L 21 R 922/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 4 R 7149/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 R 922/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit dem 1. März 2003.

Die 1956 geborene Klägerin hat keinen Berufsabschluss und war seit Mai 1972 als Beiköchin, Montiererin und zuletzt von 1984 bis 2003 als Hauswartin tätig.

Am 7. März 2002 beantragte die schwerbehinderte Klägerin bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und begründete diesen mit zunehmend starken Schmerzen u.a. des Bewegungsapparates, Blasenschwäche, Konzentrationsstörung seit 1996. Der gesamte Ge-sundheitszustand habe sich in den letzten zwei Jahren sehr verschlechtert. Außerdem sei sie wegen der starken Schmerzen nicht in der Lage, ihren jetzigen Beruf auszuüben. Die Beklagte holte zunächst Befundberichte ein und ließ die Klägerin von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. S. L begutachten, die in ihren schriftlichen Ausführungen vom 15. März 2002 zu der Einschätzung kam, die Klägerin könne sowohl ihren letzten Beruf als Hauswart als auch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Haltung mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Eine medizinische Rehabilitation werde vorgeschlagen.

Die Beklagte gewährte daraufhin der Klägerin in der Zeit vom 27. August bis 22. Oktober 2002 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der B Klinik, Abteilung Psychosomatik. Dem Entlassungsbericht vom 27. November 2002 zufolge könne die Klägerin zwar nicht mehr ihren bisherigen Beruf als Hauswartin ausüben, sie sei jedoch noch in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung weiterer qualitative Einschränkungen mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.

Mit Bescheid vom 06. Mai 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausgeübt werden, so dass weder eine volle noch teilweise Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte die Klägerin von dem Arzt Dr. F begutachten. Er hielt in seinen schriftlichen Ausführungen vom 9. September 2003 die Kläge-rin für fähig, körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen mindes-tens 6 Stunden täglich auszuüben. Ihre letzte berufliche Tätigkeit sei ihr jedoch nicht mehr zu-mutbar. Des Weiteren ließ die Beklagte die Klägerin von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. N H begutachten. Nach seinem Gutachten vom 20. Oktober 2003 sei die Klägerin zwar nicht mehr in der Lage, ihren bisherigen Beruf als Hauswartin auszuüben, kör-perlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen seien jedoch mindestens 6 Stunden täglich möglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2003 wies die Be-klagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Klägerin sei ausgehend von ihrer bisherigen Tätigkeit als Hauswartin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeits-marktes verweisbar. Diese Tätigkeiten könne sie noch mindestens 6 Stunden täglich ausüben, so dass sie weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 22. Dezember 2003 Klage erhoben mit der Begründung, der Leistungseinschätzung der Beklagten müsse widersprochen werden. Bisher habe die Beklagte nur einen Teil der bei ihr vorliegenden Erkrankungen berücksichtigt und diese in ihrer Intensi-tät deutlich unterbewertet. Sie leide unter massiven Funktions- sowie Bewegungseinschrän-kungen der Wirbelsäule und Gelenke. Ferner bestehe eine mittelschwere Depression, einherge-hend mit trauriger Stimmung, innerer Unruhe, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, vermin-dertem Antrieb, sozialem Rückzug, eingeengtem Denken, migräneartigen Spannungskopf-schmerzen, schneller Erschöpfung, Selbstunsicherheit sowie vermehrten Ängsten. Ein psycho-somatischer Beschwerdekomplex führe zu subjektiv erheblich verstärkten Schmerzempfindun-gen.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und sodann das medizinische Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psy-chiatrie Dr. med. J B vom 8. Dezember 2004 veranlasst. Er diagnostizierte bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode mit Somatisie-rungsneigung, ein zervikozephales Syndrom mit Spannungskopfschmerzen bei Nachweis von mehrsegmentalen Bandscheibenvorwölbungen und ein chronifiziertes Lumbalsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit spinaler Stenose L4/L5 und Bandscheibenvor-fall L5/S1. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für täglich acht Stunden leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss besonderer klimatischer Be-dingungen überwiegend im Sitzen oder im Wechsel der Haltungsarten aus. Sie könne zwar nicht in Nachtschichten, aber in Wechselschichten tätig sein. Zu vermeiden seien einseitige körperliche Belastungen, Akkord und Fließbandtätigkeiten sowie das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten.

Auf Antrag der Klägerin hat der Arzt für Neurochirurgie J V am 31. März 2006 für das Sozial-gericht ein weiteres Sachverständigengutachten erstattet. Er stellte bei der Klägerin eine schwe-re Somatisierungsstörung bei depressiver Grunderkrankung, eine chronifizierte Schmerzer-krankung sowie eine röntgenmorphologisch mäßige degenerative Wirbelsäulenerkrankung fest. Allein auf Grund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen wäre eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig möglich. Da die Klägerin jedoch bei auch nur leichter Belastung mit einer Zunahme ihrer empfundenen Schmerzen reagieren werde, erscheine gegenwärtig keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert möglich. Die Klägerin sei ausreichend oft begutachtet. Welcher Einschätzung der Schwere der psychischen Erkrankungen man letztendlich folgen werde, sei vermutlich letztlich keine naturwissenschaftlich endgültig zu begründende Entschei-dung.

Daraufhin hat das Sozialgericht das Sachverständigengutachten der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. S Sch vom 28. Juli 2006 eingeholt. Nach ihrer Einschätzung liege bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, ggw. leichte Episode, eine anhaltende soma-toforme Schmerzstörung bei Spannungskopfschmerzen und eine chronifizierte Lumboischial-gie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, Adipositas und Tinnitus vor. Körperlich leichte Tätigkeiten seien unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen mindestens 6 h täglich möglich. Von der ärztlichen Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen V wei-che sie ab, weil trotz der sehr schlüssigen Darstellungen des komplizierten psychosomatischen Bedingungsgefüges die von ihm für das nervenärztliche Gebiet getroffene Leistungsbeurtei-lung aus Sicht der Nervenärztin nicht zu bestätigen sei. In der gutachterlichen Untersuchung sei – wie bereits in denen der voruntersuchenden Fachkollegen Dres. H und B – die Diskrepanz zwischen objektivierbaren Befunden und subjektivem Beschwerdebild deutlich geworden.

Das Sozialgericht hat ärztliche Stellungnahmen und Gutachten aus der Schwerbehindertenakte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales – Versorgungsamt – beigezogen und schließlich auf Antrag der Klägerin das Gutachten der Ärztin für Psychiatrie J G vom 20. Juni 2007 veran-lasst. Nach ihrer Einschätzung reiche das verbliebene Leistungsvermögen für eine Arbeitszeit von mindestens sechs oder mehr Stunden für körperlich leichte Arbeiten und geistig einfache Arbeiten – unter Beachtung weiterer qualitative Einschränkungen – aus.

Mit Urteil vom 11. Januar 2008 hat das Sozialgericht die auf eine Rente wegen voller Er-werbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 1. März 2003 ge-richtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, da sie unter den üblichen Bedin-gungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Zu dieser Überzeugung sei das Gericht auf der Grundlage der im Verfahren veranlass-ten Gutachten gelangt. Mit Ausnahme des Gerichtssachverständigen V, dessen Gutachten auf Antrag der Klägerin eingeholt worden sei, hätten sämtliche Gerichts- und Verwaltungsgutach-ter ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin für körperlich leichte Tä-tigkeiten beschrieben. Keiner der Sachverständigen habe jeweils für sein Fachgebiet relevante quantitative Leistungseinschränkungen angenommen. Soweit der Arzt für Neurochirurgie V ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bei der Klägern angenommen habe, könne ihm nicht gefolgt werden. Diese Einschätzung des Leistungsvermögens aufgrund nicht dem Fach-gebiet Neurochirurgie zuzuordnender Leiden stehe im Widerspruch zu den schlüssigen Fest-stellungen in den eingeholten nervenärztlichen Gutachten. Da die Klägerin somit Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, z.B. die Tätigkeit als Pfört-nerin, mindestens sechs Stunden ausüben könne, diese Tätigkeiten ihr auch unter Berücksichti-gung ihres bisherigen Berufes im Rahmen des Berufsschutzes sozial zumutbar seien, sei sie weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig.

Gegen das ihr am 8. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Mai 2008 Berufung erhoben und zur Begründung ausgeführt, ihr Leistungsvermögen sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts aufgehoben. Ihren Leiden werde man nur mit einer Gesamtbetrachtung ge-recht. Sie leide unter multiplen internistischen Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungs-apparates und der Psyche, die als chronisch anzusehen seien. Sie führten in ihrer Gesamtheit in Wechselwirkung zueinander zur vollen Erwerbsminderung. Die heute üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes im Sinne eines Normalarbeitsplatzes seien für sie nicht mehr erfüllbar. Auf einen Schonarbeitsplatz brauche sie sich nicht verweisen zu lassen.

Auch soweit die Gutachten ein sechsstündiges Leistungsvermögen bestätigten, stehe dies ei-nem Rentenanspruch nicht entgegen. Denn trotz vollschichtiger Leistungsfähigkeit bestehe nach der Rechtsprechung eine volle Erwerbsminderung, wenn zusätzliche Einschränkungen wie beim Vorliegen einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder ei-ner "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" hinzukämen. Soweit nach dem Gutachten ein Haltungswechsel möglich sein müsse, müsse das Gericht dies näher konkretisieren lassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 sowie den Bescheid der Be-klagten vom 6. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, ab 1. März 2003 ei-ne Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie J G vom 28. November 2008 zu neuen ärztlichen Befunden und der Berufungsbegründung veranlasst. Danach sei zwar organisch eine Befundveränderung, auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet aber keine eindeutige Verschlechterung zu erkennen. Sie empfehle die erneute Begutachtung durch einen psychosomatisch tätigen Orthopäden.

Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Berichte hat der Senat das Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie / Physikalische und Rehabilitative Medizin, spezielle Schmerzthera-pie Dr. med. L W vom 25. April 2009 veranlasst. Danach sei die Klägerin in der Lage, körper-lich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten, unter Witterungsschutz, ohne Kälte, Nässe, Zugluft und weiteren Einschränkungen mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Auf weiteren Antrag der Klägerin hat der Senat das Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. G.-J. F vom 18. März 2010 veranlasst. Aufgrund der von ihm festgestellten Gesundheitseinschränkungen sei bei der Klägerin nur von einem Leis-tungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten unter drei Stunden auszugehen. Von den Di-agnosen der Vorgutachten und Befundberichten weiche er nur sehr wenig ab, jedoch von der Leistungseinschätzung. Die Kausa für die gesamte Problematik einer anderen Leistungsein-schätzung sei ganz einfach in der komplexen Betrachtung in der Ganzheitbetrachtung, die beim Schmerz unumgänglich sei, nämlich der Aspekt bio-psycho-sozial. Auffällig sei auch an den Vorgutachten, dass häufig zu wenig auf die gesamte Schmerzproblematik eingegangen worden sei. Hierzu hat die Beklagte erwidert, der Sachverständige Dr. med. F beschreibe stereotyp, wie bei vielen seiner Vorgutachten, bestimmte körperliche Merkmale. Der psychopathologische Be-fund sei kurz gehalten. Testungen seien nicht für eine Handhabung in einem Gerichtsgutachten validiert, das heißt zugelassen und geeicht. Dennoch halte der Sachverständige weiterhin an seiner apparativen und Testdiagnostik fest. Der Satz "alle Teste werden nachexploriert und analisiert" weise darauf hin, dass die Tests selbst nicht durch den Gutachter durchgeführt wor-den seien. Anzumerken sei auch, dass der Beklagten bisher noch immer kein Gutachten be-kannt sei, in dem ein sich auf den begehrten Rentenanspruch negativ auswirkendes - mehr als 6stündiges Leistungsvermögen - von Dr. F bescheinigt werde.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. September 2010 zu den Einwänden der Beklag-ten ist der Sachverständige Dr. med. F bei seiner Beurteilung zur Leistungsfähigkeit verblieben und hat nochmal auf die vorhandenen Besserungsaussichten hingewiesen

Unter dem 9. Dezember 2010 hat die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie - Psychotherapie - Dr. med. S Sch eine zusammenfassende Stellungnahme zu den verschiedenen Vorgutachten abgegeben und darin unter anderem ausgeführt, nach Studium der zwischenzeitlich ergangenen Gutachten halte sie die Einschätzung der Sachverständigen G und Dr. med. W - abgesehen von üblichen Unterschieden in der Schwerpunktsetzung oder diagnostischer Nuancen bei zugleich einhelliger Interpretation der konsekutiven Funktionseinschränkungen – für nachvollziehbar. Demgegenüber folge sie der Einschätzung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. F nicht. Eine erneute Begutachtung halte sie nicht für erforderlich, da sich trotz der skiz-zierten Detail-Unterschiede aus sämtlichen Gutachten ein stabiles Beschwerdebild ableiten lasse.

Die Klägerin hat im Anschluss noch ein ärztliches Attest vom 28. Dezember 2010 der Fachärz-tin für allgemeine Medizin Dr. med. I K, einen Auszug aus den medizinischen Daten des Fach-arztes für Orthopädie Dr. med. S R vom 18. Januar 2011 sowie ein ärztliches Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. D B vom 3. März 2011 eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, denn sie hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Rente wegen vol-ler Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

1. Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI in der Fassung seit dem Gesetz zur Reform der Renten we-gen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie voll oder teilweise erwerbsgemindert sind (medizi-nische Voraussetzung), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (versicherungsrechtliche Vor-aussetzungen). Der Senat kann offen lassen, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem unterstellten Leistungsfall erfüllt wären, denn ein Leistungsfall der vollen oder teil-weisen Erwerbsminderung ist nicht eingetreten.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht ab-sehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmark-tes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Teilweise Erwerbs-minderung setzt dagegen voraus, dass auf nicht absehbare Zeit das Leistungsvermögen krank-heits- oder behinderungsbedingt auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist (§ 43 Abs. 1 SGB VI). Erwerbsgemindert ist jedoch nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht eine Erwerbsminderung nicht, da die Kläge-rin noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes min-destens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Sie leidet auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet an folgenden Gesundheitsstörungen: • Dysthymia • rezidivierende depressive Störung • Anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Spannungskopfschmerzen und chronifi-zierter Lumboischialgie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, einschließlich spinaler Stenose und Bandscheibenvorfällen • Panikstörung • lumbalgieformes Schmerzsyndrom • cervicobrachiales Schmerzsyndrom • erhöhter Schmerzmittelkonsum • Carpaltunnelsyndrom bds. (CTS) • Chronifiziertes Kopfschmerzsyndrom

Auf nichtnervenärztlichem Fachgebiet liegen die folgenden Einschränkungen bei ihr vor: • Chronifiziertes Schmerzsyndrom (Stadium III nach Gerbershagen). • Verschleißleiden der Halswirbelsäule bei neuroforaminalen Engen C3/41516, links deutlicher rechts. • Verschleißleiden der Brustwirbelsäule bei Bandscheibenvorfall BWK6/7 und Spondy-losis hyperostotica (Morbus Forrestier) • Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule bei ausgeprägter Hohlkreuzbildung mit Ge-lenkshypertrophie und mehrsegmentalen Bandscheibenvorwölbungen • Verschleißleiden der Schultern bds. bei Schultereckarthrose und Degeneration der Ro-tatorenmanschette. • Verschleißleiden der Hüftgelenke bds. • Verschleißleiden des rechten Kniegelenkes. • Tennisellenbogen bds. • Adipositas (BMI 36,9)

Zu dieser Schlussfolgerung gelangt der Senat aufgrund der schlüssigen und überzeugenden Feststellungen in den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. S Sch vom 28. Juli 2006, J G vom 20. Juni 2007 und Dr. med. L W vom 25. April 2009. Die Gutachter haben die Klägerin persönlich untersucht und die zahlreichen in den Akten vorhandenen Vorbefunde berücksichtigt. Der Senat schließt sich daher ihren nachvollziehbaren Feststellungen an. Sie stimmen in der Feststellung der Gesundheitseinschränkungen im Wesentlichen mit allen Vor-gutachtern überein. Auch der von der Klägerin benannte Dr. med. G.-J. F weicht in seinem Gutachten vom 18. März 2010 ausdrücklich von den Diagnosen der Vorgutachten und Befund-berichten im Wesentlichen nicht ab. Trotz der teilweise bestehenden "diagnostischer Nuancen" lässt sich aus sämtlichen Gutachten ein stabiles und übereinstimmend beschriebenes Be-schwerdebild ableiten, was insbesondere die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. S Sch in ihrer zusammenfassenden Stellungnahme vom 9. Dezember 2010 bestätigte.

Auch aus dem aktuell von der Klägerin eingereichten Attest ihrer Hausärzte vom 28. Dezember 2010 sowie dem Auszug aus den medizinischen Daten des Orthopäden der Klägerin mit dem Stand 18. Januar 2011 ergeben sich keine neueren Gesundheitseinschränkungen, die nicht be-reits in einem der zahlreichen Gutachten berücksichtigt wurden. Auch eine Verschlechterung ist daraus nicht abzuleiten. Das von der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. Sch in ihrer zusammenfassenden Stellungnahme vom 9. Dezember 2010 beschriebene stabile Be-schwerdebild wird auch durch einen Vergleich des ärztlichen Attests vom 17. Juni 2008 des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. D B mit seinem nahezu wortgleichen nunmehr aktuell eingereichten Attest vom 3. März 2011 anschaulich bestätigt.

Mit den festgestellten Gesundheitsstörungen kann die Klägerin nur noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichten. Dies sollte möglichst im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen erfol-gen. Die Möglichkeit eines jederzeitigen Wechsels der Haltungsarten aus freiem (krankheits-bedingten) Entschluss ist unbedingt erforderlich. Des Weiteren sollte die Tätigkeit unter Witte-rungsschutz, ohne Kälte, Nässe, Zugluft und Hitzeeinfluss sowie ohne starke Temperatur-schwankungen erfolgen. Nicht durchgeführt werden können Arbeiten im Steigen, Klettern, in der Hocke, im Kriechen, mit Bücken, Heben und Tragen von Lasten sowie Überkopfarbeiten. Des Weiteren können nicht durchgeführt werden Tätigkeiten welche eine hohe Fingerfertigkeit erfordern, Arbeiten in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, Arbeiten unter Zeitdruck, geistig schwierige Arbeiten, Arbeiten mit Anforderungen an das Reaktionsvermö-gen und die Aufmerksamkeit sowie Arbeiten, die Übersicht, Verantwortungsbewusstsein oder Zuverlässigkeit erfordern. Geistig einfache Arbeiten sind möglich. Die Entschluss- und Ver-antwortungsfähigkeit, die Kontaktfähigkeit und die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit auch hinsichtlich von Tätigkeiten einfacher Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind nicht beeinträchtigt. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle sind nicht zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen kann die Klägerin täglich noch min-destens sechs Stunden tätig sein.

Auch hinsichtlich dieser Feststellung folgt der Senat uneingeschränkt den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. S Sch, J G und Dr. med. L W in ihren jeweiligen Sachverständigengutachten.

Zwar gehen der erstinstanzlich auf Antrag der Klägerin gehörte Arzt für Neurochirurgie J V und der im Berufungsverfahren ebenfalls auf Antrag der Klägerin herangezogene Psychiater Dr. med. G.-J. F von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen bei Klägerin aus. Hierbei stehen sie jedoch im Widerspruch mit den Feststellungen in den übrigen Sachverständigengut-achten im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren.

Zu den Ausführungen des Arztes für Neurochirurgie J V hat bereits das Sozialgericht zutref-fend darauf hingewiesen, dass dieser Einschätzung nicht zu folgen ist. Denn auf seinem Fach-gebiet der Neurochirurgie sah der Sachverständige keine quantitative Einschränkung des Leis-tungsvermögens. Vielmehr begründete er das Ergebnis seiner Untersuchung mit Einschränkun-gen auf dem Fachgebiet der Psychiatrie. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den bereits erst-instanzlich gehörten Psychiatern Dr. S und Frau G, die ausdrücklich auf dem Fachgebiet der Psychiatrie keine quantitative Leistungsminderung feststellen konnten. Aufgrund der Beurtei-lung auf ihrem Fachgebiet ist ihre Einschätzung vorzuziehen.

Wenngleich der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. F ebenfalls eine abweichen-de Leistungseinschränkung, nämlich auf einen Umfang von unter drei Stunden täglich, fest-stellte, so ist auch dieses Gutachten nicht geeignet, von der in der zusammenfassenden Stel-lungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. S Sch abgegebenen Beurteilung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens abzuweichen. Die gerichtliche Sachver-ständige Dr. med. S Sch, eine erfahrene Gutachterin auf dem einschlägigen Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie, hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 9. Dezember 2010 überzeugend dargelegt, warum der Auffassung des Sachverständigen Dr. med. F nicht zu fol-gen ist. So führt sie darin aus, dass die Doppeltnennung einer als psychosomatisch einzuord-nenden Schmerzstörung inhaltlich nicht überzeugend ist. Auch die weiteren aufgelisteten Di-agnosen (mit und ohne lCD-Kodierung) wirken wenig inhaltlich begründet. Allein aus der wiederholten Benennung der (selbstverständlich auch den Vorgutachten zugrunde liegenden) zu berücksichtigenden krankheitsbegünstigenden Faktoren, bzw. lebensgeschichtlich zu identi-fizierenden Belastungsfaktoren ("bio-psycho-sozialer Aspekt") und die Erörterungen therapeu-tisch und prognostisch relevanter Faktoren überzeugen aus heutiger Sicht nicht hinsichtlich einer divergierenden Leistungsbeurteilung. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an, zumal sie in Übereinstimmung mit allen anderen beigezogenen medizinischen Unterlagen steht. Au-ßer Dr. med. F und Herrn V halten alle Sachverständigen die Klägerin mindestens sechsstündig für arbeitsfähig.

Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht so beschaffen, dass sie einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem weiten Feld des allgemeinen Arbeitsmarktes entge-genstünden. Eine derartige Fallgestaltung (sogenannte Katalogfälle, vgl. KassKomm-Gürtner - SGB VI, 2010 - § 43 Rn 37 ff.), in der trotz mindestens sechsstündiger Leistungsfähigkeit im Einzelfall geprüft werden muss, ob Arbeitsplätze vorhanden sind (vgl. dazu BSG-Großer Senat - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), liegt nicht vor. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungs-einschränkungen (dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17), die zumindest die Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit notwendig machen würde, ist nicht gegeben. Dies könnte allenfalls er-wogen werden, wenn bezüglich mehrerer Leistungsmerkmale Einschränkungen vorlägen, die zwar für sich genommen noch nicht die Feststellung rechtfertigen, das berufliche Leistungs-vermögen sei aufgehoben, in der Gesamtschau aber geeignet sein könnten, eine solche Ein-schätzung zu begründen. Derartige Verhältnisse bestehen nicht. Weder im Bereich der körper-lichen noch im Bereich geistiger Einschränkungen sind Leistungsdefizite festzustellen, die na-he legen würden, dass kein am Arbeitsmarkt vertretbares Restleistungsvermögen vorhanden ist. Die oben bereits festgestellten körperlichen Leistungseinschränkungen gehen nicht über das Kriterium "nur noch körperlich leichte Arbeiten" hinaus (vgl. dazu BSG vom 11. Mai 1999, Az.: B 13 RJ 71/97 R in: SozR 3-2600 § 43 Nr 21).

Zusammenfassend ist die Klägerin in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemei-nen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein und damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

2. Zutreffend hat das Sozialgericht auch ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, denn die Klägerin ist nicht be-rufsunfähig.

Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind der Klägerin auch im Rahmen der Berufs-schutzprüfung zumutbar, denn während ihres gesamten Erwerbslebens hat sie ausschließlich ungelernte oder einfache angelernte Tätigkeit – wie zuletzt als Hauswartin – ausgeübt. Ausge-hend von diesen Berufen ist sie daher sozial zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemei-nen Arbeitsmarktes verweisbar. Da sie diese Tätigkeiten – wie bereits dargelegt – mindestens 6 Stunden täglich ausüben kann, ist sie auch nicht berufsunfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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