L 32 AS 2057/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 168 AS 6816/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 2057/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2009 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2007 wird aufgehoben, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Ar-beitsuchende mit Wirkung vor dem 1. September 2005 aufgehoben hat und mehr als 3.482,- Euro zurückfordert. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger drei Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu er-statten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Der 1958 geborene Kläger beantragte am 3. November 2004 Leistungen nach dem Sozialge-setzbuch, Zweites Buch – SGB II -. Er gab an, zurzeit Arbeitslosengeld zu beziehen und kein Vermögen oberhalb von 4.850,- Euro zu haben. Tatsächlich war der Kläger Eigentümer einer vermieteten Wohnung in D, an der allerdings die Mutter des Klägers, die auch die Mietein-nahmen erhielt, ein Nießbrauchsrecht hatte.

Durch Bescheid vom 30. November 2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 870,50 Euro.

Am 20. Januar 2005 gewährte die Mutter des Klägers diesem ein Darlehen über 150.000,- Eu-ro, das nach dem Darlehensvertrag ausschließlich zum Erwerb einer Eigentumswohnung in B, Wstr., dienen sollte, deren Fertigstellung für Mai 2006 angekündigt war. Das Darlehen sollte der Kläger aus dem Verkauf der D Wohnung zurückzahlen.

Am 24. Januar 2005 schloss der Kläger einen notariellen Kaufvertrag über eine noch zu erstel-lende Wohnung in der Wstr, die er zusammen mit K D gegen Zahlung von 455.500,- Euro er-werben wollte. Die Mutter des Klägers überwies für ihn entsprechend der Darlehensvereinba-rung am 7. März 2005 136.650,- an den Verkäufer der Wohnung in der Wstr., am 13. Juni 2005 11.956,00 an das Finanzamt als Grunderwerbssteuer und am 9. Februar 2002 2.161,70 Euro an den Notar.

Am 30. Mai 2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Fortzahlungsantrag und gab an, dass in seinen Vermögensverhältnissen keine Änderungen eingetreten seien. Durch Bescheid vom 9. Januar 2005 bewilligte der Beklagte weiter Leistungen in Höhe von 870,50 Euro mo-natlich vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005.

Am 9. Mai 2005 wurde die Eigentumswohnung in D mit notariellem Vertrag für 150.000,- Euro verkauft, am selben Tag bewilligte die Mutter des Klägers die Löschung des Nieß-brauchsrecht. Von den Erwerbern erhielt der Kläger am 2. September 2005 den Kaufpreis für die D Wohnung auf sein Konto, den er am 13. September 2005 an seine Mutter weiterleitete.

Am 2. Januar 2006 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass er ab diesem Tag eine Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Bruttoentgelt von ca. 1.800,- Euro aufnehme. Am 19. Januar 2006 erhielt der Kläger von seiner Mutter im Wege der vor-weggenommenen Erbfolge 205.000,- Euro, mit denen er eine weitere Rate für den Erwerb der Wohnung in der Wstr. zahlte.

Der vom Kläger am 13. März 2006 gestellte Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 15. März 2006 mangels Bedürftigkeit abge-lehnt.

Am selben Tag wandte sich der Beklagte an den Kläger mit der Aufforderung, sich zu Kapital- und Zinserträgen von Vermögen unterhalb des Grundfreibetrags von 4.850,- Euro zu erklären. Der Kläger legte daraufhin mehrere Bankunterlagen vor, aus denen sich nicht nur die von dem Beklagten erfragten Anlageerträge, sondern für den 24. Februar 2006 ein Anlagebetrag von 70.000,- Euro, am 12. September 2005 ein solcher von 150.000,- Euro und für den 19. Januar 2006 ein Zahlungseingang in Höhe von 205.000,- Euro ergaben. Auf Nachfrage der Beklagten legte der Kläger weitere Unterlagen mit Bezug auf den Kauf der Wohnung in der Wstr. vor.

Nach Anhörung vom 25. Oktober 2006 hob der Beklagte durch Bescheid vom 7. Dezember 2006 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2005 ganz auf. Die zu Unrecht gezahlten Leistungen in Höhe von 10.446,- Euro seien zu erstatten. Der Kläger habe im Januar 2005 über ein seinen Freibetrag übersteigendes Vermögen von 150.000,- Euro verfügt, das zur Bestreitung des Lebensunterhaltes hätte genutzt werden müssen. Die Entscheidung beruhe auf § 48 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X).

Dagegen erhob der Kläger noch im Dezember 2006 Widerspruch. Er ließ vortragen, dass er im Januar 2005 über keinerlei Vermögen verfügt und erst am 20. Januar 2005 ein zweckgebunde-nes Darlehen aufgenommen habe. Wegen der Zweckbestimmung des Darlehens für den Kauf der Wohnung und der Auszahlung direkt an den Notar habe er über den Betrag nicht verfügen können. Auch über den am 5. September 2005 auf seinem Konto gutgeschriebenen Betrag von 150.000,- Euro habe er nicht frei verfügen können, da bereits im Januar 2005 festgeschrieben worden sei, was mit diesem Betrag zu geschehen habe. Ab Januar 2006 habe er dann keine Leistungen beantragt, weil er nicht mehr hilfebedürftig gewesen sei.

Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2007 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Bewilligungsbescheide vom 30. November 2004 und 9. Juni 2005 seien nach § 45 SGB X für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 aufzuhe-ben. Der Kläger sei wegen vorhandenen Vermögens nicht leistungsberechtigt gewesen. Vom 1. bis zum 24. Januar 2005 habe er über ein Vermögen von 154.851,77 Euro verfügt, das sich aus der Eigentumswohnung in D, deren Wert mit dem späteren Verkaufspreis anzusetzen sei, und frei verkäuflichen Wertpapieren im Wert von 4.851,77 Euro ergebe. Vom 25. Januar 2005 bis zum 9. Mai 2005 habe dann ein Vermögen in Höhe von 610.351,77 Euro bestanden, zusätz-lich zu dem bisherigen Vermögen habe der Kläger eine Eigentumswohnung gekauft, deren Wert mit dem Kaufpreis in Höhe von 455.500,- Euro anzusetzen sei, und die durch Verkauf oder Beleihung verwertbar gewesen sei. Vom 9. Mai 2005 (Tag des Abschlusses des Kaufver-trages über die Wohnung in D) bis zum 31. Dezember 2005 habe das Vermögen dann 460.351,77 Euro betragen. Auf Vertrauen könne der Kläger sich nicht berufen, da er bei An-tragstellung zumindest grob fahrlässig Angaben gemacht habe, die in wesentlicher Beziehung unvollständig gewesen seien.

Dagegen richtet sich die am 16. März 2007 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit welcher der Kläger geltend gemacht hat, er habe zu keiner Zeit über freies Vermögen ver-fügt. Die mit dem Nießbrauchsrecht der Mutter belastete Eigentumswohnung sei praktisch wertlos gewesen.

Das Sozialgericht hat von dem Kläger auf Nachfrage Unterlagen über sämtliche für ihn einge-richtete Konten erhalten.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 2. November 2009 abgewiesen. Zur Begrün-dung hat es ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Der Verfügungs-satz sei inhaltlich hinreichend bestimmt, da er den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. De-zember 2005 benenne, für den die Bewilligung vollständig aufgehoben worden sei, so dass es einer Aufzählung der Daten der davon betroffenen Bescheide nicht mehr bedurft habe. Die Bewilligung habe aufgehoben werden dürfen, weil Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Am 1. Januar 2005 sei die Bewilligung noch rechtmäßig gewesen, weil kein anrechenbares Vermögen vor-handen gewesen wäre. Das Wertpapiervermögen von 4.898,74 Euro habe unter den Vermö-gensfreigrenzen gelegen, die Eigentumswohnung sei mit dem zugunsten der Mutter bestehen-den Nießbrauchsrecht belastet und deswegen nicht marktgängig gewesen. Am 20. Januar 2005 habe der Kläger indessen Vermögen erzielt, indem er die Eigentumswohnung belastet habe. Seine Mutter habe ihm ein Darlehen über 150.000,- Euro gewährt, als Sicherheit die Eigen-tumswohnung akzeptiert und auf ihr Nießbrauchsrecht verzichtet.

Der Einwand, dass die Darlehenssumme nicht zur Verfügung gestanden habe, vielmehr dem Erwerb einer Eigentumswohnung in der Wstr. zu dienen bestimmt gewesen sei, sei nicht erheb-lich. Der Vermögensbegriff sei nicht auf tatsächlich zur Verfügung stehende Mittel beschränkt. Bereits die Belastung der Wohnung in D stelle eine Vermögensverwertung dar. Eine Zweckbe-stimmung des Vermögens führe nur in besonderen Fällen zu einer Ausnahme von der Anre-chenbarkeit. Die Eigentumswohnungen seien aber nicht für die Altersvorsorge bestimmt gewe-sen. Soweit das Vermögen dem Erwerb der Wohnung in der Wstr. dienen sollte, habe es sich nicht um ein Hausgrundstück gehandelt, das Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dienen sollte. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als wenn die Eigentumswoh-nung in D nicht verkauft worden wäre sondern die Mutter dem Kläger die erste Rate für die Eigentumswohnung geschenkt hätte, obwohl dann von einer einmaligen Einnahme statt von einer Verwertung vorhandenen Vermögens auszugehen wäre. Die Eigentumswohnung in der Wstr. sollte der Unterkunft dienen, also der Sicherung des Lebensunterhaltes. Eine Zuwendung in Höhe von 150.000,- Euro beeinflusse die Lage des Klägers so günstig, dass daneben Leis-tungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht gerechtfertigt seien.

Die Bewilligungsentscheidung vom 9. Juni 2005 für den Zeitraum vom 30. Juni 2005 bis 31. Dezember 2005 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Angaben des Klägers bei dem Fortzahlungsantrag seien zumindest grob fahrlässig unvollständig in wesentlicher Bezie-hung geblieben. Der Kläger habe nach Abschluss der Darlehensvereinbarung mit seiner Mutter erkennen müssen, dass diese Veränderung der Vermögensverhältnisse seiner Mitteilungspflicht unterfallen sei.

Gegen das ihm am 25. November 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Dezember 2009 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Er macht geltend, dass er kein Vermögen im sozialrechtlichen Sinne gehabt habe. Das Darlehen sei ihm ausschließlich zum Kauf der Wohnung in der Wstr. gewährt worden und direkt an den Verkäufer ausgezahlt worden. Unabhängig von dieser Zweckbestimmung müsse das Darlehen mit der bestehenden Rückzahlungsverpflichtung saldiert werden, so dass sich ein Vermögen von "Null" ergebe (Hinweis auf Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen v. 11. Dezember 2008 - L 7 AS 62/08 - ). Die Wohnung in D sei wegen des bestehenden Nießbrauchrechts wert-los gewesen. Der Kaufpreis für diese dann nach Aufhebung des Nießbrauchsrechts verkaufte Wohnung sei frühestens im September 2005 fällig gewesen. Aus diesem habe er dann seine Darlehensschuld getilgt, so dass er im Ergebnis auch bei Eingang des Kaufpreises kein einsetz-bares Vermögen gehabt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2009 und den Bescheid der Be-klagten vom 7. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für überzeugend. Der Verzicht der Mutter des Klägers auf ihr Nießbrauchsrecht habe zur Verwertbarkeit der Wohnung in D geführt. Bereits am 20. Ja-nuar 2005 habe der Kläger die Wohnung mit einem Darlehen in Höhe von 150.000,- Euro be-lastet. Unerheblich sei, dass der Kläger mit dem Darlehen die Wohnung in B vorfinanziert ha-be, statt auf den Verkauf der Wohnung in D zu warten und aus dem Erlös eine Eigentumswoh-nung in B zu erwerben. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei § 45 SGB X. Der Kläger habe unvollständige Angaben gemacht, da er im Antragsformular ausdrücklich nach Wohneigentum gefragt worden sei.

Die Beteiligten haben sich beide mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einver-standen erklärt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Nach § 124 Abs. 2 SGG konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte den Bescheid vom 30. November 2004 und den Be-scheid vom 9. Juni 2005 mit Wirkung vor dem 1. September 2005 aufgehoben hat. Entspre-chend war auch der zurückzufordernde Betrag beschränken.

Als Rechtsgrundlage für eine Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2004, mit dem die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 gewährt hat, kommen nur die §§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 und 3 SGB III, 45, 48 SGB X in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind vorliegend nicht erfüllt, weil sich der Bescheid vom 30. November 2004 nicht als rechts-widrig erweist. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der des Beklagten verfügte der Kläger während des gesamten Bewilligungszeitraumes des Bescheides vom 30. November 2004 nicht über anrechenbares Vermögen, das seiner Hilfebedürftigkeit entgegengestanden hätte.

Als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger hatte der Kläger nach § 7 SGB II einen Anspruch auf Leis-tungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Das Vorliegen von Hilfebedürf-tigkeit setzt nach § 9 SGB II voraus, dass der Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder anrechenbaren Vermögen gedeckt werden kann. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind als Ver-mögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass die mit einem Nießbrauchsrecht belastete Wohnung in D nicht als verwertbarer Vermögensgegenstand angesehen werden konnte. Der Begriff der Verwertbarkeit enthält eine tatsächliche Komponente, er setzt voraus, dass die Verwertung dem Betroffenen einen Ertrag bringt, aus dem er – jedenfalls teilweise - seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Gegenstände, die nicht marktgängig sind, weil für sie in ab-sehbarer Zeit kein Käufer gefunden werden kann, sind demnach keine verwertbaren Vermö-gensgegenstände (BSG, Urt. v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 46/06 -). So lag es hier in Be-zug auf die D Eigentumswohnung. Ein Verkauf der Wohnung trotz des bestehenden Nieß-brauchsrechts schien ausgeschlossen zu sein, weil das Interesse eines Erwerbers typischerweise dahin geht, die Wohnung entweder selbst zu nutzen oder doch jedenfalls die Mieteinnahmen zu erhalten. Die Erwartung, dass die Wohnung nach dem Tode der Mutter nicht mehr mit einem Nießbrauchsrecht belastet sein würde, reicht nicht aus, sie als Vermögen anzusehen, dass eine aktuell bestehende Hilfebedürftigkeit ausschließen könnte. Der Tod einer bestimmten Person ist als zukünftiges ungewisses Ereignis nicht geeignet, die gegenwärtige Verwertbarkeit eines Vermögensgegenstandes zu begründen (BSG, Urt. v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 46/06 -).

Zu Unrecht hat das Sozialgericht gemeint, der Kläger habe seine Wohnung dadurch im Verlauf des Januars 2005 verwertet, dass ihm seine Mutter am 20. Januar 2005 vertraglich ein Darlehen versprochen hatte. Die Gewährung eines Darlehens als solche, d.h. die Begründung eines An-spruches auf Auszahlung der Darlehenvaluta, beinhaltet keine Vermögensmehrung. Denn dem erworbenen Anspruch aus Auszahlung steht der Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens ge-genüber, so dass sich ein neutraler Vermögenssaldo ergibt (BSG, Urt. v. 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R ). Dahingestellt bleiben kann, ob jedenfalls die Auszahlung des Darlehens-betrages als Vermögensmehrung anzusehen ist. Denn der Kläger hatte nach dem mit seiner Mutter am 20. Januar 2005 vereinbarten Darlehensvertrag keinen Anspruch auf Auszahlung der Valuta an sich selbst. Eine solche ist auch tatsächlich nicht erfolgt. Demnach hatte er mit Rücksicht auf den Darlehensvertrag vom 20. Januar 2005 niemals Mittel in der Hand, erst recht nicht schon im Januar 2005, um aus diesen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Soweit das Sozialgericht auf den mit der Darlehensgewährung deutlich gewordenen Wert der Eigentumswohnung abstellt, ist daran zu erinnern, dass die Anrechenbarkeit eines Vermögens-gegenstandes seine Verwertbarkeit voraussetzt. Der Inhaber muss die tatsächliche Möglichkeit haben, den Gegenstand "zu Geld zu machen" um daraus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (BSG, Urt. v. 6. Dezember 2007 – B 14/7b AS 46/06 -). Daher kann nicht schon die Vereinba-rung eines Darlehens am 20. Januar 2005, sondern erstmals die am 9. Mai 2005 erklärte Bewil-ligung der Löschung der Nießbrauchsrechts als Ansatzpunkt dafür gesehen werden, dass die Eigentumswohnung ihre Marktgängigkeit zurück erhielt und insofern ein verwertbarer Vermö-gensgegenstand für den Kläger wurde. Entscheidend für die Verkaufsaussichten auf dem all-gemeinen Immobilienmarkt ohne Rücksicht auf die von dem Kläger bereits eingegangenen Verpflichtung zur Verwendung der Wohnung als Darlehenssicherheit ist sogar erst die Lö-schung des Nießbrauchsrechts im Grundbuch. Diese fiel hier aber tatsächlich mit der Übertra-gung der Wohnung an die Erwerber zusammen, so dass der Kläger vorher nicht (anderweitig) über die Wohnung verfügen konnte. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger auf die Lö-schungsbewilligung unabhängig von dem von seiner Mutter eingeleiteten Verkauf der Woh-nung hätte zugreifen können. Gezahlt wurde der Kaufpreis für die Wohnung an den Kläger erst am 2. September 2005, vorher hat sich der Wert der Wohnung nicht für den Kläger in rechtlich erheblicher Weise realisiert. Dass die Mutter des Klägers schon vorher den Wert der Eigen-tumswohnung als Sicherheit akzeptierte, ändert daran nichts, weil der Kläger auf diesen Wert nicht außerhalb des mit der Mutter geschlossenen Vertrags zugreifen konnte. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er den Wert der Eigentumswohnung nicht (schon) im Januar 2005 dafür einsetzen können, seinen aktuellen Lebensunterhalt zu sichern. Er war nach den Vereinbarun-gen mit seiner Mutter vielmehr darauf beschränkt, eine erst in Zukunft nutzbare Eigentums-wohnung in B zu erwerben.

Der am 24. Januar 2005 geschlossene Kaufvertrag über den Erwerb einer noch herzustellenden Wohnung in Berlin führte ebenfalls nicht zu einer Mehrung des Vermögens des Klägers. Dem erworbenen Anspruch stand die (anteilige) Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises gegen-über. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger im Januar 2005 oder auch danach die Mög-lichkeit hatte, den Anspruch aus dem Erwerbsvertrag mit der Aussicht auf Gewinn an einen Dritten zu übertragen.

Weiteres Vermögen des Klägers in dem fraglichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005, das oberhalb des für ihn nach § 12 Abs. 2 SGB II a.F. maßgebenden Freibetrages von 10.150,- Euro liegen würde, ist auch aus den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen nicht ersichtlich geworden.

Die Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2005, mit dem der Beklagte Leistungen der Grund-sicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 gewährt hat, für den Zeitraum ab dem 1. September 2005 findet dagegen ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tat-sächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauer-wirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wir-kung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III ist dabei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse der Verwaltungsakt aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).

Die von den Erwerbern der Wohnung in D an den Kläger gezahlten 150.000,- Euro, die am 2. September 2005 auf seinem Konto eingingen, sind Einkommen oder Vermögen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 12 Abs. 1 SGB II. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Die 150.000,- Euro sind dem Kläger nach Beginn des laufenden Bewilligungszeitraumes am 1. Juli 2005 erstmalig zugeflossen, was dafür spricht, sie als Einnahme anzusehen. Diese Einordnung kann der Senat indessen dahingestellt sein lassen. Auch wenn der Kaufpreis mit Rücksicht darauf, dass er (wirtschaftlich) an die Stelle der bereits vorhandenen Wohnung in D getreten war, als (umgeschichtetes) Vermögen anzusehen wäre, würde sich nichts anderes ergeben. Die Summe von 150.000,- Euro liegt offensichtlich weit oberhalb des Vermögensfreibetrages nach § 12 Abs. 2 SGB II, auch für den Zeitpunkt des Wegfalls der Bedürftigkeit würde sich nichts ändern. Die Wohnung in D wurde – wie oben bereits ausgeführt - erst mit ihrem Verlauf werthaltig. Der Kläger ist folglich so zu behandeln, als hätte ihm seine Mutter zu diesem Zeitpunkt den Wert der Wohnung geschenkt.

Bei den 150.000,- Euro würde es sich jedenfalls auch nicht um Einnahmen mit einer besonde-ren Zweckbestimmung i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II handeln, da die Wohnungskäufer dem Kläger keinen Verwendungszweck für den Kaufpreis vorgaben. Der Kläger war rechtlich und tatsächlich in der Lage, über sein Konto zu verfügen, er hätte demnach aus dem eingegangenen Betrag seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Unerheblich ist, dass er nach dem mit seiner Mutter geschlossenen Darlehensvertrag verpflichtet war, die 150.000,- Euro an sie zurückzu-zahlen. Bestehende Verbindlichkeiten vergrößern nicht den nach dem SGB II zu berücksichti-genden Bedarf, bereite Mittel sind vorrangig zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes einzusetzen (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27. April 2010 – L 3 AS 79/08 - mit weit. Nachw.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, um mit diesen gegenüber seiner Mutter bestehende Schulden zurückzahlen zu können.

Als einmalige Einnahme wären die 150.000,- Euro seit Beginn des Monats ihres Zuflusses zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 ALG II-V a.F. sind sie auf einen bestimmten Zeitraum aufzuteilen (dazu Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rdnr. 21), der hier offen-sichtlich jedenfalls die verbleibenden Monate bis zum Ende des Leistungsbezuges am 31. Dezember 2005 umfasste. Unerheblich ist dagegen, dass der Kläger über den Betrag bereits am 13. September 2005 anderweitig verfügt und seine Schulden gegenüber seiner Mutter ge-tilgt hat. Das ergibt sich daraus, dass Schulden nicht geeignet sind, zugeflossene Einnahmen zu mindern. Sie gehören nicht zu den im SGB II und in der ALG II-V aufgezählten Positionen, die von Einnahmen in Abzug zu bringen sind. Ob der Kläger nur infolge grober Fahrlässigkeit verkannt haben kann, dass infolge des Ein-gangs von 150.000,- Euro auf seinem Konto seine Bedürftigkeit weggefallen ist, ist für die Aufhebung der Bewilligung vom 9. Juni 2005 mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unerheblich. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X reicht die tatsächliche Erzie-lung von Einkommen oder Vermögen, das zum Wegfall des Anspruchs geführt haben würde, für die Rücknahme einer Bewilligung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse an aus. Unerheblich ist auch, dass sich die Beklagte in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht auf § 48 SGB X, sondern auf § 45 SGB X gestützt hat. Bei der Aufhebung einer Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt es sich nach den §§ 40 Abs. 2 SGB II, 330 Abs. 3 SGB X um eine gebundene Entscheidung, so dass es auf ein von der Be-klagten auszuübendes Ermessen nicht ankommt.

Soweit die Beklagte die Leistungsbewilligung zulässig mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben hat, sind die gezahlten Beträge nach § 50 SGB X zu erstatten. Auf den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. Dezember 2005 entfällt ein Betrag von 3.482,- Euro (4 Monate x 870,50 Euro). Dessen Erstattung wird nicht durch § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II beschränkt, wo-nach abweichend von § 50 SGB X 56 vom Hundert der Kosten für Unterkunft nicht zu erstat-ten sind. Mit Wirkung vom 1. April 2006 an gilt diese Beschränkung nämlich (u.a.) nicht, wenn ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des SGB X vorliegt. Ein solcher Fall liegt indessen vor, der Kläger ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung we-sentlicher Veränderungen zumindest grobfahrlässig nicht nachgekommen. Dass die 150.000,- Euro ihm zur Verfügung standen und seine finanzielle Situation entscheidend verbessert hatten kann ihm deswegen nicht entgangen sein, weil er den Betrag – statt ihn sofort an seine Mutter weiterzureichen – zunächst noch gewinnbringend angelegt hat.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG, sie berücksichtigt den Ausgang des Verfah-rens in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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