L 27 P 47/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 P 125/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 47/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I aus der sozialen Pflegeversicherung.

Der 1999 geborene Kläger leidet u.a. an einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität. Auf dessen Antrag vom 3. September 2008 holte die Beklagte das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft B vom 17. Oktober 2008 ein, die eine erhebliche Pflegebedürftigkeit verneinte: Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 18 Minuten; der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasse 0 Minuten pro Tag. Dem Gutachten folgend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2009 ab.

Mit der bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat das Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. B vom 26. November 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 6. Februar 2010 eingeholt, die eine tägliche Grundpflegezeit von 18 Minuten ermittelt hat. Im Einzelnen hat die Sachverständige ausgeführt, dass der Kläger im Bereich der Körperpflege Hilfe in Form der Teilübernahme beim abendlichen Duschen zum Nachwaschen und Eincremen benötige (3 min.). Bei der Zahnpflege seien mehrfache Aufforderungen notwendig (2 min.), beim Kämmen teilweise das Nachkämmen (2 min.). Bei der Darm- und Blasenentleerung habe der Kläger einen Hilfebedarf, wenn er nachts manchmal einnässe (5 min.). Im Bereich der Ernährung bestehe situativ vor allem abends ein Teilhilfebedarf in Form der mundgerechten Zubereitung der Nahrung (2 min.). Der Kläger bedürfe im Bereich der Mobilität situativ der Hilfe beim An- und Auskleiden vor allem dann, wenn er unter Beinschmerzen leide (2 min.). Bei dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei ein Hilfebedarf insoweit zu berücksichtigen, als der Kläger einmal wöchentlich von der Mutter nach Abschluss der Therapie abgeholt werde (2 min.).

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nicht erfülle. Den zutreffenden Ausführungen der Gutachterin Dr. B. werde gefolgt, da die Einwände des Klägers nicht überzeugend seien: Der geltend gemachte Hilfebedarf in Form der Beaufsichtigung beim Baden und der Teilwäsche morgens könne nicht berücksichtigt werden. Der klägerische Vortrag, er benötige insbesondere bei der Aufnahme der Nahrung einer täglichen Hilfe von 30 Minuten, sei nicht nachvollziehbar. Zu Recht verweise die Sachverständige darauf, dass der Kläger ein normgerechtes Gewicht aufweise und dass die ständigen Impulsgaben durch die Mutter zu einem vermehrten Essen die Entwicklung eines Hungergefühls bei der Folgemahlzeit verhinderten. Der Kläger nutze offensichtlich die Nahrungsaufnahme zu einer Art Machtkampf. Er sei durchaus in der Lage, rasch zu essen, wie die Mitarbeiterin des Horts angegeben habe. Dies habe auch während der Begutachtung beobachtet werden können. Es handele sich offenbar um ein Erziehungsproblem. Der Vortrag des Klägers, er benötige im Bereich der Mobilität regelmäßig Hilfe beim Aufstehen sowie beim An- und Auskleiden, sei nicht nachvollziehbar. Letzteres habe er in Gegenwart der Gutachterin im Wesentlichen selbständig demonstrieren können. Eine Hilfestellung bei gelegentlichen Schwierigkeiten, das Hochbett zu verlassen, sei ebenso wenig berücksichtigungsfähig wie die Begleitung des Klägers auf dem Schulweg.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat den Arztbrief der Kinder- und Jugendpsychiaterin K vom 23. August 2010 sowie den Entlassungsbrief der Kinderklinik an der Charité vom 19. April 2010 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 19. bis zum 30. Januar 2010 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2009 zu verurteilen, ihm ab 3. September 2008 Leistungen der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Juli 2009 abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I oder höher.

Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen sozialgerichtlichen Entscheidung und sieht nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der von Kinder- und Jugendpsychiaterin K im Arztbrief vom 23. August 2010 (nicht näher beschriebene) erhöhte Betreuungs-, Anleitungs- und Beaufsichtigungsaufwand ist von der Sachverständigen Dr. B berücksichtigt und überzeugend mit einem Zeitaufwand von 18 Minuten bewertet worden. Damit ist die Zuordnung des Klägers zu der Pflegestufe I nicht möglich. Denn sie setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI voraus, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, hat hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten zu betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Eine Hilfebedarf in diesem Umfang wird auch nicht erreicht, wenn der Vortrag des Klägers, er nässe nach der Trennung seiner Eltern nunmehr zwei- bis dreimal in der Woche nachts ein. Zusätzlich zu den bereits von der Sachverständigen angesetzten 5 Minuten im Bereich der Darm-/Blasenentleerung wären im Wochenschnitt höchstens weitere 5 Minuten für den Wäschewechsel des Klägers zu berücksichtigen, wenn es zu einer Durchfeuchtung der in die Unterhose eingelegten Vliesvorlagen gekommen sein würde. Entsprechendes gilt für die - unterstellten – Hilfeleistungen, falls der Kläger aufgrund von Schmerzen in den Beinen nicht in der Lage sein sollte, sein Hochbett zu erreichen, da sie nur wenige Minuten erforderten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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