Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 84/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 24/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. April 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen für tarifvertraglich geschuldeten, tatsächlich aber nicht gezahlten Arbeitslohn in den Zeiträumen vom 1. Dezember 1996 bis 30. April 1997 und vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1999.
Die Klägerin firmierte als Malereibetrieb mit Sitz in Brandenburg, sie beschäftigte in den oben genannten Zeiträumen die Beigeladenen zu 3) bis 30) als gewerbliche Arbeitnehmer. In einem Antrag auf eine Strukturanpassungsmaßnahme vom 6. August 1998 gab sie gegenüber der Arbeitsverwaltung als Gegenstand ihres Unternehmens das Handwerk an, nämlich Maler-, Tapezier- und Lackierarbeiten sowie Bodenbelagsarbeiten. Im Handelsregister war als Gegenstand des Unternehmens "Malerarbeiten aller Art" vermerkt. Bei der Gewerbeanmeldung wurden ursprünglich als Tätigkeiten Malerarbeiten, nämlich Anstrich-, Tapezier- und Spachtelarbeiten, Fassaden-/ Korrosionsschutz, Asbestbeschichtung/ Vollwärmeschutz und Bodenbelagsarbeiten genannt. Nach Verschmelzung mit einer anderen Firma am 17. Mai 2002 erfolgte eine Ummeldung des Gewerbes (auch) als Generalunternehmen für Bauvorhaben, Vermittlung und Bebauung von Grundstücken, Verwertung sowie Verwaltung auch als Bauträger, Tätigkeit als Projektmanager. In der Zeit von 1996 bis 1999 war die Klägerin der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. und der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG als Malerbetrieb gemeldet.
Für den räumlichen Geltungsbereich des Landes Brandenburg war am 6. August 1996 mit Wirkung ab dem 1. Mai 1996 bis zum 30. April 1997 zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg, eine Lohntabelle für alle gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk vereinbart worden. Diese sah unter anderem vor, dass für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsaus¬bildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie für Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im 1. Gesellenjahr im Zeitraum ab dem 1. November 1996 ein Mindestarbeitslohn in Höhe von 19,27 DM je Stunde zu zahlen war. Der Landesinnungsverband beantragte beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (MASGF) die Allgemeinverbindlichkeitserklärung dieser Lohntabelle. Er gab an, dass im Land Brandenburg von insgesamt 6.525 gewerblichen Arbeitnehmern im Maler- und Lackiererhandwerk 5.544 bei Betrieben beschäftigt seien, die bei ihm (dem Landesinnungsverband) organisiert seien. Das MASGF erfragte telefonisch bei der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG die Zahl der im Mai 1996 und September 1996 für das Land Brandenburg gemeldeten Betriebe und Beschäftigten. Am 31. Januar 1997, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 47 vom 8. März 1997, S. 2770, erklärte das MASGF die Lohntabelle vom 6. August 1996 für die Zeit vom 1. Mai 1996 an für allgemeinverbindlich. Das Außerkrafttreten der Lohntabelle mit dem 30. April 1997 wurde im Bundesanzeiger Nr. 129 vom 16. Juli 1997, S. 8748 veröffentlicht.
Am 1. Oktober 1997 vereinbarten der Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg, eine Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg betreffend den Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis zum 30. April 1999. Diese sah unter anderem vor, dass für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsaus¬bildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie für Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im 1. Gesellenjahr im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 ein Mindestarbeitslohn in Höhe von 19,79 DM und im Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999 ein solcher in Höhe von 20,13 DM pro Stunde zu zahlen war. Mit seinem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom Februar 1998 gab der Landesinnungsverband an, dass im Land Brandenburg von insgesamt 6.106 gewerblichen Arbeitnehmern des Maler- und Lackierhandwerks 5.190 in seinen Mitgliedsbetrieben beschäftigt würden. Die genannten Zahlen entsprächen dem statistischen Durchschnitt der vom 1. Januar 1997 bis 30. November 1997 durch die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk erfassten Arbeitnehmer. Der Anteil der in den Innungsbetrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer sei unter Berücksichtigung der von der Bau-BG für die Beitragsveranlagung im Jahr 1997 gemeldeten Bruttolohnsumme geschätzt worden. Im Juli 1998 korrigierte der Landesinnungsverband seine Angabe zur Zahl der in seinen Mitgliedsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmer auf 2.615. Das entspräche dem Stand von Juni 1998. Nach telefonischer Nachfrage des MASGF bei der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG gab es am 31. Dezember 1997 im Maler- und Lackiererhandwerk in Brandenburg 969 Betriebe und 6.093 Beschäftigte, 4.718 Beschäftigte im Februar 1997, 5.377 im Juni 1997, 4.255 im Februar 1998 und 5.096 im Juni 1998. Am 18. August 1998, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 167 vom 8. September 1998, S. 13356, erklärte das MASGF die Lohntabelle vom 1. Oktober 1997 für die Zeit vom 1. Januar 1998 an für allgemein verbindlich. Das Außerkrafttreten der Lohntabelle mit dem 30. April 1999 wurde im Bundesanzeiger Nr. 199 vom 21. Oktober 1999, S. 17850, veröffentlicht.
Auch für die nachfolgende, ab dem 1. Mai 1999 geltende Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg vom 1. Juli 1999 beantragte der Landesinnungsverband des Maler- und Lackiererhandwerkes beim MASGF mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 die Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Im Land Brandenburg seien rund 2000 von insgesamt 5.868 gewerblichen Arbeitnehmern des Maler- und Lackiererhandwerks in Mitgliedsbetrieben des Landesinnungsverbandes beschäftigt. Auf entsprechende Anfrage teilte die Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerkes dem MASGF mit, dass im Juni 1999 für das Maler- und Lackiererhandwerk 5.337, im August 1999 noch 5.320 und im September 1999 schließlich 5.189 gewerbliche Arbeitnehmer in Brandenburg gemeldet worden seien. Mit Schreiben vom 08. Dezember 1999 nahm der Landesinnungsverband beim MASGF den Antrag auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung zurück. Zwischenzeitlich habe sich ergeben, dass die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen in Brandenburg nicht mehr vorlägen, da die Anzahl der gewerblichen Arbeitnehmer unter 50% liege.
Am 17. September 2001 hielt die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung ab. Durch Bescheid vom 20. November 2001 forderte sie für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1999 - nach Anhörung der Klägerin im Rahmen einer Schlussbesprechung - Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 141.241,20 DM nach. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die Forderung aus der Differenz zwischen den an Gehilfen, Gesellen und Junggesellen tatsächlich gezahlten Stundenlöhnen und der für allgemeinverbindlich erklärten und damit anzuwendenden Lohntabelle ergebe. Die Höhe des Beitragsanspruches richte sich nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Lohnleistungen und sei unabhängig davon, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Der in einem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag vorgesehene Entgeltanspruch könne durch die Parteien eines Arbeitsvertrages nicht unterschritten werden. Der Bescheid enthielt in der Anlage eine Zusammenstellung und Berechnung der nachgeforderten Beiträge.
Die Klägerin erhob Widerspruch und führte aus, dass sie die Prüfpraxis generell ablehne. Trotz Allgemeinverbindlichkeitserklärung und dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 1994 unterliege sie den Bestimmungen nicht. Im Maler- und Lackiererhandwerk in den neuen Bundesländern unterliege die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen einem ständigen Wechsel. Die Lohntabellen entsprächen nicht dem allgemeinen Niveau und stellten eine Liquiditätsbedrohung für jede Firma dar. Das Arbeitsamt habe bisher im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen die gezahlten Löhne nicht beanstandet. Auch die Handwerkskammer habe bei der Eintragung von Lehrverträgen einen Abschlag von 30 Prozent akzeptiert. Verwiesen werde auch auf ein Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 2. November 2001 – S 24 KR 125/00 -, wonach Vertrauensschutz zu gewähren sei, weil bis zum 31. Dezember 1995 die Einzugsstellen in der Regel lediglich das tatsächlich zugeflossene Einkommen berücksichtigt hätten.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2002 zurück. Die Höhe der Beiträge richte sich auch nach den geschuldeten Arbeitslöhnen. Vor Härten schütze den Arbeitgeber im Regelfall ausreichend die kurze Verjährungsfrist von vier Jahren.
Dagegen richtet sich die am 22. April 2002 vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhobene Klage, mit der die Klägerin insbesondere Vertrauensschutz geltend gemacht hat. Sie hat noch vorgetragen, dass sie zum 31. Dezember 2006 aus der Malerinnung ausgeschieden sei. Zudem seien die untertariflichen Ausbildungsentgelte und die Entlohnungen bei Strukturanpassungsmaßnahmen von den zuständigen Stellen genehmigt worden. Am 2. August 2002 sei auch eine Gewerbeummeldung mit Wirkung zum 17. Mai 2002 erfolgt. Der Tarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk gelte nicht für sie, da sie nicht überwiegend im Malerbereich tätig gewesen sei, sondern sich mit Bodenlegearbeiten befasst habe. Die von der Nachforderung betroffenen Arbeitnehmer seien zum größten Teil als Maler- und Bodenleger eingestellt und überwiegend mit Bodenlegearbeiten beschäftigt gewesen. Dazu sind Arbeitsverträge vorgelegt worden. Auch seien die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabellen nicht gegeben gewesen.
Die Nachforderung ist im Februar 2002 von der Klägerin unter Vorbehalt vollständig ausgeglichen worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. April 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Nachforderungen mit Recht erhoben würden. Der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk für das Land Brandenburg vom 30. März 2002 in der Fassung vom 28. September 1998 samt den dazugehörigen Lohntabellen sei anzuwenden. Für Bodenleger habe es zum damaligen Zeitpunkt keinen spezielleren Tarifvertrag gegeben. Ob die zum 17. Mai 2002 erfolgte Gewerbeummeldung zu einem anderen Ergebnis führe, könne für den strittigen Zeitraum dahingestellt bleiben. Rechtsgrundlage für die Prüfung sei § 28p Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch (SGB IV) gewesen. Die Klägerin habe den Lohntabellen unterlegen, weil diese für allgemeinverbindlich erklärt worden seien und sie in dem strittigen Zeitraum dem Maler- und Lackiererhandwerk angehört habe. Die entsprechend § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) erfolgte Allgemeinverbindlichkeitserklärung habe zur Folge gehabt, dass die Klägerin ihren Arbeitnehmern den tarifvertraglich vereinbarten Lohn zahlen musste. Tatsächlich seien die Lohnzahlungen aber dahinter zurückgeblieben. Nach der zu § 22 SGB IV ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gelte in der Sozialversicherung nicht das Zufluss- sondern das Entstehungsprinzip (Hinweis auf Urt. v. 30. August 1984 – SozR 3-2200 § 385 Nr. 5). Der Beitragsanspruch orientiere sich deswegen an den für allgemeinverbindlich erklärten Lohntabellen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Das Entstehungsprinzip gelte nicht nur, wenn individuell vereinbarter Lohn nicht gezahlt werde, sondern auch bei kollektivrechtlich geschuldeten Entgelten. Die Klägerin habe sich über die bestehende Rechtslage informieren müssen, insbesondere auch über im Bundesanzeiger veröffentlichte Anträge auf Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen. Soweit die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Handwerkskammer untertarifliche Löhne akzeptiert hätten, sei die Beklagte daran nicht gebunden. Vertrauensschutz ergebe sich auch nicht daraus, dass die Einzugsstellen faktisch das Zuflussprinzip praktiziert hätten. Ob die erfolgten Meldungen zutreffend gewesen seien, habe die Beklagte gerade zu prüfen. Gegen das ihr am 14. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 30. Juni 2004. Sie trägt vor, dass die Beitragsberechnungen falsch und überhöht seien, selbst wenn man dem Grunde nach der Auffassung der Beklagten und des SG folge. Auch könne sie Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da sie von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung keine Kenntnis gehabt habe und bislang weder die Handwerkskammer, die Bundesagentur für Arbeit noch die Krankenkassen als Einzugsstellen Beanstandungen erhoben hätten. Zudem seien die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht erfüllt, da sich aus der Zeitschrift "Der Steuerzahler" vom Mai 2003 ergebe, dass in Brandenburg die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht wenigstens 50 Prozent der Arbeitnehmer des Maler- und Lackiererhandwerkes beschäftigten. Weiter sei sie - die Klägerin - in dem streitigen Zeitraum nicht überwiegend im Malerbereich tätig gewesen. Bodenlegertätigkeiten würden nicht vom Rahmentarifvertrag erfasst. Letztere hätten ihrem Betrieb bereits im streitgegenständlichen Zeitraum das Gepräge gegeben. Eine rechnerische Überhöhung der Nachzahlungsforderung im Umfang von 4.892,86 Euro ergebe sich daraus, dass die Beklagte auf die monatliche Normalarbeitszeit abgestellt habe, tatsächlich aber Kurzarbeit genutzt und bei Inanspruchnahme von Urlaub ein zusätzliches Urlaubsgeld von 25 Prozent gezahlt worden sei. Der Landesinnungsverband sei nicht berechtigt gewesen, für die von ihm ausgehandelten Lohntabellen eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu verlangen. Die Anmeldung eines Betriebes oder seiner Arbeitnehmer bei der Zusatzversorgungskasse bzw. der Urlaubskasse sage nichts über die Zugehörigkeit des Betriebs zur (tarifvertragsschließenden) Innung oder die der Arbeitnehmer zu einer Gewerkschaft aus. Es werde auch nicht zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert. Nach den Auskünften des MASGF seien Zahlen geschätzt worden, detailliertes Zahlenmaterial liege nicht vor. Die größte Innung des Maler- und Lackiererhandwerks im Land Brandenburg sei die Potsdamer Innung, die aber nicht Mitglied des Landesinnungsverbandes sei. Es gäbe kein nachvollziehbares Datenmaterial, um die Erfüllung der 50% Klausel zu belegen. Auf entsprechende Anfragen hätten ihr – der Klägerin - von den 15 Innungen im Land Brandenburg immerhin 8 geantwortet. Rechne man die Ergebnisse hoch, dann seien über 50 Prozent der Betriebe nicht tarifgebunden gewesen. Von den nach Auskunft der Handwerkskammer insgesamt etwa 1.000 Handwerksbetrieben des Maler- und Lackiererhandwerks in Brandenburg seien nämlich nur 595 Mitglied irgendeiner Innung gewesen. Von diesen Betrieben gehörten (jedenfalls) 189 Betriebe einer Innung an, die ihrerseits nicht Mitglied im Landesinnungsverband sei. Zusammen mit den nirgendwo organisierten Betrieben ergäbe dies eine Mehrheit der Handwerksbetriebe. Soweit der Landesinnungsverband dazu auf Misch- und Nebenbetriebe bzw. sog Alleinmeister verweise, fehlten wiederum aussagefähige Zahlen. Der Landesinnungsverband habe dem MASGF lediglich die Zahl der Arbeitnehmer benannt, welche bei innungsangehörigen Betrieben beschäftigt gewesen seien. Aus dem statistischen Jahrbuch für Brandenburg ergebe sich aber, dass es am 31. März 1995 insgesamt 903 Handwerksunternehmen des Maler- und Lackierergewerbes gegeben habe, in denen mit Stand vom 30. September 2004 zusammen 8.867 Beschäftigte gezählt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. April 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2002 aufzuheben.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 21) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die von der Klägerin geltend gemachte rechnerische Überhöhung der Nachzahlungsforderung könne nicht nachvollzogen werden. Lohnfortzahlungen seien Bestandteil des Bruttolohnes, die Einführung von Kurzarbeit sei nicht durch entsprechende Leistungen der Arbeitsverwaltung belegt und eine Vermengung zwischen dem Grundlohn und gewährtem Urlaubsgeld unzulässig. Das MASGF habe ausdrücklich bestätigt, dass die 50% Klausel im Zeitpunkt der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfüllt gewesen sei. Die von der Klägerin übersandten Artikel aus der Zeitschrift "Der Steuerzahler" beträfen andere Sachverhalte. Auch wenn eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht die Vermutung der Rechtmäßigkeit genieße, spräche doch der erste Anschein für ihre Rechtmäßigkeit. Die Klägerin habe nicht konkret belegt, dass der Grenzwert von 50 Prozent unterschritten worden sei. Nach dem vorliegenden Zahlenmaterial habe der ersten Allgemeinverbindlichkeitserklärung ein Prozentsatz von 87,92 Prozent, der zweiten von 52% zugrunde gelegen. Erneute nachträgliche Feststellungen mit exakten Ergebnissen erschienen nahezu unmöglich.
Der (früher zuständig gewesene) Senat hat im Erörterungstermin vom 18. November 2004 die Buchhalterin der Klägerin Elke Z als Zeugin vernommen und einen Registerauszug betreffend die Klägerin beigezogen. Mit Beweisbeschlüssen vom 7. November 2005, 1. März 2006 und 4. August 2006 hat er Sachverständige zur Frage gehört, ob die Klägerin nach ihrer Geschäftstätigkeit in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 1999 überwiegend zum Bereich des Malerhandwerkes gehört habe. Das MASGF ist zu den Verfahren der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen befragt worden. Weiter sind Auskünfte von dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg sowie der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e. V. und der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks eingeholt worden. Bezüglich der Ergebnisse der Ermittlungen wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Der Senat hat die Beteiligten auf sein in einem Parallelrechtsstreit ergangenes Urteil vom 25. Juni 2010 – L 1 KR 87/08 - hingewiesen.
Der Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Akten des MASGF 282.3 AVE-BB Nr. 33 sowie 32 2910 321 AVE BB Nr. 52 und 53 (betreffend die Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabelle des Maler- und Lackiererhandwerks in Brandenburg ab dem 1. Mai 1996, dem 1. Januar 1998 und dem 1. Juli 1999) haben zur Verhandlung vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterungen gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat kann sich nicht von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabellen überzeugen. Damit fehlt der Nachforderung von Beiträgen die Grundlage.
Rechtsgrundlage des Prüfbescheides und der Beitragsnachforderung ist § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Nach § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28 h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV in Verbindung mit § 89 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) nicht. Diese Vorschriften sind entsprechend für die Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) anzuwenden, denn nach § 17 LFZG finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Insoweit enthält das LFZG keine abweichenden Regelungen von den für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften des SGB
IV.
Als Träger der Rentenversicherung war die Beklagte danach zur Prüfung der Klägerin und zum Erlass des Nachforderungsbescheides zuständig; die Träger der Rentenversicherung haben sich nach § 28 p Abs. 2 Satz 2 SGB IV darüber abzustimmen, welcher Arbeitgeber jeweils von ihnen zu prüfen ist.
Unzutreffend in der Sache sind indessen die Feststellungen der Beklagten zur Nachforderung eines Gesamtsozialversicherungsbeitrages und von Umlagen nach dem LFZG. Beiträge für einen kraft Gesetz versicherten Beschäftigten in der Kranken- und Rentenversicherung sowie der Beitrag nach dem Recht der Arbeitsförderung sind als Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen, das gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung (§ 28 d SGB IV). Zahlungspflichtig ist nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Arbeitgeber, das gilt gemäß § 17 LFZG auch für die Umlagen nach dem LFZG.
Dem Grunde nach ergibt sich die Versicherungspflichtigkeit der in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Arbeitnehmer der Klägerin in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung aus den §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches, Fünftes Buch (SGB V), § 1 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI), § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 erster Halbsatz des Sozialgesetzbuches, Elftes Buch (SGB XI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, Drittes Buch (SGB III). Sie knüpft jeweils an den Tatbestand einer Beschäftigung gegen Entgelt an. Die Umlagen nach dem LFZG sind dagegen von den Arbeitgebern zu zahlen, die in der Regel ohne die Auszubildenden nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 14 Abs. 1 LFZG).
Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Beitrag in allen Zweigen der Versicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, 161 Abs. 1, 162 Nr. 2 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI, 341 Abs. 3 Satz 1, 342 SGB III). Die Umlagen nach dem LFZG werden gemäß § 14 Abs. 2 LFZG nach dem Entgelt festgesetzt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bemessen werden oder zu bemessen wären.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 22 Abs. 1 SGB IV bestimmt ergänzend, dass die Beitragsansprüche entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Entgegen der Ansicht der Klägerin gilt für die Feststellung der Beitragshöhe nicht das Zufluss-, sondern das Entstehungsprinzip. Auf den Zufluss kommt es nur an, soweit über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet und geleistet werden. Der Senat folgt insoweit – nach eigener Prüfung - der Rechtsauffassung des BSG, wie sie insbesondere in dessen Urteilen vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 7/04 R und B 12 KR 1/04 R - deutlich geworden ist. Die ab dem 1. Januar 2003 geltende Neufassung des § 22 Abs. 1 SGB IV bestätigt nochmals die grundsätzliche Geltung des Entstehungsprinzips, da das Gesetz nur für einen Sonderfall, nämlich einmalig gezahltes Arbeitseinkommen, auf die tatsächliche Auszahlung abstellt.
Auch unter Zugrundelegung des Entstehungsprinzips setzt die Rechtmäßigkeit der in dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Nachforderung indessen voraus, dass für die aufgeführten Beschäftigten Ansprüche auf Arbeitsentgelt in der von der Beklagten angenommenen Höhe tatsächlich entstanden sind. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn die von der Beklagten in Bezug genommenen Lohntabellen wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (vgl. z. B. BVerfGE 64, 208, 215 mit weiteren Nachweisen) ist die in § 5 TVG geregelte Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) von Tarifverträgen ein Akt der Rechtsetzung, der darauf abzielt, auch die nicht organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sogenannten Außenseiter, den Bestimmungen des Tarifvertrages zu unterwerfen. Die Außenseiter können regelmäßig nicht geltend machen, sie hätten die einschlägigen Bestimmungen nicht gekannt, weil sie sich durch das vorgesehene Veröffentlichungs- und Dokumentationsverfahren hinreichend informieren können (BVerfG, Beschluss v. 10. September 1991 -1 BvR 561/89 Juris). Die Wirksamkeit der AVE eines Tarifvertrages, also das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 TVG und die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, ist von Amts wegen zu prü¬fen, wenn – wie hier - ein tariflicher Anspruch gegenüber jemandem geltend gemacht wird, der aus dem fraglichen Tarifvertrag selbst weder kraft Tarifbindung noch aufgrund einzelvertragli¬cher Vereinbarung verpflichtet ist (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG] BAGE 74, 226, 230; Erfurter Kommentar zum ArbeitsR [Schaub/Franzen] § 5 TVG Rn. 45). Davon ist auch der 24. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 20.09.2005 – L 24 KR 19/05 - ausgegangen. Er hat im dort entschiedenen Fall (lediglich) mangels substantiierten Vortrages keinen Anlass zu Ermittlungen ins Blaue hinein gesehen.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 TVG verlangt für eine AVE, dass die bereits tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ist - wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt - der Zeitpunkt, zu dem die Allgemeinverbindlichkeit eintreten soll. Anderes könnte nur gelten, wenn eine Allgemeinverbindlichkeit erst für die Zukunft bestimmt ist. Hier sind die beiden streitigen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen aber rückwirkend erfolgt.
In Bezug auf die zum 1. Januar 1998 erfolgte Allgemeinverbindlichkeitserklärung der am 1. Oktober 1997 zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg vereinbarten Lohntabelle für den Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis zum 30. April 1998 ergeben sich schon aus der Aktenlage erhebliche Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine AVE. Darauf hat der Senat bereits in seinem – den Beteiligten bekannt gegebenen - Urteil vom 25. Juni 2010 – L 1 KR 87/08 - , hingewiesen, er hält daran fest. Der Senat hat zwar keine Bedenken, die Zahl der insgesamt in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer anhand der Angaben der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG zu bestimmen. Denn auf der Grundlage der Allgemeinverbindlichkeit des bundesweit geltenden Rahmen- und des maßgeblichen Verfahrenstarifvertrages hat jeder Malerbetrieb dort seine Beschäftigten zu melden. Insoweit ist von den vom MASGF zum 31. Dezember 1997 erfragten 6.093 Beschäftigten als zeitnächste Angabe auszugehen. Diese Zahl weicht auch nicht erheblich von den vom Landesinnungsverband zunächst benannten 6.106 Arbeitnehmern ab. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobenen Einwände überzeugen nicht. Die Angaben aus dem statistischen Jahrbuch für Brandenburg mit 903 Handwerksunternehmen des Maler- und Lackierergewerbes am 31. März 1995 und am 30. September 2004 gezählten 8.867 Beschäftigten gehen zwar über die in den Akten des MASGF erstmals für Mai 1996 dokumentierten Zahlen der Zusatzversorgungskasse von 668 Betrieben und 6100 Beschäftigen hinaus. Die Daten aus dem statistischen Jahrbuch beziehen sich aber auf andere Stichtage. Außerdem erfassen sie hinsichtlich der Zahl der Handwerksbetriebe auch diejenigen Betriebe, in denen keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Von dem bundesweit geltenden Tarifvertrag, dessen Meldepflicht Grundlage der vom MASGF eingeholten Daten ist, wird ein Malermeister, der keinen Arbeitnehmer beschäftigt und deswegen nicht Arbeitgeber ist, aber nicht erfasst. Hinsichtlich der in dem statistischen Jahrbuch mitgeteilten Zahl der Beschäftigten im Handwerk ist überdies fraglich, ob nicht auch der Inhaber sowie nicht gewerbliche Beschäftigte mitgezählt wurden. Auf die von der Klägerin vorgelegte Befragung verschiedener Innungen im Land Brandenburg kann der Senat sich bereits deswegen nicht stützen, weil nicht alle Innungen des Landes entsprechende Auskünfte erteilt haben.
Problematisch indessen ist die Zahl der Beschäftigten, die auf bereits tarifgebundene, also dem Landesinnungsverband angehörende Arbeitgeber entfallen. Das MASGF hat dazu keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, was im Grundsatz nicht zu beanstanden ist, weil nicht ersichtlich ist, wie ohne Rückgriff auf die Angaben des Landesinnungsverbandes Erhebungen dazu möglich wären, welche Arbeitgeber (über ihre Innungen) dem Verband angehören und wie viele Arbeitnehmer sie beschäftigen (vgl. Hessisches LAG, Urt. v. 4. Juni 2007 – 16 Sa 1444/05-). Der Landesinnungsverband hat gegenüber dem MASGF zunächst 5.190 Arbeitnehmer benannt, diese Zahl dann aber für Juni 1998 (angeblich) auf 2.615 korrigiert. Wie sich den in den Akten des MASGF zu findenden Anlagen zum Schreiben des Landesinnungsverbandes vom 15. Juli 1998 entnehmen lässt, bezog sich die Zahl von 2.615 innungsangehörenden Arbeitnehmern aber nicht auf eine aktuelle Erhebung vom Juni 1998, sondern bildete den Durchschnitt für das Jahr 1997 ab. Bezogen auf die aktuellste Zahl der am 31. Dezember 1997 insgesamt in den Geltungsbereich der Lohntabelle fallenden Beschäftigten von 6.093 wird mit 2.615 innungsangehörenden Arbeitnehmern für den maßgeblichen Stichtag 1. Januar 1998 dann aber bereits nicht das Quorum von 50 Prozent erreicht. Im Übrigen wäre auch noch zu berücksichtigen, dass nach den eigenen Angaben des Landesinnungsverbandes im Jahre 1997 zunehmend Betriebe bzw. Mitgliedsinnungen den Landesinnungsverband verlassen haben, was die Zahl der bei verbandsangehörigen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998 noch weiter verringert haben dürfte (Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 2010 – L 1 KR 87/08 -). Diese Entwicklung wird dadurch bestätigt, dass der Landesinnungsverband bei der im Oktober 1999 erneut beantragten Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabelle vom 1. Juli 1999 selbst nur noch von 2.000 dem Landesinnungsverband zuzuordnenden Arbeitnehmern ausging. Der Senat sieht demnach keine Grundlage für die Annahme, dass zum 1. Januar 1998 die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabelle gegeben waren. Folglich ist für die Arbeitnehmer der Klägerin kein Anspruch auf höheren Arbeitslohn auf der Grundlage der Lohntabelle vom 1. Oktober 1997 ab dem 1. Januar 1998 bis 30. April 1999 entstanden, was zur Rechtswidrigkeit der darauf von der Beklagten gestützten Nachforderung führt.
Ähnliches gilt für den Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis zum 30. April 1997. Die für den räumlichen Geltungsbereich des Landes Brandenburg am 6. August 1996 mit Wirkung ab dem 1. Mai 1996 bis zum 30. April 1997 zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg vereinbarte Lohntabelle ist vom MASGF mit Wirkung vom 1. Mai 1996 an für allgemeinverbindlich erklärt worden. Für die Zahl der insgesamt in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer ist wieder von den Angaben der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG auszugehen, hier von den vom MASGF für Mai 1996 erfragten 6.100 Beschäftigten als zeitnächste Angabe. Problematisch ist indessen erneut die Zahl derjenigen Arbeitnehmer, die von dem Landesinnungsverband angehörenden Betrieben (= tarifgebundene Arbeitgeber) beschäftigt waren. Nach Aktenlage ist dazu vom MASGF die von dem Landesinnungsverband selbst angegebene Zahl von 5.544 ungeprüft übernommen worden. Die Validität dieser Zahl ist aber fraglich, weil der Landesinnungsverband in dem nachfolgenden, im Februar 1998 eingeleiteten Verfahren der AVE seine Angaben zu in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Beschäftigten von 5.190 selbst auf 2.615 korrigiert hat. Diese Korrektur bezieht sich zwar auf das Jahr 1997, es ist aber nicht ersichtlich, dass es gerade in dem Jahr 1997 einen so dramatischen Verfall bei den Mitgliedern des Landesverbandes gegeben haben sollte. Demnach erscheint dem Senat auch schon für den vorliegenden Zeitraum eine genauere Überprüfung angezeigt, die aber nicht möglich ist. Der Landesinnungsverband hat auf Nachfrage des Senats am 28. Januar 2009 und erneut am 28. Oktober 2010 antworten lassen, dass er weder andere Zahlen noch weitergehende Erklärungen liefern könne. Auch die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG sieht sich ausweislich ihres Schreibens vom 20. Oktober 2010 nicht zu weiterführenden Angaben in der Lage. Die danach verbleibenden objektiven Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten, die sich auf die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zur Begründung ihrer Nachforderung beruft.
Nach alledem waren auf die Berufung der Klägerin hin das Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung eines der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Es fehlt auch an der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, weil die Frage der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabellen abgeschlossene Zeiträume der Vergangenheit betrifft und zudem auf den räumlichen Bereich des Landes Brandenburg beschränkt bleibt.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen für tarifvertraglich geschuldeten, tatsächlich aber nicht gezahlten Arbeitslohn in den Zeiträumen vom 1. Dezember 1996 bis 30. April 1997 und vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1999.
Die Klägerin firmierte als Malereibetrieb mit Sitz in Brandenburg, sie beschäftigte in den oben genannten Zeiträumen die Beigeladenen zu 3) bis 30) als gewerbliche Arbeitnehmer. In einem Antrag auf eine Strukturanpassungsmaßnahme vom 6. August 1998 gab sie gegenüber der Arbeitsverwaltung als Gegenstand ihres Unternehmens das Handwerk an, nämlich Maler-, Tapezier- und Lackierarbeiten sowie Bodenbelagsarbeiten. Im Handelsregister war als Gegenstand des Unternehmens "Malerarbeiten aller Art" vermerkt. Bei der Gewerbeanmeldung wurden ursprünglich als Tätigkeiten Malerarbeiten, nämlich Anstrich-, Tapezier- und Spachtelarbeiten, Fassaden-/ Korrosionsschutz, Asbestbeschichtung/ Vollwärmeschutz und Bodenbelagsarbeiten genannt. Nach Verschmelzung mit einer anderen Firma am 17. Mai 2002 erfolgte eine Ummeldung des Gewerbes (auch) als Generalunternehmen für Bauvorhaben, Vermittlung und Bebauung von Grundstücken, Verwertung sowie Verwaltung auch als Bauträger, Tätigkeit als Projektmanager. In der Zeit von 1996 bis 1999 war die Klägerin der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. und der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG als Malerbetrieb gemeldet.
Für den räumlichen Geltungsbereich des Landes Brandenburg war am 6. August 1996 mit Wirkung ab dem 1. Mai 1996 bis zum 30. April 1997 zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg, eine Lohntabelle für alle gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk vereinbart worden. Diese sah unter anderem vor, dass für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsaus¬bildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie für Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im 1. Gesellenjahr im Zeitraum ab dem 1. November 1996 ein Mindestarbeitslohn in Höhe von 19,27 DM je Stunde zu zahlen war. Der Landesinnungsverband beantragte beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (MASGF) die Allgemeinverbindlichkeitserklärung dieser Lohntabelle. Er gab an, dass im Land Brandenburg von insgesamt 6.525 gewerblichen Arbeitnehmern im Maler- und Lackiererhandwerk 5.544 bei Betrieben beschäftigt seien, die bei ihm (dem Landesinnungsverband) organisiert seien. Das MASGF erfragte telefonisch bei der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG die Zahl der im Mai 1996 und September 1996 für das Land Brandenburg gemeldeten Betriebe und Beschäftigten. Am 31. Januar 1997, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 47 vom 8. März 1997, S. 2770, erklärte das MASGF die Lohntabelle vom 6. August 1996 für die Zeit vom 1. Mai 1996 an für allgemeinverbindlich. Das Außerkrafttreten der Lohntabelle mit dem 30. April 1997 wurde im Bundesanzeiger Nr. 129 vom 16. Juli 1997, S. 8748 veröffentlicht.
Am 1. Oktober 1997 vereinbarten der Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg, eine Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg betreffend den Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis zum 30. April 1999. Diese sah unter anderem vor, dass für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsaus¬bildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie für Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im 1. Gesellenjahr im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 ein Mindestarbeitslohn in Höhe von 19,79 DM und im Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999 ein solcher in Höhe von 20,13 DM pro Stunde zu zahlen war. Mit seinem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom Februar 1998 gab der Landesinnungsverband an, dass im Land Brandenburg von insgesamt 6.106 gewerblichen Arbeitnehmern des Maler- und Lackierhandwerks 5.190 in seinen Mitgliedsbetrieben beschäftigt würden. Die genannten Zahlen entsprächen dem statistischen Durchschnitt der vom 1. Januar 1997 bis 30. November 1997 durch die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk erfassten Arbeitnehmer. Der Anteil der in den Innungsbetrieben beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer sei unter Berücksichtigung der von der Bau-BG für die Beitragsveranlagung im Jahr 1997 gemeldeten Bruttolohnsumme geschätzt worden. Im Juli 1998 korrigierte der Landesinnungsverband seine Angabe zur Zahl der in seinen Mitgliedsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmer auf 2.615. Das entspräche dem Stand von Juni 1998. Nach telefonischer Nachfrage des MASGF bei der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG gab es am 31. Dezember 1997 im Maler- und Lackiererhandwerk in Brandenburg 969 Betriebe und 6.093 Beschäftigte, 4.718 Beschäftigte im Februar 1997, 5.377 im Juni 1997, 4.255 im Februar 1998 und 5.096 im Juni 1998. Am 18. August 1998, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 167 vom 8. September 1998, S. 13356, erklärte das MASGF die Lohntabelle vom 1. Oktober 1997 für die Zeit vom 1. Januar 1998 an für allgemein verbindlich. Das Außerkrafttreten der Lohntabelle mit dem 30. April 1999 wurde im Bundesanzeiger Nr. 199 vom 21. Oktober 1999, S. 17850, veröffentlicht.
Auch für die nachfolgende, ab dem 1. Mai 1999 geltende Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg vom 1. Juli 1999 beantragte der Landesinnungsverband des Maler- und Lackiererhandwerkes beim MASGF mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 die Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Im Land Brandenburg seien rund 2000 von insgesamt 5.868 gewerblichen Arbeitnehmern des Maler- und Lackiererhandwerks in Mitgliedsbetrieben des Landesinnungsverbandes beschäftigt. Auf entsprechende Anfrage teilte die Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerkes dem MASGF mit, dass im Juni 1999 für das Maler- und Lackiererhandwerk 5.337, im August 1999 noch 5.320 und im September 1999 schließlich 5.189 gewerbliche Arbeitnehmer in Brandenburg gemeldet worden seien. Mit Schreiben vom 08. Dezember 1999 nahm der Landesinnungsverband beim MASGF den Antrag auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung zurück. Zwischenzeitlich habe sich ergeben, dass die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen in Brandenburg nicht mehr vorlägen, da die Anzahl der gewerblichen Arbeitnehmer unter 50% liege.
Am 17. September 2001 hielt die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung ab. Durch Bescheid vom 20. November 2001 forderte sie für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1999 - nach Anhörung der Klägerin im Rahmen einer Schlussbesprechung - Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 141.241,20 DM nach. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die Forderung aus der Differenz zwischen den an Gehilfen, Gesellen und Junggesellen tatsächlich gezahlten Stundenlöhnen und der für allgemeinverbindlich erklärten und damit anzuwendenden Lohntabelle ergebe. Die Höhe des Beitragsanspruches richte sich nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Lohnleistungen und sei unabhängig davon, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Der in einem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag vorgesehene Entgeltanspruch könne durch die Parteien eines Arbeitsvertrages nicht unterschritten werden. Der Bescheid enthielt in der Anlage eine Zusammenstellung und Berechnung der nachgeforderten Beiträge.
Die Klägerin erhob Widerspruch und führte aus, dass sie die Prüfpraxis generell ablehne. Trotz Allgemeinverbindlichkeitserklärung und dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 1994 unterliege sie den Bestimmungen nicht. Im Maler- und Lackiererhandwerk in den neuen Bundesländern unterliege die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen einem ständigen Wechsel. Die Lohntabellen entsprächen nicht dem allgemeinen Niveau und stellten eine Liquiditätsbedrohung für jede Firma dar. Das Arbeitsamt habe bisher im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen die gezahlten Löhne nicht beanstandet. Auch die Handwerkskammer habe bei der Eintragung von Lehrverträgen einen Abschlag von 30 Prozent akzeptiert. Verwiesen werde auch auf ein Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 2. November 2001 – S 24 KR 125/00 -, wonach Vertrauensschutz zu gewähren sei, weil bis zum 31. Dezember 1995 die Einzugsstellen in der Regel lediglich das tatsächlich zugeflossene Einkommen berücksichtigt hätten.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2002 zurück. Die Höhe der Beiträge richte sich auch nach den geschuldeten Arbeitslöhnen. Vor Härten schütze den Arbeitgeber im Regelfall ausreichend die kurze Verjährungsfrist von vier Jahren.
Dagegen richtet sich die am 22. April 2002 vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhobene Klage, mit der die Klägerin insbesondere Vertrauensschutz geltend gemacht hat. Sie hat noch vorgetragen, dass sie zum 31. Dezember 2006 aus der Malerinnung ausgeschieden sei. Zudem seien die untertariflichen Ausbildungsentgelte und die Entlohnungen bei Strukturanpassungsmaßnahmen von den zuständigen Stellen genehmigt worden. Am 2. August 2002 sei auch eine Gewerbeummeldung mit Wirkung zum 17. Mai 2002 erfolgt. Der Tarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk gelte nicht für sie, da sie nicht überwiegend im Malerbereich tätig gewesen sei, sondern sich mit Bodenlegearbeiten befasst habe. Die von der Nachforderung betroffenen Arbeitnehmer seien zum größten Teil als Maler- und Bodenleger eingestellt und überwiegend mit Bodenlegearbeiten beschäftigt gewesen. Dazu sind Arbeitsverträge vorgelegt worden. Auch seien die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabellen nicht gegeben gewesen.
Die Nachforderung ist im Februar 2002 von der Klägerin unter Vorbehalt vollständig ausgeglichen worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. April 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Nachforderungen mit Recht erhoben würden. Der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk für das Land Brandenburg vom 30. März 2002 in der Fassung vom 28. September 1998 samt den dazugehörigen Lohntabellen sei anzuwenden. Für Bodenleger habe es zum damaligen Zeitpunkt keinen spezielleren Tarifvertrag gegeben. Ob die zum 17. Mai 2002 erfolgte Gewerbeummeldung zu einem anderen Ergebnis führe, könne für den strittigen Zeitraum dahingestellt bleiben. Rechtsgrundlage für die Prüfung sei § 28p Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch (SGB IV) gewesen. Die Klägerin habe den Lohntabellen unterlegen, weil diese für allgemeinverbindlich erklärt worden seien und sie in dem strittigen Zeitraum dem Maler- und Lackiererhandwerk angehört habe. Die entsprechend § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) erfolgte Allgemeinverbindlichkeitserklärung habe zur Folge gehabt, dass die Klägerin ihren Arbeitnehmern den tarifvertraglich vereinbarten Lohn zahlen musste. Tatsächlich seien die Lohnzahlungen aber dahinter zurückgeblieben. Nach der zu § 22 SGB IV ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gelte in der Sozialversicherung nicht das Zufluss- sondern das Entstehungsprinzip (Hinweis auf Urt. v. 30. August 1984 – SozR 3-2200 § 385 Nr. 5). Der Beitragsanspruch orientiere sich deswegen an den für allgemeinverbindlich erklärten Lohntabellen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Das Entstehungsprinzip gelte nicht nur, wenn individuell vereinbarter Lohn nicht gezahlt werde, sondern auch bei kollektivrechtlich geschuldeten Entgelten. Die Klägerin habe sich über die bestehende Rechtslage informieren müssen, insbesondere auch über im Bundesanzeiger veröffentlichte Anträge auf Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen. Soweit die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Handwerkskammer untertarifliche Löhne akzeptiert hätten, sei die Beklagte daran nicht gebunden. Vertrauensschutz ergebe sich auch nicht daraus, dass die Einzugsstellen faktisch das Zuflussprinzip praktiziert hätten. Ob die erfolgten Meldungen zutreffend gewesen seien, habe die Beklagte gerade zu prüfen. Gegen das ihr am 14. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 30. Juni 2004. Sie trägt vor, dass die Beitragsberechnungen falsch und überhöht seien, selbst wenn man dem Grunde nach der Auffassung der Beklagten und des SG folge. Auch könne sie Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da sie von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung keine Kenntnis gehabt habe und bislang weder die Handwerkskammer, die Bundesagentur für Arbeit noch die Krankenkassen als Einzugsstellen Beanstandungen erhoben hätten. Zudem seien die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht erfüllt, da sich aus der Zeitschrift "Der Steuerzahler" vom Mai 2003 ergebe, dass in Brandenburg die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht wenigstens 50 Prozent der Arbeitnehmer des Maler- und Lackiererhandwerkes beschäftigten. Weiter sei sie - die Klägerin - in dem streitigen Zeitraum nicht überwiegend im Malerbereich tätig gewesen. Bodenlegertätigkeiten würden nicht vom Rahmentarifvertrag erfasst. Letztere hätten ihrem Betrieb bereits im streitgegenständlichen Zeitraum das Gepräge gegeben. Eine rechnerische Überhöhung der Nachzahlungsforderung im Umfang von 4.892,86 Euro ergebe sich daraus, dass die Beklagte auf die monatliche Normalarbeitszeit abgestellt habe, tatsächlich aber Kurzarbeit genutzt und bei Inanspruchnahme von Urlaub ein zusätzliches Urlaubsgeld von 25 Prozent gezahlt worden sei. Der Landesinnungsverband sei nicht berechtigt gewesen, für die von ihm ausgehandelten Lohntabellen eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu verlangen. Die Anmeldung eines Betriebes oder seiner Arbeitnehmer bei der Zusatzversorgungskasse bzw. der Urlaubskasse sage nichts über die Zugehörigkeit des Betriebs zur (tarifvertragsschließenden) Innung oder die der Arbeitnehmer zu einer Gewerkschaft aus. Es werde auch nicht zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert. Nach den Auskünften des MASGF seien Zahlen geschätzt worden, detailliertes Zahlenmaterial liege nicht vor. Die größte Innung des Maler- und Lackiererhandwerks im Land Brandenburg sei die Potsdamer Innung, die aber nicht Mitglied des Landesinnungsverbandes sei. Es gäbe kein nachvollziehbares Datenmaterial, um die Erfüllung der 50% Klausel zu belegen. Auf entsprechende Anfragen hätten ihr – der Klägerin - von den 15 Innungen im Land Brandenburg immerhin 8 geantwortet. Rechne man die Ergebnisse hoch, dann seien über 50 Prozent der Betriebe nicht tarifgebunden gewesen. Von den nach Auskunft der Handwerkskammer insgesamt etwa 1.000 Handwerksbetrieben des Maler- und Lackiererhandwerks in Brandenburg seien nämlich nur 595 Mitglied irgendeiner Innung gewesen. Von diesen Betrieben gehörten (jedenfalls) 189 Betriebe einer Innung an, die ihrerseits nicht Mitglied im Landesinnungsverband sei. Zusammen mit den nirgendwo organisierten Betrieben ergäbe dies eine Mehrheit der Handwerksbetriebe. Soweit der Landesinnungsverband dazu auf Misch- und Nebenbetriebe bzw. sog Alleinmeister verweise, fehlten wiederum aussagefähige Zahlen. Der Landesinnungsverband habe dem MASGF lediglich die Zahl der Arbeitnehmer benannt, welche bei innungsangehörigen Betrieben beschäftigt gewesen seien. Aus dem statistischen Jahrbuch für Brandenburg ergebe sich aber, dass es am 31. März 1995 insgesamt 903 Handwerksunternehmen des Maler- und Lackierergewerbes gegeben habe, in denen mit Stand vom 30. September 2004 zusammen 8.867 Beschäftigte gezählt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. April 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2002 aufzuheben.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 21) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die von der Klägerin geltend gemachte rechnerische Überhöhung der Nachzahlungsforderung könne nicht nachvollzogen werden. Lohnfortzahlungen seien Bestandteil des Bruttolohnes, die Einführung von Kurzarbeit sei nicht durch entsprechende Leistungen der Arbeitsverwaltung belegt und eine Vermengung zwischen dem Grundlohn und gewährtem Urlaubsgeld unzulässig. Das MASGF habe ausdrücklich bestätigt, dass die 50% Klausel im Zeitpunkt der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfüllt gewesen sei. Die von der Klägerin übersandten Artikel aus der Zeitschrift "Der Steuerzahler" beträfen andere Sachverhalte. Auch wenn eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht die Vermutung der Rechtmäßigkeit genieße, spräche doch der erste Anschein für ihre Rechtmäßigkeit. Die Klägerin habe nicht konkret belegt, dass der Grenzwert von 50 Prozent unterschritten worden sei. Nach dem vorliegenden Zahlenmaterial habe der ersten Allgemeinverbindlichkeitserklärung ein Prozentsatz von 87,92 Prozent, der zweiten von 52% zugrunde gelegen. Erneute nachträgliche Feststellungen mit exakten Ergebnissen erschienen nahezu unmöglich.
Der (früher zuständig gewesene) Senat hat im Erörterungstermin vom 18. November 2004 die Buchhalterin der Klägerin Elke Z als Zeugin vernommen und einen Registerauszug betreffend die Klägerin beigezogen. Mit Beweisbeschlüssen vom 7. November 2005, 1. März 2006 und 4. August 2006 hat er Sachverständige zur Frage gehört, ob die Klägerin nach ihrer Geschäftstätigkeit in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 1999 überwiegend zum Bereich des Malerhandwerkes gehört habe. Das MASGF ist zu den Verfahren der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen befragt worden. Weiter sind Auskünfte von dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg sowie der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e. V. und der Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks eingeholt worden. Bezüglich der Ergebnisse der Ermittlungen wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Der Senat hat die Beteiligten auf sein in einem Parallelrechtsstreit ergangenes Urteil vom 25. Juni 2010 – L 1 KR 87/08 - hingewiesen.
Der Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Akten des MASGF 282.3 AVE-BB Nr. 33 sowie 32 2910 321 AVE BB Nr. 52 und 53 (betreffend die Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabelle des Maler- und Lackiererhandwerks in Brandenburg ab dem 1. Mai 1996, dem 1. Januar 1998 und dem 1. Juli 1999) haben zur Verhandlung vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterungen gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat kann sich nicht von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabellen überzeugen. Damit fehlt der Nachforderung von Beiträgen die Grundlage.
Rechtsgrundlage des Prüfbescheides und der Beitragsnachforderung ist § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Nach § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28 h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV in Verbindung mit § 89 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) nicht. Diese Vorschriften sind entsprechend für die Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) anzuwenden, denn nach § 17 LFZG finden die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Insoweit enthält das LFZG keine abweichenden Regelungen von den für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften des SGB
IV.
Als Träger der Rentenversicherung war die Beklagte danach zur Prüfung der Klägerin und zum Erlass des Nachforderungsbescheides zuständig; die Träger der Rentenversicherung haben sich nach § 28 p Abs. 2 Satz 2 SGB IV darüber abzustimmen, welcher Arbeitgeber jeweils von ihnen zu prüfen ist.
Unzutreffend in der Sache sind indessen die Feststellungen der Beklagten zur Nachforderung eines Gesamtsozialversicherungsbeitrages und von Umlagen nach dem LFZG. Beiträge für einen kraft Gesetz versicherten Beschäftigten in der Kranken- und Rentenversicherung sowie der Beitrag nach dem Recht der Arbeitsförderung sind als Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen, das gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung (§ 28 d SGB IV). Zahlungspflichtig ist nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Arbeitgeber, das gilt gemäß § 17 LFZG auch für die Umlagen nach dem LFZG.
Dem Grunde nach ergibt sich die Versicherungspflichtigkeit der in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Arbeitnehmer der Klägerin in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung aus den §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches, Fünftes Buch (SGB V), § 1 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI), § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 erster Halbsatz des Sozialgesetzbuches, Elftes Buch (SGB XI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, Drittes Buch (SGB III). Sie knüpft jeweils an den Tatbestand einer Beschäftigung gegen Entgelt an. Die Umlagen nach dem LFZG sind dagegen von den Arbeitgebern zu zahlen, die in der Regel ohne die Auszubildenden nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 14 Abs. 1 LFZG).
Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Beitrag in allen Zweigen der Versicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, 161 Abs. 1, 162 Nr. 2 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI, 341 Abs. 3 Satz 1, 342 SGB III). Die Umlagen nach dem LFZG werden gemäß § 14 Abs. 2 LFZG nach dem Entgelt festgesetzt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bemessen werden oder zu bemessen wären.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 22 Abs. 1 SGB IV bestimmt ergänzend, dass die Beitragsansprüche entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Entgegen der Ansicht der Klägerin gilt für die Feststellung der Beitragshöhe nicht das Zufluss-, sondern das Entstehungsprinzip. Auf den Zufluss kommt es nur an, soweit über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet und geleistet werden. Der Senat folgt insoweit – nach eigener Prüfung - der Rechtsauffassung des BSG, wie sie insbesondere in dessen Urteilen vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 7/04 R und B 12 KR 1/04 R - deutlich geworden ist. Die ab dem 1. Januar 2003 geltende Neufassung des § 22 Abs. 1 SGB IV bestätigt nochmals die grundsätzliche Geltung des Entstehungsprinzips, da das Gesetz nur für einen Sonderfall, nämlich einmalig gezahltes Arbeitseinkommen, auf die tatsächliche Auszahlung abstellt.
Auch unter Zugrundelegung des Entstehungsprinzips setzt die Rechtmäßigkeit der in dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Nachforderung indessen voraus, dass für die aufgeführten Beschäftigten Ansprüche auf Arbeitsentgelt in der von der Beklagten angenommenen Höhe tatsächlich entstanden sind. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn die von der Beklagten in Bezug genommenen Lohntabellen wirksam für allgemeinverbindlich erklärt worden sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (vgl. z. B. BVerfGE 64, 208, 215 mit weiteren Nachweisen) ist die in § 5 TVG geregelte Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) von Tarifverträgen ein Akt der Rechtsetzung, der darauf abzielt, auch die nicht organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sogenannten Außenseiter, den Bestimmungen des Tarifvertrages zu unterwerfen. Die Außenseiter können regelmäßig nicht geltend machen, sie hätten die einschlägigen Bestimmungen nicht gekannt, weil sie sich durch das vorgesehene Veröffentlichungs- und Dokumentationsverfahren hinreichend informieren können (BVerfG, Beschluss v. 10. September 1991 -1 BvR 561/89 Juris). Die Wirksamkeit der AVE eines Tarifvertrages, also das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 TVG und die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, ist von Amts wegen zu prü¬fen, wenn – wie hier - ein tariflicher Anspruch gegenüber jemandem geltend gemacht wird, der aus dem fraglichen Tarifvertrag selbst weder kraft Tarifbindung noch aufgrund einzelvertragli¬cher Vereinbarung verpflichtet ist (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG] BAGE 74, 226, 230; Erfurter Kommentar zum ArbeitsR [Schaub/Franzen] § 5 TVG Rn. 45). Davon ist auch der 24. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 20.09.2005 – L 24 KR 19/05 - ausgegangen. Er hat im dort entschiedenen Fall (lediglich) mangels substantiierten Vortrages keinen Anlass zu Ermittlungen ins Blaue hinein gesehen.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 TVG verlangt für eine AVE, dass die bereits tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ist - wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt - der Zeitpunkt, zu dem die Allgemeinverbindlichkeit eintreten soll. Anderes könnte nur gelten, wenn eine Allgemeinverbindlichkeit erst für die Zukunft bestimmt ist. Hier sind die beiden streitigen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen aber rückwirkend erfolgt.
In Bezug auf die zum 1. Januar 1998 erfolgte Allgemeinverbindlichkeitserklärung der am 1. Oktober 1997 zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg vereinbarten Lohntabelle für den Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis zum 30. April 1998 ergeben sich schon aus der Aktenlage erhebliche Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine AVE. Darauf hat der Senat bereits in seinem – den Beteiligten bekannt gegebenen - Urteil vom 25. Juni 2010 – L 1 KR 87/08 - , hingewiesen, er hält daran fest. Der Senat hat zwar keine Bedenken, die Zahl der insgesamt in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer anhand der Angaben der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG zu bestimmen. Denn auf der Grundlage der Allgemeinverbindlichkeit des bundesweit geltenden Rahmen- und des maßgeblichen Verfahrenstarifvertrages hat jeder Malerbetrieb dort seine Beschäftigten zu melden. Insoweit ist von den vom MASGF zum 31. Dezember 1997 erfragten 6.093 Beschäftigten als zeitnächste Angabe auszugehen. Diese Zahl weicht auch nicht erheblich von den vom Landesinnungsverband zunächst benannten 6.106 Arbeitnehmern ab. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobenen Einwände überzeugen nicht. Die Angaben aus dem statistischen Jahrbuch für Brandenburg mit 903 Handwerksunternehmen des Maler- und Lackierergewerbes am 31. März 1995 und am 30. September 2004 gezählten 8.867 Beschäftigten gehen zwar über die in den Akten des MASGF erstmals für Mai 1996 dokumentierten Zahlen der Zusatzversorgungskasse von 668 Betrieben und 6100 Beschäftigen hinaus. Die Daten aus dem statistischen Jahrbuch beziehen sich aber auf andere Stichtage. Außerdem erfassen sie hinsichtlich der Zahl der Handwerksbetriebe auch diejenigen Betriebe, in denen keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Von dem bundesweit geltenden Tarifvertrag, dessen Meldepflicht Grundlage der vom MASGF eingeholten Daten ist, wird ein Malermeister, der keinen Arbeitnehmer beschäftigt und deswegen nicht Arbeitgeber ist, aber nicht erfasst. Hinsichtlich der in dem statistischen Jahrbuch mitgeteilten Zahl der Beschäftigten im Handwerk ist überdies fraglich, ob nicht auch der Inhaber sowie nicht gewerbliche Beschäftigte mitgezählt wurden. Auf die von der Klägerin vorgelegte Befragung verschiedener Innungen im Land Brandenburg kann der Senat sich bereits deswegen nicht stützen, weil nicht alle Innungen des Landes entsprechende Auskünfte erteilt haben.
Problematisch indessen ist die Zahl der Beschäftigten, die auf bereits tarifgebundene, also dem Landesinnungsverband angehörende Arbeitgeber entfallen. Das MASGF hat dazu keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, was im Grundsatz nicht zu beanstanden ist, weil nicht ersichtlich ist, wie ohne Rückgriff auf die Angaben des Landesinnungsverbandes Erhebungen dazu möglich wären, welche Arbeitgeber (über ihre Innungen) dem Verband angehören und wie viele Arbeitnehmer sie beschäftigen (vgl. Hessisches LAG, Urt. v. 4. Juni 2007 – 16 Sa 1444/05-). Der Landesinnungsverband hat gegenüber dem MASGF zunächst 5.190 Arbeitnehmer benannt, diese Zahl dann aber für Juni 1998 (angeblich) auf 2.615 korrigiert. Wie sich den in den Akten des MASGF zu findenden Anlagen zum Schreiben des Landesinnungsverbandes vom 15. Juli 1998 entnehmen lässt, bezog sich die Zahl von 2.615 innungsangehörenden Arbeitnehmern aber nicht auf eine aktuelle Erhebung vom Juni 1998, sondern bildete den Durchschnitt für das Jahr 1997 ab. Bezogen auf die aktuellste Zahl der am 31. Dezember 1997 insgesamt in den Geltungsbereich der Lohntabelle fallenden Beschäftigten von 6.093 wird mit 2.615 innungsangehörenden Arbeitnehmern für den maßgeblichen Stichtag 1. Januar 1998 dann aber bereits nicht das Quorum von 50 Prozent erreicht. Im Übrigen wäre auch noch zu berücksichtigen, dass nach den eigenen Angaben des Landesinnungsverbandes im Jahre 1997 zunehmend Betriebe bzw. Mitgliedsinnungen den Landesinnungsverband verlassen haben, was die Zahl der bei verbandsangehörigen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998 noch weiter verringert haben dürfte (Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 2010 – L 1 KR 87/08 -). Diese Entwicklung wird dadurch bestätigt, dass der Landesinnungsverband bei der im Oktober 1999 erneut beantragten Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabelle vom 1. Juli 1999 selbst nur noch von 2.000 dem Landesinnungsverband zuzuordnenden Arbeitnehmern ausging. Der Senat sieht demnach keine Grundlage für die Annahme, dass zum 1. Januar 1998 die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabelle gegeben waren. Folglich ist für die Arbeitnehmer der Klägerin kein Anspruch auf höheren Arbeitslohn auf der Grundlage der Lohntabelle vom 1. Oktober 1997 ab dem 1. Januar 1998 bis 30. April 1999 entstanden, was zur Rechtswidrigkeit der darauf von der Beklagten gestützten Nachforderung führt.
Ähnliches gilt für den Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis zum 30. April 1997. Die für den räumlichen Geltungsbereich des Landes Brandenburg am 6. August 1996 mit Wirkung ab dem 1. Mai 1996 bis zum 30. April 1997 zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg vereinbarte Lohntabelle ist vom MASGF mit Wirkung vom 1. Mai 1996 an für allgemeinverbindlich erklärt worden. Für die Zahl der insgesamt in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer ist wieder von den Angaben der Gemeinnützigen Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG auszugehen, hier von den vom MASGF für Mai 1996 erfragten 6.100 Beschäftigten als zeitnächste Angabe. Problematisch ist indessen erneut die Zahl derjenigen Arbeitnehmer, die von dem Landesinnungsverband angehörenden Betrieben (= tarifgebundene Arbeitgeber) beschäftigt waren. Nach Aktenlage ist dazu vom MASGF die von dem Landesinnungsverband selbst angegebene Zahl von 5.544 ungeprüft übernommen worden. Die Validität dieser Zahl ist aber fraglich, weil der Landesinnungsverband in dem nachfolgenden, im Februar 1998 eingeleiteten Verfahren der AVE seine Angaben zu in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Beschäftigten von 5.190 selbst auf 2.615 korrigiert hat. Diese Korrektur bezieht sich zwar auf das Jahr 1997, es ist aber nicht ersichtlich, dass es gerade in dem Jahr 1997 einen so dramatischen Verfall bei den Mitgliedern des Landesverbandes gegeben haben sollte. Demnach erscheint dem Senat auch schon für den vorliegenden Zeitraum eine genauere Überprüfung angezeigt, die aber nicht möglich ist. Der Landesinnungsverband hat auf Nachfrage des Senats am 28. Januar 2009 und erneut am 28. Oktober 2010 antworten lassen, dass er weder andere Zahlen noch weitergehende Erklärungen liefern könne. Auch die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V. / Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks VVaG sieht sich ausweislich ihres Schreibens vom 20. Oktober 2010 nicht zu weiterführenden Angaben in der Lage. Die danach verbleibenden objektiven Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten, die sich auf die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zur Begründung ihrer Nachforderung beruft.
Nach alledem waren auf die Berufung der Klägerin hin das Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung eines der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Es fehlt auch an der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, weil die Frage der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Lohntabellen abgeschlossene Zeiträume der Vergangenheit betrifft und zudem auf den räumlichen Bereich des Landes Brandenburg beschränkt bleibt.
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