Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1951/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 224/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum ab dem 1. August 1997 versicherungs-pflichtig bei der Beigeladenen zu 2) beschäftigt gewesen ist.
Der im Jahre 1973 geborene Beigeladene zu 1) war der Klägerin seit März 1990 als versiche-rungspflichtig Beschäftigter der Beigeladenen zu 2) gemeldet. Diese war im Juli 1979 von den Eltern des Beigeladenen zu 1) gegründet worden, der Vater wurde Mehrheitsgesellschafter (zu 95 v.H.) und (alleiniger) Geschäftsführer.
Der Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 30. Juni 2005 bei der Beklagten eine Überprüfung der sozialversicherungspflichtigen Beurteilung seiner Tätigkeit bei der Beigela-denen zu 2) und bat um Bestätigung, dass er seit dem 18. Juli 1994 nicht sozialversicherungs-pflichtig sei. Er legte (u.a.) einen Feststellungsbogen mit Angaben zu seinem Beschäftigungs-verhältnis und eine Bestätigung seines Vaters vor, dass er eine im März 1990 begonnene Aus-bildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann 1993 abgeschlossen habe, seit Juli 1994 Kon-tovollmacht habe und Teil der Geschäftsführung sei sowie seit Juli 1997 (Eintrag in das Han-delsregister zum 1. August 1997) Vollprokura erhalten habe. Ab dem 1. März 2002 habe er der Beigeladenen zu 2) auch Büroräume für monatlich 480,00 Euro vermietet.
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 zu der von ihr beabsich-tigten Entscheidung eines "sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses" ab dem 1. August 1997 an, die allerdings mit Schreiben vom 9. Februar 2006 auf eine Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hinwies, an die sie den Vorgang wei-tergeleitet habe. Letztere erklärte mit Schreiben vom 10. März 2006 (Eingang bei der Beklag-ten am 20. März 2006), dass nach ihrer Auffassung auch nach dem 1. August 1997 von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen sei.
Durch Bescheid vom 14. März 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. August 1997 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Erteilung der Einzelprokura sei eine unmittelbare Weisungsgebundenheit nicht mehr gegeben gewesen. Aufgrund besonde-rer Fachkenntnisse habe der Beigeladene zu 1) in maßgeblicher Weise an der Führung des Un-ternehmens mitgewirkt, seine Tätigkeit sei durch familienhafte Rücksichtnahme und gleichbe-rechtigtes Nebeneinander gekennzeichnet gewesen.
Mit Schreiben vom 10. April 2006 beantragte der Beigeladene zu 1) über die Beklagte bei der Klägerin die Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis 28. Februar 2006 unter Vorlage des Bescheides vom 14. März 2006.
Mit der am 20. Juli 2006 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 14. März 2006 begehrt, soweit er die Auf-hebung der Rentenversicherungspflicht ab dem 1. August 1997 feststellt. Die nur eingeschränkt erteilte Prokura spreche dagegen, dass der Beigeladene zu 1) als gleichberechtigter Partner angesehen werden könne.
Der Beigeladene zu 1) hat, vor dem Sozialgericht persönlich gehört, erklärt, dass er deswegen nicht zum Geschäftsführer bestellt worden sei, weil er sich Förderungsmöglichkeiten für die Aufnahme einer eigenen selbständigen Tätigkeit offen halten wollte. Als Geschäftsführer hätte er auch nicht mehr die Möglichkeit gehabt, als Zeuge für die GmbH auszusagen. Zu einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen sei es bisher nicht gekommen, weil auch seine Ge-schwister hätten berücksichtigt werden müssen. Er habe der Beigeladenen zu 2) Darlehen ge-währt und für sie Bürgschaften übernommen. Dazu hat er entsprechende Bestätigungen vorge-legt. Sein Vater beschäftige sich im Wesentlichen noch mit Numismatik, sei über die laufenden Entwicklungen im Schmierölbereich und die aktuellen Geschäfte nicht mehr auf dem Laufen-den. Er – der Beigeladene zu 1) – suche noch seinen geschäftlichen Rat, treffe die Entschei-dungen aber allein.
Der Vater des Beigeladenen zu 1) hat gegenüber dem Sozialgericht schriftlich erklärt, dass er das Unternehmen Mitte 1997 in die Hände seines Sohnes gelegt habe, seitdem belaufe sich der zeitliche Umfang seines Engagements auf null. Er könne und wolle die Tätigkeiten seines Soh-nes nicht überwachen. Wenn sein Sohn einen formellen Gesellschafterbeschluss brauche, wer-de auf Anforderung ein entsprechender Beschluss gefasst. Weitergehende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen gebe es nicht.
Durch Urteil vom 18. April 2008 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid aufgeho-ben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) seit dem 1. August 1997 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Die Klagefrist von einem Jahr sei eingehalten, das Klagerecht nicht allein dadurch verwirkt, dass bei Klageerhebung bereits drei Monate seit Kenntnisnahme des Bescheides ver-strichen waren. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl die Beklagte als auch die Beigeladenen zu 1) und 2) gewusst hätten, dass das Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2005 deshalb unbeantwortet geblieben gewesen sei, weil es bei der Klägerin in Verlust geraten sei. In der Sache sei die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine abhängige Beschäftigung vorliege. Zu Unrecht seien die Beigeladenen zu 1) und 2) der Auffas-sung, dass die Klägerin im Klagewege allein gegen eine Verletzung ihrer Beteiligungsrechte, nicht aber gegen eine inhaltlich unzutreffende Entscheidung vorgehen könne. Für eine entspre-chende Einschränkung des Klagerechts fände sich im Gesetz nämlich keine Grundlage. Die Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) ergebe sich daraus, dass er nicht Gesellschafter und Geschäftsführer sondern Prokurist sei. Zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen gehöre auch eine eingeräumte Rechtsmacht, unabhängig von ihrer Ausübung. Eine familien-hafte Rücksichtnahme schließe das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus. Der Beigeladene zu 1) trage auch kein Unternehmerrisiko, da er sein Gehalt unabhängig von dem Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft erziele. Demgegenüber fielen die Gewährung von – mittlerweile überwiegend zurückgezahlten - Darlehen sowie die Vermietung von Geschäfts-räumen nicht wesentlich ins Gewicht.
Gegen das ihm am 28. April 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Mai 2008 eingegan-gene Berufung des Beigeladenen zu 1). Er lässt vortragen, dass die Klage schon unzulässig sei. Die Klage sei verfristet, das Klagerecht – wenn überhaupt bestehend - verwirkt. Das Urteil des Sozialgerichts sei auch auf eine unmögliche Entscheidung gerichtet. Die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung allein für die Rentenversicherung widerspreche dem einheitlichen Beschäftigungsbegriff des Sozialversicherungsrechts. Die Klägerin habe kein Klagerecht, da ihre eigenen rechtlichen Interessen durch die Entscheidung der Beklagten nicht betroffen seien. Nicht sie, sondern die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg sei die für die Durch-führung einer Betriebsprüfung zuständige Stelle. Die Klage sei aber auch unbegründet, da die Beklagte zutreffend festgestellt habe, dass er - der Beigeladene zu 1) - nicht beschäftigt sei. Das Sozialgericht habe allein auf formale Gegebenheiten abgestellt und sich der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit verschlossen. Es seien aber weder seine betriebliche Eingliederung noch eine Weisungsbindung ersichtlich. Die formale Rechtsmacht des Vaters sei dadurch rela-tiviert, dass dieser faktisch verhindert sei, sie auszuüben, weil er sich vollständig aus dem Fa-milienbetrieb zurückgezogen habe und seine an Multipler Sklerose erkrankte Ehefrau pflege. Er - der Beigeladene zu 1) - trage auch ein unternehmerisches Risiko, da er als faktischer Ge-schäftsführer der Haftung unterliege und dem Unternehmen darüber hinaus im erheblichen Umfang eigene Mittel zur Verfügung gestellt sowie selbstschuldnerische Bürgschaften über-nommen habe.
Der Beigeladene zu 1) und die Beklagte beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2008 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Klägerin und Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegens-tand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - zulässig.
Vor Erhebung der Anfechtungsklage bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGG ist.
Die Klägerin ist auch klagebefugt, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Sie macht geltend, durch den Be-scheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ist der Verwal-tungsakt wie hier gegenüber einem Dritten ergangen, ist eine Rechtsverletzung möglich, sofern zumindest mittelbar eigene rechtliche Interessen der Klägerin betroffen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rdnr. 14 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSGE 61, 27). Eine solche rechtliche Beschwer der Klägerin besteht hier. Die Feststellungen der Beklagten zur Versicherungsfreiheit haben Aus-wirkung auf die Beitragsansprüche der Klägerin.
Die Klage ist auch fristgemäß erhoben. Die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG beginnt gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtsmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist war deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Frist von einem Jahr seit Bekanntgabe maßgebend. Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Klagerechts sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage für begründet gehalten. Personen, die gegen Arbeits-entgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Rentenver-sicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -). Das Vorliegen einer ab-hängigen Beschäftigung bestimmt sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch - SGB IV –. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung um-fassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentli-chen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungs-mäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild, das sich zwar nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt, zu denen aber auch die rechtlich relevanten Umstände zählen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Be-schäftigung erlauben. Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Auszugehen für die Beurteilung einer Beschäftigung ist zunächst vom Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung geht zwar der nur formellen Vereinbarung vor. Aus der Nichtausübung eines Rechts sind aber solange keine Schlüsse zu ziehen, wie die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Bei den tatsächlichen Verhältnissen ist daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Be-teiligten zustehende Rechtsmacht zu berücksichtigen (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45, vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris).
Diese Grundsätze gelten auch bei einer Tätigkeit in dem Betrieb eines Familienangehörigen. Auch hier ist die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, einer Mit¬unternehmerschaft oder einer nur familienhaften Mitarbeit unter Berücksichtigung aller Um-stände des Einzelfalles vorzunehmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Indessen ist nach der zu Familiengesellschaften mbH ergangenen Rechtsspre-chung des BSG bei Mitarbeit eines Familienangehörigen trotz fehlender Beteiligung am Ge-sellschaftskapital eine selbständige Tätigkeit anzunehmen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die etwa dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird, oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksicht-nahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere anzu-nehmen, wenn jemand - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund von verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Un-ternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R -).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist – mit dem Sozialgericht - von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV auszugehen. Mehrheitsge-sellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2) war der Vater des Beigeladenen zu 1). Noch vor dem Sozialgericht hat der Beigeladene zu 1) bestätigt, dass es bislang zu keiner Übertragung von Gesellschaftsanteilen gekommen ist.
Das sich aus der Stellung als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter ergebende Wei-sungsrecht gegenüber dem Beigeladenen zu 1) wird nicht dadurch hinfällig, dass es nie prakti-ziert worden sein mag, worauf allerdings die von dem Vater gegenüber dem Sozialgericht ab-gegebene Erklärung hindeutet. Entscheidend ist nämlich nicht die tatsächliche regelmäßige Ausübung des Weisungsrechtes, sondern dessen rechtlicher Bestand. Da das aus der Betriebs¬inhaberschaft und der Stellung als Geschäftsführer herrührende Weisungsrecht nie formell wirksam aufgehoben worden ist, hätte es in einem Konfliktfall ausgeübt werden können. Dafür spricht schon, dass der Beigeladene zu 1) in bestimmten Fällen auf "formelle" Gesellschafter-beschlüsse angewiesen ist, die er alleine nicht rechtlich wirksam herbeiführen kann. Auch dies hat sein Vater schriftlich gegenüber dem Sozialgericht bestätigt. Dass ein Konfliktfall zwischen dem Beigeladenen zu 1), dem die Führung jedenfalls der laufenden Tagesgeschäfte übertragen wurde und seinem Vater, der rechtlich Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Firma geblieben ist, bislang nicht eingetreten sein mag, ist für die rechtliche Bewertung unerheblich.
Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) kann auch nicht deswegen als selbständig angesehen werden, weil er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken hätte führen können. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf zu verweisen, dass allein die Überlassung weitreichender Entscheidungsbefugnisse nicht ausreicht, um den Status als abhängig Beschäftigter aufzuheben. Entsprechende Befugnisse sind etwa auch für leitende Angestellte in Großunternehmen typisch, die deswegen aber noch nicht als selbständi-ge Unternehmer anzusehen sind. An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich nichts allein des-wegen, weil der Inhaber des Betriebes mit demjenigen verwandt ist, dem die Führung der tägli-chen Geschäfte übertragen ist. Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die belegen, dass eine Einflussnahme des Inhabers auf alle geschäftlichen Angelegenheiten faktisch ausge-schlossen ist. Solche Umstände fehlen hier aber. Selbst wenn der Inhaber der Beigeladenen zu 2) bislang nicht in die Führung der Geschäfte durch den Beigeladenen zu 1) eingegriffen haben sollte, belegt dies nicht, dass er dazu nicht in der Lage war und sich sein Stellung als Mehr-heitsgesellschafter und Geschäftsführer insoweit als "leere Hülse" darstellen würde. Der Vater des Beigeladenen zu 1) hat den Betrieb unstreitig in der Vergangenheit selbst geführt. Der Bei-geladene zu 1) hat selbst gegenüber dem Sozialgericht bestätigt, dass er in geschäftlichen An-gelegenheiten noch heute den Rat seines Vaters sucht. Demnach ist nur erkennbar, dass der Mehrheitsgesellschafter und Inhaber der Beigeladenen zu 2) sich bislang aus der Führung der Geschäfte durch den Beigeladenen zu 1) herausgehalten hat, aber nicht, dass er nicht (mehr) in der Lage wäre, sich ein eigenes Urteil über die Lage des Betriebs jedenfalls in grundsätzlichen Angelegenheiten zu bilden und diesem entsprechend zu handeln. Der Beigeladene zu 1) ver-kennt, dass er aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nur solange "schalten und walten" kann, wie sein Vater damit einverstanden ist. Die fortbestehende Möglichkeit zum Entzug dieses Einverständnisses unterscheidet den Beigeladenen zu 1) von der Stellung eines Betriebsinhabers.
Im Übrigen belegt das gelebte Rechtsverhältnis, dass die Beteiligten zunächst selbst davon ausgingen, dass der Beigeladene zu 1) auch nach dem 1. August 1997 noch abhängig beschäf-tigt war. Entsprechend wurde er zur Sozialversicherung angemeldet und wurden die an ihn gezahlten Löhne steuerlich als Betriebsausgaben geltend gemacht. Dass die Beigeladenen ihre vorherige Bewertung nun im Nachhinein deswegen in Frage stellen, weil sie sich finanzielle Vorteile davon versprechen, entwertet die Aussagekraft des vorherigen gelebten Rechtsver-hältnisses nicht.
Die aus der fehlenden Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer und dem gelebten Rechtsverhältnis stammenden Umstände, die auf eine abhängige Beschäftigung hindeutenden, werden im Rahmen der anzustellenden Gesamtabwägung nicht durch andere Gegebenheiten in den Hintergrund gedrängt. Für eine abhängige Beschäftigung spricht weiter, dass der Beigela-dene zu 1) monatliche Entgeltzahlungen erhalten hat, die – jedenfalls im Kern – von dem je-weiligen Betriebsergebnis unabhängig waren. Das Entgelt ging auch erheblich über bloße Un-terhaltsleistungen hinaus, so dass nicht von einer versicherungsfreien familienhaften Mithilfe ausgegangen werden kann. Zwar war der Beigeladene zu 1) durch seine Mithaftung für betrieb-liche Schulden gegenüber der Bank höheren Risiken ausgesetzt, als es für einen Arbeitnehmer typisch wäre. Insoweit ist die Mithaftung aber auf seine familienhafte Verbindung zum Be-triebsinhaber zurückzuführen, sie kennzeichnet ihn nicht als Unternehmer.
Die Klage war auch in Hinblick auf den Feststellungsantrag zulässig und begründet. Das Fest-stellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozi-algerichtsgesetzes - SGG - dar (vgl. bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -). § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung zwar nicht ausdrücklich, dass eine Feststel-lung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritäts-grundsatz gleichwohl auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An die-sem fehlte es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gäbe oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage indessen nur zur Aufhebung des Versicherungspflicht verneinenden Bescheides der Beklagten und nicht auch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegen-über rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen zu 3) und 4) aus deren Sicht begünstigende Bescheid aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grun-de liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -), so dass letztere zulässig ist. Dass der Beigeladene zu 1) abhängig beschäftigt gewesen ist, ergibt sich aus dem oben Erörterten.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, da der Beigeladene zu 1) Berufungskläger ist und zum Personenkreis des § 183 SGG gehört.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersicht-lich.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum ab dem 1. August 1997 versicherungs-pflichtig bei der Beigeladenen zu 2) beschäftigt gewesen ist.
Der im Jahre 1973 geborene Beigeladene zu 1) war der Klägerin seit März 1990 als versiche-rungspflichtig Beschäftigter der Beigeladenen zu 2) gemeldet. Diese war im Juli 1979 von den Eltern des Beigeladenen zu 1) gegründet worden, der Vater wurde Mehrheitsgesellschafter (zu 95 v.H.) und (alleiniger) Geschäftsführer.
Der Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 30. Juni 2005 bei der Beklagten eine Überprüfung der sozialversicherungspflichtigen Beurteilung seiner Tätigkeit bei der Beigela-denen zu 2) und bat um Bestätigung, dass er seit dem 18. Juli 1994 nicht sozialversicherungs-pflichtig sei. Er legte (u.a.) einen Feststellungsbogen mit Angaben zu seinem Beschäftigungs-verhältnis und eine Bestätigung seines Vaters vor, dass er eine im März 1990 begonnene Aus-bildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann 1993 abgeschlossen habe, seit Juli 1994 Kon-tovollmacht habe und Teil der Geschäftsführung sei sowie seit Juli 1997 (Eintrag in das Han-delsregister zum 1. August 1997) Vollprokura erhalten habe. Ab dem 1. März 2002 habe er der Beigeladenen zu 2) auch Büroräume für monatlich 480,00 Euro vermietet.
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 zu der von ihr beabsich-tigten Entscheidung eines "sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses" ab dem 1. August 1997 an, die allerdings mit Schreiben vom 9. Februar 2006 auf eine Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hinwies, an die sie den Vorgang wei-tergeleitet habe. Letztere erklärte mit Schreiben vom 10. März 2006 (Eingang bei der Beklag-ten am 20. März 2006), dass nach ihrer Auffassung auch nach dem 1. August 1997 von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen sei.
Durch Bescheid vom 14. März 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. August 1997 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Erteilung der Einzelprokura sei eine unmittelbare Weisungsgebundenheit nicht mehr gegeben gewesen. Aufgrund besonde-rer Fachkenntnisse habe der Beigeladene zu 1) in maßgeblicher Weise an der Führung des Un-ternehmens mitgewirkt, seine Tätigkeit sei durch familienhafte Rücksichtnahme und gleichbe-rechtigtes Nebeneinander gekennzeichnet gewesen.
Mit Schreiben vom 10. April 2006 beantragte der Beigeladene zu 1) über die Beklagte bei der Klägerin die Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis 28. Februar 2006 unter Vorlage des Bescheides vom 14. März 2006.
Mit der am 20. Juli 2006 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 14. März 2006 begehrt, soweit er die Auf-hebung der Rentenversicherungspflicht ab dem 1. August 1997 feststellt. Die nur eingeschränkt erteilte Prokura spreche dagegen, dass der Beigeladene zu 1) als gleichberechtigter Partner angesehen werden könne.
Der Beigeladene zu 1) hat, vor dem Sozialgericht persönlich gehört, erklärt, dass er deswegen nicht zum Geschäftsführer bestellt worden sei, weil er sich Förderungsmöglichkeiten für die Aufnahme einer eigenen selbständigen Tätigkeit offen halten wollte. Als Geschäftsführer hätte er auch nicht mehr die Möglichkeit gehabt, als Zeuge für die GmbH auszusagen. Zu einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen sei es bisher nicht gekommen, weil auch seine Ge-schwister hätten berücksichtigt werden müssen. Er habe der Beigeladenen zu 2) Darlehen ge-währt und für sie Bürgschaften übernommen. Dazu hat er entsprechende Bestätigungen vorge-legt. Sein Vater beschäftige sich im Wesentlichen noch mit Numismatik, sei über die laufenden Entwicklungen im Schmierölbereich und die aktuellen Geschäfte nicht mehr auf dem Laufen-den. Er – der Beigeladene zu 1) – suche noch seinen geschäftlichen Rat, treffe die Entschei-dungen aber allein.
Der Vater des Beigeladenen zu 1) hat gegenüber dem Sozialgericht schriftlich erklärt, dass er das Unternehmen Mitte 1997 in die Hände seines Sohnes gelegt habe, seitdem belaufe sich der zeitliche Umfang seines Engagements auf null. Er könne und wolle die Tätigkeiten seines Soh-nes nicht überwachen. Wenn sein Sohn einen formellen Gesellschafterbeschluss brauche, wer-de auf Anforderung ein entsprechender Beschluss gefasst. Weitergehende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen gebe es nicht.
Durch Urteil vom 18. April 2008 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid aufgeho-ben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) seit dem 1. August 1997 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Die Klagefrist von einem Jahr sei eingehalten, das Klagerecht nicht allein dadurch verwirkt, dass bei Klageerhebung bereits drei Monate seit Kenntnisnahme des Bescheides ver-strichen waren. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl die Beklagte als auch die Beigeladenen zu 1) und 2) gewusst hätten, dass das Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2005 deshalb unbeantwortet geblieben gewesen sei, weil es bei der Klägerin in Verlust geraten sei. In der Sache sei die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine abhängige Beschäftigung vorliege. Zu Unrecht seien die Beigeladenen zu 1) und 2) der Auffas-sung, dass die Klägerin im Klagewege allein gegen eine Verletzung ihrer Beteiligungsrechte, nicht aber gegen eine inhaltlich unzutreffende Entscheidung vorgehen könne. Für eine entspre-chende Einschränkung des Klagerechts fände sich im Gesetz nämlich keine Grundlage. Die Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) ergebe sich daraus, dass er nicht Gesellschafter und Geschäftsführer sondern Prokurist sei. Zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen gehöre auch eine eingeräumte Rechtsmacht, unabhängig von ihrer Ausübung. Eine familien-hafte Rücksichtnahme schließe das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus. Der Beigeladene zu 1) trage auch kein Unternehmerrisiko, da er sein Gehalt unabhängig von dem Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft erziele. Demgegenüber fielen die Gewährung von – mittlerweile überwiegend zurückgezahlten - Darlehen sowie die Vermietung von Geschäfts-räumen nicht wesentlich ins Gewicht.
Gegen das ihm am 28. April 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Mai 2008 eingegan-gene Berufung des Beigeladenen zu 1). Er lässt vortragen, dass die Klage schon unzulässig sei. Die Klage sei verfristet, das Klagerecht – wenn überhaupt bestehend - verwirkt. Das Urteil des Sozialgerichts sei auch auf eine unmögliche Entscheidung gerichtet. Die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung allein für die Rentenversicherung widerspreche dem einheitlichen Beschäftigungsbegriff des Sozialversicherungsrechts. Die Klägerin habe kein Klagerecht, da ihre eigenen rechtlichen Interessen durch die Entscheidung der Beklagten nicht betroffen seien. Nicht sie, sondern die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg sei die für die Durch-führung einer Betriebsprüfung zuständige Stelle. Die Klage sei aber auch unbegründet, da die Beklagte zutreffend festgestellt habe, dass er - der Beigeladene zu 1) - nicht beschäftigt sei. Das Sozialgericht habe allein auf formale Gegebenheiten abgestellt und sich der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit verschlossen. Es seien aber weder seine betriebliche Eingliederung noch eine Weisungsbindung ersichtlich. Die formale Rechtsmacht des Vaters sei dadurch rela-tiviert, dass dieser faktisch verhindert sei, sie auszuüben, weil er sich vollständig aus dem Fa-milienbetrieb zurückgezogen habe und seine an Multipler Sklerose erkrankte Ehefrau pflege. Er - der Beigeladene zu 1) - trage auch ein unternehmerisches Risiko, da er als faktischer Ge-schäftsführer der Haftung unterliege und dem Unternehmen darüber hinaus im erheblichen Umfang eigene Mittel zur Verfügung gestellt sowie selbstschuldnerische Bürgschaften über-nommen habe.
Der Beigeladene zu 1) und die Beklagte beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2008 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Klägerin und Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegens-tand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - zulässig.
Vor Erhebung der Anfechtungsklage bedurfte es keines Vorverfahrens, weil die Klägerin ein Versicherungsträger nach der Ausnahmevorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGG ist.
Die Klägerin ist auch klagebefugt, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Sie macht geltend, durch den Be-scheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ist der Verwal-tungsakt wie hier gegenüber einem Dritten ergangen, ist eine Rechtsverletzung möglich, sofern zumindest mittelbar eigene rechtliche Interessen der Klägerin betroffen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rdnr. 14 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSGE 61, 27). Eine solche rechtliche Beschwer der Klägerin besteht hier. Die Feststellungen der Beklagten zur Versicherungsfreiheit haben Aus-wirkung auf die Beitragsansprüche der Klägerin.
Die Klage ist auch fristgemäß erhoben. Die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG beginnt gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen, wenn der "Beteiligte" über den Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Die Klägerin ist Beteiligte, auch wenn sie als mittelbare Bundesverwaltung keiner Rechtsmittelbelehrung bedarf. Beteiligte sind nämlich nach § 69 SGG (alle) Kläger. Statt der Monatsfrist war deshalb gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Frist von einem Jahr seit Bekanntgabe maßgebend. Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Klagerechts sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage für begründet gehalten. Personen, die gegen Arbeits-entgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Rentenver-sicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -). Das Vorliegen einer ab-hängigen Beschäftigung bestimmt sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch - SGB IV –. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung um-fassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentli-chen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungs-mäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild, das sich zwar nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt, zu denen aber auch die rechtlich relevanten Umstände zählen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Be-schäftigung erlauben. Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Auszugehen für die Beurteilung einer Beschäftigung ist zunächst vom Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung geht zwar der nur formellen Vereinbarung vor. Aus der Nichtausübung eines Rechts sind aber solange keine Schlüsse zu ziehen, wie die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Bei den tatsächlichen Verhältnissen ist daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Be-teiligten zustehende Rechtsmacht zu berücksichtigen (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45, vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris).
Diese Grundsätze gelten auch bei einer Tätigkeit in dem Betrieb eines Familienangehörigen. Auch hier ist die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, einer Mit¬unternehmerschaft oder einer nur familienhaften Mitarbeit unter Berücksichtigung aller Um-stände des Einzelfalles vorzunehmen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Indessen ist nach der zu Familiengesellschaften mbH ergangenen Rechtsspre-chung des BSG bei Mitarbeit eines Familienangehörigen trotz fehlender Beteiligung am Ge-sellschaftskapital eine selbständige Tätigkeit anzunehmen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die etwa dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird, oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksicht-nahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere anzu-nehmen, wenn jemand - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund von verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Un-ternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R -).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist – mit dem Sozialgericht - von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV auszugehen. Mehrheitsge-sellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2) war der Vater des Beigeladenen zu 1). Noch vor dem Sozialgericht hat der Beigeladene zu 1) bestätigt, dass es bislang zu keiner Übertragung von Gesellschaftsanteilen gekommen ist.
Das sich aus der Stellung als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter ergebende Wei-sungsrecht gegenüber dem Beigeladenen zu 1) wird nicht dadurch hinfällig, dass es nie prakti-ziert worden sein mag, worauf allerdings die von dem Vater gegenüber dem Sozialgericht ab-gegebene Erklärung hindeutet. Entscheidend ist nämlich nicht die tatsächliche regelmäßige Ausübung des Weisungsrechtes, sondern dessen rechtlicher Bestand. Da das aus der Betriebs¬inhaberschaft und der Stellung als Geschäftsführer herrührende Weisungsrecht nie formell wirksam aufgehoben worden ist, hätte es in einem Konfliktfall ausgeübt werden können. Dafür spricht schon, dass der Beigeladene zu 1) in bestimmten Fällen auf "formelle" Gesellschafter-beschlüsse angewiesen ist, die er alleine nicht rechtlich wirksam herbeiführen kann. Auch dies hat sein Vater schriftlich gegenüber dem Sozialgericht bestätigt. Dass ein Konfliktfall zwischen dem Beigeladenen zu 1), dem die Führung jedenfalls der laufenden Tagesgeschäfte übertragen wurde und seinem Vater, der rechtlich Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Firma geblieben ist, bislang nicht eingetreten sein mag, ist für die rechtliche Bewertung unerheblich.
Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) kann auch nicht deswegen als selbständig angesehen werden, weil er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken hätte führen können. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf zu verweisen, dass allein die Überlassung weitreichender Entscheidungsbefugnisse nicht ausreicht, um den Status als abhängig Beschäftigter aufzuheben. Entsprechende Befugnisse sind etwa auch für leitende Angestellte in Großunternehmen typisch, die deswegen aber noch nicht als selbständi-ge Unternehmer anzusehen sind. An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich nichts allein des-wegen, weil der Inhaber des Betriebes mit demjenigen verwandt ist, dem die Führung der tägli-chen Geschäfte übertragen ist. Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die belegen, dass eine Einflussnahme des Inhabers auf alle geschäftlichen Angelegenheiten faktisch ausge-schlossen ist. Solche Umstände fehlen hier aber. Selbst wenn der Inhaber der Beigeladenen zu 2) bislang nicht in die Führung der Geschäfte durch den Beigeladenen zu 1) eingegriffen haben sollte, belegt dies nicht, dass er dazu nicht in der Lage war und sich sein Stellung als Mehr-heitsgesellschafter und Geschäftsführer insoweit als "leere Hülse" darstellen würde. Der Vater des Beigeladenen zu 1) hat den Betrieb unstreitig in der Vergangenheit selbst geführt. Der Bei-geladene zu 1) hat selbst gegenüber dem Sozialgericht bestätigt, dass er in geschäftlichen An-gelegenheiten noch heute den Rat seines Vaters sucht. Demnach ist nur erkennbar, dass der Mehrheitsgesellschafter und Inhaber der Beigeladenen zu 2) sich bislang aus der Führung der Geschäfte durch den Beigeladenen zu 1) herausgehalten hat, aber nicht, dass er nicht (mehr) in der Lage wäre, sich ein eigenes Urteil über die Lage des Betriebs jedenfalls in grundsätzlichen Angelegenheiten zu bilden und diesem entsprechend zu handeln. Der Beigeladene zu 1) ver-kennt, dass er aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nur solange "schalten und walten" kann, wie sein Vater damit einverstanden ist. Die fortbestehende Möglichkeit zum Entzug dieses Einverständnisses unterscheidet den Beigeladenen zu 1) von der Stellung eines Betriebsinhabers.
Im Übrigen belegt das gelebte Rechtsverhältnis, dass die Beteiligten zunächst selbst davon ausgingen, dass der Beigeladene zu 1) auch nach dem 1. August 1997 noch abhängig beschäf-tigt war. Entsprechend wurde er zur Sozialversicherung angemeldet und wurden die an ihn gezahlten Löhne steuerlich als Betriebsausgaben geltend gemacht. Dass die Beigeladenen ihre vorherige Bewertung nun im Nachhinein deswegen in Frage stellen, weil sie sich finanzielle Vorteile davon versprechen, entwertet die Aussagekraft des vorherigen gelebten Rechtsver-hältnisses nicht.
Die aus der fehlenden Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer und dem gelebten Rechtsverhältnis stammenden Umstände, die auf eine abhängige Beschäftigung hindeutenden, werden im Rahmen der anzustellenden Gesamtabwägung nicht durch andere Gegebenheiten in den Hintergrund gedrängt. Für eine abhängige Beschäftigung spricht weiter, dass der Beigela-dene zu 1) monatliche Entgeltzahlungen erhalten hat, die – jedenfalls im Kern – von dem je-weiligen Betriebsergebnis unabhängig waren. Das Entgelt ging auch erheblich über bloße Un-terhaltsleistungen hinaus, so dass nicht von einer versicherungsfreien familienhaften Mithilfe ausgegangen werden kann. Zwar war der Beigeladene zu 1) durch seine Mithaftung für betrieb-liche Schulden gegenüber der Bank höheren Risiken ausgesetzt, als es für einen Arbeitnehmer typisch wäre. Insoweit ist die Mithaftung aber auf seine familienhafte Verbindung zum Be-triebsinhaber zurückzuführen, sie kennzeichnet ihn nicht als Unternehmer.
Die Klage war auch in Hinblick auf den Feststellungsantrag zulässig und begründet. Das Fest-stellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozi-algerichtsgesetzes - SGG - dar (vgl. bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -). § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung zwar nicht ausdrücklich, dass eine Feststel-lung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritäts-grundsatz gleichwohl auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An die-sem fehlte es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gäbe oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage indessen nur zur Aufhebung des Versicherungspflicht verneinenden Bescheides der Beklagten und nicht auch zur Feststellung der Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegen-über rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar der die Beigeladenen zu 3) und 4) aus deren Sicht begünstigende Bescheid aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grun-de liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -), so dass letztere zulässig ist. Dass der Beigeladene zu 1) abhängig beschäftigt gewesen ist, ergibt sich aus dem oben Erörterten.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, da der Beigeladene zu 1) Berufungskläger ist und zum Personenkreis des § 183 SGG gehört.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersicht-lich.
Rechtskraft
Aus
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