuweisen gewesen, inhaltlich als unbegründet zurückzuweisen gewesen ..." – Seite 2 des Widerspruchsbescheides, vierter Absatz von unten). Ob durch eine Sachentscheidung des Beklagten über den Widerspruch Zulässigkeitsmängel unbeachtlich geworden sein könnten (s. BSG SozR 3-1500 § 87 Nr. 1 und SozR 1500 § 84 Nr. 3), kann deshalb dahinstehen. Hätte die Widerspruchsstelle mit dem Widerspruchsbescheid einerseits die Widersprüche als unzulässig verworfen, andererseits aber auch eine Entscheidung über einen Antrag nach § 44 SGB X getroffen, so würde auch dies nicht die Bestandskraft der Ausgangsbescheide durchbrechen oder die Entscheidung nach § 44 SGB X ohne neuerliches Widerspruchsverfahren einer gerichtlichen Entscheidung zugänglich machen. Vielmehr wäre die Rechtsfolge in diesem Fall allein, dass der Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Entscheidung nach § 44 SGB X deshalb aufzuheben wäre, weil die Widerspruchsstelle nicht die funktionale und sachliche Zuständigkeit für Erstentscheidungen, wie eine Ausgangsbehörde, besitzt (s. BSG SozR 3-1500 § 87 Nr. 1 und im Anschluss daran BSG SozR 4-2600 § 70 Nr. 1). Die Klage – soweit sie auf Leistung gerichtet ist – wäre in der Folge mangels durchgeführten Widerspruchsverfahrens unzulässig (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund ist nicht die Prüfung entbehrlich, ob die Widersprüche gegen beide als Verfahrensgegenstand in Betracht kommende Bescheide vom 21. Januar 2008 wirksam zurückgenommen worden sind. An die Rücknahme eines Widerspruchs und vergleichbare Willenserklärungen im Vorverfahren sind dieselben besonderen Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit zu stellen wie für Prozesserklärungen im gerichtlichen Verfahren. Wie diese entfaltet die wirksam erklärte Rücknahme eines Widerspruchs eine im Regelfall nicht mehr zu beseitigende Rechtswirkung (s. BSG SozR Nr. 19 zu § 78 SGG, auch BVerwG DVBl. 1996, 105). An einer wirksamen Rücknahme bestehen keine ernsthaften Zweifel. Im besonderen lagen die Prozesshandlungsvoraussetzungen (s. dazu etwa Zöller/Greger, ZPO, 28. Auflage 2010, Vor § 128 Rn. 16) auch in der Person des Betreuers vor. Dessen Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis erfasste Erklärungen wie die Rücknahme von Widersprüchen (§ 1902 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) mit der Folge, dass sie für und gegen den Kläger wirkt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob der Betreuer mit ihr im konkreten Fall Pflichten im Innenverhältnis verletzt, ist insoweit rechtlich grundsätzlich ohne Belang (s. Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Auflage 2010, § 1902 Rn. 1).
Ausnahmsweise können zwar bestimmte Umstände im Einzelfall die Vertretungsmacht privatrechtlich auch im Außenverhältnis beseitigen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob dies auch die Prozesshandlungsfähigkeit des Vertreters beseitigt. Denn keiner dieser Umstände liegt vor (s. dazu Palandt/Ellenberger, § 164 BGB Rn. 13, 14). Weder ist erkennbar, dass der Betreuer des Klägers und der Beklagte zum Nachteil des Klägers zusammengewirkt hätten, noch dass der Betreuer seine Vertretungsmacht offensichtlich – also für den Beklagten erkennbar – missbraucht hätte. Nach Lage der Akten war die Rücknahme der Widersprüche Gegenstand eines Gesprächs zwischen dem Betreuer und dem Beklagten, zu dem die Initiative vom Betreuer selbst ausging; danach hat sich der Beklagte – mit einem Abstand von mehreren Wochen – ein Mal an den Betreuer mit dem Ziel gewandt, eine Rücknahmeerklärung zu erreichen. Selbst wenn dem Beklagten bekannt war, dass eine Rücknahme nicht der Auffassung des Klägers selbst entsprochen hätte oder dass eine Aufhebung der Betreuung am 24. April 2008 bereits zu erwarten war, liegt damit keine der genannten Konstellationen vor. Das Sozialgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betreuer lediglich aus seiner Überzeugung heraus gehandelt hat, für den Kläger das Richtige zu tun. Hiergegen wird von seiten des Klägers der Sache nach nicht mehr vorgetragen, als dass die Erklärungen des Betreuers den von ihm zu beachtenden Obliegenheiten und Pflichten gegenüber dem Betreuten widersprächen. Dies hat aber für sich genommen keine rechtliche Bedeutung. Der Erklärungsempfänger ist im Regelfall durch § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB in seinem Vertrauen auf die Vertretungsmacht geschützt und gerade nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Vertretung im Innenverhältnis zu prüfen. Ferner war auch eindeutig, auf welche Widersprüche sich das Schreiben mit Datum "08. April 2008" bezog, weil das gleichzeitig übersandte Schreiben mit Datum 24. April 2008 ausdrücklich auf den Widerspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. April 2008 Bezug nahm und daneben andere als die Widersprüche gegen die Bescheide vom 21. Januar 2008 nicht anhängig waren. Gründe, die ausnahmsweise im Verhältnis zum Beklagten zur Unbeachtlichkeit oder Unwirksamkeit einer "Quasi-Prozesserklärung" im Widerspruchsverfahren führen können, sind nicht ersichtlich. In Betracht kommen lediglich zum einen der Missbrauch behördlicher Macht (s. BVerwGE 19, 159) und zum anderen das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen im Sinne des Prozessrechts (s. BVerwGE 57, 342). Für beides ergibt sich kein Anhaltspunkt. Es ist nicht einmal im Ansatz ersichtlich, dass der Beklagte für den Fall der Abgabe oder des Unterlassens einer Rücknahmeerklärung unzulässig Rechtsfolgen in Aussicht gestellt und damit gegenüber dem Kläger eine Machtposition ausgenutzt hätte. Ebensowenig gibt es Indizien dafür, dass die Voraussetzungen für eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage vorliegen könnten (§ 179 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit §§ 579, 580 ZPO). Im besonderen war der Kläger durch seinen Betreuer ordnungsgemäß im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vertreten; soweit die Art der Vertretung nicht dem von ihm geäußerten Willen entsprochen hat, berührt dies – wie bereits ausgeführt – nicht den Umfang der Vertretungsmacht nach außen. Nichts anderes ergibt sich schließlich daraus, dass der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers – dessen Vollmacht durch die Betreuung nicht berührt worden war (§ 13 Abs. 2 SGB X) – entgegen § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht davon verständigt hat, dass er sich an den (an Stelle des Klägers handelnden) Betreuer gewandt hatte bzw. dass der Beklagte sich entgegen § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X in dem Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 21. Januar 2008 nicht weiterhin an den Prozessbevollmächtigten gewandt hat. Die Vorschriften dienen nicht dem Schutz der Prozessbevollmächtigten, sondern – neben dem öffentlichen Interesse – dem des Verfahrensbeteiligten (BVerwG DVBl. 1984, 1080). Letzterer ist folglich (soweit nicht eine Vertretung durch Prozessbevollmächtigte ausdrücklich vorgeschrieben ist) ohne weiteres in der Lage, selbst Prozesserklärungen wirksam abzugeben; nichts anderes gilt für einen Betreuer, zu dessen Aufgabe es gerade gehört, an Stelle des Betreuten zu handeln. Ob der Beklagte möglicherweise Kosten des Widerspruchsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung zu tragen haben könnte – die Aufforderung, den Widerspruch zu begründen, war ergangen, nachdem dem Beklagten die Rücknahmeerklärung bereits vorlag – kann offen bleiben, weil dies nicht Gegenstand der Klage in der Hauptsache ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO; danach sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten. Wegen der Kostenfreiheit dieses Verfahrens konnte schließlich auch dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht entsprochen werden. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
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