L 21 R 1785/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 R 2655/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 1785/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsver-fahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung einer Rentenbewilligung für den Zeit-raum 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen.

Die 1968 geborene Klägerin war zuletzt seit 1989 als Versicherungsangestellte bei der A tätig; seit 6. Dezember 2002 ist sie arbeitsunfähig.

Auf Antrag vom 17. Dezember 2002 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 14. Juli 2003 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2004) Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlich versicherten Beschäftigung seit 1. Juli 2003, befristete bis zum 31. Juli 2005. Auf der Grundlage von 42,9907 Entgeltpunkten (Ost) multipliziert mit dem Rentenartfaktor 0,5 sowie 3,1966 Entgeltpunkten (Ost) aus der knappschaftlichen Versicherung (Ost) multipliziert mit dem Rentenartfaktor 0,9 errechnete die Beklagte in Abhängigkeit des aktuellen Rentenwertes (Ost) (22,97 EUR) eine monatliche Rente i.H.v. 559,83 EUR und nach Abzug von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag einen monatlichen Zahlbetrag i.H.v. 518,12 EUR. Ein Hinzuverdienst wurde nicht angerechnet. Auf Seite 4 sowie Anlage 19 des Bescheides wies die Beklagte unter anderem auf das Bestehen von Hinzuverdienstgrenzen, die Mitteilungspflichten bei Bezug von Arbeitslosengeld sowie darauf hin, dass für die Höhe des Hinzuverdienstes nicht die Sozialleistung selbst, sondern das dieser Leistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen maßge-bend sei.

Die Bundesagentur für Arbeit meldete der Beklagten am 30. April 2004, 1. Juli 2004 und 26. August 2004, dass die Klägerin in der Zeit vom 8. März bis 31. Mai 2004 und ab 22. Juni 2004 bis voraussichtlich 23. März 2005 wöchentlich 257,60 EUR Arbeitslosengeld erhalte und dieser Leistung ein Bemessungsentgelt i.H.v. 782,14 EUR (gerundet: 780,- EUR) zu Grunde liege.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2004 berechnete die Beklagte aufgrund der Änderung der Höhe des Hinzuverdienstes die Rente der Klägerin für die Zeit ab 8. März 2004 neu. Unter Berücksichti-gung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe der Klägerin die Rente für die Zeit

• vom 8. März bis 31. März 2004 nur in Höhe der Hälfte und • ab 1. April 2004 nicht zu. Für die Zeit vom 8. März 2004 bis 31. August 2004 ergebe sich eine Überzahlung i.H.v. 2.757,56 EUR, die sich aus 24/31 des hälftigen Monatsbetrages für März 2004 (518,12 EUR x 24/31= 401,12 x ½ = 200,56 EUR) zuzüglich 5 Monatsbeträge in Höhe des jeweils ab 1. April 2004 abge-senkten Zahlbetrages in Höhe von 511,40 EUR errechne.

Eine weitere Neuberechnung erfolgte mit Bescheid vom 30. September 2004 für die Zeit ab 1. Juni 2004. Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe der Klägerin die Rente für die Zeit • vom 1. bis 30. Juni 2004 in voller Höhe und • ab 1. Juli 2004 nicht zu. Für die Zeit vom 1. bis 30. Juni 2004 ergebe sich eine Nachzahlung i.H.v. 511,40 EUR.

Nach entsprechender Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 den Rentenbescheid vom 14. Juli 2003 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit ab 8. März 2004 auf und machte einen Erstat-tungsanspruch in Höhe von 2.246,16 EUR (2.757,56 EUR abzüglich der Nachzahlung aus dem Be-scheid vom 30. September 2004) geltend. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Kläge-rin überschreite mit dem Bezug von Arbeitslosengeld ab 8. März 2004 die Hinzuverdienstgren-zen. Die Hinzuverdienstgrenze betrage bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe das 20,7fache und in Höhe der Hälfte das 25,8fache des aktuellen Rentenwerts, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten. Bei der Klägerin liege daher konkret die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in voller Höhe bei 2.304,31 EUR und für die Rente in Höhe der Hälfte bei 2.872,04 EUR. Dem von ihr bezogenen Arbeitslosengeld habe • in der Zeit vom 08.03. bis 31.03.2004 ein Bemessungsentgelt von 2.711,28 EUR, • in der Zeit vom 01.04. bis 31.05.2004 ein Bemessungsentgelt von 3.389,27 EUR mtl., • in der Zeit vom 01.06. bis 21.06.2004 ein Bemessungsentgelt von 0,- EUR, • in der Zeit vom 22.06. bis 30.06.2004 ein Bemessungsentgelt von 1.016,73 EUR und • in der Zeit ab 01.07.2004 ein Bemessungsentgelt von 3.389,27 EUR mtl. zugrunde gelegen. Hieraus ergebe sich eine zustehende Rente unter Beachtung der Hinzuver-dienstgrenzen • in der Zeit vom 08.03. bis 31.03.2004 in Höhe von ½, • in der Zeit vom 01.04. bis 31.05.2004 ohne Zahlbetrag, • in der Zeit vom 01.06. bis 30.06.2004 in voller Höhe und • in der Zeit ab 01.07.2004 ohne Zahlbetrag. Mit dem Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze ab 08. März 2004 sei eine wesentliche Ände-rung in den Verhältnissen im Sinne der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, so dass der ursprüngliche Rentenbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Ver-hältnisse an aufgehoben werden soll, da nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt habe.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2005 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin aufgrund des Wegfalles des Hinzuverdienstes für die Zeit ab 1. März 2005 neu und wies ab diesem Zeit-punkt die Zahlung der Rente in voller Höhe wieder an.

Gegen die im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 mit dem Widerspruchsbescheid vom 26. April 2005 bestätigte (teilweise) Aufhebung der Rentenbewilligung hat die Klägerin am 27. Mai 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Die Arbeitsagentur habe zwar zutreffend dem Arbeitslosengeld ein Bemessungsentgelt in Höhe von wöchentlich 780,- EUR zugrunde gelegt. Das Bemessungsentgelt sei jedoch höher als ein aus dem Arbeitslosengeld zu errechnender Bruttobetrag. Dadurch werde derjenige, der einen Hinzuverdienst aus Arbeitslo-sengeld beziehe, gegenüber demjenigen benachteiligt, der Arbeitsentgelt bzw. -einkommen erziele.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 12. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 und der Bescheide vom 23. und 25. Mai 2005 zu verurteilen, bei der Berechnung der Rente im Zeitraum 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 bei der Feststellung des Hinzuverdienstes nicht den erzielten fiktiven Ar-beitsverdienst, sondern das Erwerbsersatzeinkommen (Arbeitslosengeld) anzusetzen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 9. Juli 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Be-gründung ausgeführt, die Klägerin zweifele nicht das dem Bescheid zugrunde liegende Re-chenwerk, sondern die Verfassungsmäßigkeit von § 96a SGB VI an. Das Bundessozialgericht habe jedoch bereits am 17. Dezember 2002 – Az: B 4 RA 23/02 R – entschieden, dass die Ein-führung eines Übersicherungseinwandes durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge. Es solle verhindert werden, dass der Versicherte durch Rente und Hinzuverdienst ein höheres Gesamteinkommen erzielen könne, als vor dem Eintritt des Versicherungsfalles versichert gewesen sei. Auch die Gleichbehandlung von erziel-tem Arbeitsverdienst und erhaltenen Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Gegen das der Klägerin am 21. August 2007 zugestellte Urteil hat sie am 14. September 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führte sie aus, sie wende sich bei der Berücksichtigung des von ihr erzielten Hinzuverdienstes gegen die Heranziehung des Bemessungsentgeltes für die Gleichsetzung des ihr gewährten Arbeitslosengeldes als vergleichbares Arbeitsentgelt und die gesetzliche Ausgestaltung bzw. gegen die praktizierte Auslegung des im § 96a SGB VI geregelten Übersicherungseinwandes. Für die Zeit vom 01. Juli 2004 bis zum 28. Februar 2005 habe der von ihr erzielte Hinzuverdienst in Form des Arbeitslosengeldes nicht die Hinzuver-dienergrenzen überschritten, so dass die Rente auch in dieser Zeit in voller Höhe hätte gewährt werden müssen. Denn stelle man auf die ausgezahlten Arbeitslosengeldbeträge ab, lägen diese sehr deutlich unter den einschlägigen Hinzuverdienergrenzen. Zumindest hätte wenigstens der hälftige Rentenbetrag gezahlt werden müssen. Denn rechne man auf der Grundlage des tatsäch-lichen Leistungssatzes als Nettoentgelt ein fiktives Bruttoentgelt als fiktives Arbeitsentgelt aus, ergebe sich bei pauschaler Berücksichtigung von 21 % arbeitnehmeranteiligen Sozialabgaben und 21 % steuerlicher Belastung sowie fiktiver Abzugspositionen von Lohn, Steuer, Solidari-tätszuschlag, Kirchensteuer und Sozialversicherungslast zum tatsächlich ausbezahlten Arbeits-losengeld (= Leistungssatz) immer noch ein Betrag als Hinzuverdienst, der wenigstens eine hälftige Rentengewährung zuließe. Die somit tatsächlich gezahlten ca. 1.140,- EUR Arbeitslosen-geld I monatlich entsprächen danach einem fiktiven Bruttobetrag in Höhe von ca. 1.700,- EUR. Auch die Berechnung der dem Arbeitsentgelt gleichzustellenden Bruttolohnersatzleistung aus der Summe eines fiktiven Abgabenbetrages und dem 60%igen Leistungssatz ergäbe ein monat-liches Bruttoentgelt von knapp unter 2.700,- EUR. Damit wäre zumindest die Hinzuverdienergren-ze bei hälftigem Rentenbezug gewahrt. Diese Anrechnung des Arbeitslosengeldes führe nicht zu einer einkommensmäßigen Besserstellung im Sinne einer Übersicherung. Eine scheinbare Übersicherung trete nur fiktiv ein, weil beim Hinzuverdienst ein "Phantomeinkommen" als Arbeitseinkommen berücksichtigt werde, das bei ihr wertmäßig in keinster Weise ankomme. Die vom Sozialgericht in Bezug genommene bundessozialgerichtliche Entscheidung überzeuge insoweit nicht. Diese befasse sich mit einer BU-Rente nach altem Recht. Auch in den Ent-scheidungen des BSG vom 31. Januar 2008 (Az: B 13 RJ 44/05 R und B 13 R 23/07 R) gelan-ge das Bundessozialgericht nur zu dem Ergebnis, dass es nicht zu beanstanden sei, dass das Bemessungsentgelt als dem Bruttoarbeitsentgelt entsprechende Größe zugrunde gelegt werde. Die Frage, ob nicht etwa das Leistungsentgelt oder der auf einen Bruttobetrag hoch gerechnete tatsächliche Zahlbetrag die korrektere und gerechtere Bezugsgröße als Hinzuverdienstbetrag wäre, sei nicht hinterfragt worden.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juli 2007 abzuändern und die Beklagte zugleich unter Abänderung ihres Bescheides vom 12. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 sowie der Bescheide vom 23. und 25. Mai 2005 zu verurteilen, bei der Berechnung der Rente im Zeitraum vom 01. Juli 2004 bis zum 28. Februar 2005 bei der Feststellung des Hinzuverdienstes nicht den erzielten fik-tiven Arbeitsverdienst, sondern das Erwerbsersatzeinkommen des Arbeitslosengeldes anzusetzen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 17. Dezember 2010, Schriftsatz der Beklagten vom 10. Januar 2011).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beratung und Entscheidung wird auf die vom Senat beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Ent-scheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung den Rechtstreit beraten und entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Der Berufungsantrag der Klägerin ist sachdienlich (§ 106 Abs. 1 SGG) dahingehend auszule-gen, dass die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juli 2007 aufzuheben und den Bescheid vom 12. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 aufzuheben, hilfsweise insoweit für diesen Zeitraum aufzuheben, als damit die ursprüngliche Rentenbewilligung um mehr als die Hälfte des vollen Rentenbetrages aufgehoben wurde.

Denn statthafte Klageart ist nicht die schriftlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leis-tungsklage (§ 54 Abs 4 SGG), sondern die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Denn zulässig, aber auch ausreichend für das begehrte Klageziel (§ 123 SGG) der Auszahlung der ungekürzten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung im streitigen Zeitraum 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 ist die Beseitigung des Aufhebungsbescheides vom 12. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005. Damit würde der Bewilligungs-bescheid vom 14. Juli 2003 auch für den streitigen Zeitraum 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 wieder wirksam werden, die Beklagte wäre also auch ohne gesonderte Verurteilung zur Leis-tung auf Grund der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung zur Zahlung der ungekürzten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verpflichtet.

Die so verstandene Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutref-fend die Klage abgewiesen, denn der Bescheid vom 12. Oktober 2004 in der Fassung des Wi-derspruchsbescheides vom 26. April 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine we-sentliche Änderung eintritt. Nach Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit " ... 3. nach Antrag-stellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde". Nach Abs. 4 der Vor-schrift gilt § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend; danach muss die Behörde den Verwal-tungsakt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen, zurück-nehmen. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben wor-den ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

1. Die Voraussetzungen im engeren Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen vor. Der Bescheid über die Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 14. Juli 2003 ist durch eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nachträglich rechtswidrig geworden, denn die Klägerin hat nach dem Erlass des genannten Verwaltungsakts Einkommen in Form des Arbeitslosengeldes (I) erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde:

Nach § 96a Abs. 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleis-tet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäf-tigung oder selbständigen Tätigkeit die Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a Abs. 2 SGB VI nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminde-rung oder einer Rente für Bergleute erzielt wird, stehen gem. § 96a Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB VI iVm § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV der Bezug von Arbeitslosengeld dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich. Nach § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

Vorliegend war die Rente der Klägerin im streitigen Zeitraum 1. Juli 2004 bis 28. Februar 2005 gemäß § 96a Abs. 2 und 3 SGB VI wegen Zusammentreffens mit Hinzuverdienst nicht zu zah-len, weil für die Zeit ab Bezug des Arbeitslosengeldes auf der Grundlage eines Bemessungs-entgelts von monatlich 3.389,27 EUR (wöchentlich: 780,- EUR) der höchstzulässige Hinzuverdienst überschritten worden ist. Die diesbezügliche monatliche Grenze betrug, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, hier 2.872,04 EUR. Die einschlägigen Normen des SGB VI hat die Beklag-te zutreffend angewandt, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist.

Die teilweise Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides scheitert auch nicht dar-an, weil die Gegenüberstellung der Hinzuverdienstgrenze mit dem Bemessungsentgelt nach § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI gegen die Verfassung verstieße. Die Anrechnung des Erwerbser-satzeinkommens, hier von Arbeitslosengeld, ist als solche nicht verfassungswidrig. Der aus § 96a SGB VI folgende "Übersicherungseinwand" verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG vom 14. Juni 2007 – Az: 1 BvR 154/05; BSG vom 06. Februar 2007 – Az: B 8 KN 3/06 R, jeweils veröffentlicht in: Juris). Auch die Zugrundelegung des Bemessungsentgeltes nach § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI verstößt nicht gegen das Grundgesetz (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2009 – Az: L 4 R 678/06 – Juris). Das Bundessozialgericht hat dazu in seinem Urteil vom 31. Januar 2008 (B 13 R 23/07 R, zitiert nach juris) ausgeführt:

" § 96a Abs. 3 SGB VI wurde durch Art 1 Nr. 52 des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999) vom 16.12.1997 mit Wirkung ab 1.1.1999 eingeführt. Satz 1 Nr. 4 der Vorschrift regelt, dass bei der Feststellung des Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder einer Rente für Bergleute erzielt wird, dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen u.a. gleichsteht der Bezug der weiteren in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV genannten Sozialleistungen. Nach letzterer Vorschrift zählt hierzu das Alg. Nach § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist als Hinzuverdienst das der Sozial-leistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu be-rücksichtigen.

Die Anrechnung des Erwerbsersatzeinkommens, hier von Alg, ist als solche nicht ver-fassungswidrig. Der aus § 96a SGB VI folgende "Übersicherungseinwand" verstößt weder gegen Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch gegen Art 3 Abs. 1 GG.

Ebenso wenig ist die Zugrundelegung des Bemessungsentgelts nach § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI verfassungswidrig. Der 4. Senat des BSG hat zwar offen gelassen, ob die Aus-gestaltung der Anrechnung von Erwerbsersatzeinkommen im Einzelnen den Anforde-rungen der Verfassung entspreche. Der erkennende Senat hat jedoch bereits im Urteil vom 20.11.2003 zu erkennen gegeben, dass er keine verfassungsrechtlichen Bedenken sieht, § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI anzuwenden. Auch der 5. Senat hat gegen die Zugrundelegung der Bemessungsgrundlage keine grundsätzlichen Bedenken geäußert.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin demgegenüber auf die genannte Entscheidung des erkennenden Senats vom 20.11.2003, indem sie ausführt, der Senat habe hierin verfas-sungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung geäußert, jedoch festgestellt, dass die Regelung des § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI bei vorübergehendem Bezug von Lohner-satzleistungen noch mit der Verfassung vereinbar sei. Diese Darstellung trifft nicht zu. In dem damals entschiedenen Fall ging es vielmehr um die Frage, inwieweit bei einer Lohnersatzleistung berücksichtigt werden muss, dass beim Arbeitseinkommen ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen außer Acht zu lassen ist. Der Senat hat insoweit entschieden, dass auch bei Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift insoweit ein Gleichklang zu Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift hergestellt werden muss, weil sonst eine verfassungsrechtlich nicht hinzunehmende Schlechterstellung des "passiven" gegenüber dem "aktiven" Arbeitnehmer vorliege. Nur um diese dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmende Gleichbehandlung zu berücksichtigen, hat er darauf hingewiesen, dass auch der Umstand, dass der "passive" Arbeitnehmer in der Regel nur vorübergehend aus dem Erwerbsleben ausscheidet, die Gleichbehandlung mit dem "aktiven" Arbeit-nehmer erfordert.

Grundsätzlich jedoch ist die Anrechnung der Bemessungsgrundlage statt des Zahlbe-trags der Sozialleistung mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unterfällt dem Schutz des Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die konkrete Reichweite dieses Schutzes, insbesondere wenn - wie hier - kein Totalentzug einer Rechtsposition vorliegt, sondern unter Beibehaltung des Rechts auf die Rente lediglich der monatliche Auszahlungsanspruch der Rente modifiziert bzw. auf Null gekürzt wird, ergibt sich aus den Grundsätzen, nach denen der Gesetzgeber In-halt und Schranken des Eigentums nach Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu bestimmen hat. Das BVerfG nennt hier als Maßstab, dass die Regelung durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfer-tigt sein muss. Dies setzt voraus, dass der Eingriff einen legitimen Zweck verfolgt, das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich ist und schließlich die Regelung die Betroffenen nicht übermäßig belastet und deshalb für sie nicht unzumut-bar ist. Schrankenbestimmungen müssen also stets dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, der von Art 20 Abs. 1 GG erfasst ist.

Das Gebot des Art 3 Abs. 1 GG ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, ob-wohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Ge-wicht bestehen, dass sie eine gleiche oder ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Dem Gesetzgeber kommt eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Insbesondere ist ihm gestat-tet, gerade für den Bereich der im Sozialrecht vorherrschenden Massenverwaltung pau-schalierende und typisierende Regelungen zu normieren, selbst wenn dies im Einzelfall zu Härten führen sollte.

Mit der Regelung des Bemessungsentgelts hat der Gesetzgeber bei der Anrechnung von Lohnersatzleistungen auf die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit einen legi-timen Zweck verfolgt. Das gewählte Mittel war unter Beachtung des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums auch geeignet und erforderlich.

Die Änderung des § 96a SGB VI beruht auf den Beschlüssen des Ausschusses für Ar-beit und Sozialordnung. Zur Begründung wurde ausgeführt: "Die Änderung stellt si-cher, dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt wird, wenn an die Stelle des Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung tritt". Wie die Anrechnung von bestimmten Lohnersatzleistungen überhaupt dient das Abstel-len auf das Bemessungsentgelt somit demselben Ziel, bei Hinzuverdienst die Renten wegen Berufsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung derart abzusenken, dass beim Vergleich zum Einkommen vor Eintritt des Versicherungsfalls keine Überversorgung eintritt. Dies ist in erster Linie sozialpolitisch legitimiert und liegt offenkundig im öf-fentlichen Interesse.

Gemessen an der o.g. Zielsetzung hat der Gesetzgeber mit der Festlegung des Bemes-sungsentgelts keine übermäßig belastende und damit unverhältnismäßige Regelung ge-troffen. Denn die Anhebung des tatsächlichen Einkommens (Alg) auf eine fiktive (hö-here) Stufe des dem zu Grunde liegenden Einkommens korrespondiert mit der allge-meinen Absenkung, wenn statt des vorherigen Einkommens nunmehr Alg bezogen wird. Damit wird verhindert, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Arbeitsentgelt und einer als Ersatz für Arbeitsentgelt konzipierten Rente wegen verminderter Erwerbs-fähigkeit möglicherweise sogar ein höheres Einkommen erzielt wird als vor der Er-werbsminderung. Dies kann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Die Ein-führung von Hinzuverdienstgrenzen für den Bezug von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und damit gerade auch die Zugrundelegung von Bemessungsentgelten verfolgt in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Weise den legiti-men Zweck, deren Lohnersatzfunktion zu stärken. Die Zugrundelegung des Bemes-sungsentgelts führt nicht automatisch dazu, dass die Rentenzahlungen stets völlig ein-gestellt werden, sondern nur stufenweise abgesenkt werden. Auch der Vertrauensschutz ist nicht verletzt. Dem Versicherten wird der Versicherungsschutz nicht vollständig ent-zogen, sein Recht auf Rente bleibt unberührt.

Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Klägerin wird nicht ungleich gegenüber denjenigen Versicherten behandelt, die neben der Rente wegen Erwerbsminderung noch Arbeitsentgelt beziehen. Die Zugrundelegung des Be-messungsentgelts geschieht - wie bereits erwähnt - gerade zu dem Zweck der Gleichbe-handlung und soll eine Besserstellung der Klägerin durch die Tatsache der Erwerbs-minderung gegenüber einem Versicherten, der noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht, vermeiden. Wäre nur die tatsächliche Lohnersatzleistung zu Grunde gelegt, würde die Klägerin durch die Arbeitslosigkeit besser gestellt, und höhere Rentenleistungen bezie-hen, als wenn sie noch erwerbstätig wäre. Der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminde-rung würde in diesem Falle einen Anreiz bieten, eine neben der Rente ausgeübte Er-werbstätigkeit aufzugeben und in die Arbeitslosigkeit zu gehen. "

Der Senat schließt sich dem vollumfänglich an. Auch soweit die Klägerin meint, statt der Ge-genüberstellung mit dem Bemessungsentgelt sei es im Falle des Bezuges von Sozialleistungen korrekter und gerechter, die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen anhand eines "fiktiven Bruttoeinkommens" oder eines "Leistungsentgelts" zu prüfen, führt dies nicht zur Verfas-sungswidrigkeit der in § 96a Abs. 3 SGB VI erfolgten Berechnungsmethode. Denn dem Ge-setzgeber steht auch insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Das etwaige Vorliegen von anderen legitimen Berechnungsmöglichkeiten führt jedenfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit der hier erfolgten - auch nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verfas-sungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Gegenüberstellung der Hinzuverdienstgrenzen mit dem Bemessungsentgeltes.

2. Auch die weiteren Voraussetzungen von § 48 SGB X sind erfüllt. Die Beklagte hat im Übri-gen die Einjahresfrist des § 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt.

Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist auch nicht wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig. Das Wort "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Ob ein atypischer Fall vorliegt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 Satz 2, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergan-genheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Das Vorliegen eines atypischen Falles ist hier nicht erkennbar und wird von Klägerseite auch nicht geltend gemacht.

3. Schließlich ist auch die Rückforderung der im streitigen Zeitraum bis August 2004 gezahlten Rente weder dem Grunde (§ 50 SGB X) noch der Höhe nach (vgl. hierzu die Berechnung im Bescheid vom 26. Juli 2004) zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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