Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 82/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 346/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfah-rens.
Der Kläger war als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Ihm wurde zum 31. Januar 2008 fristlos gekündigt. Ab dem 30. Januar 2008 war er arbeitsun-fähig, was der Medizinalrat Dr. L am 31. Januar 2008 ärztlich bis 07. Februar 2008 bescheinig-te. Nach seinen eigenen Angaben war er bis zum 29. Februar 2008 erkrankt. Seine Ehefrau war jedenfalls in diesem Monat gesetzlich krankenversichert.
Nach vorangegangenem Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2008 die Zahlung von Krankengeld ab. Die Arbeitsunfähigkeit sei am 31. Januar 2008 ärztlich festgestellt worden, grundsätzlich beginne der Anspruch auf Krankengeld deshalb ab dem 1. Februar 2008. Der Versicherungsschutz des Klägers enthalte jedoch ab diesem Tag keinen Anspruch auf Krankengeld. Eine Krankengeldzahlung im Rahmen des nachgehenden Leis-tungsanspruches nach § 19 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) scheide aus, da der Kläger An-spruch auf Familienversicherung habe.
Der Kläger erhob am 20. März 2008 Widerspruch und wies darauf hin, dass Kündigungs-schutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben worden sei. Auf den Ausgang des ar-beitsgerichtlichen Verfahrens komme es aber nicht an, da der Krankengeldanspruch rechtzeitig zeitgleich mit dem Ende der Mitgliedschaft entstanden sei. Mit Erläuterungsschreiben vom 27. März 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, da das Ar-beitsverhältnis zum 31. Januar 2008 geendet habe, habe ab dem 1. Februar 2008 keine versi-cherungspflichtige Mitgliedschaft mehr bestanden, aus der ein Krankengeldanspruch habe ab-geleitet werden können.
Der Kläger einigte sich in der Folgezeit mit seinem früheren Arbeitgeber vergleichsweise, dass das Beschäftigungsverhältnis durch ordentliche Kündigung erst zum 29. Februar 2008 geendet habe und teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 9. April mit. Diese verwies mit Antwort-schreiben vom 15. April 2008 auf das Ruhen des Krankengeldanspruches aufgrund der Entgelt-fortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers hin.
Nachdem dieser dem Kläger Anfang Mai 2008 den Nettolohn für den Monat Februar 2008 ausgezahlt hatte, teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 26. Mai 2008 mit, dass sich der Widerspruch in der Hauptsache erledigt habe und beantragte die Erstattung der außer-gerichtlichen Kosten sowie die Anerkennung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevoll-mächtigten im Vorverfahren.
Dies lehnte die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Juli 2008 ab. Die Voraussetzungen nach § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zur Erstattung der Kosten im Vorverfahren lägen nicht vor. Dem Widerspruch sei nicht abgeholfen worden, son-dern habe sich durch die Veränderung der Verhältnisse erledigt.
Der Kläger erhob Widerspruch. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 6. März 2008 sei rechtswidrig gewesen. Dem widersprach die Beklagte (Schreiben vom 13. Juni 2008) und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2009 zurück. Das vorangegangene Widerspruchsverfahren sei für den Kläger nicht im Sinne des § 63 Abs. 1 SGB X erfolgreich gewesen. Der Krankengeldanspruch habe aufgrund des Bezuges von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 geruht.
Hiergegen richtet sich die zunächst am 19. Januar 2009 beim Sozialgericht Berlin (SG) erho-bene Klage. In der vorliegenden Situation, in welcher sich ein Widerspruch gegen einen rechtswidrigen Bescheid nachträglich erledige, sei § 63 SGB X aufgrund der gleichen Interes-senlage wie bei einer Abhilfe anwendbar.
Der Kläger hat erstinstanzlich neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides und entsprechender Verpflichtung der Beklagten hilfsweise beantragt diese zu verurteilen, ihm zu seinen Widerspruch vom 17. März 2008 gegen den Bescheid vom 6. März 2008 einen Wider-spruchsbescheid zu erteilen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2009 abgewiesen. Sie sei im Hauptantrag zulässig aber unbegründet. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 63 SGB X. Die Vorschrift sei nämlich ihrem Wortlaut nach nur eine Regelung für den Fall, dass der Widerspruch erfolgreich sei. Der Widerspruch hier habe keinen Erfolg gehabt. Erfolg sei nämlich nur dann anzuneh-men, wenn dem Widerspruch stattgegeben werde, wobei zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung bestehen müsse (Be-zugnahme auf Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 21.07.1992 - 4 RA 20/91; Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R). In diesem Sinne habe der Kläger keinen Erfolg gehabt. Er habe die begehrte Krankengeldzahlung nicht erhalten. Sein Anspruch habe nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufgrund der im Nachhinein erfolgten Geldzahlung geruht. Eine erweiternde Auslegung des § 63 SGB X komme angesichts des eindeutigen Wortlautes nicht in Betracht. § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 91 a Zivilprozessordnung oder § 197 a SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie ein Abstellen auf ein allgemeines Veranlassungsprinzip schieden ebenfalls aus. Zur Begründung hat die Kammer auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 27. Oktober 2004 (L 4 KA 20/03) und die dort zitierte Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte zu § 80 Verwaltungsver-fahrensgesetz (VwVfG) verwiesen.
Die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage sei unzulässig. Der Kläger habe seinen Widerspruch mit Schreiben vom 26. Mai 2008 ausdrücklich für erledigt erklärt. Deshalb gebe es seither kei-nen Widerspruch mehr, über den der Beklagte entscheiden müsse.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung des Klägers. Ihn überzeug-ten das vom SG angeführte Urteil des LSG Schleswig-Holstein und die dort angeführte Ent-scheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.1981 (6 C 121/80) nicht. Aus der Formu-lierung der § 63 SGB X bzw. § 80 VwVfG könne nicht geschlossen werden, das der Gesetzge-ber bewusst einen Kostenerstattungsanspruch für den Fall der Erledigung des Widerspruches habe ausschließen wollen. Es könne nicht sein, dass der Widerspruchsführer keine Kostener-stattung erlangen könne, wenn - wie hier - die Behörde die Abhilfeentscheidung verzögert ha-be. Die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage sei weiter die logische Konsequenz aus der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung, dass eine Kostenerstattung nach § 63 SGB X nur bei förmlicher Aufhebung ergehen könne. Die Erledigungserklärung im Schreiben vom 26. Mai 2008 sei mit dem Antrag erfolgt, die zur zweckentsprechende Rechtsverfolgung not-wendigen Aufwendungen erstattet zu erhalten und die Zuziehung des Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen. Das Schreiben könne deshalb nicht als Rücknahme angesehen wer-den.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2009 sowie des Bescheides vom 3. Juli 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2009 zu verurteilen, ihm die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gegen den Bescheid vom 6. März 2008 notwendigen Aufwendungen zu erstatten und an-zuerkennen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren notwendig war,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm zu seinem Widerspruch vom 17. März 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. März 2008 einen Widerspruchsbescheid zu er-teilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es entgegen § 63 SGB X auch für den Kostenerstat-tungsanspruch im isolierten Widerspruchsverfahren eine dem § 193 SGG entsprechende Mög-lichkeit geben muss, der Behörde bzw. dem Versicherungsträger bei Beendigung des Wider-spruchsverfahrens ohne Bescheidung die Kosten aufzuerlegen, weil der Widerspruch zum Zeitpunkt der Erledigung zulässig und begründet gewesen ist.
Dies war hier nämlich nicht der Fall: Dem Kläger stand über die Zeit ab 1. Februar 2008 kein Krankengeldanspruch zu, weil - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - der Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geruht hat. Auf die Ausführungen des SG wird nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers - entgegen seiner eigenen Rechtsauffassung - unter-stellt, dass für die Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruches auf die Sach- und Rechts-lage ohne das erledigende Ereignis (hier die nachträgliche Lohnzahlung für Februar ) abzustel-len ist bzw. von Anfang an Krankengeld nur unter der Bedingung beantragt gewesen sein soll-te, dass das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt sei, scheiterte ein Krankengeldanspruch an der Vorschrift des § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Danach entsteht der Krankengeldanspruch erst vom dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung datiert hier (unstreitig) vom 31. Januar 2008. Wie die Be-klagte bereits im Ablehnungsbescheid ausgeführt hat, hätte dem Kläger deshalb ein Kranken-geldanspruch erst ab 1. Februar zugestanden. Zu diesem Zeitpunkt war er - nach obiger unter-stellter Bedingung - nicht mehr gesetzlich krankenversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Eine Wirksamkeit der fristlosen Kündigung seines Arbeitsvertrags unterstellt, wäre der Kläger vielmehr familienversichert nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V gewesen. Ein Anspruch auf Kran-kengeld hätte nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V nicht bestanden: Der Krankengeldanspruch muss bereits zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die Mitgliedschaft noch besteht (so bereits Beschluss des Senats vom 11.03.2011 - L 1 KR 347/10): Ob Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungs-verhältnis, das zum Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt (Bundessozialgericht, U. v. 26.06.2007 - B 1 KR 37/06 R -). § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ordnet zwar an, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibt, solange Anspruch auf Krankengeld besteht oder solange dieses bezogen wird. Der Er-halt der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 ist nach dieser Vorschrift nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Entstehung des Krankengeldanspruches bzw. des Bezugsbeginns tatsächlich noch eine Mitgliedschaft besteht, die erhalten werden kann. Die Vorschrift des § 192 SGB V enthält nämlich nach ihrer Neuregelung und der Einführung des § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) zum 01.01.1999 (RRG 1999 v. 16.12.1997, BGBl. I S 2998) eine bloße Ver-längerungsregelung zur Mitgliedschaft, die im Gegensatz zu § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV den Ver-sicherungspflicht-Tatbestand nicht fingiert. Ein Anspruch auf Krankengeld kann daraus nicht begründet werden, da lediglich die Mitgliedschaft erhalten wird.
Die Familienversicherung hätte auch Vorrang gegenüber den Anspruch auf nachwirkende Leis-tungen nach § 19 Abs. 1 SGB V gehabt (§ 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V).
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Beschäftigungsverhältnis noch bis Ende Februar 2008 fortbestanden hat: Ob § 63 SGB X eine dem § 193 SGG entsprechende Kostengrundentscheidung nach Billigkeit gewährleisten muss oder entsprechend zu ergänzen ist, auch unter dem Aspekt, dass ein Kran-kengeldanspruch (hier theoretisch ab 1. Februar 2008) bei einem bestehenden Beschäftigungs-verhältnis grundsätzlich möglich blieb. Die Beklagte hätte hier jedenfalls nicht vor der Erledi-gung dem Widerspruch abhelfen müssen:
Der Kläger hatte Krankengeld nur beantragt, weil er ab 30. Januar 2008 krank und ab 31. Janu-ar 2008 arbeitslos sei. Es bestand deshalb für die Beklagte keine Veranlassung zu der Annah-me, dass das Beschäftigungsverhältnis noch bestehe. Der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2008 entspricht der sich damals ihr ohne Aufklärungsversäumnis darstellenden Sachlage. Die Beklagte war auch nicht gehalten, dem Widerspruch alleine auf die Mitteilung des Klägers im Widerspruchsverfahren abzuhelfen, es sei Kündigungsschutzklage erhoben worden. Damit war nämlich nur die negative Annahme des Fehlens eines Arbeitsverhältnisses weggefallen. Ob aber - wie für Krankengeld erforderlich - das Arbeitsverhältnis noch fortbestanden hat, war weiterhin offen. Eine eigenständige Prüfung des Fortbestehens des Beschäftigungsverhältnisses war der Beklagten alleine schon deshalb nicht möglich, weil der Kläger nur mitgeteilt hat, eine Kündigungsschutzklage erhoben zu haben. Dass die Beklagte zunächst abgewartet hat, war auch deshalb geboten, weil - den Erfolg der Kündigungsschutzklage unterstellend - mit einer Gehaltsnachzahlung und damit mit einem Ruhensgrund nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu rech-nen war. Konkret durfte die Beklagte nach Kenntnis vom arbeitsrechtlichen Vergleich dann auch davon ausgehen, dass der Arbeitgeber das Gehalt (als Entgeltfortzahlung) für Februar noch entrichten würde. Zuletzt lag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch nur für die Zeit bis 7. Februar 2008 vor, so dass sich auch insoweit keine Dringlichkeit der Krankengeldgewäh-rung als Lohnersatz zur Sicherung der Existenzgrundlage gegeben zu sein schien.
Die Hilfsklage hat das SG richtig als bereits unzulässig behandelt. Auf dessen Ausführungen wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen. Grundsätzliche Fragen zu § 63 SGB X stellen sich - wie ausgeführt - nicht.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfah-rens.
Der Kläger war als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Ihm wurde zum 31. Januar 2008 fristlos gekündigt. Ab dem 30. Januar 2008 war er arbeitsun-fähig, was der Medizinalrat Dr. L am 31. Januar 2008 ärztlich bis 07. Februar 2008 bescheinig-te. Nach seinen eigenen Angaben war er bis zum 29. Februar 2008 erkrankt. Seine Ehefrau war jedenfalls in diesem Monat gesetzlich krankenversichert.
Nach vorangegangenem Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2008 die Zahlung von Krankengeld ab. Die Arbeitsunfähigkeit sei am 31. Januar 2008 ärztlich festgestellt worden, grundsätzlich beginne der Anspruch auf Krankengeld deshalb ab dem 1. Februar 2008. Der Versicherungsschutz des Klägers enthalte jedoch ab diesem Tag keinen Anspruch auf Krankengeld. Eine Krankengeldzahlung im Rahmen des nachgehenden Leis-tungsanspruches nach § 19 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) scheide aus, da der Kläger An-spruch auf Familienversicherung habe.
Der Kläger erhob am 20. März 2008 Widerspruch und wies darauf hin, dass Kündigungs-schutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben worden sei. Auf den Ausgang des ar-beitsgerichtlichen Verfahrens komme es aber nicht an, da der Krankengeldanspruch rechtzeitig zeitgleich mit dem Ende der Mitgliedschaft entstanden sei. Mit Erläuterungsschreiben vom 27. März 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, da das Ar-beitsverhältnis zum 31. Januar 2008 geendet habe, habe ab dem 1. Februar 2008 keine versi-cherungspflichtige Mitgliedschaft mehr bestanden, aus der ein Krankengeldanspruch habe ab-geleitet werden können.
Der Kläger einigte sich in der Folgezeit mit seinem früheren Arbeitgeber vergleichsweise, dass das Beschäftigungsverhältnis durch ordentliche Kündigung erst zum 29. Februar 2008 geendet habe und teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 9. April mit. Diese verwies mit Antwort-schreiben vom 15. April 2008 auf das Ruhen des Krankengeldanspruches aufgrund der Entgelt-fortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers hin.
Nachdem dieser dem Kläger Anfang Mai 2008 den Nettolohn für den Monat Februar 2008 ausgezahlt hatte, teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 26. Mai 2008 mit, dass sich der Widerspruch in der Hauptsache erledigt habe und beantragte die Erstattung der außer-gerichtlichen Kosten sowie die Anerkennung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevoll-mächtigten im Vorverfahren.
Dies lehnte die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Juli 2008 ab. Die Voraussetzungen nach § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zur Erstattung der Kosten im Vorverfahren lägen nicht vor. Dem Widerspruch sei nicht abgeholfen worden, son-dern habe sich durch die Veränderung der Verhältnisse erledigt.
Der Kläger erhob Widerspruch. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 6. März 2008 sei rechtswidrig gewesen. Dem widersprach die Beklagte (Schreiben vom 13. Juni 2008) und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2009 zurück. Das vorangegangene Widerspruchsverfahren sei für den Kläger nicht im Sinne des § 63 Abs. 1 SGB X erfolgreich gewesen. Der Krankengeldanspruch habe aufgrund des Bezuges von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 geruht.
Hiergegen richtet sich die zunächst am 19. Januar 2009 beim Sozialgericht Berlin (SG) erho-bene Klage. In der vorliegenden Situation, in welcher sich ein Widerspruch gegen einen rechtswidrigen Bescheid nachträglich erledige, sei § 63 SGB X aufgrund der gleichen Interes-senlage wie bei einer Abhilfe anwendbar.
Der Kläger hat erstinstanzlich neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides und entsprechender Verpflichtung der Beklagten hilfsweise beantragt diese zu verurteilen, ihm zu seinen Widerspruch vom 17. März 2008 gegen den Bescheid vom 6. März 2008 einen Wider-spruchsbescheid zu erteilen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2009 abgewiesen. Sie sei im Hauptantrag zulässig aber unbegründet. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 63 SGB X. Die Vorschrift sei nämlich ihrem Wortlaut nach nur eine Regelung für den Fall, dass der Widerspruch erfolgreich sei. Der Widerspruch hier habe keinen Erfolg gehabt. Erfolg sei nämlich nur dann anzuneh-men, wenn dem Widerspruch stattgegeben werde, wobei zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung bestehen müsse (Be-zugnahme auf Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 21.07.1992 - 4 RA 20/91; Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R). In diesem Sinne habe der Kläger keinen Erfolg gehabt. Er habe die begehrte Krankengeldzahlung nicht erhalten. Sein Anspruch habe nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufgrund der im Nachhinein erfolgten Geldzahlung geruht. Eine erweiternde Auslegung des § 63 SGB X komme angesichts des eindeutigen Wortlautes nicht in Betracht. § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 91 a Zivilprozessordnung oder § 197 a SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie ein Abstellen auf ein allgemeines Veranlassungsprinzip schieden ebenfalls aus. Zur Begründung hat die Kammer auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 27. Oktober 2004 (L 4 KA 20/03) und die dort zitierte Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte zu § 80 Verwaltungsver-fahrensgesetz (VwVfG) verwiesen.
Die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage sei unzulässig. Der Kläger habe seinen Widerspruch mit Schreiben vom 26. Mai 2008 ausdrücklich für erledigt erklärt. Deshalb gebe es seither kei-nen Widerspruch mehr, über den der Beklagte entscheiden müsse.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung des Klägers. Ihn überzeug-ten das vom SG angeführte Urteil des LSG Schleswig-Holstein und die dort angeführte Ent-scheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.1981 (6 C 121/80) nicht. Aus der Formu-lierung der § 63 SGB X bzw. § 80 VwVfG könne nicht geschlossen werden, das der Gesetzge-ber bewusst einen Kostenerstattungsanspruch für den Fall der Erledigung des Widerspruches habe ausschließen wollen. Es könne nicht sein, dass der Widerspruchsführer keine Kostener-stattung erlangen könne, wenn - wie hier - die Behörde die Abhilfeentscheidung verzögert ha-be. Die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage sei weiter die logische Konsequenz aus der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung, dass eine Kostenerstattung nach § 63 SGB X nur bei förmlicher Aufhebung ergehen könne. Die Erledigungserklärung im Schreiben vom 26. Mai 2008 sei mit dem Antrag erfolgt, die zur zweckentsprechende Rechtsverfolgung not-wendigen Aufwendungen erstattet zu erhalten und die Zuziehung des Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen. Das Schreiben könne deshalb nicht als Rücknahme angesehen wer-den.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2009 sowie des Bescheides vom 3. Juli 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2009 zu verurteilen, ihm die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gegen den Bescheid vom 6. März 2008 notwendigen Aufwendungen zu erstatten und an-zuerkennen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren notwendig war,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm zu seinem Widerspruch vom 17. März 2008 gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. März 2008 einen Widerspruchsbescheid zu er-teilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es entgegen § 63 SGB X auch für den Kostenerstat-tungsanspruch im isolierten Widerspruchsverfahren eine dem § 193 SGG entsprechende Mög-lichkeit geben muss, der Behörde bzw. dem Versicherungsträger bei Beendigung des Wider-spruchsverfahrens ohne Bescheidung die Kosten aufzuerlegen, weil der Widerspruch zum Zeitpunkt der Erledigung zulässig und begründet gewesen ist.
Dies war hier nämlich nicht der Fall: Dem Kläger stand über die Zeit ab 1. Februar 2008 kein Krankengeldanspruch zu, weil - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - der Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geruht hat. Auf die Ausführungen des SG wird nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers - entgegen seiner eigenen Rechtsauffassung - unter-stellt, dass für die Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruches auf die Sach- und Rechts-lage ohne das erledigende Ereignis (hier die nachträgliche Lohnzahlung für Februar ) abzustel-len ist bzw. von Anfang an Krankengeld nur unter der Bedingung beantragt gewesen sein soll-te, dass das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt sei, scheiterte ein Krankengeldanspruch an der Vorschrift des § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V. Danach entsteht der Krankengeldanspruch erst vom dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung datiert hier (unstreitig) vom 31. Januar 2008. Wie die Be-klagte bereits im Ablehnungsbescheid ausgeführt hat, hätte dem Kläger deshalb ein Kranken-geldanspruch erst ab 1. Februar zugestanden. Zu diesem Zeitpunkt war er - nach obiger unter-stellter Bedingung - nicht mehr gesetzlich krankenversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Eine Wirksamkeit der fristlosen Kündigung seines Arbeitsvertrags unterstellt, wäre der Kläger vielmehr familienversichert nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V gewesen. Ein Anspruch auf Kran-kengeld hätte nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V nicht bestanden: Der Krankengeldanspruch muss bereits zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem die Mitgliedschaft noch besteht (so bereits Beschluss des Senats vom 11.03.2011 - L 1 KR 347/10): Ob Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungs-verhältnis, das zum Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt (Bundessozialgericht, U. v. 26.06.2007 - B 1 KR 37/06 R -). § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ordnet zwar an, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten bleibt, solange Anspruch auf Krankengeld besteht oder solange dieses bezogen wird. Der Er-halt der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 ist nach dieser Vorschrift nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Entstehung des Krankengeldanspruches bzw. des Bezugsbeginns tatsächlich noch eine Mitgliedschaft besteht, die erhalten werden kann. Die Vorschrift des § 192 SGB V enthält nämlich nach ihrer Neuregelung und der Einführung des § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) zum 01.01.1999 (RRG 1999 v. 16.12.1997, BGBl. I S 2998) eine bloße Ver-längerungsregelung zur Mitgliedschaft, die im Gegensatz zu § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV den Ver-sicherungspflicht-Tatbestand nicht fingiert. Ein Anspruch auf Krankengeld kann daraus nicht begründet werden, da lediglich die Mitgliedschaft erhalten wird.
Die Familienversicherung hätte auch Vorrang gegenüber den Anspruch auf nachwirkende Leis-tungen nach § 19 Abs. 1 SGB V gehabt (§ 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V).
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Beschäftigungsverhältnis noch bis Ende Februar 2008 fortbestanden hat: Ob § 63 SGB X eine dem § 193 SGG entsprechende Kostengrundentscheidung nach Billigkeit gewährleisten muss oder entsprechend zu ergänzen ist, auch unter dem Aspekt, dass ein Kran-kengeldanspruch (hier theoretisch ab 1. Februar 2008) bei einem bestehenden Beschäftigungs-verhältnis grundsätzlich möglich blieb. Die Beklagte hätte hier jedenfalls nicht vor der Erledi-gung dem Widerspruch abhelfen müssen:
Der Kläger hatte Krankengeld nur beantragt, weil er ab 30. Januar 2008 krank und ab 31. Janu-ar 2008 arbeitslos sei. Es bestand deshalb für die Beklagte keine Veranlassung zu der Annah-me, dass das Beschäftigungsverhältnis noch bestehe. Der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2008 entspricht der sich damals ihr ohne Aufklärungsversäumnis darstellenden Sachlage. Die Beklagte war auch nicht gehalten, dem Widerspruch alleine auf die Mitteilung des Klägers im Widerspruchsverfahren abzuhelfen, es sei Kündigungsschutzklage erhoben worden. Damit war nämlich nur die negative Annahme des Fehlens eines Arbeitsverhältnisses weggefallen. Ob aber - wie für Krankengeld erforderlich - das Arbeitsverhältnis noch fortbestanden hat, war weiterhin offen. Eine eigenständige Prüfung des Fortbestehens des Beschäftigungsverhältnisses war der Beklagten alleine schon deshalb nicht möglich, weil der Kläger nur mitgeteilt hat, eine Kündigungsschutzklage erhoben zu haben. Dass die Beklagte zunächst abgewartet hat, war auch deshalb geboten, weil - den Erfolg der Kündigungsschutzklage unterstellend - mit einer Gehaltsnachzahlung und damit mit einem Ruhensgrund nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu rech-nen war. Konkret durfte die Beklagte nach Kenntnis vom arbeitsrechtlichen Vergleich dann auch davon ausgehen, dass der Arbeitgeber das Gehalt (als Entgeltfortzahlung) für Februar noch entrichten würde. Zuletzt lag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch nur für die Zeit bis 7. Februar 2008 vor, so dass sich auch insoweit keine Dringlichkeit der Krankengeldgewäh-rung als Lohnersatz zur Sicherung der Existenzgrundlage gegeben zu sein schien.
Die Hilfsklage hat das SG richtig als bereits unzulässig behandelt. Auf dessen Ausführungen wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen. Grundsätzliche Fragen zu § 63 SGB X stellen sich - wie ausgeführt - nicht.
Rechtskraft
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