Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 3909/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 295/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2004 und der Änderungsbescheid vom 31. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01. Juni bis 31. Dezember 2004 höhere Sozialhilfe unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren und insoweit weitere 981,96 Euro an ihn zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat die dem Kläger entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 2/3 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger beansprucht die Berücksichtigung von anteiligen Kosten der Unterkunft (KdU) und insofern die Gewährung höherer Sozialhilfe für die Zeit vom 11. Mai bis 31. Dezember 2004.
Der 1971 geborene Kläger, der in den Jahren zuvor seinen Angaben zufolge seinen Lebensunterhalt aus Einkünften als selbständiger Unternehmensberater und Aushilfsbeschäftigungen bestritt (vgl. "Lebenslauf"), zog im April 2004 von M/S zu seiner in Berlin wohnhaften Mutter, die seinerzeit in einer ab 1. Dezember 2002 angemieteten 2-Zimmer-Wohnung lebte (Warmmiete ab 1. Februar 2004 391,52 Euro) und ihren Lebensunterhalt aus dem Bezug von Arbeitslosengeld (wöchentlicher Leistungssatz 185,22 Euro) bestritt. Der Kläger gab zu seinem Leistungsantrag ergänzend an, bisher bereits von seiner Mutter unterstützt worden zu sein und bei ihr Schulden von etwa 2.200 Euro zu haben (Erklärung vom 21. Mai 2004). Die Mutter bestätigte unter dem 7. Juni 2004 einen geschuldeten Betrag von 2.250 Euro. Mit Bescheid vom 21. Juni 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 11. Mai 2004 ab diesem Tage Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Kosten der Unterkunft und abzüglich einer Energiepauschale. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und forderte die Übernahme eines Anteils an den Unterkunftskosten. Seine Mutter, bei der er wohne, sei nicht verpflichtet, ihn zu unterhalten oder ihn kostenlos bei sich wohnen zu lassen. Ferner hielt er den Abzug der Energiepauschale für unberechtigt.
Ab 06. Juli 2004 leistete der Kläger gemeinnützige Arbeit mit maximal 60 Stunden monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 31. August 2004 wurde die Sozialhilfe rückwirkend ab 01. Juli 2004 unter ergänzender Berücksichtigung eines Fahrkostenzuschusses gewährt und schließlich mit Bescheid zum 31. Dezember 2004 eingestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 wies der Beklagte schließlich den Widerspruch im Wesentlichen zurück; bezüglich des Abzugs der Energiepauschale half sie dem Wider-spruch ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger keine Erklärung vorgelegt habe, aus der sich ergebe, dass seine Mutter ihn nicht unterstütze und von ihm die Übernahme eines Mietkostenanteils fordere. Außerdem habe er dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Mai 2004 mitgeteilt, dass dieser das Einkommen seiner Mutter berücksichtigen könne. Im Übrigen sei gemäß § 16 des Bundessozialhilfegesetzes – BSHG –, wenn ein Hilfesuchender in Haus-haltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebe, zu vermuten, dass er von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhalte, soweit dies nach ihrem Einkommen oder Vermögen erwartet werden könne.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht – SG – Berlin erhobenen Klage gewandt. Er habe bei seinem Einzug eine Beteiligung an den Unterkunftskosten vereinbart und seiner Mutter den Regelsatz, den er erhalten habe, ausgehändigt. Er mache anteilige Unterkunftskosten von 190,28 EUR monatlich geltend.
Nachdem der Beklagte sich im Erörterungstermin vom 6. Juni 2006 mit einem angenommenen Teilanerkenntnis bereit erklärt hat, noch 350,00 Euro auf die Mietkosten nachzuzahlen, hat der Kläger unter Hinweis auf die Berechnung in der Klageschrift noch einen Betrag von 1.422,36 Euro nebst 8 % Zinsen beansprucht.
Dem ist der Beklagte entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass dem Kläger in der streitbefangenen Zeit von seiner Mutter Hilfe zum Lebensunterhalt in Form des Mietanteils gewährt worden sei. Die Mutter sei zur Tragung der ganzen Miete auch wirtschaftlich in der Lage gewesen. Die Mutter habe die Wohnung bereits längere Zeit vor dem Einzug des Klägers angemietet und die Miete auch allein gezahlt.
Sodann hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die noch geltend gemachten Leistungen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 des hier noch anzuwendenden BSHG sei Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Ein-kommen und Vermögen, beschaffen könne. Da der Kläger mit seiner Mutter in Haushaltsgemeinschaft gelebt habe, habe der Beklagte zu Recht vermuten dürfen, dass der Kläger Leistungen zum Lebensunterhalt von ihr erhalte (§ 16 BSHG). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft gegen den Beklagten, weil kein ungedeckter Bedarf mehr bestehe. Der Beklagte habe dem Kläger ab 11. Mai 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt und nach Klageerhebung durch Teilanerkenntnis im Erörterungstermin noch einen gewissen Anteil der Kosten der Unterkunft gewährt, da dem Angehörigen, der mit einem Hilfesuchenden in
Haushaltsgemeinschaft lebe, ein Lebenshaltungsniveau verbleiben müsse, das deutlich über dem der Hilfe zum Lebensunterhalt liege (Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. Februar 1996 – 5 C 2/95 - , NJW 1996, 2880). Einen Anspruch auf weitere Leistungen habe der Kläger nicht. Der Kläger habe im Erörterungstermin am 06. Juni 2006 erklärt, dass die Kosten der Unterkunft gedeckt worden seien. Dem Kläger habe somit im streitigen Zeitraum ein Mittel zur Verfügung gestanden, sich selbst zu helfen (§ 2 Abs. 1 BSHG). Ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe bestehe jedoch nur, wenn ein ungedeckter Bedarf bestanden habe und bis in die Gegenwart weiter bestehe. Sobald kein Bedarf mehr bestehe, sei auch kein Anspruch gegeben, denn Soziahilfe werde nur zur Beseitigung einer aktuellen Notlage gewährt. Insoweit bestehe aber seit Mai 2004 bis aktuell kein entsprechender (ursprünglich streit-gegenständlicher) Bedarf mehr fort, den der Beklagte aktuell noch befriedigen könne.
Gegen den ihm am 15. November 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat sich der Kläger mit seiner am 05. Dezember 2008 eingelegten Berufung gewandt, mit der er weiterhin die Gewäh-rung höherer Sozialhilfe und mithin einen seiner Auffassung nach offenen Betrag von 1.422,36 Euro sowie die Verzinsung dieses Betrages mit nunmehr 4 % beansprucht. Dass er anteilige Miete aufgrund der Weigerung des Beklagten aus dem eigenen Regelsatz habe zahlen müssen, stehe im Ergebnis der Zahlung nicht des vollen Regelsatzes seitens des Beklagten gleich. Es sei auch vom Gericht zu Unrecht eine Vermischung und Aufrechnung von Unterkunftskosten und Regelsatz vorgenommen worden. Wofür er seinen Regelsatz verwendet habe, sei unerheblich. Es habe sich insoweit um eine unerlaubte missbräuchliche Frage des Richters gehandelt, wel-cher diese dem Kläger habe gar nicht stellen dürfen.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2008 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2004 und den Änderungsbescheid vom 31. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005, geändert durch Teilanerkenntnis vom 06. Juni 2006, zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen weiteren Betrag in Höhe von 1.422,36 Euro nebst 4 % Zinsen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, dem Kläger stünden weitere Leistungen in Form von Kos-ten der Unterkunft nachträglich nicht zu, da der insoweit bestehende Bedarf gedeckt worden sei und nicht aktuell fortwirke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte sowie die von dem Beklagten vorgelegte Sozialhilfeakte, die zur Beratung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz).
Die zulässige Berufung ist in dem tenorierten Umfang und damit teilweise begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004 Anspruch auf Übernahme anteiliger Mietkosten und insoweit auf höhere Sozialhilfe, so dass die angefochtenen Bescheide des Beklagten antragsgemäß zu ändern sind.
Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist, nachdem der Beklagte im Widerspruchsverfahren dem klägerischen Begehren hinsichtlich der Energiekosten ausdrücklich abgeholfen hat, allein noch die Berücksichtigung einer anteiligen Miete und insofern höhere Sozialhilfe. Soweit der Kläger mit seiner Klage möglicherweise noch andere Leistungen und deren Verzinsung gemäß § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - beanspruchen sollte, fehlt es an
entsprechenden insoweit angefochtenen und zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Ver-waltungsentscheidungen des Beklagten.
Der Leistungsanspruch für den hier streitigen Zeitraum vom 11. Mai bis 31. Dezember 2004 richtet sich noch nach den Vorschriften des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden BSHG.
Nicht streitig ist zwischen den Beteiligten aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben des Klägers, dass dieser grundsätzlich zu dem gemäß § 11 Abs. 1 BSHG
anspruchsberechtigten Personenkreis zählt, der wegen Bedürftigkeit Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten konnte, wie auch der Leistungsbewilligung für den hier streitigen Zeitraum zu entnehmen ist. Zum notwendigen Lebensunterhalt gemäß § 12 Abs. 1 BSHG zählten neben den regelmäßig durch den Regelsatz abgedeckten Bedürfnissen auch Kosten der Unterkunft und Heizung. Nur diese sind im anhängigen Verfahren streitig.
Zu der von der Mutter des Klägers seit 01. Dezember 2002 bewohnten Wohnung, für die ab 01. Februar 2004 eine Warmmiete von 391,52 Euro zu zahlen war, hat der Beklagte richtig angemerkt, dass dies bisher eine allein von der Mutter getragene Belastung war. Andererseits hat der Kläger richtig darauf hingewiesen, dass seine Mutter (gerade auch unter Berücksichtigung ihrer Einkommenssituation) keine Unterhaltsverpflichtungen ihm gegenüber trafen, so dass diese auch nicht zum Unterhalt in Form der Gewährung von Unterkunft verpflichtet war. Insofern ist auch über den Regelsatz hinaus ein laufender Bedarf in Form der Beteiligung an der Miete als Kosten der Unterkunft und Heizung plausibel. Dass man dem, wie es das SG getan hat, mit dem Hinweis auf § 2 Abs. 1 BSHG begegnen kann, nachdem die Kosten der Unterkunft im Ergebnis auf andere Weise gedeckt worden sind, überzeugt dagegen nicht. Der Kläger hat zwar im Laufe des Verfahrens keinerlei Beleg oder ausdrückliche Bestätigung seiner Mutter vorgelegt, dass noch eine Forderung der Mutter hinsichtlich der von ihr befriedigten Mietforderungen und insoweit ein fortwirkender Bedarf beim Kläger vorhanden ist. Andererseits ergeben sich auch keine durchgreifenden Bedenken an dem Vortrag des Klägers, dass er sich nach seinem Einzug bei seiner Mutter anteilmäßig an den Mietkosten beteiligen sollte. Ange-sichts ihrer beengten finanziellen Situation mit dem Bezug von Arbeitslosengeld von nur rund 800 Euro monatlich und der Tatsache, dass sie eine Unterstützung ihres Sohnes auch in der Vergangenheit nur als Darlehen ansah, kann nicht angenommen werden, dass die Unterstüt-zung nunmehr als "verlorener Zuschuss" erfolgen würde.
Hinter der Entscheidung des SG, aber auch der des Beklagten steht darüber hinaus offenbar auch der für das BSHG regelmäßig maßgebliche Grundsatz, dass Soziahilfe nicht für die Vergangenheit zu gewähren ist (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87 in BVerwGE 90, 154), denn nur eine aktuelle Notlage soll behoben werden. Dieser Grundsatz beanspruchte aber nach der auch seinerzeit maßgebenden Rechtsprechung des BVerwG dann keine Geltung, wenn dies zu einem Leerlaufen der einem Anspruchsteller eingeräumten Einspruchsmöglichkeiten und damit zur Verhinderung effektiven Rechtsschutzes geführt haben würde (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – in SozR 4-1300 § 44 Nr. 20 mit ausführlichen Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des BVerwG). So ist die Situation aber vorliegend, da der Kläger mit Widerspruch und Klage gerade die ergänzende Gewährung auch von KdU beansprucht.
Auch wenn mithin feststeht, dass dem Kläger noch weitere bzw. höhere Leistungen zustehen, so führt dies nicht zu dem vom Kläger errechneten Betrag. Die Berechnung des Klägers ist insoweit vom Ansatz her unzutreffend, als er einen Anspruch bereits ab 1. Mai 2004 annimmt, obwohl ein Anspruch erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Notlage und damit ab dem Antragseingang am 11. Mai 2004 bestehen kann (§ 5 Abs. 1 BSHG). Zu diesem Zeitpunkt bestand jedoch bzgl. der für Mai bereits Anfang des Monats zu zahlenden Miete kein Bedarf mehr, sondern erst für die Folgemonate. Da der Kläger insoweit seinen Anteil mit 190,28 EUR geltend macht, ergibt sich für die Zeit vom 1. Juni – 31. Dezember 2004 ein Betrag von (7 x 190,28 EUR =) 1331,96 EUR, der sich um die bereits mit Teilanerkenntnis zuerkannten 350,- EUR auf einen noch offenen Anspruch von 981,96 EUR mindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren nicht in vollem Umfang durchgedrungen ist.
Gründe zur Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger beansprucht die Berücksichtigung von anteiligen Kosten der Unterkunft (KdU) und insofern die Gewährung höherer Sozialhilfe für die Zeit vom 11. Mai bis 31. Dezember 2004.
Der 1971 geborene Kläger, der in den Jahren zuvor seinen Angaben zufolge seinen Lebensunterhalt aus Einkünften als selbständiger Unternehmensberater und Aushilfsbeschäftigungen bestritt (vgl. "Lebenslauf"), zog im April 2004 von M/S zu seiner in Berlin wohnhaften Mutter, die seinerzeit in einer ab 1. Dezember 2002 angemieteten 2-Zimmer-Wohnung lebte (Warmmiete ab 1. Februar 2004 391,52 Euro) und ihren Lebensunterhalt aus dem Bezug von Arbeitslosengeld (wöchentlicher Leistungssatz 185,22 Euro) bestritt. Der Kläger gab zu seinem Leistungsantrag ergänzend an, bisher bereits von seiner Mutter unterstützt worden zu sein und bei ihr Schulden von etwa 2.200 Euro zu haben (Erklärung vom 21. Mai 2004). Die Mutter bestätigte unter dem 7. Juni 2004 einen geschuldeten Betrag von 2.250 Euro. Mit Bescheid vom 21. Juni 2004 gewährte der Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 11. Mai 2004 ab diesem Tage Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Kosten der Unterkunft und abzüglich einer Energiepauschale. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und forderte die Übernahme eines Anteils an den Unterkunftskosten. Seine Mutter, bei der er wohne, sei nicht verpflichtet, ihn zu unterhalten oder ihn kostenlos bei sich wohnen zu lassen. Ferner hielt er den Abzug der Energiepauschale für unberechtigt.
Ab 06. Juli 2004 leistete der Kläger gemeinnützige Arbeit mit maximal 60 Stunden monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 31. August 2004 wurde die Sozialhilfe rückwirkend ab 01. Juli 2004 unter ergänzender Berücksichtigung eines Fahrkostenzuschusses gewährt und schließlich mit Bescheid zum 31. Dezember 2004 eingestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 wies der Beklagte schließlich den Widerspruch im Wesentlichen zurück; bezüglich des Abzugs der Energiepauschale half sie dem Wider-spruch ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger keine Erklärung vorgelegt habe, aus der sich ergebe, dass seine Mutter ihn nicht unterstütze und von ihm die Übernahme eines Mietkostenanteils fordere. Außerdem habe er dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Mai 2004 mitgeteilt, dass dieser das Einkommen seiner Mutter berücksichtigen könne. Im Übrigen sei gemäß § 16 des Bundessozialhilfegesetzes – BSHG –, wenn ein Hilfesuchender in Haus-haltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten lebe, zu vermuten, dass er von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhalte, soweit dies nach ihrem Einkommen oder Vermögen erwartet werden könne.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht – SG – Berlin erhobenen Klage gewandt. Er habe bei seinem Einzug eine Beteiligung an den Unterkunftskosten vereinbart und seiner Mutter den Regelsatz, den er erhalten habe, ausgehändigt. Er mache anteilige Unterkunftskosten von 190,28 EUR monatlich geltend.
Nachdem der Beklagte sich im Erörterungstermin vom 6. Juni 2006 mit einem angenommenen Teilanerkenntnis bereit erklärt hat, noch 350,00 Euro auf die Mietkosten nachzuzahlen, hat der Kläger unter Hinweis auf die Berechnung in der Klageschrift noch einen Betrag von 1.422,36 Euro nebst 8 % Zinsen beansprucht.
Dem ist der Beklagte entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass dem Kläger in der streitbefangenen Zeit von seiner Mutter Hilfe zum Lebensunterhalt in Form des Mietanteils gewährt worden sei. Die Mutter sei zur Tragung der ganzen Miete auch wirtschaftlich in der Lage gewesen. Die Mutter habe die Wohnung bereits längere Zeit vor dem Einzug des Klägers angemietet und die Miete auch allein gezahlt.
Sodann hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die noch geltend gemachten Leistungen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 des hier noch anzuwendenden BSHG sei Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Ein-kommen und Vermögen, beschaffen könne. Da der Kläger mit seiner Mutter in Haushaltsgemeinschaft gelebt habe, habe der Beklagte zu Recht vermuten dürfen, dass der Kläger Leistungen zum Lebensunterhalt von ihr erhalte (§ 16 BSHG). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft gegen den Beklagten, weil kein ungedeckter Bedarf mehr bestehe. Der Beklagte habe dem Kläger ab 11. Mai 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt und nach Klageerhebung durch Teilanerkenntnis im Erörterungstermin noch einen gewissen Anteil der Kosten der Unterkunft gewährt, da dem Angehörigen, der mit einem Hilfesuchenden in
Haushaltsgemeinschaft lebe, ein Lebenshaltungsniveau verbleiben müsse, das deutlich über dem der Hilfe zum Lebensunterhalt liege (Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. Februar 1996 – 5 C 2/95 - , NJW 1996, 2880). Einen Anspruch auf weitere Leistungen habe der Kläger nicht. Der Kläger habe im Erörterungstermin am 06. Juni 2006 erklärt, dass die Kosten der Unterkunft gedeckt worden seien. Dem Kläger habe somit im streitigen Zeitraum ein Mittel zur Verfügung gestanden, sich selbst zu helfen (§ 2 Abs. 1 BSHG). Ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe bestehe jedoch nur, wenn ein ungedeckter Bedarf bestanden habe und bis in die Gegenwart weiter bestehe. Sobald kein Bedarf mehr bestehe, sei auch kein Anspruch gegeben, denn Soziahilfe werde nur zur Beseitigung einer aktuellen Notlage gewährt. Insoweit bestehe aber seit Mai 2004 bis aktuell kein entsprechender (ursprünglich streit-gegenständlicher) Bedarf mehr fort, den der Beklagte aktuell noch befriedigen könne.
Gegen den ihm am 15. November 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat sich der Kläger mit seiner am 05. Dezember 2008 eingelegten Berufung gewandt, mit der er weiterhin die Gewäh-rung höherer Sozialhilfe und mithin einen seiner Auffassung nach offenen Betrag von 1.422,36 Euro sowie die Verzinsung dieses Betrages mit nunmehr 4 % beansprucht. Dass er anteilige Miete aufgrund der Weigerung des Beklagten aus dem eigenen Regelsatz habe zahlen müssen, stehe im Ergebnis der Zahlung nicht des vollen Regelsatzes seitens des Beklagten gleich. Es sei auch vom Gericht zu Unrecht eine Vermischung und Aufrechnung von Unterkunftskosten und Regelsatz vorgenommen worden. Wofür er seinen Regelsatz verwendet habe, sei unerheblich. Es habe sich insoweit um eine unerlaubte missbräuchliche Frage des Richters gehandelt, wel-cher diese dem Kläger habe gar nicht stellen dürfen.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2008 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2004 und den Änderungsbescheid vom 31. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005, geändert durch Teilanerkenntnis vom 06. Juni 2006, zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen weiteren Betrag in Höhe von 1.422,36 Euro nebst 4 % Zinsen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, dem Kläger stünden weitere Leistungen in Form von Kos-ten der Unterkunft nachträglich nicht zu, da der insoweit bestehende Bedarf gedeckt worden sei und nicht aktuell fortwirke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf die Gerichtsakte sowie die von dem Beklagten vorgelegte Sozialhilfeakte, die zur Beratung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz).
Die zulässige Berufung ist in dem tenorierten Umfang und damit teilweise begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004 Anspruch auf Übernahme anteiliger Mietkosten und insoweit auf höhere Sozialhilfe, so dass die angefochtenen Bescheide des Beklagten antragsgemäß zu ändern sind.
Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist, nachdem der Beklagte im Widerspruchsverfahren dem klägerischen Begehren hinsichtlich der Energiekosten ausdrücklich abgeholfen hat, allein noch die Berücksichtigung einer anteiligen Miete und insofern höhere Sozialhilfe. Soweit der Kläger mit seiner Klage möglicherweise noch andere Leistungen und deren Verzinsung gemäß § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - beanspruchen sollte, fehlt es an
entsprechenden insoweit angefochtenen und zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Ver-waltungsentscheidungen des Beklagten.
Der Leistungsanspruch für den hier streitigen Zeitraum vom 11. Mai bis 31. Dezember 2004 richtet sich noch nach den Vorschriften des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden BSHG.
Nicht streitig ist zwischen den Beteiligten aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben des Klägers, dass dieser grundsätzlich zu dem gemäß § 11 Abs. 1 BSHG
anspruchsberechtigten Personenkreis zählt, der wegen Bedürftigkeit Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten konnte, wie auch der Leistungsbewilligung für den hier streitigen Zeitraum zu entnehmen ist. Zum notwendigen Lebensunterhalt gemäß § 12 Abs. 1 BSHG zählten neben den regelmäßig durch den Regelsatz abgedeckten Bedürfnissen auch Kosten der Unterkunft und Heizung. Nur diese sind im anhängigen Verfahren streitig.
Zu der von der Mutter des Klägers seit 01. Dezember 2002 bewohnten Wohnung, für die ab 01. Februar 2004 eine Warmmiete von 391,52 Euro zu zahlen war, hat der Beklagte richtig angemerkt, dass dies bisher eine allein von der Mutter getragene Belastung war. Andererseits hat der Kläger richtig darauf hingewiesen, dass seine Mutter (gerade auch unter Berücksichtigung ihrer Einkommenssituation) keine Unterhaltsverpflichtungen ihm gegenüber trafen, so dass diese auch nicht zum Unterhalt in Form der Gewährung von Unterkunft verpflichtet war. Insofern ist auch über den Regelsatz hinaus ein laufender Bedarf in Form der Beteiligung an der Miete als Kosten der Unterkunft und Heizung plausibel. Dass man dem, wie es das SG getan hat, mit dem Hinweis auf § 2 Abs. 1 BSHG begegnen kann, nachdem die Kosten der Unterkunft im Ergebnis auf andere Weise gedeckt worden sind, überzeugt dagegen nicht. Der Kläger hat zwar im Laufe des Verfahrens keinerlei Beleg oder ausdrückliche Bestätigung seiner Mutter vorgelegt, dass noch eine Forderung der Mutter hinsichtlich der von ihr befriedigten Mietforderungen und insoweit ein fortwirkender Bedarf beim Kläger vorhanden ist. Andererseits ergeben sich auch keine durchgreifenden Bedenken an dem Vortrag des Klägers, dass er sich nach seinem Einzug bei seiner Mutter anteilmäßig an den Mietkosten beteiligen sollte. Ange-sichts ihrer beengten finanziellen Situation mit dem Bezug von Arbeitslosengeld von nur rund 800 Euro monatlich und der Tatsache, dass sie eine Unterstützung ihres Sohnes auch in der Vergangenheit nur als Darlehen ansah, kann nicht angenommen werden, dass die Unterstüt-zung nunmehr als "verlorener Zuschuss" erfolgen würde.
Hinter der Entscheidung des SG, aber auch der des Beklagten steht darüber hinaus offenbar auch der für das BSHG regelmäßig maßgebliche Grundsatz, dass Soziahilfe nicht für die Vergangenheit zu gewähren ist (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87 in BVerwGE 90, 154), denn nur eine aktuelle Notlage soll behoben werden. Dieser Grundsatz beanspruchte aber nach der auch seinerzeit maßgebenden Rechtsprechung des BVerwG dann keine Geltung, wenn dies zu einem Leerlaufen der einem Anspruchsteller eingeräumten Einspruchsmöglichkeiten und damit zur Verhinderung effektiven Rechtsschutzes geführt haben würde (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – in SozR 4-1300 § 44 Nr. 20 mit ausführlichen Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des BVerwG). So ist die Situation aber vorliegend, da der Kläger mit Widerspruch und Klage gerade die ergänzende Gewährung auch von KdU beansprucht.
Auch wenn mithin feststeht, dass dem Kläger noch weitere bzw. höhere Leistungen zustehen, so führt dies nicht zu dem vom Kläger errechneten Betrag. Die Berechnung des Klägers ist insoweit vom Ansatz her unzutreffend, als er einen Anspruch bereits ab 1. Mai 2004 annimmt, obwohl ein Anspruch erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Notlage und damit ab dem Antragseingang am 11. Mai 2004 bestehen kann (§ 5 Abs. 1 BSHG). Zu diesem Zeitpunkt bestand jedoch bzgl. der für Mai bereits Anfang des Monats zu zahlenden Miete kein Bedarf mehr, sondern erst für die Folgemonate. Da der Kläger insoweit seinen Anteil mit 190,28 EUR geltend macht, ergibt sich für die Zeit vom 1. Juni – 31. Dezember 2004 ein Betrag von (7 x 190,28 EUR =) 1331,96 EUR, der sich um die bereits mit Teilanerkenntnis zuerkannten 350,- EUR auf einen noch offenen Anspruch von 981,96 EUR mindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren nicht in vollem Umfang durchgedrungen ist.
Gründe zur Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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