Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 1 RJ 521/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 1184/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Februar 2006 geändert, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist. Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 in der Fassung des Bescheides vom 6. September 2010 verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung und für die Zeit ab dem 1. August 2009 unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rentenleistung wegen Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1956 geborene Kläger durchlief in den Jahren 1972 bis 1975 eine Berufsausbildung mit dem Abschluss als Zerspanungsfacharbeiter. Bis Ende Februar 2002 war er als Zerspaner, Schlosser und Monteur beschäftigt. Danach war er arbeitslos und bezog Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (und wahrscheinlich auch des Grundsicherungsträgers).
Auf den im Februar 2003 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 nach Durchführung medizinsicher Ermittlungen den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger könne zwar nicht mehr als Stahlbauschlosser arbeiten, er könne jedoch eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Hausmeister, Löter oder Metallkleber im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Im anschließend vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) geführten Rechtsstreit hat das Sozialgericht unter anderem ein medizinisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. B eingeholt, das dieser am 7. Februar 2005 erstattet hat. Darin ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, der Kläger sei mit kleineren qualitativen Einschränkungen vollschichtig für leichte bis mit unter mittelschwere Tätigkeiten einsetzbar. Ferner ist ein berufskundliches Gutachten des Sachverständigen L zu den Akten gereicht worden, welches dieser am 20. Februar 2005 in einem anderen Rechtsstreit erstattet hat. Ferner hat sich der Sachverständige Dr. B am 8. Juni 2005 ergänzend geäußert.
Mit Urteil vom 2. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu, denn er könne jedenfalls noch die ihm sozial zumutbare Tätigkeit eines Löters vollschichtig verrichten.
Gegen dieses ihm am 10. Juli 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. August 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Entsprechend einem vorangegangenen, von dem Kläger angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten hat die Beklagte dem Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 2010 auf Grund einer eingetretenen gesundheitlichen Verschlechterung unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Der Kläger begehrt indessen weiterhin auch für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31. Januar 2010 eine Erwerbsminderungsrente und stützt sich dabei auf den Umstand, er sei weder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, noch in einer Tätigkeit als Löter vollschichtig einsetzbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Februar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 6. September 2010 zu verurteilen, ihm ab dem 1. August 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Sie meint, vor dem 1. Februar 2010 stehe dem Kläger kein Rentenanspruch zu.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 12. November 2007 der Facharzt für Orthopädie Dr. L ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne nur noch täglich drei bis unter sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten verrichten. Dies beruhe auf orthopädischen Einschränkungen, die seit Januar 2006 vorlägen. Darüber hinaus bestünden offenbar auch internistische Erkrankungen, die durch ein medizinisches Sachverständigengutachten abgeklärt werden müssten.
Am 26. November 2008 ist durch richterliche Beweisanordnung der Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie Dr. S mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Der Sachverständige hat indessen ein Gutachten nicht erstatten können, weil der Kläger zu den vereinbarten Terminen jeweils nicht erschienen oder Termine abgesagt hat. Unter dem 23. Februar 2010 ist dem Kläger der richterliche Hinweis erteilt worden, dass eine Begutachtung des Klägers erforderlich sei und ihre mangelnde Durchführbarkeit im Ergebnis zu Rechtsnachteilen für den Kläger führen könne. Gleichwohl ist eine Untersuchung nicht durchgeführt worden. Es ist ein Krankenhausentlassungsbericht des C-C für CM vom 15. März 2010 zu den Akten gelangt, demzufolge am 8. Februar 2010 bei dem Kläger in stationärer Behandlung eine Pankreaskopfresektion durchgeführt worden sei; der Kläger hatte sich in der Zeit vom 29. Januar bis zum 15. März 2010 in stationärer Behandlung befunden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Zeitraum vom 01. August 2006 bis zum 31. Januar 2010. Im Übrigen ist der Rechtsstreit erledigt, weil zum einen der Beklagte den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. Februar 2010 anerkannt und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat und der Kläger im Übrigen für die Zeit vor dem 01. August 2006 Ansprüche nicht mehr geltend macht.
Die diesbezügliche Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch im Sinne des Hauptantrages begründet. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 01. August 2006 bis zum 31. Januar 2010 ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, wobei die Rentengewährung zunächst für die Zeit vom 01. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 zu befristen und sodann eine Rente auf Dauer zuzusprechen war; die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 02. Februar 2006 waren entsprechend zu ändern.
Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung beruht auf § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/ sechstes Buch (SGB VI). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI sind erfüllt. Der Kläger ist im hier noch streitbefangenen Zeitraum auch voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V. m. Satz 2 SGB VI. Denn er ist wegen Krankheit oder Behinderung im streitbefangenen Zeitraum auf nicht absehbarer Zeit außer Stande gewesen, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Zwar war der Kläger in rein sozialmedizinischer Hinsicht in diesem Zeitraum in der Lage, noch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oberhalb von 3 und unterhalb von 6 Stunden täglich zu verrichten; wegen der Verschlossenheit des Teilzeit-Arbeitsmarktes steht der Kläger in dessen dem Arbeitsmarkt nicht unter den üblichen Bedingungen zur Verfügung, die Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung sind erfüllt.
Zur Überzeugung des Senats ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass spätestens im Januar 2006 der vorgenannte Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung eingetreten ist, weil der Kläger jedenfalls ab diesem Zeitraum wegen neu hinzugetretener orthopädischer Leiden nur noch unterhalb von 6 Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren bei dem Kläger folgende gesundheitliche Einschränkungen mit Funktionsbeeinträchtigungen gegeben:
1. Rezidivierendes cervikales Schmerzsyndrom mit leichter Funktionseinschränkung der HWS, kein Radikulärsyndrom, röntgenologisch fortgeschrittene Spondylosis deformans an der unteren HWS-Hälfte mit Einengung der Foramina intervertebralia
2. Rezidivierendes lumbales Schmerzsyndrom mit leichter bis mittelgradiger Funktions- einschränkung der LWS, kein Radikulärsyndrom, röntgenologisch fortgeschrittene Spondylosis deformans der LWS, beginnende lumbosacrale Bandscheibendegeneration und Steilstellung der LWS, 07.09.2001 Dekomprimierung L2/L3 und L3/L4 beidseits und Foraminotomie bei absoluter Spinalkanalstenose
3. Mittelgradige Koxarthrose rechts, beginnende Koxarthrose links, leichte Funktions-einschränkung der Hüftgelenke, leichte Gangstörung
4. Leichte Funktionseinschränkung beider Kniegelenke, rechts mehr als links, röntgenologisch beginnende Gonarthrose rechts
Bereits diese orthopädischen Leiden führten dazu, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt täglich und regelmäßig bei Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen 3 bis unter 6 Stunden eine leichte Arbeit täglich verrichten konnte. Hingegen war ihm eine vollschichtige Tätigkeit aufgrund der oben von 1. bis 4. genannten degenerativen Erkrankungen und verbunden mit dem erheblichen Übergewicht nicht mehr zumutbar. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere auch aus dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. L vom 12. November 2007. Der Sachverständige hat die genannten Befunde in überzeugender Weise und sachkundig erhoben und überzeugende sozialmedizinische Schlussfolgerungen gezogen. Er setzt sich insbesondere auch nicht in Widerspruch zu den vorangegangenen Begutachtungen, weil diese im Jahre 2005 erstattet wurden und den Zustand des Klägers ab dem Jahre 2006 nicht beurteilen konnten. Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Sachverständigen ergeben sich für den Senat auch nicht etwa deswegen, weil bei den oben zu 1. bis 4. festgestellten Gesundheitsstörungen überwiegend leichte und mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben werden, denn der Sachverständige hat in überzeugender Weise ausgeführt, dass diese zahlreichen Funktionsbeeinträchtigungen durch ihr zusammenwirken und insbesondere auch in Kombination mit dem deutlichen Übergewicht des Klägers zu der Schlussfolgerung führen müssen, dass jedenfalls ein 6-stündiges zumutbares Arbeitsvermögen täglich nicht mehr gegeben ist.
Der Kläger konnte die Rentengewährung auch zu Recht mit Wirkung vom 01. August 2006 verlangen. Dies ergibt sich aus § 101 Abs. 1 SGB VI. Hiernach werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Wie bereits ausgeführt, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls im Januar 2006 eingetreten, was einen Rentenbeginn ab dem Monat August 2006 zulässt. Die notwendige Befristung der Rente des Klägers folgt aus § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI im Umkehrschluss, weil diese Vorschrift eine unbefristete Rentengewährung nur für den Fall der arbeitsmarktunabhängigen Renten-gewährung zulässt, während vorliegend die Rente – wie ausgeführt – in Abhängigkeit von der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes gewährt wird. Der Senat hielt nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI zunächst eine dreijährige Befristung bis zum 31. Juli 2009 für sachgerecht. Danach war – auch im Hinblick auf die von der Beklagten ohnehin mit Wirkung vom Februar 2010 ausgesprochene unbefristete Rentengewährung - mit Wirkung bereits vom 01. August 2009 eine unbefristete Rente zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem ursprünglichen Begehren vor dem 01. August 2006 im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rentenleistung wegen Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1956 geborene Kläger durchlief in den Jahren 1972 bis 1975 eine Berufsausbildung mit dem Abschluss als Zerspanungsfacharbeiter. Bis Ende Februar 2002 war er als Zerspaner, Schlosser und Monteur beschäftigt. Danach war er arbeitslos und bezog Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (und wahrscheinlich auch des Grundsicherungsträgers).
Auf den im Februar 2003 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 nach Durchführung medizinsicher Ermittlungen den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger könne zwar nicht mehr als Stahlbauschlosser arbeiten, er könne jedoch eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Hausmeister, Löter oder Metallkleber im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Im anschließend vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) geführten Rechtsstreit hat das Sozialgericht unter anderem ein medizinisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. B eingeholt, das dieser am 7. Februar 2005 erstattet hat. Darin ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, der Kläger sei mit kleineren qualitativen Einschränkungen vollschichtig für leichte bis mit unter mittelschwere Tätigkeiten einsetzbar. Ferner ist ein berufskundliches Gutachten des Sachverständigen L zu den Akten gereicht worden, welches dieser am 20. Februar 2005 in einem anderen Rechtsstreit erstattet hat. Ferner hat sich der Sachverständige Dr. B am 8. Juni 2005 ergänzend geäußert.
Mit Urteil vom 2. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu, denn er könne jedenfalls noch die ihm sozial zumutbare Tätigkeit eines Löters vollschichtig verrichten.
Gegen dieses ihm am 10. Juli 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. August 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Entsprechend einem vorangegangenen, von dem Kläger angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten hat die Beklagte dem Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 2010 auf Grund einer eingetretenen gesundheitlichen Verschlechterung unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Der Kläger begehrt indessen weiterhin auch für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31. Januar 2010 eine Erwerbsminderungsrente und stützt sich dabei auf den Umstand, er sei weder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, noch in einer Tätigkeit als Löter vollschichtig einsetzbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Februar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 6. September 2010 zu verurteilen, ihm ab dem 1. August 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Sie meint, vor dem 1. Februar 2010 stehe dem Kläger kein Rentenanspruch zu.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 12. November 2007 der Facharzt für Orthopädie Dr. L ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne nur noch täglich drei bis unter sechs Stunden körperlich leichte Tätigkeiten verrichten. Dies beruhe auf orthopädischen Einschränkungen, die seit Januar 2006 vorlägen. Darüber hinaus bestünden offenbar auch internistische Erkrankungen, die durch ein medizinisches Sachverständigengutachten abgeklärt werden müssten.
Am 26. November 2008 ist durch richterliche Beweisanordnung der Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie Dr. S mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Der Sachverständige hat indessen ein Gutachten nicht erstatten können, weil der Kläger zu den vereinbarten Terminen jeweils nicht erschienen oder Termine abgesagt hat. Unter dem 23. Februar 2010 ist dem Kläger der richterliche Hinweis erteilt worden, dass eine Begutachtung des Klägers erforderlich sei und ihre mangelnde Durchführbarkeit im Ergebnis zu Rechtsnachteilen für den Kläger führen könne. Gleichwohl ist eine Untersuchung nicht durchgeführt worden. Es ist ein Krankenhausentlassungsbericht des C-C für CM vom 15. März 2010 zu den Akten gelangt, demzufolge am 8. Februar 2010 bei dem Kläger in stationärer Behandlung eine Pankreaskopfresektion durchgeführt worden sei; der Kläger hatte sich in der Zeit vom 29. Januar bis zum 15. März 2010 in stationärer Behandlung befunden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Zeitraum vom 01. August 2006 bis zum 31. Januar 2010. Im Übrigen ist der Rechtsstreit erledigt, weil zum einen der Beklagte den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. Februar 2010 anerkannt und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat und der Kläger im Übrigen für die Zeit vor dem 01. August 2006 Ansprüche nicht mehr geltend macht.
Die diesbezügliche Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch im Sinne des Hauptantrages begründet. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 01. August 2006 bis zum 31. Januar 2010 ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, wobei die Rentengewährung zunächst für die Zeit vom 01. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 zu befristen und sodann eine Rente auf Dauer zuzusprechen war; die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 02. Februar 2006 waren entsprechend zu ändern.
Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung beruht auf § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/ sechstes Buch (SGB VI). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI sind erfüllt. Der Kläger ist im hier noch streitbefangenen Zeitraum auch voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V. m. Satz 2 SGB VI. Denn er ist wegen Krankheit oder Behinderung im streitbefangenen Zeitraum auf nicht absehbarer Zeit außer Stande gewesen, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Zwar war der Kläger in rein sozialmedizinischer Hinsicht in diesem Zeitraum in der Lage, noch eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oberhalb von 3 und unterhalb von 6 Stunden täglich zu verrichten; wegen der Verschlossenheit des Teilzeit-Arbeitsmarktes steht der Kläger in dessen dem Arbeitsmarkt nicht unter den üblichen Bedingungen zur Verfügung, die Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung sind erfüllt.
Zur Überzeugung des Senats ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass spätestens im Januar 2006 der vorgenannte Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung eingetreten ist, weil der Kläger jedenfalls ab diesem Zeitraum wegen neu hinzugetretener orthopädischer Leiden nur noch unterhalb von 6 Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren bei dem Kläger folgende gesundheitliche Einschränkungen mit Funktionsbeeinträchtigungen gegeben:
1. Rezidivierendes cervikales Schmerzsyndrom mit leichter Funktionseinschränkung der HWS, kein Radikulärsyndrom, röntgenologisch fortgeschrittene Spondylosis deformans an der unteren HWS-Hälfte mit Einengung der Foramina intervertebralia
2. Rezidivierendes lumbales Schmerzsyndrom mit leichter bis mittelgradiger Funktions- einschränkung der LWS, kein Radikulärsyndrom, röntgenologisch fortgeschrittene Spondylosis deformans der LWS, beginnende lumbosacrale Bandscheibendegeneration und Steilstellung der LWS, 07.09.2001 Dekomprimierung L2/L3 und L3/L4 beidseits und Foraminotomie bei absoluter Spinalkanalstenose
3. Mittelgradige Koxarthrose rechts, beginnende Koxarthrose links, leichte Funktions-einschränkung der Hüftgelenke, leichte Gangstörung
4. Leichte Funktionseinschränkung beider Kniegelenke, rechts mehr als links, röntgenologisch beginnende Gonarthrose rechts
Bereits diese orthopädischen Leiden führten dazu, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt täglich und regelmäßig bei Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen 3 bis unter 6 Stunden eine leichte Arbeit täglich verrichten konnte. Hingegen war ihm eine vollschichtige Tätigkeit aufgrund der oben von 1. bis 4. genannten degenerativen Erkrankungen und verbunden mit dem erheblichen Übergewicht nicht mehr zumutbar. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere auch aus dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. L vom 12. November 2007. Der Sachverständige hat die genannten Befunde in überzeugender Weise und sachkundig erhoben und überzeugende sozialmedizinische Schlussfolgerungen gezogen. Er setzt sich insbesondere auch nicht in Widerspruch zu den vorangegangenen Begutachtungen, weil diese im Jahre 2005 erstattet wurden und den Zustand des Klägers ab dem Jahre 2006 nicht beurteilen konnten. Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Sachverständigen ergeben sich für den Senat auch nicht etwa deswegen, weil bei den oben zu 1. bis 4. festgestellten Gesundheitsstörungen überwiegend leichte und mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben werden, denn der Sachverständige hat in überzeugender Weise ausgeführt, dass diese zahlreichen Funktionsbeeinträchtigungen durch ihr zusammenwirken und insbesondere auch in Kombination mit dem deutlichen Übergewicht des Klägers zu der Schlussfolgerung führen müssen, dass jedenfalls ein 6-stündiges zumutbares Arbeitsvermögen täglich nicht mehr gegeben ist.
Der Kläger konnte die Rentengewährung auch zu Recht mit Wirkung vom 01. August 2006 verlangen. Dies ergibt sich aus § 101 Abs. 1 SGB VI. Hiernach werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Wie bereits ausgeführt, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls im Januar 2006 eingetreten, was einen Rentenbeginn ab dem Monat August 2006 zulässt. Die notwendige Befristung der Rente des Klägers folgt aus § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI im Umkehrschluss, weil diese Vorschrift eine unbefristete Rentengewährung nur für den Fall der arbeitsmarktunabhängigen Renten-gewährung zulässt, während vorliegend die Rente – wie ausgeführt – in Abhängigkeit von der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes gewährt wird. Der Senat hielt nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI zunächst eine dreijährige Befristung bis zum 31. Juli 2009 für sachgerecht. Danach war – auch im Hinblick auf die von der Beklagten ohnehin mit Wirkung vom Februar 2010 ausgesprochene unbefristete Rentengewährung - mit Wirkung bereits vom 01. August 2009 eine unbefristete Rente zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem ursprünglichen Begehren vor dem 01. August 2006 im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 nicht erfüllt sind.
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