Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 256/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 U 115/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Die Klagen gegen die Bescheide vom 23. April 2009 und 03. September 2008 werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung für Folgen zweier Berufskrankheiten des am 01. Januar 1944 geborenen und im Jahr 2008 verstorbenen H K (Versicherter). Die Klägerin ist seine Witwe, die zu Lebezeiten mit ihm in einem Haushalt gelebt hat. Der Versicherte war als Akustik-Fachkraft (Beschäftigter nach § 581 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung bzw. nach § 2 Abs.1 Nr.1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)) auf diversen Montagebaustellen (Abteilung Innenausbau, Erstellen von Treppenwänden und Decken) eingesetzt gewesen und arbeitete von 1965 bis 1976 asbestfaserstaubexponiert bei der Firma G in B. Die kumulative Dosis entsprach 1,5 Faserjahren. Im April 1994 leitete die Holzberufsgenossenschaft (Beklagte) aus Anlass einer Mitteilung der Krankenkasse des Versicherten ein Feststellungsverfahren über eine Berufskrankheit (BK) wegen einer Atemwegserkrankung ein. Im Rahmen der Ermittlungen wurden u. a. Auskünfte behandelnder Ärzte und ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Dr. S eingeholt. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 17. Februar 1997 zu der Beurteilung, es lägen in geringfügigem Ausmaß asbeststaubbedingte Pleuraveränderungen vor im Sinne einer BK 4103 der BKV ohne messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Mit Bescheid vom 24. April 1998 erkannte die Beklagte festgestellte Veränderungen der Pleura (Brustfell) als Folge einer beruflich bedingten Asbeststaubeinwirkung als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. mit Nr. 4103 Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) an. Ein Anspruch auf Rente wegen der BK bestehe nicht. Funktionsbeeinträchtigungen resultieren nicht aus lediglich geringfügigen Pleuraveränderungen. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit seinem am 16. Oktober 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Versicherte eine Rente unter Bezugnahme auf die asbeststaubverursachte Erkrankung der Pleura. Zur Begründung gab er an, dass er seit dem 01. Februar 2002 seine Berufstätigkeit aufgrund der BK nicht mehr ausführen könne.
Dr. S erstattete im April 2003 ein ärztliches Gutachten nach Aktenlage. Zusammenfassend gelangte er zu der Beurteilung, es lägen asbeststaubbedingte Pleuraveränderungen vor im Sinne von verkalkten Zwerchfellplaques. Es lasse sich derzeit noch ausschließen, dass eine Funktionsbeeinträchtigung in rentenrechtlichem Ausmaß bestehe.
Mit einfachem Schreiben ohne Rechtsmittelbelehrung teilte die Beklagte dem Versicherten am 24. April 2003 mit, die Auswertung der medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass in den Folgen der BK, wie sie bei Erlass des letzten maßgeblichen Bescheides vorgelegen hätten, keine Änderung eingetreten sei. Er habe weiterhin keinen Anspruch auf Rente, da eine berufsbedingte Funktionseinschränkung in rentenberechtigendem Maße nicht bestehe. Mit dem am 15. Mai 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben erklärte der Versicherte, er sei mit dem vorgenannten Schreiben der Beklagten nicht einverstanden und bat um Überprüfung.
Die Beklagte nahm Untersuchungsergebnisse der Ärzte für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. H und Arztbrief des Arztes für Innere Medizin/Kardiologie Dr. G vom 27. Januar 2004 zu einem transthorakalen Echo vom 24. Oktober 2003 zu den Akten und wies mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 den Widerspruch des Versicherten vom 07. November 2003 "gegen den Verwaltungsakt vom 24. April 2003 über die Ablehnung einer Rente" als unbegründet zurück.
Mit der am 17. Mai 2004 im Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage hatte der Versicherte seinen Anspruch auf Gewährung einer Rente weiterverfolgt. Seine behandelnden Ärzte seien der Auffassung, dass ein Grad der Behinderung von mindestens 20 v. H. vorhanden sei. Mit Schreiben vom 18. Februar 2002 habe der behandelnde Arzt K die Auffassung vertreten, dass die Belastbarkeit des Klägers deutlich eingeschränkt sei bei einer mäßiggradigen obstruktiven Ventilationsstörung bei asbestindudizierter Pleuraveränderung. Er übermittelte Attest von Dr. K vom 18. Januar 2002 und Arztbrief Dr. L vom 18. Februar 2004.
Der Versicherte hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen unter Aufhebung des Bescheides vom 24. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 ihm Rente wegen Berufskrankheit ausgehend von einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % zu bewilligen. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG holte ein Gutachten ein, das nach körperlicher Untersuchung des Versicherten am 30. November 2004 vom Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Inneres Dr. S- beim SG eingehend am 07. Januar 2005 – mit dem Ergebnis erstattet wurde, dass sich eine relevante MdE durch die anerkannte BK nicht hinreichend argumentativ begründen lasse.
Auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Oberarzt der Lungenklinik H Dr. N im Dezember 2005 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Versicherten vom 14. Oktober 2005. Im Laufe der Jahre sei es zu einer Zunahme der Obstruktion gekommen, ohne wesentliche Zeichen einer Restriktion, die Obstruktionsparameter lägen im altersgerechten Normbereich. Eine restriktive Ventilationsstörung als weitere kennzeichnende Lungenfunktionsstörung bei einer Asbestose liege nicht vor. Dennoch bewerte er die radiologischen Veränderungen, die erhebliche Einschränkung der Diffusionskapazität in Ruhe und unter Belastung, als auch die mäßiggradige Obstruktion als Folge der asbestinduzierten Erkrankung.Funktionsanalytisch sei es zu einer mäßiggradigen Zunahme der obstruktiven Ventilationsstörung seit 1997 gekommen. Auffällig sei eine Minderung der Diffusionskapazität bereits in Ruhe und eine grenzwertige Hypoxie. Diese Veränderungen seien aber bereits 1993 bzw. 1994 in ähnlichem Ausmaß gemessen worden. Eine relevante MdE lasse sich auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausreichend begründen.
Das SG hat mit Urteil vom 15. Juni 2006 ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen unter Bezugnahme auf die vorliegenden Gutachten.
Gegen das den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Versicherten am 05. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. August 2006 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung. Das SG lasse die Ausführungen von Dr. N weitgehend außer Acht. Auch wenn Dr. N keine relevante Verminderung der Erwerbsfähigkeit feststellen könne, könne dies nach den von ihm festgestellten Folgen der BK nicht nachvollzogen werden.
Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2006 und den Bescheid vom 24. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 sowie die Bescheide vom 03. September 2008 und vom 23. April 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 24. April 1998 zurückzunehmen und der Klägerin zur Entschädigung einer BK 4103 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen
ab Dezember 1993 mit einer MdE von 30 v. H., ab November 2002 nach einer MdE von 40. v. H. ab September 2003 nach einer MdE von 50 v.H. ab Februar 2004 nach einer MdE von 60 v. H.
sowie zur Entschädigung einer BK 4104 ab November 2007 eine Rente nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 03.September 2008 und 23.April 2009 abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Im Berufungsverfahren wurden Unterlagen behandelnder Ärzte beigezogen (von Dr. K und Dr. K und ein Gutachten eingeholt, das der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. G im September 2007 nach ambulanter Untersuchung des Versicherten am 02. Juli 2007 erstattete. Die BK-bedingte MdE beurteilte er mit 0. Mit Stellungnahme vom 17. Mai 2008 ergänzte der Sachverständige sein Gutachten im Hinblick auf Einwendungen des derzeitigen Prozessbevollmächtigten des Versicherten.
Die Beklagte nahm am 03. April 2008 ein Verwaltungsverfahren hinsichtlich einer BK nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV auf.
Der Internist und Pneumologe Dr. B erstattete der Beklagten mit Schreiben vom 29. April 2008 einen Bericht über die Untersuchung des Versicherten vom 03. April 2008. Ein CT des Kopfes zeigte einen cerebralen Tumor.
Mit dem am 26. Mai 2008 beim LSG eingegangenen Schreiben teilte der Versicherte mit, anlässlich seines Krankenhausaufenthaltes vom 08. April bis 20. Mai 2008 sei durch eine MRT-Untersuchung ein gestreutes Lungenkarzinom gefunden worden. Er übersandte Krankenunterlagen. Der Arztbrief aus der Poliklinik für Neurochirurgie der CB vom 22. April 2008 anlässlich des stationären Aufenthalts des Versicherten dort vom 04. April 2008 bis 17. April 2008 berichtet, dass sich am 08. April 2008 pulmonale Raumforderungen mit dem Aspekt eines Bronchialkarzinoms zeigten.
Der Versicherte starb am 06. Juni 2008.
Mit dem am 14. August 2008 beim Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, die Ehefrau des verstorbenen Klägers teile mit, dass sie im Folgenden durch deren Kanzlei vertreten werde. Der bisherige Prozessbevollmächtigte des Versicherten legte mit dem am 08. Oktober 2008 eingegangenen Schriftsatz das Mandat nieder.
Mit Bescheid vom 03. September 2008 erkannte die Beklagte eine Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als eine BK nach Nr. 4104 der BKV an, die MdE wegen der Folgen der BK betrage 100 Prozent. Die Klägerin erhalte als Rechtsnachfolgerin für die Zeit vom 04. April 2008 bis 06. Juni 2008 Rente. Die BK habe zur Bronchialkrebserkrankung mit Hirnmetastasen geführt, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, rechts Herzinsuffizienz sei unabhängig von der Berufskrankheit.
Mit dem am 06. Oktober 2008 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 03. September 2008 Widerspruch ein mit dem Antrag, die Verletztenrente aus Anlass der BK Nr. 4104 ab einem wesentlich früheren Zeitpunkt als ab dem 04. April 2008 (bis 06. Juni 2008) zu gewähren. Die nach Nr. 4104 anerkannte Bronchialkrebserkrankung habe sich Jahre früher entwickelt. Ein solcher Lungenkrebs durch Asbest führe nicht in zwei Monaten zum Tod.
Mit Bescheid vom 23. April 2009 lehnte die Beklagte auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 24. April 1998 ab.
Aufgrund der Beweisanordnung vom 05. Februar 2009 erstattete Prof. Dr. W am 18. Februar 2010 ein Gutachten nach Aktenlage. Als "arbeitsbedingte Diagnosen" gab er u. a. an:
- durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura mit zunächst leichten, später mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörungen, - durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura als Rundherdatelektase mit zunächst leichten, später mäßiggradigen chronisch-obstruktiven Ventilationsstörungen, vorwiegend als small airways disease", - durch Asbest verursachte Erkrankung der Lunge als beginnende Lungenasbestose (s/t 1/1 im Bereich beider Unterfelder nach ILO 2000, - Bronchialkarzinom (Synonym: Lungenkrebs).
Als weitere Folge der anerkannten Gesundheitsstörungen sei eine obstruktive Atemwegserkrankung mit Wahrscheinlichkeit mitursächlich auf die bekannte BK zurückzuführen. Er schlug zeitlich gestaffelt eine MdE vor und für die BK 4104 ab November 2007 eine MdE um 100.
Die durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura als Rundherdatelektase im 10. Segment des rechten Unterlappens, durch Asbest verursachte Erkrankung der Lunge als beginnende Lungenasbestose, das Bronchialkarzinom seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Entzündungsprozesse im Zusammenhang mit der BK 4103 anerkannten Erkrankung der Pleura zurückzuführen.
Handhabbare einschlägige MdE-Tabellen im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens seien für das hier vorliegende komplexe Krankheitsbild der Rundherdatelektasen in Verbindung mit Hyalinosis complicata, Narbenemphysem, Traktionsbronchiektasen, Lungenasbestose nicht veröffentlicht. Am naheliegendsten sei fachinternistisch-arbeitsmedizinisch daher in dieser Situation eine Anlehnung an die MdE-Tabellen des so genannten Reichenhaller Merkblattes des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften in der Fassung vom April 2004 sowie an die Anhaltspunkte für die Bemessung des medizinisch-funktionellen Anteils der MdE bei der BK 4103 gemäß der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Sozialmedizin 2008.
Mit Richterbrief vom 09. März 2010 gerichtete Fragen beantwortete Prof. Dr. W, mit der am 23. März 2010 beim LSG eingegangenen Stellungnahme.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte mit, die Klägerin sei ausdrücklich nicht einverstanden mit der Einholung einer weiteren ärztlichen Meinung "am gerichtlichen Verfahren vorbei" durch die Beklagte. Die Beklagte sei nicht befugt, parallel am Gerichtsverfahren vorbei die Daten der Klägerin weiteren Ärzten bekannt zu geben.
Die Beklagte reichte mit dem am 01. Juni 2010 eingegangenen Schriftsatz eine Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. K, Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention in Karlsruhe, "zu den Beurteilungen" von Prof. Dr. W zu den Akten. Er widersprach dem Gutachten von Prof. Dr. W
Dr. G beantwortete gerichtlich an ihn mit Richterbrief vom 18. Juni 2010 gestellten Fragen mit der am 18. Oktober 2010 beim Landessozialgericht eingegangenen Stellungnahme. Die von Prof. Dr. W genannten Zitatstellen seien nicht geeignet, die bei dem Versicherten entstandene chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung in Zusammenhang mit der anerkannten Berufskrankheit zu bringen.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragten mit Schriftsatz vom 08. Juli 2010, das Gutachten von Prof. Dr. K vom 22. März 2010 gemäß § 84 SGB X aus den Akten zu löschen. Die Einholung des Gutachtens sei ein Verstoß gegen § 200 SGB VII. Des Weiteren beantragten sie, die Ausführungen von Prof. Dr. Kund von Dr. G Prof. Dr. W zur weiteren Stellungnahme vorzulegen. Die Beklagte verwies darauf, dass § 200 SGB VII als "höchstpersönliches Recht" aufzufassen sei. Aus diesem Grund sei eine Verletzung weder auf Verfahren von Hinterbliebenen noch auf Verfahren von Sonderrechtsnachfolgern gegen Unfallversicherungsträger anwendbar.
Prof. Dr. W nahm Stellung im Dezember 2010. Insbesondere beurteilte er die MdE nunmehr aufgrund der MdE-Tabelle der "Falkensteiner Empfehlung" - Stand 19. November 2010 -, die seit wenigen Wochen vorläge. Er führte aus, dass diese für den Versicherten aufgeworfene Grundsatzdiskussion nun zwischenzeitlich im Konsens einen Abschluss gefunden habe. Vor wenigen Wochen (Mitte Oktober 2010) sei die so genannte "Falkensteiner Empfehlung", der Öffentlichkeit vorgestellt und zwischenzeitlich im wesentlichen konsentiert zum Abschluss gebracht worden. Das gleiche gelte für die dieser Empfehlung wissenschaftlich entscheidend zugrunde liegende umfängliche "S 2 AWMF-Leitlinie" insbesondere der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin unter dem Titel "Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten". Diese wissenschaftliche S2 AWMF-Leitlinie liege ihm jetzt vor. Hieraus könne somit fallbezogen folgende Kernaussagen zitiert werden. Sie stellen den gegenwärtig herrschenden Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft dar. Als Kernaussagen der neuen wissenschaftlichen S 2 AWMF-Leitlinie zur Begutachtung von asbestbedingten Berufskrankheiten zitierte er:
"Eine Asbestose ist gewöhnlich mit Atemnot, basalem Knisterrasseln und Lungenfunktionsveränderungen vergesellschaftet: Restriktives Muster, gemischt restriktives/obstruktives Muster und/oder eingeschränkte Diffusionskapapzität".
"Die charakteristische Lungenfunktionsveränderung bei Asbestose ist eine restriktive Einschränkung, charakterisiert durch Reduktion der Lungenvolumina (vor allem FVC und TLC), verminderte Diffusionskapazität und arterielle Hypoxämie. Die Funktion der großen Atemwege (FEV1/FVC) ist im Allgemeinen gut erhalten. Obwohl das parenchymale und restriktive Krankheitsmuster vorherrscht, kann auch eine Atemwegsobstruktion beobachtet werden und dies auch allein bei Nichtrauchern mit einer Asbestose. Diese Patienten haben gewöhnlich ein restriktives Muster der Lungenfunktion, klinisch haben sie jedoch auch ein obstruktives Element, das physiologisch durch ein erhöhtes "isoflow volume" und einen erhöhten Atemwegswiderstand bei niedrigem Lungenvolumen gekennzeichnet ist. Diese obstruktive Komponente kann eine asbestinduzierte "small-airways disease" darstellen".
Auch beurteilte er die MdE neu aufgrund der MdE-Tabelle der "Falkensteiner Empfehlungen" (Stand 19. November 2010).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung und die im Berufungsverfahren angefallenen Klagen sind unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Der Versicherte hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Rente aus der BK 4103. Auch hatte er vor dem 04. April 2008 keinen Rentenanspruch aus der BK 4104. Damit hat auch die Klägerin in diesem Verfahren keine weitergehenden Rentenansprüche gegen die Beklagte.
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Nach dieser Vorschrift stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Die Voraussetzungen liegen vor. Der Klägerin stehen als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I) des Versicherten allerdings nur diejenigen Leistungen zu, die ihm noch zu Lebzeiten zustanden, wenn im Zeitpunkt von dessen Tode diese Leistungen entweder festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (§ 59 Satz 2 SGB I). Verwaltungsverfahren zu den BKen der Nrn. 4103 und 4104 waren zu Lebzeiten des Versicherten anhängig und haben in den angefochtenen Bescheiden Ausdruck gefunden, auch soweit sie gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Auch hinsichtlich des Anspruchs auf Rente aus dem Bescheid vom 03. September 2008 war ein entsprechendes Verfahren bei der Beklagten seit 03. April 2008- also noch zu Lebzeiten des Versicherten- anhängig. Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 05. November 2010 mitgeteilt, dass sie aufgrund des Telefonats vom 03.04.2008 - Bl. 435 d. A. mit Dr. B am selben Tag das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Berufskrankheiten nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV aufgenommen habe. Für die Bescheide vom 03. September 2008 und 23. April 2009 liegen die Voraussetzungen des § 96 SGG liegen vor.
Danach wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder Ersetzung im Sinne der Vorschrift liegt grundsätzlich vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird (Meyer-Ladewig/Leitherer SGG, 9. Auflage § 96 Rz. 4 b).
Der Bescheid vom 03. September 2008 ist auch gemäß §§ 96, 153 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, wenngleich er eine andere Listennummer als die in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24. April 2003 betrifft. Denn hier ist der Fall gegeben, dass nach Anerkennung der BK 4103 eine weitere Krankheit hinzutrat, die kausal auf dieselbe berufliche Einwirkung und auf die anerkannte BK 4103 zurückzuführen ist und zudem den Tatbestand einer anderen BK erfüllt. Denn in diesem Fall ist - auch wenn mehrere Zielorgane betroffen sind, mit einer Gesamt-MdE zu entschädigen (Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. August 1978 – 5 RKNU 6/77 zitiert nach juris).
Auch der Bescheid vom 23. April 2009, mit dem die Rücknahme des Bescheides vom 29. April 1998 abgelehnt wurde, ist Gegenstand des Verfahrens geworden.
Allerdings liegen die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vor. § 44 SGB X besagt:
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs. 1 SGB X.
Die Beklagte ist bei Erlass des Bescheides vom 24. April 1998 weder von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist, noch wurde das Recht unrichtig angewandt. Der Versicherte hatte bei Erlass des Bescheides keinen Anspruch auf eine Rente aus der anerkannten BK 4103. Auch der später eingetretene Sachverhalt des hinzugetretenen Bronchialkarzinoms lag bei Bescheiderteilung im Jahr 1998 noch nicht vor.
Ein Anspruch auf Rente besteht im Fall des Fehlens eines Stützrententatbestandes für Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten war nicht um 20 v. H. und nicht einmal um 10 v. H. infolge der anerkannten BK 4103 gemindert. Sie war auch nicht vor dem 04. April 2008 infolge der BK 4104 gemindert.
Die von der Beklagten anerkannte BK 4103 des Versicherten rechtfertigt keine rentenberechtigende MdE auch unter Einbeziehung einer ab 2005 erneut nachgewiesenen Rundherdatelektase und einer Hyalinosis complicata.
Prof. Dr. S und Dr. G haben nach ambulanter Untersuchung des Versicherten keine relevante Funktionsstörung festgestellt, die sich auf die berufliche Exposition und die durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura als wesentliche (Mit-)Ursache mit Wahrscheinlichkeit zurückzuführen ließe. Der Senat folgt ihrer Beurteilung.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung treffe (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R, zitiert nach juris). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeit. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind ein wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, SozR 2200 § 581 Nr. 22). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlich und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE eingeschätzt werden (BSGE SozR § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischem Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (SozR 4-2700 56 Nr. 1).
Nach diesen Maßstäben, die der Senat zugrunde legt, ist die MdE vor dem 04. April 2008 unter 20 v. H. zu bewerten. Beim Versicherten war vor April 2008 keine wesentliche Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens infolge seiner beruflichen Exposition festzustellen. Eine durch die Asbestose bzw. durch die Arbeit mit Asbestkontakt wesentlich (mit-)verursachte pulmo-kardiale Einbuße ist vor April 2008 nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
Für die Bemessung der MdE infolge einer Asbestose als BK ist auf das Ausmaß der objektiv nachweisbaren pulmo-kardialen Einbuße abzustellen (Urteil des BSG vom 10. März 1994 – 2 RU 13/93 – zitiert nach juris). An dieser Rechtsprechung orientiert sich seither auch das unfallversicherungsrechtliche und unfallmedizinische Schrifttum. Beispielsweise wird auch in der von Prof. Dr. Dr. W in seiner Stellungnahme vom 06. Dezember 2010 genannten 6. Auflage von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit auf S. 1011 ausgeführt:
"Der Röntgenbefund einer Asbestose allein ohne messbare Einschränkungen der kardio-pulmonalen Funktion rechtfertigt keine MdE-Einschätzung von 10 %. Eine MdE-Bewertung mit 10 % lässt sich auch nicht damit begründen, dass dem Versicherten wegen der bestehenden Asbestose der staubbelastete Teilbereich des Arbeitsmarktes verschlossen ist; ein bloßer röntgenologischer Staublungenbefund ohne Funktionseinschränkungen kann nicht herangezogen werden, um eine noch nicht bestehende MdE zu begründen. Auch darf ein mit gesicherter Asbestose einhergehendes erhöhtes Krebsrisiko nicht in die MdE-Bewertung einfließen, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Feststellung der MdE abzuheben ist. Mit dieser Darlegung gibt das BSG (10.03.1994) klar zu erkennen, dass allein objektivierbare Funktionseinschränkungen Grundlage der MdE-Bewertung sind. Arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Auffassungen, die zusätzliche Gesichtspunkte bei der MdE-Bewertung von Asbestosen mitberücksichtigen, wird nicht gefolgt (s. 17.1.7)."
Restriktive Ventilationsstörungen des Versicherten sind bis kurz vor seinem Tod in keinem rentenberechtigenden Ausmaß nachgewiesen worden.
Die übrigen Störungen wie solche des pulmonalen Gasaustausches und obstruktive Ventilationsstörungen sind im Fall des Versicherten ebenso wie Bronchiektasen, Emphysembullae nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Asbestbelastung als wesentliche (Mit-)Ursache zurückzuführen. Ungeachtet der Frage, ob die Exposition des Versicherten geeignet war, die Gesundheitsstörungen zu verursachen, muss sich die wesentliche (Mit-)Ursächlichkeit im konkreten Fall feststellen lassen und dies gelingt hier nicht. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalls muss nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, der Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Bedingung für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSGE 12, 242, 245). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Gewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung als Grundsätze ausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Ursachen geben, sozialrechtlich ist allein relevant, ob das versicherte Ereignis wesentlich ist. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache konkurrierende Ursachen wie der zeitliche Ablauf des Geschehens, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte.
Nach diesen Maßstäben lassen sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bis 04. April 2008 keine rentenrechtlich relevanten pulmo-kardialen Einbußen feststellen, die auf die berufliche Belastung mit Asbest als wesentliche (Mit-)Ursache hinreichend wahrscheinlich zurückzuführen sind.
Erst im April 2008 zeigte sich eindeutig eine restriktive Ventilationsstörung (Arztbrief von Dr. B vom 29. April 2008, Blatt 443 der Verwaltungsakte der Beklagten). Für die Zeit davor begründen die vorliegenden Gutachten weder restriktive Ventilationsstörungen des Versicherten in rentenberechtigendem Ausmaß,noch begründen sie den ursächlichen Zusammenhang der Asbestose bzw. der Arbeit mit Asbestkontakt mit anderen Störungen wie solche des pulmonalen Gasaustausches und obstruktive Ventilationsstörungen oder Bronchiektasen, Emphysembullae bzw. geben keine überzeugende Begründung hierfür.
Dr. S wertete in seinen Gutachten in den Jahren 1997 und 2003 die aktenkundigen Befunde ab 1993 und fand keine rentenberechtigende Funktionseinschränkung sondern nur leichte Einschränkungen der Vitalkapazität und der Einsekunden-Kapazität.
Dies steht in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht der Klinik für Berufskrankheiten vom 16. September 1997 anlässlich des Aufenthalts des Versicherten dort vom 12. August 1990 bis 16. September 1997. Auch im Entlassungsbericht der Klinik für Berufskrankheiten der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glasindustrie vom 10. September 2003 anlässlich einer stationären Heilbehandlung des Versicherten dort in der Zeit vom 29. Juli 2003 bis 26. August 2003 war eine Asbestose bedingte Lungenfunktionsbeeinträchtigung nicht nachweisbar.
Bei der Begutachtung durch Dr. S lag eine restriktive Ventilationsstörung nicht vor. Erwertete die Ganzkörperplethysmografie vom 30. November 2004 dahingehend aus, dass eine leichte obstruktive Ventilationsstörung, keine sichere Restriktion vorlag. Er stellte gegenüber den Verhältnissen aus dem Jahr 1997 zwar röntgenologisch als auch lungenfunktionell eine Verschlechterung fest, führte diese aber nicht ursächlich auf die BK zurück, sondern er führte die Zunahme der röntgenologisch erfassbaren Veränderung auf die Einwirkung von Bronchiektasen zurück. Dass die Asbestose Auslöser für ihre Entwicklung gewesen sei, bezeichnete er als hypothetisch. Verändert waren die dynamischen Lungenfunktionsparameter im Sinne einer Obstruktion. Nach seiner Beurteilung lag beim Versicherten seinerzeit eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung nach lungenfunktionellen Kriterien vor, als deren Ursache er den früheren Tabakkonsum verantwortlich machte. Eine relevante kardiale Erkrankung schloss er aus aufgrund der kardiologischen Untersuchung im Monat Oktober 2003. Eine MdE konnte er nicht begründen.
Auch Dr. N stellte keine restriktive Ventilationsstörung fest. Soweit er radiologische Veränderungen, die Einschränkung der Diffusionskapazität in Ruhe und unter Belastung als auch eine mäßiggradige Obstruktion als Folge der asbestinduzierten Erkrankung bewertete, begründete er seine Auffassung eines Kausalzusammenhangs nicht. Im Ergebnis stellte er selbst unter Einbeziehung einer eingeschränkten Diffusionskapazität und unter Einbeziehung einer Obstruktion keine "relevante MdE", wie er bezeichnete, fest. Er führte aus, im Vergleich zu den Gutachten, die zur Anerkennung der Berufserkrankung geführt haben, habe sich klinisch, radiologisch und funktionsanalytisch eine Verschlechterung ergeben. Während in den Vorgutachten von Dr. S das Lungenparenchym noch als unauffällig beschrieben worden sei, sei es im Laufe der Zeit zu zunehmenden retikulären Zeichnungsvermehrungen in beiden Untergeschossen mit feinfleckigen Beherdungen gekommen. In der aktuell durchgeführten CT-Untersuchung werde diese Zeichnungsvermehrung im Sinne einer asbestinduzierten zunehmenden Fibrose beschrieben. Ebenso habe sich der Befund von Traktionsbronchiektasen, vereinbar mit einer asbestinduzierten Fibrose und kompensatorischen Emphysem in beiden Oberfeldern ergeben. Funktionsanalytisch sei es zu einer mäßiggradigen Zunahme der obstruktiven Ventilationsstörung seit 1997 gekommen. Auffällig sei eine Minderung der Diffusionskapazität bereits in Ruhe und eine grenzwertige Hypoxie. Diese verstärken sich deutlich bei Belastungsuntersuchung. Diese Veränderungen seien aber bereits 1993 bzw. 1994 in ähnlichem Ausmaß gemessen worden. Insgesamt bewertete er das Ergebnis in der Belastungsuntersuchung im Vergleich als altersentsprechende Abnahme der Gesamtbelastbarkeit ohne relevante MdE.
Des Weiteren beurteilte Dr. G anlässlich seiner Untersuchung des Klägers im Jahr 2007 das Ausmaß der Veränderungen nicht für geeignet, eine relevante Restriktion zu verursachen. Entsprechend beurteilte er die MdE aufgrund der Erfahrungssätze in der Literatur (Schönberger u. a.) mit 0 v. H. Dr. G führte aus, dass zweifelsfrei feststellbar seien: Asbestose, chronisch obstruktive Bronchitis mit leichter obstruktiver Ventilationsstörung, Bronchiektasen, Emphysembullae, wobei er nur die Asbestose also "BK-bedingt" bezeichnete. Asbestbedingte Lungenveränderungen führten zur Fibrosierung des Lungengewebes sowie starker Verdickung des Rippenfells. Diese Veränderungen hätten eine restriktive Ventilationsstörung zur Folge. Eine solche bestehe beim Versicherten nach den Ergebnissen der Lungenfunktionstests nicht. Auch bei Bewertung der röntgenologischen Veränderungen an der Lunge sei das Ausmaß der Veränderungen nicht geeignet, eine relevante Restriktion zu verursachen. Die festgestellte Einschränkung der Lungenfunktion sei durch eine obstruktive Ventilationsstörung bedingt. Diese sei nach gängiger Lehrmeinung nicht Folge von Asbesteinwirkung. Als Folge von Asbesteinwirkung sei eine restriktive, nicht eine obstruktive Ventilationsstörung zu fordern. Während eine als Folge einer Lungenfibrose durch Asbesteinwirkung zu erwartende signifikante restriktive Ventilationsstörung über die Jahre nicht aufgetreten sei, sei eine mäßige Gastransferstörung erkennbar. Diese sei im Ergebnis der jetzigen Funktionsuntersuchung nicht im Sinne einer Diffusionsstörung bei fibrotischer Gewebsveränderung zu werten, sondern als eine Gasaustauschstörung infolge von Ventilations-Perfusionsstörungen (Verteilungsstörungen), wie sie für eine chronisch-obstruktive Bronchitis insbesondere bei Emphysemveränderungen typisch sei. Diese sei auch im Wesentlichen für die seit Beginn der Erkrankung dokumentierte leichte respiratorische Partialinsuffizienz in Ruhe verantwortlich. Bei nach wie vor nicht nachweisbarer sicherer pulmonaler Restriktion einerseits und deutlichen Zeichen einer chronisch-obstruktiven Bronchitis nach langjährigem Rauchen mit vorherrschenden bullösen Veränderungen spreche weit mehr gegen eine berufsbedingte Funktionseinschränkung durch Asbestkontakt als dafür, zumal sich bei seiner Untersuchung des Versicherten, die die letzte gutachterliche Untersuchung des Versicherten vor seinem Tod war, röntgenologisch keine Zeichen einer schwerwiegenden Lungenasbestose gezeigt hatten. Die Veränderungen wurden von ihm als s/t 1/1 eingestuft. Als Zeichen einer schwerwiegenden Asbestose würden von Kroidel et al. interstitielle Veränderungen der Ausprägung nach ILO 2/2 und mehr angesehen. Die Einstufung der Veränderungen mit s/t 1/1 gelte laut Bundesarbeitsblatt 7-8/1991 als Grenze für den Verdacht des Vorliegens einer Asbestose. Auch Prof. Dr. W hat keine überzeugende Begründung dafür abgegeben, dass eine obstruktive Bronchitis, obstruktive Ventilationsstörung auf die Asbestose als wesentliche (Mit-)Ursache zurückzuführen sind.
Die mit Richterbrief vom 09. März 2010 gerichtete Frage, welche objektivierten Umstände im konkreten Fall dafür sprächen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (mit-)ursächlich auf die anerkannte BK zurückzuführen ist, beantwortete der Gutachter: - Fakt sind im Vollbeweis bildgebend bereits seit Januar 1994 als durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura gesicherte, beidseitige, halb-zirkuläre Pleuraschwielen, die sog. "Hyalinosis complicata". Pathoanatomisch zeigt sich dieser Befund einerseits dorsal neben der Wirbelsäule (paravertebral), andererseits aber auch seitlich, und zwar links ausgeprägter als rechts. - Diese bindegewebigen (fibrösen) Pleuraschwielen haben infolge ihrer für alle Narbengewebe eigentümlichen Schrumpfungstendenz zur Überdehnung des benachbarten Lungengewebes und damit zur Ausbildung eines Narbenemphysems der Lunge geführt. Objektiviert wurden resultierende Gewebeverluste der Lunge (Bullae) mit Löchern einer Größe von 3,0 x 2,5 cm. Lungenfunktionell führen die beidseitigen, halb-zirkulären Pleuraschwielen zu einer partiell in ihrer normalen Beweglichkeit und Atmungsfähigkeit deutlich eingeschränkten sog. "gefesselten Lunge". - Außerdem war es durch die Entwicklung der Rundherdatelektase im 10. Segment des rechten Lungenunterlappens mit breitbasigem Sitz auf der Pleura bereits im Dezember 1993 objektiviert zu "eingerollten Verdichtungslinien" gekommen. Diese eingerollten Verdichtungslinien entsprechen dem oben genannten "Kometenschweif", d. h. also verschiedener, in ihrer Lage und Funktion abgeknickter und dadurch geschädigter Blutgefäße und Bronchien. Derart veränderte Bronchien führen pathophysiologisch gesichert zum Stau es Bronchialsekrets. Sie unterhalten dadurch die chronische Entzündung bis hin zur Ausbildung von Bronchiektasen. - Die diagnostische Thorakoskopie mit chirurgisch-operativer Entfernung solcher Verwachsungsstränge, aber auch von Pleuraplaques, am 28.01.1994 erfolgte somit in eine bereits auch histopathologisch gesicherte, chronisch entzündete Pleuraregion hinein (Pleuritis mit multiplen hyalinen und zum Teil bereits asbesttypisch verkalten umschriebenen Pleuraplaques). - Wenige Wochen zuvor (Dezember 1993) wurde nämlich bereits eine floride, chronische "ältere fibrinöse sowie fibroplastische (bindegewebsbildende), unspezifische Entzündung der Pleura histopathologisch nachgewiesen. Damit ist zugleich auch die Entzündung der benachbarten Bronchien im Sinne einer Bronchitis gesichert worden. Objektiviert ging sie seinerzeit aber noch lediglich mit einer insgesamt mäßiggradigen, chronisch-obstruktiven Ventilationsstörung einher. Vorwiegend waren die peripheren Atemwege (engl. Smal airways disease") befallen. [Anmerkung: "Unspezifische" Entzündung der Pleura bedeutet hier Ausschluss einer "spezifischen", d. h. tuberkulösen Pleuritis]. - Im Februar 2004 wurde dann lungenfachärztlich die bereits chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (engl.: chronic obstructive pulmonary disease, COPD) in topographischer Beziehung zu den computertomographisch festgestellten, ausgeprägten emphysematösen Veränderungen in den gleichen 9. und 10. Segmenten beider Lungenunterlappen objektiviert. Somit bestand das beweiserhebliche Faktum einer Lokalisationsidentität mit den zirkulären bilateralen Pleuraschwielen und Pleuraplaques-Bildungen. Diese Pleuraschwielen und Pleuraplaques-Bildugnen hatten aber bereits zu diesem Zeitpunkt die zylinderförmigen Erweiterungen der Bronchien durch den Narbenzug der Gewebsschrumpfung verursacht. Fachärztlich wurde dieser objektivierte Krankheitsprozess als Ausbildung typischer "Traktionsbronchiektasen", d. h. als durch Narbenzug deformierte und in ihrer Lichtung erweiterte Bronchien, bezeichnet. - Die Lokalisationsidentität schließt objektiviert zugleich eine konkurrierende Verursachung durch den vorliegenden, langjährigen Zigarettenkonsum weitestgehend aus. Die chemisch-irritativ und toxisch wirkenden Zigarettenrauch-Inhaltsstoffe wirken sich bekanntlich nicht ledigich auf einen topografisch relativ umschriebenen Bezirk aus, sondern auf die Bronchialschleimhaut insgesamt. Sie führen insbesondere nicht speziell zur Narbenschrumpfung, wie es dies die bei Herrn K nachgewiesenen asbesttypischen Plaques und insbesondere die Schwielenbildungen bekanntermaßen tun. Dies gilt umso mehr, als im Februar 2004 außerdem bereits die charakteristischen Röntgenbildveränderungen einer beginnenden Lungenasbestose (s/t 1/1 nach ILO) objektiviert wurden. Ein solcher Befund tritt typischerweise ja nicht bei den zahlreichen Zigarettenrauchern ohne Asbestfaserstaubgefährdung auf. - Bei den auf S. 42. des eigenen Hauptgutachtens (Bl. 456 LSG-Akte) berichteten beiden Erkrankungsfällen mit leichtgradiger obstruktiver Ventilationsstörung handelte es sich beispielhaft um Anteile einer fortlaufenden Stichprobe von Patienten aus unserer Poliklinik für Berufskrankheiten. Sie sind keinesfalls mit dem wesentlich schwereren Krankheitsbild des Herrn K vergleichbar. Dies gilt aus zwei Gründen: Einmal wegen der fehlenden thorakospisch-operativen Teilentfernung der Rundherdatelektase für die leichtere Art ihrer Erkrankung. Zum anderen ist auch das Ausmaß der Erkrankung wegen der fehlenden zusätzlichen bilateralen halbzirkulären Hyalinosis complicata mit pathohistologisch gesicherter, persistierender fibroplastischer, unspezifischer Pleuritis in Verbindung mit umschriebenen Pleuraplaques bei jenen Patienten objektiv nicht mit den schwerwiegenderen Befunden des Herrn K vergleichbar. - Es war und ist daher keinesfalls intendiert, diese beiden anders gelagerten Erkrankungsfälle hier fallbezogen zur Begründung und gewissermaßen als Maßstab heranzuziehen.
Er führte weiter aus:
Die pathologische Bedeutung einer Hyalinosis complicata liegt aufgrund zahlreicher poliklinischer Fallerfahrungen darin, dass bei einer "gefesselten Lunge" – infolge der Einschränkung ihrer normalen Atemexkursionen – in der Regel, die vorstehenden, im Einzelnen für Herr K dargelegten Funktionseinbußen, des broncho-pulmonalen Systems resultieren. In sehr weit fortgeschrittenen Stadien kommt es darüber hinaus auch zu Funktionseinbußen des kardialen Systems, die für Herrn K aktenkundig seinerzeit noch nicht festgestellt wurden. Damit stützt Prof. Dr. W seine Beurteilung wesentlich auf die Auffassung, beim Versicherten habe eine gefesselte Lunge vorgelegen und auf das Vorliegen von Bronchiektasen. Diese Grundlagen sind nicht zweifelsfrei feststellbar sondern zweifelhaft. Der Sachverständige stellt damit lediglich Möglichkeiten in seine Beurteilung ein und keine gesicherten Befunde.
Dr. S, Dr. N und Dr. G haben jeweils eine gefesselte Lunge nicht festgestellt. Dr. G hat hingegen "als belegt" angesehen, dass beim Versicherten bis kurz vor seinem Tod keine gefesselte Lunge vorgelegen hat. Seiner Beurteilung kommt insoweit eine besonders überzeugende Bedeutung zu, als er den Versicherten als letzter Gutachter untersucht hat. Dabei ist von keiner Bedeutung, ob er Autor von Veröffentlichungen zum streitgegenständlichen Thema ist. Seine Fachkompetenz hinsichtlich dieser Diagnostik wird dadurch in keiner Weise geschmälert.
Dr. G hat überzeugend ausgeführt, die Frage, ob beim Versicherten zweifelsfrei eine "gefesselte Lunge" vorgelegen habe, lasse sich mühelos anhand der in der Akte aufgeführten Befunde beantworten. Das Vorliegen einer gefesselten Lunge sei dann anzunehmen, wenn die Beweglichkeit der Lunge im Brustkorb stark eingeschränkt, beziehungsweise aufgehoben sei durch irreversible Adhäsion zwischen der äußeren Lungenoberfläche (Pleura visceralis) und der Brustwand (Pleura pariertalis). Klinisch führe dies zur Aufhebung der Lungengrenzverschieblichkeit bei der Perkussion des Thorax. Die von verschiedenen Gutachtern festgestellte Lungengrenzenverschieblichkeit habe zwischen 7-5 cm betragen, was einem alters- und konstitutionsentsprechenden Normalbefund bei dem Kläger entspreche. Bei seiner Begutachtung des Klägers vom 02. Juli 2007 habe er als einziger der Vorgutachter auch röntgenologisch unter Durchleuchtung die Zwerchfellbeweglichkeit direkt beobachten können. Die von ihm durchgeführte Durchleuchtungsuntersuchung beschrieb:
"Röntgen-Thorax-Durchleuchtung: Seitengleich normale Zwerchfellbeweglichkeit (Hitzeberger negativ); normale Herz- und Hilusgefäßpulsationen. Beurteilung: Kein Befund von Krankheitswert."
sah somit eindeutig als belegt an, dass bei dem Kläger bis kurz vor seinem Tod keine gefesselte Lunge vorgelegen habe. Als weiteres fehlendes Zeichen einer gefesselten Lunge könne zudem auch das Ergebnis der Lungenfunktionsprüfung herangezogen werden. Hier wäre bei einer gefesselten Lunge eine ausgeprägte restriktive Ventilationsstörung zu erwarten. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Auch soweit Prof. Dr. W seine Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen obstruktiver Atemwegserkrankung und Asbestosebelastung auf Bronchiektasen stützt, ist seine Beurteilungsgrundlage zweifelbehaftet und nicht überzeugend: Dr. S hat als hypothetisch bezeichnet, dass die Entwicklung der Bronchiektasen durch die Asbestose ausgelöst worden sei. Er führte aus:
"Inwiefern die vorliegende Asbestose Auslöser für die Entwicklung von Bronchiektasen gewesen sein kann, ist hypothetisch. Zumindest war vor zehn Jahren als Kompliaktion eine Rundatelektase aufgetreten mit operativer Intervention. Gegen die ursächliche Bedeutung der Asbestose für die Entwicklung der Bronchiektasen sprechen aber die damals eingetretene Wiederbelüftung der atelektatischen Bezirke, die Entwicklung von Bronchiektasen auch kontralateral zur damals operierten Seite und insbesondere auch der aktuelle CT-Befund mit laut Deskription Ausschluss einer interstitiellen Zeichnungsvermehrung (welche als Hinweis auf eine pulmonale Form der Asbestose hätte gewertet werden können)."
Auch Dr. G beurteilte die Bronchiektasen, chronisch-obstruktive Bronchitis mit leichter obstruktiver Ventilationsstörung, Emphysembullae nicht als Folge der Asbestbelastung.
Dr. N hat einen Kausalzusammenhang zwar bejaht, aber nicht begründet.
Auch die verhilft zu keiner anderen Beurteilung. Danach "kann auch eine Atemwegsobstruktion beobachtet werden". Eine Begründung dafür, dass im konkreten Fall des Versicherten die Asbestose mit Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache der Atemwegsobstruktion ist, ergibt sich daraus nicht. Hingegen sprechen die weiteren Ausführungen eher dagegen.
Nach dem Zitat von Prof. Dr. W (Stellungnahme vom 06. Dezember 2010, S. 11), ist die charakteristische Lungenfunktionsveränderung bei Asbestose eine restriktive Einschränkung, charakterisiert durch Reduktion der Lungenvolumina (vor allem FVC und TLC), verminderte Diffusionskapazität und arterielle Hypoxämie. Die Funktion der großen Atemwege (FEV1/FVC) sei im Allgemeinen gut erhalten. Obwohl das parenchymale und restriktive Krankheitsmuster vorherrsche, könne auch eine Atemwegsobstruktion beobachtet werden und dies auch allein bei Nichtrauchern mit einer Asbestose. Diese Patienten hätten gewöhnlich ein restriktives Muster der Lungenfunktion, klinisch hätten sie jedoch auch ein obstruktives Element, das physiologisch durch ein erhöhtes "isoflow volume" und einen erhöhten Atemwegswiderstand bei niedrigem Lungenvolumen gekennzeichnet sei. Diese obstruktive Komponente könne eine asbestinduzierte "small-airways disease" darstellen.
Damit wird nur auf eine Möglichkeit hingewiesen, die sich im Fall des Versicherten nicht zur Wahrscheinlichkeit verdichtet. Nach den zitierten Kernaussagen herrscht das parenchymale und restriktive Kra nkheitsmuster vor, die Patienten hatten gewöhnlich ein restriktives Muster der Lungenfunktion, klinisch hätten sie "ein obstruktives Element". Im Fall des Versicherten allerdings herrschte das "obstruktive Element" vor. Selbst Dr. N stellte keine Restriktion fest.
Der MdE-Beurteilung durch Prof. Dr. W vermag der Senat nach allem nicht zu folgen. Sie erfolgte unter Einbeziehung u.a. auch der obstruktiven Ventilationsstörung der kleinen Atemwege. Seiner Auffassung nach lassen sich die MdE-relevantene einzelnen Partialstörungen wie - der restriktiven Ventilationsstörung - der obstruktiven Ventilationsstörung der Klägerin und großen Atemwege, - der ventilatorischen Verteilungsstörungen, - der Störungen des Gausaustausches, - Emphysem nicht isoliert betrachten. Entsprechend beurteilte er die Tabellen zur Bemessung der MdE nach Funktionsdaten und Röntgenbild – veröffentlicht u. a. bei Schönberger u. a., die den Beteiligten mit den Anlagen zum Richterbrief an Prof. Dr. W vom 09. März 2010 bekannt gegeben wurden, derart, dass sie "fallbezogen nicht berücksichtigt werden" und begründet dies im Einzelnen. So kann auch Prof. Dr. W keine MdE unter Anwendung der Empfehlungen abgedruckt bei Schönberger, Mehrtens, Valentin, in den 6., 7., 8. Auflagen begründen. Diese dienen allerdings seit Jahren einer einheitlichen Beurteilung der MdE bei berufsbedingten Atemwegs- und Lungenkrankheiten, insbesondere auch in der Rechtsprechung. Auch die übrigen Gutachten haben unter Anwendung dieser Tabellen keine MdE vor April 2008 begründen können. Dass eine restriktive Ventilationsstörung des Versicherten nach der von Dr. W genannte Falkensteiner Empfehlung (ab Oktober 2010 Geltung) vor dem 04. April 2008 eine MdE um 20 v. H. mindestens begründet, hat auch Prof. Dr. W nicht erklärt.
Die Beurteilung der MdE mit unter 10 v. H. bis 04. April 2008 ist nach allem überzeugend. Entscheidend sind die in die MdE-Beurteilung einzustellenden Erkrankungen mit den nachgewiesenen Befunden zu Funktionseinschränkungen. Prof. Dr. W stellt hingegen solche ein, von denen nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass sie wesentlich (mit-)verursacht wurden durch die Asbestexposition des Versicherten. Daher vermag die Beurteilung der MdE durch Prof. Dr. W den Senat nicht zu überzeugen.
Dass sich Pleuraplaques auf die MdE auswirken, ist nicht nachgewiesen, da auf die nachweisbare pulmo-kardialen Einbuße bei der MdE-Beurteilung abzustellen ist. Dazu führen Schönberger u. a. aus, dass Plaques nicht zu Beschwerden oder Funktionseinbußen der Lunge führen (a.a.O. 8. Auflage, S. 1033 – den Beteiligten bekanntgemacht).
Eine Rundherdatelektase, die zumindest im Jahr 1994 beim Versicherten operiert worden war und in einer CT-Untersuchung vom 02. Oktober 2005 nachgewiesen wurde, verursacht im konkreten Fall des Versicherten keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen. Gleiches gilt für die Hyalinosis complicata.
Dr. G hat hierzu ausgeführt, dass die Rundherdatelektase und Hyalinosis complicata eine Restriktion nicht verursacht haben. Da sich bei diesen Veränderungen um Veränderungen ohne Auswirkung auf die pulmonale Leistungsfähigkeit handele, bedingten sie keine Erhöhung der MdE.
Auch die Gasaustauschstörung ist nicht auf die Asbestose, sondern auf die chronisch-obstruktive Bronchitis zurückzuführen. Hierzu hat Dr. G ausgeführt:
"Die Synopsis der in der Akte dokumentierten Lungenfunktionsuntersuchungen ergibt ein uneinheitliches Bild. Während eine als Folge einer Lungenfibrose durch Asbesteinwirkung zu erwartende signifikante restriktive Ventilationsstörung über die Jahre nicht aufgetreten ist, ist eine mäßige Gastransferstörung erkennbar, die jedoch im Ergebnis der jetzigen Funktionsuntersuchung nicht im Sinne einer Diffusionsstörung bei fibrotischen Gewebsveränderung zu werten ist, sondern als eine Gasaustauschstörung in Folge von Ventilations-Perfusionsstörungen (Verteilungsstörung), wie sie für eine chronisch-obstruktive Bronchitis, insbesondere bei Emphysemveränderungen typisch sind."
Auch der Bescheid vom 03. September 2008 ist rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente vor dem 04. April 2008 ist nicht begründet. Dem Versicherten stand ein solcher Anspruch nicht zu.
Die mit Bescheid vom 03. September 2008 anerkannte Bronchialkrebserkrankung ist für einen früheren Zeitraum nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Nichts anderes folgt aus dem Gutachten von Prof. Dr. W. Insoweit führte er aus, dass die Bronchialkrebserkrankung vor dem 04. April 2008 fachärztlich nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können, da es aktenkundig äußerst spät zu einem entsprechenden Arztbesuch gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits das Endstadium 4 der Tumorerkrankung eingetreten. Soweit er ausführt, dass eine zielgerichtete Tumorsuche bereits seit November 2007 einen positiven Befund hätte erbringen müssen, nennt er eine denkbare Möglichkeit, die nicht ausreicht, um den zweifelsfreien Nachweis der früheren Feststellung dieses Tumors zu bringen. Wenn Prof. Dr. W rückblickend das klinische Anfangsstadium auf November 2007 schätzt, verbleibt auch seine Überlegung zur üblichen Wachstums- und Ausbreitungsgeschwindigkeit des Krebs im Bereich von Möglichkeiten.
Die Bestimmung des Leistungsfalls ist nicht auf den Zeitpunkt der wahrscheinlich erforderlich gewesenen ärztlichen Behandlung, sondern auf den Zeitpunkt der ersten Diagnose mit Aufnahme der ärztlichen Behandlung abzustellen. Der Zeitpunkt des ersten Röntgenbildes mit Tumorverdacht ist maßgebend (Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung M 4104 Rz. 8 unter Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Januar 1995 in Meso B 70/172).
Der Antrag der Beklagten, die schriftlichen Äußerungen von Prof. Dr. K aus der Akte zu löschen, ist abzulehnen.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Löschung der Stellungnahmen von Prof. Dr. K kommt § 84 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Betracht (vgl. BSG SozR 4-1300 § 84 Nr. 1). Danach sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist.
Nach § 67 Abs. 1 SGB X ist die Speicherung von Sozialdaten zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Sozialdaten sind nach § 67 Abs. 1 SGB X Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einem Verwaltungsträger im Sinne des § 35 Sozialgesetzbuch – allgemeiner Teil – (SGB I) im Hinblick auf seine Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Speichern ist nach § 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 SGB X das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zweck der weiteren Verarbeitung. Als Löschen bezeichnet § 67 Abs. 6 Nr. 5 SGB X das Unkenntlichmachen gespeicherter Sozialdaten.
Die Stellungnahme von Prof. Dr. K erfüllt zwar den Tatbestand der Speicherung von Sozialdaten nach § 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach den genannten Rechtsgrundlagen käme eine vollständige Entfernung dieser Stellungnahme aus den Gerichtsakten jedoch nur dann in Betracht, wenn sie als Aktenbestandteil nicht geführt werden dürfte. Dies setzte jedenfalls voraus, dass die Einholung der Stellungnahme rechtswidrig veranlasst worden wäre (vgl. §§ 67 a Abs. 1, 67 c Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, insbesondere ist die Stellungnahme nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII in rechtlich unzulässiger Weise zustande gekommen. § 200 Abs. 2 des SGB VII lautet: Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Ein Verstoß der Beklagten gegen diese Vorschrift ist nicht feststellbar. Die Vorschrift erfasst "Gutachten im klassischen Wortsinn". Nach Rechtsprechung des BSG bezieht sich § 200 Abs. 2 § 200 Abs. 2 SGB VII nur auf umfassende Gutachten. Ein solches liegt hier nicht vor sondern eine gutachterliche beratende Stellungnahme zu den Beurteilungen von Prof. Dr. W. Diesen Auftrag hat Prof. Dr. K seiner Stellungnahme vorangestellt. Auch ist er diesem Auftrag ersichtlich nachgekommen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 05. Februar 2000 – B 2 U 8/07 R im Einzelnen ausgeführt: " Aus alledem folgt, dass der Begriff des Gutachtens in § 200 Abs. 2 SGB VII eng auszulegen ist. Ein Gutachten liegt vor, wenn ein solches angefordert oder - wie vorliegend - ausweislich seiner Selbstbezeichnung "Gutachten" erstellt und übersandt oder abgerechnet wurde. Unabhängig von dieser rein äußerlichen Bezeichnung ist zur weiteren Unterscheidung vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen: Enthält sie vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, z. B. des umstrittenen Ursachenzusammenhangs - wie vorliegend der Frage, ob entsprechend dem Urteil des SG beim Kläger eine Panik- und Somatisierungsstörung als Unfallfolge anzuerkennen ist -, ist es ein Gutachten (vgl. z. B. zum Begriff des Zusammenhangsgutachtens i. S. der §§ 5, 4 Abs. 4 Berufskrankheiten-Verordnung: P. Becker, BG 1998, 558, 559 f; O. Blome, BG 1998, 364). Setzt sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit dem eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage (vgl. z. B. zum aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand als Beurteilungsgrundlage bei Kausalitätsfragen: Urteil des Senats vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 17 ff.), ist es nur eine beratende Stellungnahme. Dass eine derartige Stellungnahme, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen einem Ereignis und einer Gesundheitsstörung umstritten ist, auch Aussagen zu diesem Ursachenzusammenhang und dem einschlägigen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand enthält, ergibt sich aus der Materie. Entscheidend sind daher der Bezugspunkt der umstrittenen ärztlichen Äußerung, die an den Arzt gestellten Fragen und die von ihm gegebenen Antworten. Gerade bei einer ärztlichen Stellungnahme zu einem Gerichtsgutachten hilft es nur eingeschränkt weiter, wenn der Verfasser der Stellungnahme bloß seine von dem Gerichtsgutachten abweichende Sicht der Dinge wiedergibt. Prozessual zielgenau verwertbar für den auftraggebenden Beteiligten und das Gericht wird sie erst, wenn sie Einwendungen und Ergänzungsfragen i. S. des § 411 Abs. 4 ZPO zu dem Gerichtsgutachten formuliert."
Nach allem stellt sich die Stellungnahme von Prof. Dr. K insoweit nicht als Gutachten in dem Sinne dar. Er hat auf Prof. Dr. W geantwortet und hat so kein umfassendes Gutachten abgegeben.
Auch wird hier kein verfassungsrechtlich geschütztes höchstpersönliches Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Der Versicherte ist verstorben. Die Klägerin als Hinterbliebene kann als Sonderrechtsnachfolgerin dessen Rechte nach § 200 Abs. 2 nicht geltend machen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 13. Juli 2009 - L 2 U 176/08 - )
Nach allem sind die Berufung und die Klagen unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung für Folgen zweier Berufskrankheiten des am 01. Januar 1944 geborenen und im Jahr 2008 verstorbenen H K (Versicherter). Die Klägerin ist seine Witwe, die zu Lebezeiten mit ihm in einem Haushalt gelebt hat. Der Versicherte war als Akustik-Fachkraft (Beschäftigter nach § 581 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung bzw. nach § 2 Abs.1 Nr.1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)) auf diversen Montagebaustellen (Abteilung Innenausbau, Erstellen von Treppenwänden und Decken) eingesetzt gewesen und arbeitete von 1965 bis 1976 asbestfaserstaubexponiert bei der Firma G in B. Die kumulative Dosis entsprach 1,5 Faserjahren. Im April 1994 leitete die Holzberufsgenossenschaft (Beklagte) aus Anlass einer Mitteilung der Krankenkasse des Versicherten ein Feststellungsverfahren über eine Berufskrankheit (BK) wegen einer Atemwegserkrankung ein. Im Rahmen der Ermittlungen wurden u. a. Auskünfte behandelnder Ärzte und ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Dr. S eingeholt. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 17. Februar 1997 zu der Beurteilung, es lägen in geringfügigem Ausmaß asbeststaubbedingte Pleuraveränderungen vor im Sinne einer BK 4103 der BKV ohne messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Mit Bescheid vom 24. April 1998 erkannte die Beklagte festgestellte Veränderungen der Pleura (Brustfell) als Folge einer beruflich bedingten Asbeststaubeinwirkung als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. mit Nr. 4103 Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) an. Ein Anspruch auf Rente wegen der BK bestehe nicht. Funktionsbeeinträchtigungen resultieren nicht aus lediglich geringfügigen Pleuraveränderungen. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit seinem am 16. Oktober 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Versicherte eine Rente unter Bezugnahme auf die asbeststaubverursachte Erkrankung der Pleura. Zur Begründung gab er an, dass er seit dem 01. Februar 2002 seine Berufstätigkeit aufgrund der BK nicht mehr ausführen könne.
Dr. S erstattete im April 2003 ein ärztliches Gutachten nach Aktenlage. Zusammenfassend gelangte er zu der Beurteilung, es lägen asbeststaubbedingte Pleuraveränderungen vor im Sinne von verkalkten Zwerchfellplaques. Es lasse sich derzeit noch ausschließen, dass eine Funktionsbeeinträchtigung in rentenrechtlichem Ausmaß bestehe.
Mit einfachem Schreiben ohne Rechtsmittelbelehrung teilte die Beklagte dem Versicherten am 24. April 2003 mit, die Auswertung der medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass in den Folgen der BK, wie sie bei Erlass des letzten maßgeblichen Bescheides vorgelegen hätten, keine Änderung eingetreten sei. Er habe weiterhin keinen Anspruch auf Rente, da eine berufsbedingte Funktionseinschränkung in rentenberechtigendem Maße nicht bestehe. Mit dem am 15. Mai 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben erklärte der Versicherte, er sei mit dem vorgenannten Schreiben der Beklagten nicht einverstanden und bat um Überprüfung.
Die Beklagte nahm Untersuchungsergebnisse der Ärzte für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. H und Arztbrief des Arztes für Innere Medizin/Kardiologie Dr. G vom 27. Januar 2004 zu einem transthorakalen Echo vom 24. Oktober 2003 zu den Akten und wies mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 den Widerspruch des Versicherten vom 07. November 2003 "gegen den Verwaltungsakt vom 24. April 2003 über die Ablehnung einer Rente" als unbegründet zurück.
Mit der am 17. Mai 2004 im Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage hatte der Versicherte seinen Anspruch auf Gewährung einer Rente weiterverfolgt. Seine behandelnden Ärzte seien der Auffassung, dass ein Grad der Behinderung von mindestens 20 v. H. vorhanden sei. Mit Schreiben vom 18. Februar 2002 habe der behandelnde Arzt K die Auffassung vertreten, dass die Belastbarkeit des Klägers deutlich eingeschränkt sei bei einer mäßiggradigen obstruktiven Ventilationsstörung bei asbestindudizierter Pleuraveränderung. Er übermittelte Attest von Dr. K vom 18. Januar 2002 und Arztbrief Dr. L vom 18. Februar 2004.
Der Versicherte hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen unter Aufhebung des Bescheides vom 24. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 ihm Rente wegen Berufskrankheit ausgehend von einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % zu bewilligen. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG holte ein Gutachten ein, das nach körperlicher Untersuchung des Versicherten am 30. November 2004 vom Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Inneres Dr. S- beim SG eingehend am 07. Januar 2005 – mit dem Ergebnis erstattet wurde, dass sich eine relevante MdE durch die anerkannte BK nicht hinreichend argumentativ begründen lasse.
Auf Antrag des Versicherten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete der Oberarzt der Lungenklinik H Dr. N im Dezember 2005 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Versicherten vom 14. Oktober 2005. Im Laufe der Jahre sei es zu einer Zunahme der Obstruktion gekommen, ohne wesentliche Zeichen einer Restriktion, die Obstruktionsparameter lägen im altersgerechten Normbereich. Eine restriktive Ventilationsstörung als weitere kennzeichnende Lungenfunktionsstörung bei einer Asbestose liege nicht vor. Dennoch bewerte er die radiologischen Veränderungen, die erhebliche Einschränkung der Diffusionskapazität in Ruhe und unter Belastung, als auch die mäßiggradige Obstruktion als Folge der asbestinduzierten Erkrankung.Funktionsanalytisch sei es zu einer mäßiggradigen Zunahme der obstruktiven Ventilationsstörung seit 1997 gekommen. Auffällig sei eine Minderung der Diffusionskapazität bereits in Ruhe und eine grenzwertige Hypoxie. Diese Veränderungen seien aber bereits 1993 bzw. 1994 in ähnlichem Ausmaß gemessen worden. Eine relevante MdE lasse sich auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausreichend begründen.
Das SG hat mit Urteil vom 15. Juni 2006 ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen unter Bezugnahme auf die vorliegenden Gutachten.
Gegen das den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Versicherten am 05. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. August 2006 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung. Das SG lasse die Ausführungen von Dr. N weitgehend außer Acht. Auch wenn Dr. N keine relevante Verminderung der Erwerbsfähigkeit feststellen könne, könne dies nach den von ihm festgestellten Folgen der BK nicht nachvollzogen werden.
Die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2006 und den Bescheid vom 24. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 sowie die Bescheide vom 03. September 2008 und vom 23. April 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 24. April 1998 zurückzunehmen und der Klägerin zur Entschädigung einer BK 4103 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen
ab Dezember 1993 mit einer MdE von 30 v. H., ab November 2002 nach einer MdE von 40. v. H. ab September 2003 nach einer MdE von 50 v.H. ab Februar 2004 nach einer MdE von 60 v. H.
sowie zur Entschädigung einer BK 4104 ab November 2007 eine Rente nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 03.September 2008 und 23.April 2009 abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Im Berufungsverfahren wurden Unterlagen behandelnder Ärzte beigezogen (von Dr. K und Dr. K und ein Gutachten eingeholt, das der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. G im September 2007 nach ambulanter Untersuchung des Versicherten am 02. Juli 2007 erstattete. Die BK-bedingte MdE beurteilte er mit 0. Mit Stellungnahme vom 17. Mai 2008 ergänzte der Sachverständige sein Gutachten im Hinblick auf Einwendungen des derzeitigen Prozessbevollmächtigten des Versicherten.
Die Beklagte nahm am 03. April 2008 ein Verwaltungsverfahren hinsichtlich einer BK nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV auf.
Der Internist und Pneumologe Dr. B erstattete der Beklagten mit Schreiben vom 29. April 2008 einen Bericht über die Untersuchung des Versicherten vom 03. April 2008. Ein CT des Kopfes zeigte einen cerebralen Tumor.
Mit dem am 26. Mai 2008 beim LSG eingegangenen Schreiben teilte der Versicherte mit, anlässlich seines Krankenhausaufenthaltes vom 08. April bis 20. Mai 2008 sei durch eine MRT-Untersuchung ein gestreutes Lungenkarzinom gefunden worden. Er übersandte Krankenunterlagen. Der Arztbrief aus der Poliklinik für Neurochirurgie der CB vom 22. April 2008 anlässlich des stationären Aufenthalts des Versicherten dort vom 04. April 2008 bis 17. April 2008 berichtet, dass sich am 08. April 2008 pulmonale Raumforderungen mit dem Aspekt eines Bronchialkarzinoms zeigten.
Der Versicherte starb am 06. Juni 2008.
Mit dem am 14. August 2008 beim Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, die Ehefrau des verstorbenen Klägers teile mit, dass sie im Folgenden durch deren Kanzlei vertreten werde. Der bisherige Prozessbevollmächtigte des Versicherten legte mit dem am 08. Oktober 2008 eingegangenen Schriftsatz das Mandat nieder.
Mit Bescheid vom 03. September 2008 erkannte die Beklagte eine Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als eine BK nach Nr. 4104 der BKV an, die MdE wegen der Folgen der BK betrage 100 Prozent. Die Klägerin erhalte als Rechtsnachfolgerin für die Zeit vom 04. April 2008 bis 06. Juni 2008 Rente. Die BK habe zur Bronchialkrebserkrankung mit Hirnmetastasen geführt, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, rechts Herzinsuffizienz sei unabhängig von der Berufskrankheit.
Mit dem am 06. Oktober 2008 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 03. September 2008 Widerspruch ein mit dem Antrag, die Verletztenrente aus Anlass der BK Nr. 4104 ab einem wesentlich früheren Zeitpunkt als ab dem 04. April 2008 (bis 06. Juni 2008) zu gewähren. Die nach Nr. 4104 anerkannte Bronchialkrebserkrankung habe sich Jahre früher entwickelt. Ein solcher Lungenkrebs durch Asbest führe nicht in zwei Monaten zum Tod.
Mit Bescheid vom 23. April 2009 lehnte die Beklagte auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 24. April 1998 ab.
Aufgrund der Beweisanordnung vom 05. Februar 2009 erstattete Prof. Dr. W am 18. Februar 2010 ein Gutachten nach Aktenlage. Als "arbeitsbedingte Diagnosen" gab er u. a. an:
- durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura mit zunächst leichten, später mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörungen, - durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura als Rundherdatelektase mit zunächst leichten, später mäßiggradigen chronisch-obstruktiven Ventilationsstörungen, vorwiegend als small airways disease", - durch Asbest verursachte Erkrankung der Lunge als beginnende Lungenasbestose (s/t 1/1 im Bereich beider Unterfelder nach ILO 2000, - Bronchialkarzinom (Synonym: Lungenkrebs).
Als weitere Folge der anerkannten Gesundheitsstörungen sei eine obstruktive Atemwegserkrankung mit Wahrscheinlichkeit mitursächlich auf die bekannte BK zurückzuführen. Er schlug zeitlich gestaffelt eine MdE vor und für die BK 4104 ab November 2007 eine MdE um 100.
Die durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura als Rundherdatelektase im 10. Segment des rechten Unterlappens, durch Asbest verursachte Erkrankung der Lunge als beginnende Lungenasbestose, das Bronchialkarzinom seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Entzündungsprozesse im Zusammenhang mit der BK 4103 anerkannten Erkrankung der Pleura zurückzuführen.
Handhabbare einschlägige MdE-Tabellen im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens seien für das hier vorliegende komplexe Krankheitsbild der Rundherdatelektasen in Verbindung mit Hyalinosis complicata, Narbenemphysem, Traktionsbronchiektasen, Lungenasbestose nicht veröffentlicht. Am naheliegendsten sei fachinternistisch-arbeitsmedizinisch daher in dieser Situation eine Anlehnung an die MdE-Tabellen des so genannten Reichenhaller Merkblattes des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften in der Fassung vom April 2004 sowie an die Anhaltspunkte für die Bemessung des medizinisch-funktionellen Anteils der MdE bei der BK 4103 gemäß der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Sozialmedizin 2008.
Mit Richterbrief vom 09. März 2010 gerichtete Fragen beantwortete Prof. Dr. W, mit der am 23. März 2010 beim LSG eingegangenen Stellungnahme.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte mit, die Klägerin sei ausdrücklich nicht einverstanden mit der Einholung einer weiteren ärztlichen Meinung "am gerichtlichen Verfahren vorbei" durch die Beklagte. Die Beklagte sei nicht befugt, parallel am Gerichtsverfahren vorbei die Daten der Klägerin weiteren Ärzten bekannt zu geben.
Die Beklagte reichte mit dem am 01. Juni 2010 eingegangenen Schriftsatz eine Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. K, Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention in Karlsruhe, "zu den Beurteilungen" von Prof. Dr. W zu den Akten. Er widersprach dem Gutachten von Prof. Dr. W
Dr. G beantwortete gerichtlich an ihn mit Richterbrief vom 18. Juni 2010 gestellten Fragen mit der am 18. Oktober 2010 beim Landessozialgericht eingegangenen Stellungnahme. Die von Prof. Dr. W genannten Zitatstellen seien nicht geeignet, die bei dem Versicherten entstandene chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung in Zusammenhang mit der anerkannten Berufskrankheit zu bringen.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragten mit Schriftsatz vom 08. Juli 2010, das Gutachten von Prof. Dr. K vom 22. März 2010 gemäß § 84 SGB X aus den Akten zu löschen. Die Einholung des Gutachtens sei ein Verstoß gegen § 200 SGB VII. Des Weiteren beantragten sie, die Ausführungen von Prof. Dr. Kund von Dr. G Prof. Dr. W zur weiteren Stellungnahme vorzulegen. Die Beklagte verwies darauf, dass § 200 SGB VII als "höchstpersönliches Recht" aufzufassen sei. Aus diesem Grund sei eine Verletzung weder auf Verfahren von Hinterbliebenen noch auf Verfahren von Sonderrechtsnachfolgern gegen Unfallversicherungsträger anwendbar.
Prof. Dr. W nahm Stellung im Dezember 2010. Insbesondere beurteilte er die MdE nunmehr aufgrund der MdE-Tabelle der "Falkensteiner Empfehlung" - Stand 19. November 2010 -, die seit wenigen Wochen vorläge. Er führte aus, dass diese für den Versicherten aufgeworfene Grundsatzdiskussion nun zwischenzeitlich im Konsens einen Abschluss gefunden habe. Vor wenigen Wochen (Mitte Oktober 2010) sei die so genannte "Falkensteiner Empfehlung", der Öffentlichkeit vorgestellt und zwischenzeitlich im wesentlichen konsentiert zum Abschluss gebracht worden. Das gleiche gelte für die dieser Empfehlung wissenschaftlich entscheidend zugrunde liegende umfängliche "S 2 AWMF-Leitlinie" insbesondere der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin unter dem Titel "Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten". Diese wissenschaftliche S2 AWMF-Leitlinie liege ihm jetzt vor. Hieraus könne somit fallbezogen folgende Kernaussagen zitiert werden. Sie stellen den gegenwärtig herrschenden Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft dar. Als Kernaussagen der neuen wissenschaftlichen S 2 AWMF-Leitlinie zur Begutachtung von asbestbedingten Berufskrankheiten zitierte er:
"Eine Asbestose ist gewöhnlich mit Atemnot, basalem Knisterrasseln und Lungenfunktionsveränderungen vergesellschaftet: Restriktives Muster, gemischt restriktives/obstruktives Muster und/oder eingeschränkte Diffusionskapapzität".
"Die charakteristische Lungenfunktionsveränderung bei Asbestose ist eine restriktive Einschränkung, charakterisiert durch Reduktion der Lungenvolumina (vor allem FVC und TLC), verminderte Diffusionskapazität und arterielle Hypoxämie. Die Funktion der großen Atemwege (FEV1/FVC) ist im Allgemeinen gut erhalten. Obwohl das parenchymale und restriktive Krankheitsmuster vorherrscht, kann auch eine Atemwegsobstruktion beobachtet werden und dies auch allein bei Nichtrauchern mit einer Asbestose. Diese Patienten haben gewöhnlich ein restriktives Muster der Lungenfunktion, klinisch haben sie jedoch auch ein obstruktives Element, das physiologisch durch ein erhöhtes "isoflow volume" und einen erhöhten Atemwegswiderstand bei niedrigem Lungenvolumen gekennzeichnet ist. Diese obstruktive Komponente kann eine asbestinduzierte "small-airways disease" darstellen".
Auch beurteilte er die MdE neu aufgrund der MdE-Tabelle der "Falkensteiner Empfehlungen" (Stand 19. November 2010).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung und die im Berufungsverfahren angefallenen Klagen sind unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Der Versicherte hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Rente aus der BK 4103. Auch hatte er vor dem 04. April 2008 keinen Rentenanspruch aus der BK 4104. Damit hat auch die Klägerin in diesem Verfahren keine weitergehenden Rentenansprüche gegen die Beklagte.
Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Nach dieser Vorschrift stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Die Voraussetzungen liegen vor. Der Klägerin stehen als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I) des Versicherten allerdings nur diejenigen Leistungen zu, die ihm noch zu Lebzeiten zustanden, wenn im Zeitpunkt von dessen Tode diese Leistungen entweder festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (§ 59 Satz 2 SGB I). Verwaltungsverfahren zu den BKen der Nrn. 4103 und 4104 waren zu Lebzeiten des Versicherten anhängig und haben in den angefochtenen Bescheiden Ausdruck gefunden, auch soweit sie gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Auch hinsichtlich des Anspruchs auf Rente aus dem Bescheid vom 03. September 2008 war ein entsprechendes Verfahren bei der Beklagten seit 03. April 2008- also noch zu Lebzeiten des Versicherten- anhängig. Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 05. November 2010 mitgeteilt, dass sie aufgrund des Telefonats vom 03.04.2008 - Bl. 435 d. A. mit Dr. B am selben Tag das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Berufskrankheiten nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV aufgenommen habe. Für die Bescheide vom 03. September 2008 und 23. April 2009 liegen die Voraussetzungen des § 96 SGG liegen vor.
Danach wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder Ersetzung im Sinne der Vorschrift liegt grundsätzlich vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird (Meyer-Ladewig/Leitherer SGG, 9. Auflage § 96 Rz. 4 b).
Der Bescheid vom 03. September 2008 ist auch gemäß §§ 96, 153 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, wenngleich er eine andere Listennummer als die in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24. April 2003 betrifft. Denn hier ist der Fall gegeben, dass nach Anerkennung der BK 4103 eine weitere Krankheit hinzutrat, die kausal auf dieselbe berufliche Einwirkung und auf die anerkannte BK 4103 zurückzuführen ist und zudem den Tatbestand einer anderen BK erfüllt. Denn in diesem Fall ist - auch wenn mehrere Zielorgane betroffen sind, mit einer Gesamt-MdE zu entschädigen (Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. August 1978 – 5 RKNU 6/77 zitiert nach juris).
Auch der Bescheid vom 23. April 2009, mit dem die Rücknahme des Bescheides vom 29. April 1998 abgelehnt wurde, ist Gegenstand des Verfahrens geworden.
Allerdings liegen die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vor. § 44 SGB X besagt:
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs. 1 SGB X.
Die Beklagte ist bei Erlass des Bescheides vom 24. April 1998 weder von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist, noch wurde das Recht unrichtig angewandt. Der Versicherte hatte bei Erlass des Bescheides keinen Anspruch auf eine Rente aus der anerkannten BK 4103. Auch der später eingetretene Sachverhalt des hinzugetretenen Bronchialkarzinoms lag bei Bescheiderteilung im Jahr 1998 noch nicht vor.
Ein Anspruch auf Rente besteht im Fall des Fehlens eines Stützrententatbestandes für Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten war nicht um 20 v. H. und nicht einmal um 10 v. H. infolge der anerkannten BK 4103 gemindert. Sie war auch nicht vor dem 04. April 2008 infolge der BK 4104 gemindert.
Die von der Beklagten anerkannte BK 4103 des Versicherten rechtfertigt keine rentenberechtigende MdE auch unter Einbeziehung einer ab 2005 erneut nachgewiesenen Rundherdatelektase und einer Hyalinosis complicata.
Prof. Dr. S und Dr. G haben nach ambulanter Untersuchung des Versicherten keine relevante Funktionsstörung festgestellt, die sich auf die berufliche Exposition und die durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura als wesentliche (Mit-)Ursache mit Wahrscheinlichkeit zurückzuführen ließe. Der Senat folgt ihrer Beurteilung.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung treffe (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R, zitiert nach juris). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeit. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind ein wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, SozR 2200 § 581 Nr. 22). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlich und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann die Höhe der MdE eingeschätzt werden (BSGE SozR § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischem Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (SozR 4-2700 56 Nr. 1).
Nach diesen Maßstäben, die der Senat zugrunde legt, ist die MdE vor dem 04. April 2008 unter 20 v. H. zu bewerten. Beim Versicherten war vor April 2008 keine wesentliche Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens infolge seiner beruflichen Exposition festzustellen. Eine durch die Asbestose bzw. durch die Arbeit mit Asbestkontakt wesentlich (mit-)verursachte pulmo-kardiale Einbuße ist vor April 2008 nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
Für die Bemessung der MdE infolge einer Asbestose als BK ist auf das Ausmaß der objektiv nachweisbaren pulmo-kardialen Einbuße abzustellen (Urteil des BSG vom 10. März 1994 – 2 RU 13/93 – zitiert nach juris). An dieser Rechtsprechung orientiert sich seither auch das unfallversicherungsrechtliche und unfallmedizinische Schrifttum. Beispielsweise wird auch in der von Prof. Dr. Dr. W in seiner Stellungnahme vom 06. Dezember 2010 genannten 6. Auflage von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit auf S. 1011 ausgeführt:
"Der Röntgenbefund einer Asbestose allein ohne messbare Einschränkungen der kardio-pulmonalen Funktion rechtfertigt keine MdE-Einschätzung von 10 %. Eine MdE-Bewertung mit 10 % lässt sich auch nicht damit begründen, dass dem Versicherten wegen der bestehenden Asbestose der staubbelastete Teilbereich des Arbeitsmarktes verschlossen ist; ein bloßer röntgenologischer Staublungenbefund ohne Funktionseinschränkungen kann nicht herangezogen werden, um eine noch nicht bestehende MdE zu begründen. Auch darf ein mit gesicherter Asbestose einhergehendes erhöhtes Krebsrisiko nicht in die MdE-Bewertung einfließen, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Feststellung der MdE abzuheben ist. Mit dieser Darlegung gibt das BSG (10.03.1994) klar zu erkennen, dass allein objektivierbare Funktionseinschränkungen Grundlage der MdE-Bewertung sind. Arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Auffassungen, die zusätzliche Gesichtspunkte bei der MdE-Bewertung von Asbestosen mitberücksichtigen, wird nicht gefolgt (s. 17.1.7)."
Restriktive Ventilationsstörungen des Versicherten sind bis kurz vor seinem Tod in keinem rentenberechtigenden Ausmaß nachgewiesen worden.
Die übrigen Störungen wie solche des pulmonalen Gasaustausches und obstruktive Ventilationsstörungen sind im Fall des Versicherten ebenso wie Bronchiektasen, Emphysembullae nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Asbestbelastung als wesentliche (Mit-)Ursache zurückzuführen. Ungeachtet der Frage, ob die Exposition des Versicherten geeignet war, die Gesundheitsstörungen zu verursachen, muss sich die wesentliche (Mit-)Ursächlichkeit im konkreten Fall feststellen lassen und dies gelingt hier nicht. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalls muss nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, der Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Bedingung für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSGE 12, 242, 245). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Gewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung als Grundsätze ausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Ursachen geben, sozialrechtlich ist allein relevant, ob das versicherte Ereignis wesentlich ist. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache konkurrierende Ursachen wie der zeitliche Ablauf des Geschehens, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte.
Nach diesen Maßstäben lassen sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bis 04. April 2008 keine rentenrechtlich relevanten pulmo-kardialen Einbußen feststellen, die auf die berufliche Belastung mit Asbest als wesentliche (Mit-)Ursache hinreichend wahrscheinlich zurückzuführen sind.
Erst im April 2008 zeigte sich eindeutig eine restriktive Ventilationsstörung (Arztbrief von Dr. B vom 29. April 2008, Blatt 443 der Verwaltungsakte der Beklagten). Für die Zeit davor begründen die vorliegenden Gutachten weder restriktive Ventilationsstörungen des Versicherten in rentenberechtigendem Ausmaß,noch begründen sie den ursächlichen Zusammenhang der Asbestose bzw. der Arbeit mit Asbestkontakt mit anderen Störungen wie solche des pulmonalen Gasaustausches und obstruktive Ventilationsstörungen oder Bronchiektasen, Emphysembullae bzw. geben keine überzeugende Begründung hierfür.
Dr. S wertete in seinen Gutachten in den Jahren 1997 und 2003 die aktenkundigen Befunde ab 1993 und fand keine rentenberechtigende Funktionseinschränkung sondern nur leichte Einschränkungen der Vitalkapazität und der Einsekunden-Kapazität.
Dies steht in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht der Klinik für Berufskrankheiten vom 16. September 1997 anlässlich des Aufenthalts des Versicherten dort vom 12. August 1990 bis 16. September 1997. Auch im Entlassungsbericht der Klinik für Berufskrankheiten der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glasindustrie vom 10. September 2003 anlässlich einer stationären Heilbehandlung des Versicherten dort in der Zeit vom 29. Juli 2003 bis 26. August 2003 war eine Asbestose bedingte Lungenfunktionsbeeinträchtigung nicht nachweisbar.
Bei der Begutachtung durch Dr. S lag eine restriktive Ventilationsstörung nicht vor. Erwertete die Ganzkörperplethysmografie vom 30. November 2004 dahingehend aus, dass eine leichte obstruktive Ventilationsstörung, keine sichere Restriktion vorlag. Er stellte gegenüber den Verhältnissen aus dem Jahr 1997 zwar röntgenologisch als auch lungenfunktionell eine Verschlechterung fest, führte diese aber nicht ursächlich auf die BK zurück, sondern er führte die Zunahme der röntgenologisch erfassbaren Veränderung auf die Einwirkung von Bronchiektasen zurück. Dass die Asbestose Auslöser für ihre Entwicklung gewesen sei, bezeichnete er als hypothetisch. Verändert waren die dynamischen Lungenfunktionsparameter im Sinne einer Obstruktion. Nach seiner Beurteilung lag beim Versicherten seinerzeit eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung nach lungenfunktionellen Kriterien vor, als deren Ursache er den früheren Tabakkonsum verantwortlich machte. Eine relevante kardiale Erkrankung schloss er aus aufgrund der kardiologischen Untersuchung im Monat Oktober 2003. Eine MdE konnte er nicht begründen.
Auch Dr. N stellte keine restriktive Ventilationsstörung fest. Soweit er radiologische Veränderungen, die Einschränkung der Diffusionskapazität in Ruhe und unter Belastung als auch eine mäßiggradige Obstruktion als Folge der asbestinduzierten Erkrankung bewertete, begründete er seine Auffassung eines Kausalzusammenhangs nicht. Im Ergebnis stellte er selbst unter Einbeziehung einer eingeschränkten Diffusionskapazität und unter Einbeziehung einer Obstruktion keine "relevante MdE", wie er bezeichnete, fest. Er führte aus, im Vergleich zu den Gutachten, die zur Anerkennung der Berufserkrankung geführt haben, habe sich klinisch, radiologisch und funktionsanalytisch eine Verschlechterung ergeben. Während in den Vorgutachten von Dr. S das Lungenparenchym noch als unauffällig beschrieben worden sei, sei es im Laufe der Zeit zu zunehmenden retikulären Zeichnungsvermehrungen in beiden Untergeschossen mit feinfleckigen Beherdungen gekommen. In der aktuell durchgeführten CT-Untersuchung werde diese Zeichnungsvermehrung im Sinne einer asbestinduzierten zunehmenden Fibrose beschrieben. Ebenso habe sich der Befund von Traktionsbronchiektasen, vereinbar mit einer asbestinduzierten Fibrose und kompensatorischen Emphysem in beiden Oberfeldern ergeben. Funktionsanalytisch sei es zu einer mäßiggradigen Zunahme der obstruktiven Ventilationsstörung seit 1997 gekommen. Auffällig sei eine Minderung der Diffusionskapazität bereits in Ruhe und eine grenzwertige Hypoxie. Diese verstärken sich deutlich bei Belastungsuntersuchung. Diese Veränderungen seien aber bereits 1993 bzw. 1994 in ähnlichem Ausmaß gemessen worden. Insgesamt bewertete er das Ergebnis in der Belastungsuntersuchung im Vergleich als altersentsprechende Abnahme der Gesamtbelastbarkeit ohne relevante MdE.
Des Weiteren beurteilte Dr. G anlässlich seiner Untersuchung des Klägers im Jahr 2007 das Ausmaß der Veränderungen nicht für geeignet, eine relevante Restriktion zu verursachen. Entsprechend beurteilte er die MdE aufgrund der Erfahrungssätze in der Literatur (Schönberger u. a.) mit 0 v. H. Dr. G führte aus, dass zweifelsfrei feststellbar seien: Asbestose, chronisch obstruktive Bronchitis mit leichter obstruktiver Ventilationsstörung, Bronchiektasen, Emphysembullae, wobei er nur die Asbestose also "BK-bedingt" bezeichnete. Asbestbedingte Lungenveränderungen führten zur Fibrosierung des Lungengewebes sowie starker Verdickung des Rippenfells. Diese Veränderungen hätten eine restriktive Ventilationsstörung zur Folge. Eine solche bestehe beim Versicherten nach den Ergebnissen der Lungenfunktionstests nicht. Auch bei Bewertung der röntgenologischen Veränderungen an der Lunge sei das Ausmaß der Veränderungen nicht geeignet, eine relevante Restriktion zu verursachen. Die festgestellte Einschränkung der Lungenfunktion sei durch eine obstruktive Ventilationsstörung bedingt. Diese sei nach gängiger Lehrmeinung nicht Folge von Asbesteinwirkung. Als Folge von Asbesteinwirkung sei eine restriktive, nicht eine obstruktive Ventilationsstörung zu fordern. Während eine als Folge einer Lungenfibrose durch Asbesteinwirkung zu erwartende signifikante restriktive Ventilationsstörung über die Jahre nicht aufgetreten sei, sei eine mäßige Gastransferstörung erkennbar. Diese sei im Ergebnis der jetzigen Funktionsuntersuchung nicht im Sinne einer Diffusionsstörung bei fibrotischer Gewebsveränderung zu werten, sondern als eine Gasaustauschstörung infolge von Ventilations-Perfusionsstörungen (Verteilungsstörungen), wie sie für eine chronisch-obstruktive Bronchitis insbesondere bei Emphysemveränderungen typisch sei. Diese sei auch im Wesentlichen für die seit Beginn der Erkrankung dokumentierte leichte respiratorische Partialinsuffizienz in Ruhe verantwortlich. Bei nach wie vor nicht nachweisbarer sicherer pulmonaler Restriktion einerseits und deutlichen Zeichen einer chronisch-obstruktiven Bronchitis nach langjährigem Rauchen mit vorherrschenden bullösen Veränderungen spreche weit mehr gegen eine berufsbedingte Funktionseinschränkung durch Asbestkontakt als dafür, zumal sich bei seiner Untersuchung des Versicherten, die die letzte gutachterliche Untersuchung des Versicherten vor seinem Tod war, röntgenologisch keine Zeichen einer schwerwiegenden Lungenasbestose gezeigt hatten. Die Veränderungen wurden von ihm als s/t 1/1 eingestuft. Als Zeichen einer schwerwiegenden Asbestose würden von Kroidel et al. interstitielle Veränderungen der Ausprägung nach ILO 2/2 und mehr angesehen. Die Einstufung der Veränderungen mit s/t 1/1 gelte laut Bundesarbeitsblatt 7-8/1991 als Grenze für den Verdacht des Vorliegens einer Asbestose. Auch Prof. Dr. W hat keine überzeugende Begründung dafür abgegeben, dass eine obstruktive Bronchitis, obstruktive Ventilationsstörung auf die Asbestose als wesentliche (Mit-)Ursache zurückzuführen sind.
Die mit Richterbrief vom 09. März 2010 gerichtete Frage, welche objektivierten Umstände im konkreten Fall dafür sprächen, dass die obstruktive Atemwegserkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (mit-)ursächlich auf die anerkannte BK zurückzuführen ist, beantwortete der Gutachter: - Fakt sind im Vollbeweis bildgebend bereits seit Januar 1994 als durch Asbest verursachte Erkrankung der Pleura gesicherte, beidseitige, halb-zirkuläre Pleuraschwielen, die sog. "Hyalinosis complicata". Pathoanatomisch zeigt sich dieser Befund einerseits dorsal neben der Wirbelsäule (paravertebral), andererseits aber auch seitlich, und zwar links ausgeprägter als rechts. - Diese bindegewebigen (fibrösen) Pleuraschwielen haben infolge ihrer für alle Narbengewebe eigentümlichen Schrumpfungstendenz zur Überdehnung des benachbarten Lungengewebes und damit zur Ausbildung eines Narbenemphysems der Lunge geführt. Objektiviert wurden resultierende Gewebeverluste der Lunge (Bullae) mit Löchern einer Größe von 3,0 x 2,5 cm. Lungenfunktionell führen die beidseitigen, halb-zirkulären Pleuraschwielen zu einer partiell in ihrer normalen Beweglichkeit und Atmungsfähigkeit deutlich eingeschränkten sog. "gefesselten Lunge". - Außerdem war es durch die Entwicklung der Rundherdatelektase im 10. Segment des rechten Lungenunterlappens mit breitbasigem Sitz auf der Pleura bereits im Dezember 1993 objektiviert zu "eingerollten Verdichtungslinien" gekommen. Diese eingerollten Verdichtungslinien entsprechen dem oben genannten "Kometenschweif", d. h. also verschiedener, in ihrer Lage und Funktion abgeknickter und dadurch geschädigter Blutgefäße und Bronchien. Derart veränderte Bronchien führen pathophysiologisch gesichert zum Stau es Bronchialsekrets. Sie unterhalten dadurch die chronische Entzündung bis hin zur Ausbildung von Bronchiektasen. - Die diagnostische Thorakoskopie mit chirurgisch-operativer Entfernung solcher Verwachsungsstränge, aber auch von Pleuraplaques, am 28.01.1994 erfolgte somit in eine bereits auch histopathologisch gesicherte, chronisch entzündete Pleuraregion hinein (Pleuritis mit multiplen hyalinen und zum Teil bereits asbesttypisch verkalten umschriebenen Pleuraplaques). - Wenige Wochen zuvor (Dezember 1993) wurde nämlich bereits eine floride, chronische "ältere fibrinöse sowie fibroplastische (bindegewebsbildende), unspezifische Entzündung der Pleura histopathologisch nachgewiesen. Damit ist zugleich auch die Entzündung der benachbarten Bronchien im Sinne einer Bronchitis gesichert worden. Objektiviert ging sie seinerzeit aber noch lediglich mit einer insgesamt mäßiggradigen, chronisch-obstruktiven Ventilationsstörung einher. Vorwiegend waren die peripheren Atemwege (engl. Smal airways disease") befallen. [Anmerkung: "Unspezifische" Entzündung der Pleura bedeutet hier Ausschluss einer "spezifischen", d. h. tuberkulösen Pleuritis]. - Im Februar 2004 wurde dann lungenfachärztlich die bereits chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (engl.: chronic obstructive pulmonary disease, COPD) in topographischer Beziehung zu den computertomographisch festgestellten, ausgeprägten emphysematösen Veränderungen in den gleichen 9. und 10. Segmenten beider Lungenunterlappen objektiviert. Somit bestand das beweiserhebliche Faktum einer Lokalisationsidentität mit den zirkulären bilateralen Pleuraschwielen und Pleuraplaques-Bildungen. Diese Pleuraschwielen und Pleuraplaques-Bildugnen hatten aber bereits zu diesem Zeitpunkt die zylinderförmigen Erweiterungen der Bronchien durch den Narbenzug der Gewebsschrumpfung verursacht. Fachärztlich wurde dieser objektivierte Krankheitsprozess als Ausbildung typischer "Traktionsbronchiektasen", d. h. als durch Narbenzug deformierte und in ihrer Lichtung erweiterte Bronchien, bezeichnet. - Die Lokalisationsidentität schließt objektiviert zugleich eine konkurrierende Verursachung durch den vorliegenden, langjährigen Zigarettenkonsum weitestgehend aus. Die chemisch-irritativ und toxisch wirkenden Zigarettenrauch-Inhaltsstoffe wirken sich bekanntlich nicht ledigich auf einen topografisch relativ umschriebenen Bezirk aus, sondern auf die Bronchialschleimhaut insgesamt. Sie führen insbesondere nicht speziell zur Narbenschrumpfung, wie es dies die bei Herrn K nachgewiesenen asbesttypischen Plaques und insbesondere die Schwielenbildungen bekanntermaßen tun. Dies gilt umso mehr, als im Februar 2004 außerdem bereits die charakteristischen Röntgenbildveränderungen einer beginnenden Lungenasbestose (s/t 1/1 nach ILO) objektiviert wurden. Ein solcher Befund tritt typischerweise ja nicht bei den zahlreichen Zigarettenrauchern ohne Asbestfaserstaubgefährdung auf. - Bei den auf S. 42. des eigenen Hauptgutachtens (Bl. 456 LSG-Akte) berichteten beiden Erkrankungsfällen mit leichtgradiger obstruktiver Ventilationsstörung handelte es sich beispielhaft um Anteile einer fortlaufenden Stichprobe von Patienten aus unserer Poliklinik für Berufskrankheiten. Sie sind keinesfalls mit dem wesentlich schwereren Krankheitsbild des Herrn K vergleichbar. Dies gilt aus zwei Gründen: Einmal wegen der fehlenden thorakospisch-operativen Teilentfernung der Rundherdatelektase für die leichtere Art ihrer Erkrankung. Zum anderen ist auch das Ausmaß der Erkrankung wegen der fehlenden zusätzlichen bilateralen halbzirkulären Hyalinosis complicata mit pathohistologisch gesicherter, persistierender fibroplastischer, unspezifischer Pleuritis in Verbindung mit umschriebenen Pleuraplaques bei jenen Patienten objektiv nicht mit den schwerwiegenderen Befunden des Herrn K vergleichbar. - Es war und ist daher keinesfalls intendiert, diese beiden anders gelagerten Erkrankungsfälle hier fallbezogen zur Begründung und gewissermaßen als Maßstab heranzuziehen.
Er führte weiter aus:
Die pathologische Bedeutung einer Hyalinosis complicata liegt aufgrund zahlreicher poliklinischer Fallerfahrungen darin, dass bei einer "gefesselten Lunge" – infolge der Einschränkung ihrer normalen Atemexkursionen – in der Regel, die vorstehenden, im Einzelnen für Herr K dargelegten Funktionseinbußen, des broncho-pulmonalen Systems resultieren. In sehr weit fortgeschrittenen Stadien kommt es darüber hinaus auch zu Funktionseinbußen des kardialen Systems, die für Herrn K aktenkundig seinerzeit noch nicht festgestellt wurden. Damit stützt Prof. Dr. W seine Beurteilung wesentlich auf die Auffassung, beim Versicherten habe eine gefesselte Lunge vorgelegen und auf das Vorliegen von Bronchiektasen. Diese Grundlagen sind nicht zweifelsfrei feststellbar sondern zweifelhaft. Der Sachverständige stellt damit lediglich Möglichkeiten in seine Beurteilung ein und keine gesicherten Befunde.
Dr. S, Dr. N und Dr. G haben jeweils eine gefesselte Lunge nicht festgestellt. Dr. G hat hingegen "als belegt" angesehen, dass beim Versicherten bis kurz vor seinem Tod keine gefesselte Lunge vorgelegen hat. Seiner Beurteilung kommt insoweit eine besonders überzeugende Bedeutung zu, als er den Versicherten als letzter Gutachter untersucht hat. Dabei ist von keiner Bedeutung, ob er Autor von Veröffentlichungen zum streitgegenständlichen Thema ist. Seine Fachkompetenz hinsichtlich dieser Diagnostik wird dadurch in keiner Weise geschmälert.
Dr. G hat überzeugend ausgeführt, die Frage, ob beim Versicherten zweifelsfrei eine "gefesselte Lunge" vorgelegen habe, lasse sich mühelos anhand der in der Akte aufgeführten Befunde beantworten. Das Vorliegen einer gefesselten Lunge sei dann anzunehmen, wenn die Beweglichkeit der Lunge im Brustkorb stark eingeschränkt, beziehungsweise aufgehoben sei durch irreversible Adhäsion zwischen der äußeren Lungenoberfläche (Pleura visceralis) und der Brustwand (Pleura pariertalis). Klinisch führe dies zur Aufhebung der Lungengrenzverschieblichkeit bei der Perkussion des Thorax. Die von verschiedenen Gutachtern festgestellte Lungengrenzenverschieblichkeit habe zwischen 7-5 cm betragen, was einem alters- und konstitutionsentsprechenden Normalbefund bei dem Kläger entspreche. Bei seiner Begutachtung des Klägers vom 02. Juli 2007 habe er als einziger der Vorgutachter auch röntgenologisch unter Durchleuchtung die Zwerchfellbeweglichkeit direkt beobachten können. Die von ihm durchgeführte Durchleuchtungsuntersuchung beschrieb:
"Röntgen-Thorax-Durchleuchtung: Seitengleich normale Zwerchfellbeweglichkeit (Hitzeberger negativ); normale Herz- und Hilusgefäßpulsationen. Beurteilung: Kein Befund von Krankheitswert."
sah somit eindeutig als belegt an, dass bei dem Kläger bis kurz vor seinem Tod keine gefesselte Lunge vorgelegen habe. Als weiteres fehlendes Zeichen einer gefesselten Lunge könne zudem auch das Ergebnis der Lungenfunktionsprüfung herangezogen werden. Hier wäre bei einer gefesselten Lunge eine ausgeprägte restriktive Ventilationsstörung zu erwarten. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Auch soweit Prof. Dr. W seine Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen obstruktiver Atemwegserkrankung und Asbestosebelastung auf Bronchiektasen stützt, ist seine Beurteilungsgrundlage zweifelbehaftet und nicht überzeugend: Dr. S hat als hypothetisch bezeichnet, dass die Entwicklung der Bronchiektasen durch die Asbestose ausgelöst worden sei. Er führte aus:
"Inwiefern die vorliegende Asbestose Auslöser für die Entwicklung von Bronchiektasen gewesen sein kann, ist hypothetisch. Zumindest war vor zehn Jahren als Kompliaktion eine Rundatelektase aufgetreten mit operativer Intervention. Gegen die ursächliche Bedeutung der Asbestose für die Entwicklung der Bronchiektasen sprechen aber die damals eingetretene Wiederbelüftung der atelektatischen Bezirke, die Entwicklung von Bronchiektasen auch kontralateral zur damals operierten Seite und insbesondere auch der aktuelle CT-Befund mit laut Deskription Ausschluss einer interstitiellen Zeichnungsvermehrung (welche als Hinweis auf eine pulmonale Form der Asbestose hätte gewertet werden können)."
Auch Dr. G beurteilte die Bronchiektasen, chronisch-obstruktive Bronchitis mit leichter obstruktiver Ventilationsstörung, Emphysembullae nicht als Folge der Asbestbelastung.
Dr. N hat einen Kausalzusammenhang zwar bejaht, aber nicht begründet.
Auch die verhilft zu keiner anderen Beurteilung. Danach "kann auch eine Atemwegsobstruktion beobachtet werden". Eine Begründung dafür, dass im konkreten Fall des Versicherten die Asbestose mit Wahrscheinlichkeit wesentliche (Mit-)Ursache der Atemwegsobstruktion ist, ergibt sich daraus nicht. Hingegen sprechen die weiteren Ausführungen eher dagegen.
Nach dem Zitat von Prof. Dr. W (Stellungnahme vom 06. Dezember 2010, S. 11), ist die charakteristische Lungenfunktionsveränderung bei Asbestose eine restriktive Einschränkung, charakterisiert durch Reduktion der Lungenvolumina (vor allem FVC und TLC), verminderte Diffusionskapazität und arterielle Hypoxämie. Die Funktion der großen Atemwege (FEV1/FVC) sei im Allgemeinen gut erhalten. Obwohl das parenchymale und restriktive Krankheitsmuster vorherrsche, könne auch eine Atemwegsobstruktion beobachtet werden und dies auch allein bei Nichtrauchern mit einer Asbestose. Diese Patienten hätten gewöhnlich ein restriktives Muster der Lungenfunktion, klinisch hätten sie jedoch auch ein obstruktives Element, das physiologisch durch ein erhöhtes "isoflow volume" und einen erhöhten Atemwegswiderstand bei niedrigem Lungenvolumen gekennzeichnet sei. Diese obstruktive Komponente könne eine asbestinduzierte "small-airways disease" darstellen.
Damit wird nur auf eine Möglichkeit hingewiesen, die sich im Fall des Versicherten nicht zur Wahrscheinlichkeit verdichtet. Nach den zitierten Kernaussagen herrscht das parenchymale und restriktive Kra nkheitsmuster vor, die Patienten hatten gewöhnlich ein restriktives Muster der Lungenfunktion, klinisch hätten sie "ein obstruktives Element". Im Fall des Versicherten allerdings herrschte das "obstruktive Element" vor. Selbst Dr. N stellte keine Restriktion fest.
Der MdE-Beurteilung durch Prof. Dr. W vermag der Senat nach allem nicht zu folgen. Sie erfolgte unter Einbeziehung u.a. auch der obstruktiven Ventilationsstörung der kleinen Atemwege. Seiner Auffassung nach lassen sich die MdE-relevantene einzelnen Partialstörungen wie - der restriktiven Ventilationsstörung - der obstruktiven Ventilationsstörung der Klägerin und großen Atemwege, - der ventilatorischen Verteilungsstörungen, - der Störungen des Gausaustausches, - Emphysem nicht isoliert betrachten. Entsprechend beurteilte er die Tabellen zur Bemessung der MdE nach Funktionsdaten und Röntgenbild – veröffentlicht u. a. bei Schönberger u. a., die den Beteiligten mit den Anlagen zum Richterbrief an Prof. Dr. W vom 09. März 2010 bekannt gegeben wurden, derart, dass sie "fallbezogen nicht berücksichtigt werden" und begründet dies im Einzelnen. So kann auch Prof. Dr. W keine MdE unter Anwendung der Empfehlungen abgedruckt bei Schönberger, Mehrtens, Valentin, in den 6., 7., 8. Auflagen begründen. Diese dienen allerdings seit Jahren einer einheitlichen Beurteilung der MdE bei berufsbedingten Atemwegs- und Lungenkrankheiten, insbesondere auch in der Rechtsprechung. Auch die übrigen Gutachten haben unter Anwendung dieser Tabellen keine MdE vor April 2008 begründen können. Dass eine restriktive Ventilationsstörung des Versicherten nach der von Dr. W genannte Falkensteiner Empfehlung (ab Oktober 2010 Geltung) vor dem 04. April 2008 eine MdE um 20 v. H. mindestens begründet, hat auch Prof. Dr. W nicht erklärt.
Die Beurteilung der MdE mit unter 10 v. H. bis 04. April 2008 ist nach allem überzeugend. Entscheidend sind die in die MdE-Beurteilung einzustellenden Erkrankungen mit den nachgewiesenen Befunden zu Funktionseinschränkungen. Prof. Dr. W stellt hingegen solche ein, von denen nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass sie wesentlich (mit-)verursacht wurden durch die Asbestexposition des Versicherten. Daher vermag die Beurteilung der MdE durch Prof. Dr. W den Senat nicht zu überzeugen.
Dass sich Pleuraplaques auf die MdE auswirken, ist nicht nachgewiesen, da auf die nachweisbare pulmo-kardialen Einbuße bei der MdE-Beurteilung abzustellen ist. Dazu führen Schönberger u. a. aus, dass Plaques nicht zu Beschwerden oder Funktionseinbußen der Lunge führen (a.a.O. 8. Auflage, S. 1033 – den Beteiligten bekanntgemacht).
Eine Rundherdatelektase, die zumindest im Jahr 1994 beim Versicherten operiert worden war und in einer CT-Untersuchung vom 02. Oktober 2005 nachgewiesen wurde, verursacht im konkreten Fall des Versicherten keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen. Gleiches gilt für die Hyalinosis complicata.
Dr. G hat hierzu ausgeführt, dass die Rundherdatelektase und Hyalinosis complicata eine Restriktion nicht verursacht haben. Da sich bei diesen Veränderungen um Veränderungen ohne Auswirkung auf die pulmonale Leistungsfähigkeit handele, bedingten sie keine Erhöhung der MdE.
Auch die Gasaustauschstörung ist nicht auf die Asbestose, sondern auf die chronisch-obstruktive Bronchitis zurückzuführen. Hierzu hat Dr. G ausgeführt:
"Die Synopsis der in der Akte dokumentierten Lungenfunktionsuntersuchungen ergibt ein uneinheitliches Bild. Während eine als Folge einer Lungenfibrose durch Asbesteinwirkung zu erwartende signifikante restriktive Ventilationsstörung über die Jahre nicht aufgetreten ist, ist eine mäßige Gastransferstörung erkennbar, die jedoch im Ergebnis der jetzigen Funktionsuntersuchung nicht im Sinne einer Diffusionsstörung bei fibrotischen Gewebsveränderung zu werten ist, sondern als eine Gasaustauschstörung in Folge von Ventilations-Perfusionsstörungen (Verteilungsstörung), wie sie für eine chronisch-obstruktive Bronchitis, insbesondere bei Emphysemveränderungen typisch sind."
Auch der Bescheid vom 03. September 2008 ist rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente vor dem 04. April 2008 ist nicht begründet. Dem Versicherten stand ein solcher Anspruch nicht zu.
Die mit Bescheid vom 03. September 2008 anerkannte Bronchialkrebserkrankung ist für einen früheren Zeitraum nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Nichts anderes folgt aus dem Gutachten von Prof. Dr. W. Insoweit führte er aus, dass die Bronchialkrebserkrankung vor dem 04. April 2008 fachärztlich nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können, da es aktenkundig äußerst spät zu einem entsprechenden Arztbesuch gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits das Endstadium 4 der Tumorerkrankung eingetreten. Soweit er ausführt, dass eine zielgerichtete Tumorsuche bereits seit November 2007 einen positiven Befund hätte erbringen müssen, nennt er eine denkbare Möglichkeit, die nicht ausreicht, um den zweifelsfreien Nachweis der früheren Feststellung dieses Tumors zu bringen. Wenn Prof. Dr. W rückblickend das klinische Anfangsstadium auf November 2007 schätzt, verbleibt auch seine Überlegung zur üblichen Wachstums- und Ausbreitungsgeschwindigkeit des Krebs im Bereich von Möglichkeiten.
Die Bestimmung des Leistungsfalls ist nicht auf den Zeitpunkt der wahrscheinlich erforderlich gewesenen ärztlichen Behandlung, sondern auf den Zeitpunkt der ersten Diagnose mit Aufnahme der ärztlichen Behandlung abzustellen. Der Zeitpunkt des ersten Röntgenbildes mit Tumorverdacht ist maßgebend (Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung M 4104 Rz. 8 unter Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Januar 1995 in Meso B 70/172).
Der Antrag der Beklagten, die schriftlichen Äußerungen von Prof. Dr. K aus der Akte zu löschen, ist abzulehnen.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Löschung der Stellungnahmen von Prof. Dr. K kommt § 84 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Betracht (vgl. BSG SozR 4-1300 § 84 Nr. 1). Danach sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist.
Nach § 67 Abs. 1 SGB X ist die Speicherung von Sozialdaten zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist. Sozialdaten sind nach § 67 Abs. 1 SGB X Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einem Verwaltungsträger im Sinne des § 35 Sozialgesetzbuch – allgemeiner Teil – (SGB I) im Hinblick auf seine Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Speichern ist nach § 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 SGB X das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zweck der weiteren Verarbeitung. Als Löschen bezeichnet § 67 Abs. 6 Nr. 5 SGB X das Unkenntlichmachen gespeicherter Sozialdaten.
Die Stellungnahme von Prof. Dr. K erfüllt zwar den Tatbestand der Speicherung von Sozialdaten nach § 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach den genannten Rechtsgrundlagen käme eine vollständige Entfernung dieser Stellungnahme aus den Gerichtsakten jedoch nur dann in Betracht, wenn sie als Aktenbestandteil nicht geführt werden dürfte. Dies setzte jedenfalls voraus, dass die Einholung der Stellungnahme rechtswidrig veranlasst worden wäre (vgl. §§ 67 a Abs. 1, 67 c Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, insbesondere ist die Stellungnahme nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII in rechtlich unzulässiger Weise zustande gekommen. § 200 Abs. 2 des SGB VII lautet: Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Ein Verstoß der Beklagten gegen diese Vorschrift ist nicht feststellbar. Die Vorschrift erfasst "Gutachten im klassischen Wortsinn". Nach Rechtsprechung des BSG bezieht sich § 200 Abs. 2 § 200 Abs. 2 SGB VII nur auf umfassende Gutachten. Ein solches liegt hier nicht vor sondern eine gutachterliche beratende Stellungnahme zu den Beurteilungen von Prof. Dr. W. Diesen Auftrag hat Prof. Dr. K seiner Stellungnahme vorangestellt. Auch ist er diesem Auftrag ersichtlich nachgekommen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 05. Februar 2000 – B 2 U 8/07 R im Einzelnen ausgeführt: " Aus alledem folgt, dass der Begriff des Gutachtens in § 200 Abs. 2 SGB VII eng auszulegen ist. Ein Gutachten liegt vor, wenn ein solches angefordert oder - wie vorliegend - ausweislich seiner Selbstbezeichnung "Gutachten" erstellt und übersandt oder abgerechnet wurde. Unabhängig von dieser rein äußerlichen Bezeichnung ist zur weiteren Unterscheidung vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen: Enthält sie vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, z. B. des umstrittenen Ursachenzusammenhangs - wie vorliegend der Frage, ob entsprechend dem Urteil des SG beim Kläger eine Panik- und Somatisierungsstörung als Unfallfolge anzuerkennen ist -, ist es ein Gutachten (vgl. z. B. zum Begriff des Zusammenhangsgutachtens i. S. der §§ 5, 4 Abs. 4 Berufskrankheiten-Verordnung: P. Becker, BG 1998, 558, 559 f; O. Blome, BG 1998, 364). Setzt sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit dem eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage (vgl. z. B. zum aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand als Beurteilungsgrundlage bei Kausalitätsfragen: Urteil des Senats vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 17 ff.), ist es nur eine beratende Stellungnahme. Dass eine derartige Stellungnahme, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen einem Ereignis und einer Gesundheitsstörung umstritten ist, auch Aussagen zu diesem Ursachenzusammenhang und dem einschlägigen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand enthält, ergibt sich aus der Materie. Entscheidend sind daher der Bezugspunkt der umstrittenen ärztlichen Äußerung, die an den Arzt gestellten Fragen und die von ihm gegebenen Antworten. Gerade bei einer ärztlichen Stellungnahme zu einem Gerichtsgutachten hilft es nur eingeschränkt weiter, wenn der Verfasser der Stellungnahme bloß seine von dem Gerichtsgutachten abweichende Sicht der Dinge wiedergibt. Prozessual zielgenau verwertbar für den auftraggebenden Beteiligten und das Gericht wird sie erst, wenn sie Einwendungen und Ergänzungsfragen i. S. des § 411 Abs. 4 ZPO zu dem Gerichtsgutachten formuliert."
Nach allem stellt sich die Stellungnahme von Prof. Dr. K insoweit nicht als Gutachten in dem Sinne dar. Er hat auf Prof. Dr. W geantwortet und hat so kein umfassendes Gutachten abgegeben.
Auch wird hier kein verfassungsrechtlich geschütztes höchstpersönliches Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Der Versicherte ist verstorben. Die Klägerin als Hinterbliebene kann als Sonderrechtsnachfolgerin dessen Rechte nach § 200 Abs. 2 nicht geltend machen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 13. Juli 2009 - L 2 U 176/08 - )
Nach allem sind die Berufung und die Klagen unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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