Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 533/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 84/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt M M, B, beigeordnet. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2011 geändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt M M, B, beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Für das Beschwerdeverfahren war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch den angefochtenen Beschluss vom 21. März 2011 richtet. Insoweit liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen, und die Rechtsverfolgung bietet jedenfalls vor dem Hintergrund der nicht einfachen Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig (§§ 153 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i. V. mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]). Wegen der streiterheblichen Sach- und Rechtslage ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt auch erforderlich (§ 121 Abs. 1 ZPO). Abzulehnen war der Antrag dagegen, soweit er sich auch auf das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe bezog. Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gibt es in diesem Fall keine Rechtsgrundlage. "Prozessführung" im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO ist nur das eigentliche Streitverfahren, nicht das Verfahren über die Prüfung der Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe (Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 30. Mai 1984 – Aktenzeichen VIII 298/83 und vom 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03). Ferner entstehen in diesem Beschwerdeverfahren auch keine Kosten, die einem anderen Prozessbeteiligten oder der Staatskasse gegenüber geltend gemacht werden können (§ 127 Abs. 4 ZPO). In der Sache hat die Beschwerde Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz richtet. Die Voraussetzungen für deren Bewilligung lagen aus den eben genannten Gründen vor. Keinen Erfolg hat die Beschwerde dagegen, soweit sie sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht richtet. Der Antragsteller erstrebt eine Leistung, die er bisher nicht erhält. Wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, setzt eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung in diesem Fall grundsätzlich voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellem Recht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung ZPO; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917 ZPO; Anordnungsgrund) feststellbar sind. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Das Sozialgericht und der Antragsgegner haben bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Pflicht des Antragsgegners zur Übernahme der Vergütung von Diensten nur nach Maßgabe der mit dem Leistungserbringer geschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen besteht, § 75 Abs. 3 i. V. mit Satz 1 Abs. 2 und § 77 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die nach Lage der Akten vom Leistungserbringer - der Heilpädagogischen Ambulanz e.V. - mit dem Antragsgegner abgeschlossene Leistungsvereinbarung betreffend den Leistungstyp Betreutes Einzelwohnen für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung sieht - wie bekannt - unter 7.1.1 vor, dass bei aufsuchenden Kontakten pro Termin eine Wegezeit von 20 Minuten für den Hin- und Rückweg insgesamt kalkuliert werden. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, in Einzelfällen von dieser Vereinbarung abzuweichen, die im Übrigen sinnvoll ist: Sie erspart es dem Leistungserbringer, in jedem Einzelfall belegen zu müssen, welche Wegezeiten jeweils zurückgelegt worden sind, und dem Träger der Sozialhilfe, diese Belege in jedem Einzelfall prüfen zu müssen. Ebenso beugt sie Manipulationen der Vergütungshöhe durch ein Aneinanderreihen von aufsuchenden Kontakten mit langen Wegezeiten vor, hält also die Leistungserbringer zu einem möglichst wegeoptimierten Einsatz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Diese Ausgestaltung des Anspruchs auf Eingliederungshilfe ist ohne Weiteres mit den Grundsätzen des § 53 Abs. 3 SGB XII zu vereinbaren. Aus ihnen ergibt sich kein Anspruch des behinderten Menschen auf Durchführung der Leistungen durch einen bestimmten Leistungserbringer. Wird aber ein bestimmter Leistungserbringer tätig, der mit dem Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen hat (s. auch § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), kann von ihm - wie in jedem mehrseitigen Rechtsverhältnis - auch verlangt werden, dass er sich vertragstreu verhält, die Leistung also entsprechend den mit dem Antragsgegner geschlossenen Vereinbarungen erbringt. Dem Leistungserbringer steht es frei, künftig keine weiteren Vereinbarungen mehr mit dem Antragsgegner einzugehen und Leistungen nur noch auf der Grundlage des § 75 Abs. 4 SGB XII zu erbringen oder das Verfahren nach § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu betreiben. Entscheidet er sich aber, sich im System des § 75 Abs. 3 SGB XII zu bewegen, so lassen sich die Folgen der vertraglichen Bindungen nicht auf dem Weg über die individuelle Leistungsgewährung aushebeln. Der Sinn des § 75 Abs. 3 SGB XII ist es gerade, nicht in jedem Einzelfall über bestimmte Umstände der Leistungsgewährung entscheiden zu müssen. Auch eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht bereits zitierten Entscheidung vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - kann nicht zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führen. Ihm ist es zuzumuten, den Antragsgegner als den zur Leistung Verpflichteten und unmittelbaren Vertragspartner des Leistungserbringers auf die Einhaltung der mit dem Leistungserbringer getroffenen Vereinbarungen hinwirken zu lassen, sofern dieser tatsächlich beabsichtigen sollte, nicht mehr tätig zu werden (s. zu Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis allgemein BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 4 RA 38/02 R, SozR 4-2600 § 115 Nr. 1). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, soweit sie die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz betrifft, im Übrigen auf § 193 SGG. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Gründe:
Für das Beschwerdeverfahren war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch den angefochtenen Beschluss vom 21. März 2011 richtet. Insoweit liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen, und die Rechtsverfolgung bietet jedenfalls vor dem Hintergrund der nicht einfachen Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig (§§ 153 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i. V. mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]). Wegen der streiterheblichen Sach- und Rechtslage ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt auch erforderlich (§ 121 Abs. 1 ZPO). Abzulehnen war der Antrag dagegen, soweit er sich auch auf das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe bezog. Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gibt es in diesem Fall keine Rechtsgrundlage. "Prozessführung" im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO ist nur das eigentliche Streitverfahren, nicht das Verfahren über die Prüfung der Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe (Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 30. Mai 1984 – Aktenzeichen VIII 298/83 und vom 8. Juni 2004 – VI ZB 49/03). Ferner entstehen in diesem Beschwerdeverfahren auch keine Kosten, die einem anderen Prozessbeteiligten oder der Staatskasse gegenüber geltend gemacht werden können (§ 127 Abs. 4 ZPO). In der Sache hat die Beschwerde Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz richtet. Die Voraussetzungen für deren Bewilligung lagen aus den eben genannten Gründen vor. Keinen Erfolg hat die Beschwerde dagegen, soweit sie sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht richtet. Der Antragsteller erstrebt eine Leistung, die er bisher nicht erhält. Wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, setzt eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung in diesem Fall grundsätzlich voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellem Recht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung ZPO; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917 ZPO; Anordnungsgrund) feststellbar sind. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Das Sozialgericht und der Antragsgegner haben bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Pflicht des Antragsgegners zur Übernahme der Vergütung von Diensten nur nach Maßgabe der mit dem Leistungserbringer geschlossenen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen besteht, § 75 Abs. 3 i. V. mit Satz 1 Abs. 2 und § 77 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die nach Lage der Akten vom Leistungserbringer - der Heilpädagogischen Ambulanz e.V. - mit dem Antragsgegner abgeschlossene Leistungsvereinbarung betreffend den Leistungstyp Betreutes Einzelwohnen für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung sieht - wie bekannt - unter 7.1.1 vor, dass bei aufsuchenden Kontakten pro Termin eine Wegezeit von 20 Minuten für den Hin- und Rückweg insgesamt kalkuliert werden. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, in Einzelfällen von dieser Vereinbarung abzuweichen, die im Übrigen sinnvoll ist: Sie erspart es dem Leistungserbringer, in jedem Einzelfall belegen zu müssen, welche Wegezeiten jeweils zurückgelegt worden sind, und dem Träger der Sozialhilfe, diese Belege in jedem Einzelfall prüfen zu müssen. Ebenso beugt sie Manipulationen der Vergütungshöhe durch ein Aneinanderreihen von aufsuchenden Kontakten mit langen Wegezeiten vor, hält also die Leistungserbringer zu einem möglichst wegeoptimierten Einsatz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Diese Ausgestaltung des Anspruchs auf Eingliederungshilfe ist ohne Weiteres mit den Grundsätzen des § 53 Abs. 3 SGB XII zu vereinbaren. Aus ihnen ergibt sich kein Anspruch des behinderten Menschen auf Durchführung der Leistungen durch einen bestimmten Leistungserbringer. Wird aber ein bestimmter Leistungserbringer tätig, der mit dem Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen hat (s. auch § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), kann von ihm - wie in jedem mehrseitigen Rechtsverhältnis - auch verlangt werden, dass er sich vertragstreu verhält, die Leistung also entsprechend den mit dem Antragsgegner geschlossenen Vereinbarungen erbringt. Dem Leistungserbringer steht es frei, künftig keine weiteren Vereinbarungen mehr mit dem Antragsgegner einzugehen und Leistungen nur noch auf der Grundlage des § 75 Abs. 4 SGB XII zu erbringen oder das Verfahren nach § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu betreiben. Entscheidet er sich aber, sich im System des § 75 Abs. 3 SGB XII zu bewegen, so lassen sich die Folgen der vertraglichen Bindungen nicht auf dem Weg über die individuelle Leistungsgewährung aushebeln. Der Sinn des § 75 Abs. 3 SGB XII ist es gerade, nicht in jedem Einzelfall über bestimmte Umstände der Leistungsgewährung entscheiden zu müssen. Auch eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht bereits zitierten Entscheidung vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - kann nicht zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis führen. Ihm ist es zuzumuten, den Antragsgegner als den zur Leistung Verpflichteten und unmittelbaren Vertragspartner des Leistungserbringers auf die Einhaltung der mit dem Leistungserbringer getroffenen Vereinbarungen hinwirken zu lassen, sofern dieser tatsächlich beabsichtigen sollte, nicht mehr tätig zu werden (s. zu Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis allgemein BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 4 RA 38/02 R, SozR 4-2600 § 115 Nr. 1). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, soweit sie die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz betrifft, im Übrigen auf § 193 SGG. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht ausgeschlossen (§ 177 SGG).
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