Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 129 AS 10465/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 841/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Über die Beschwerde und den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) hat der Vorsitzende und Berichterstatter in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder – hier - Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG hat insoweit aufgrund der Regelung in § 39 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) nach der Wertung des Gesetzgebers das Vollzugsinteresse im Regelfall Vorrang vor dem Suspensiveffekt von Widerspruch und Klage, so dass die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen ist, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den angefochtenen Verwaltungsakt Betroffenen festzustellen ist (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rn 12a). Die aufschiebende Wirkung ist aber jedenfalls dann anzuordnen, wenn nach summarischer Prüfung deutlich mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht. Es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen. Insoweit spricht derzeit bei der im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen summarischen Prüfung mehr gegen die Rechtmäßigkeit der Sanktionsentscheidung als dafür, weil der Antragsgegner keine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erteilt hatte. Der Verwaltungsakt vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2011 begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Insbesondere wurde dem Antragsteller gemäß § 24 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) hinreichend Möglichkeit gegeben, sich zu der beabsichtigten Sanktion zu äußern. Der Verwaltungsakt genügt auch den Anforderungen des § 33 Abs. 1 SGB X, ist also hinreichend bestimmt. Der Sanktionszeitraum und die Sanktionsfolgen lassen sich dem Verwaltungsakt so klar entnehmen, dass dessen Regelungsumfang eindeutig ist.
Der Verwaltungsakt kann sich auf die im Streitfall anzuwendende Fassung des § 31 Abs. 5 bzw. – bei Erteilung des Widerspruchsbescheides – des § 31a Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stützen. Danach gilt für die Sanktionierung der Leistungsansprüche der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ab dem 15. bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs die Besonderheit, dass das Arbeitslosengeld (Alg) II unter den in § 31 Abs. 1 und 4 SGB II bzw. § 31 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt wird. Der Antragsteller unterfällt entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) auch dem Anwendungsbereich der Sanktionsfolgennorm des § 31 Abs. 5 SGB II bzw. des § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II. Er hatte zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung im Januar 2011 zwar das 15. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 31 Rn 53 mwN). Ob es abweichend davon auf den Erlass der Absenkungsentscheidung ankommt, ist höchstrichterlich zwar noch nicht geklärt. Jedenfalls lässt sich aus der insoweit noch nicht abschließend geklärten Rechtsfrage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Aussetzungsinteresse des Antragstellers herleiten. Der Antragsgegner hat aber nicht hinreichend über die möglichen Rechtsfolgen belehrt. Eine Sanktion ist nur gerechtfertigt, wenn der Hilfebedürftige sich aufgrund einer konkreten, verständlichen, richtigen und vollständigen Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen der Pflichtverletzung informieren konnte (vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R = BSGE 102, 201, 211; BSG; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R – juris; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R = SozR 4-4200 § 31 Nr. 5). Dies setzt unter anderem voraus, dass dem Hilfebedürftigen eine hinreichend konkrete Belehrung zu den Folgen der konkreten Pflichtverletzung erteilt wird, so dass ohne Vorkenntnisse bzw. eine Auswahl mehrerer Möglichkeiten klar wird, welche Folgen im Einzelnen drohen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - ). Die Konkretisierung ist unabhängig von der Person des Betroffenen vorzunehmen, so dass es nach der bis 31. März 2011 gültigen Rechtslage nicht darauf ankommt, ob der Betroffene die Rechtsfolgen wegen anderer Umstände hätte kennen müssen (vgl. BSG aaO Rn 24). Für die Zeit danach reicht auch eine Kenntnis der Rechtsfolgen aus (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Eine Kenntnis des Antragstellers von den Rechtsfolgen kann indes nicht unterstellt werden. Die etwaige mündliche Rechtsfolgenbelehrung anlässlich des Termins am 11. Januar 2011 ist nicht im Einzelnen aktenkundig und daher nicht überprüfbar; ab 1. April 2011 reicht eine mündliche Belehrung im Übrigen nicht mehr aus. Die in dem Vermittlungsvorschlag vom 11. Januar 2011 enthaltene schriftliche Rechtsfolgenbelehrung ist hingegen unzutreffend, weil sie lediglich darauf hinweist, dass bei einer Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen, das Alg II um einen Betrag iHv 30 vH der maßgebenden Regelleistung abgesenkt werde. Die Rechtsfolgenbelehrung ist damit nicht hinreichend individualisiert. Denn ein Hinweis auf die Möglichkeit einer weiter gehenden Sanktion, die von dem Antragsgegner schließlich auch verhängt wurde, fehlt völlig (vgl. Kopie des Vermittlungsvorschlags vom 11. Januar 2011 auf Bl. 758 der vorliegenden kopierten Verwaltungsakte). Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom Bundessozialgericht (BSG) zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen (vgl. BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, jeweils Rn 36-37). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs. 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-Drucks 15/1516 S 61 (zu Abs. 2)). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl. BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr. 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts. Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es danach gewesen, wenn der Antragsgegner darauf hingewiesen hätte, dass bei einem Verstoß gegen die Teilnahmepflicht ohne einen wichtigen Grund das Alg II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II beschränkt wird und dass diese Leistungen im Regelfall an den Vermieter gezahlt werden.
Der Benennung eines konkreten Betrages, um den die Leistung abgesenkt wird, hätte es an dieser Stelle grundsätzlich noch nicht bedurft, zumal die Höhe der Regelleistung zweifelsfrei aus dem Bewilligungsbescheid zu ersehen ist und weitere Rechenschritte im Fall des § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht erforderlich sind. Der Hinweis auf den Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II geht hier fehl, weil der Antragsteller einen solchen Zuschlag nicht bezogen hat. Erforderlich war aber weiter der – ebenfalls fehlende - Hinweis auf die mögliche Verkürzung des Zeitraums nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II (vgl. zum notwendigen Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R – Rn 22). Dass der Antragsgegner nunmehr mit seiner Beschwerdeschrift den Vermittlungsvorschlag vom 11. Januar 2011 mit einer zutreffenden und entsprechend den dargelegten Grundsätzen ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung vorgelegt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die etwaige Unklarheit hinsichtlich der tatsächlich verwendeten Rechtsfolgenbelehrung geht zu seinen Lasten. Dahinstehen kann daher, ob dem Antragsgegner hinsichtlich der Entscheidung über eine etwaige Verkürzung des Sanktionszeitraums Ermessensfehler unterlaufen sind. Mangels hinreichender Rechtsfolgenbelehrung ist die Sanktionsentscheidung des Antragsgegners rechtswidrig. Es bestand daher kein Raum für eine Absenkung der ursprünglichen Leistungsbewilligungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 SGG hat sich durch die Beschwerdeentscheidung erledigt. Er ging ohnehin ins Leere, weil die angefochtene Gestaltungsentscheidung des SG keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
Der PKH- Antrag für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil der Antragsteller durch den ausgeworfenen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner insoweit nicht mehr als bedürftig anzusehen ist (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177).
Gründe:
Über die Beschwerde und den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) hat der Vorsitzende und Berichterstatter in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder – hier - Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG hat insoweit aufgrund der Regelung in § 39 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) nach der Wertung des Gesetzgebers das Vollzugsinteresse im Regelfall Vorrang vor dem Suspensiveffekt von Widerspruch und Klage, so dass die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen ist, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den angefochtenen Verwaltungsakt Betroffenen festzustellen ist (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rn 12a). Die aufschiebende Wirkung ist aber jedenfalls dann anzuordnen, wenn nach summarischer Prüfung deutlich mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht. Es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen. Insoweit spricht derzeit bei der im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen summarischen Prüfung mehr gegen die Rechtmäßigkeit der Sanktionsentscheidung als dafür, weil der Antragsgegner keine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erteilt hatte. Der Verwaltungsakt vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2011 begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Insbesondere wurde dem Antragsteller gemäß § 24 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) hinreichend Möglichkeit gegeben, sich zu der beabsichtigten Sanktion zu äußern. Der Verwaltungsakt genügt auch den Anforderungen des § 33 Abs. 1 SGB X, ist also hinreichend bestimmt. Der Sanktionszeitraum und die Sanktionsfolgen lassen sich dem Verwaltungsakt so klar entnehmen, dass dessen Regelungsumfang eindeutig ist.
Der Verwaltungsakt kann sich auf die im Streitfall anzuwendende Fassung des § 31 Abs. 5 bzw. – bei Erteilung des Widerspruchsbescheides – des § 31a Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stützen. Danach gilt für die Sanktionierung der Leistungsansprüche der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ab dem 15. bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs die Besonderheit, dass das Arbeitslosengeld (Alg) II unter den in § 31 Abs. 1 und 4 SGB II bzw. § 31 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt wird. Der Antragsteller unterfällt entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) auch dem Anwendungsbereich der Sanktionsfolgennorm des § 31 Abs. 5 SGB II bzw. des § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II. Er hatte zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung im Januar 2011 zwar das 15. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 31 Rn 53 mwN). Ob es abweichend davon auf den Erlass der Absenkungsentscheidung ankommt, ist höchstrichterlich zwar noch nicht geklärt. Jedenfalls lässt sich aus der insoweit noch nicht abschließend geklärten Rechtsfrage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Aussetzungsinteresse des Antragstellers herleiten. Der Antragsgegner hat aber nicht hinreichend über die möglichen Rechtsfolgen belehrt. Eine Sanktion ist nur gerechtfertigt, wenn der Hilfebedürftige sich aufgrund einer konkreten, verständlichen, richtigen und vollständigen Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen der Pflichtverletzung informieren konnte (vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R = BSGE 102, 201, 211; BSG; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R – juris; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R = SozR 4-4200 § 31 Nr. 5). Dies setzt unter anderem voraus, dass dem Hilfebedürftigen eine hinreichend konkrete Belehrung zu den Folgen der konkreten Pflichtverletzung erteilt wird, so dass ohne Vorkenntnisse bzw. eine Auswahl mehrerer Möglichkeiten klar wird, welche Folgen im Einzelnen drohen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - ). Die Konkretisierung ist unabhängig von der Person des Betroffenen vorzunehmen, so dass es nach der bis 31. März 2011 gültigen Rechtslage nicht darauf ankommt, ob der Betroffene die Rechtsfolgen wegen anderer Umstände hätte kennen müssen (vgl. BSG aaO Rn 24). Für die Zeit danach reicht auch eine Kenntnis der Rechtsfolgen aus (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Eine Kenntnis des Antragstellers von den Rechtsfolgen kann indes nicht unterstellt werden. Die etwaige mündliche Rechtsfolgenbelehrung anlässlich des Termins am 11. Januar 2011 ist nicht im Einzelnen aktenkundig und daher nicht überprüfbar; ab 1. April 2011 reicht eine mündliche Belehrung im Übrigen nicht mehr aus. Die in dem Vermittlungsvorschlag vom 11. Januar 2011 enthaltene schriftliche Rechtsfolgenbelehrung ist hingegen unzutreffend, weil sie lediglich darauf hinweist, dass bei einer Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen, das Alg II um einen Betrag iHv 30 vH der maßgebenden Regelleistung abgesenkt werde. Die Rechtsfolgenbelehrung ist damit nicht hinreichend individualisiert. Denn ein Hinweis auf die Möglichkeit einer weiter gehenden Sanktion, die von dem Antragsgegner schließlich auch verhängt wurde, fehlt völlig (vgl. Kopie des Vermittlungsvorschlags vom 11. Januar 2011 auf Bl. 758 der vorliegenden kopierten Verwaltungsakte). Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom Bundessozialgericht (BSG) zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen (vgl. BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, jeweils Rn 36-37). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs. 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-Drucks 15/1516 S 61 (zu Abs. 2)). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl. BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr. 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts. Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es danach gewesen, wenn der Antragsgegner darauf hingewiesen hätte, dass bei einem Verstoß gegen die Teilnahmepflicht ohne einen wichtigen Grund das Alg II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II beschränkt wird und dass diese Leistungen im Regelfall an den Vermieter gezahlt werden.
Der Benennung eines konkreten Betrages, um den die Leistung abgesenkt wird, hätte es an dieser Stelle grundsätzlich noch nicht bedurft, zumal die Höhe der Regelleistung zweifelsfrei aus dem Bewilligungsbescheid zu ersehen ist und weitere Rechenschritte im Fall des § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht erforderlich sind. Der Hinweis auf den Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II geht hier fehl, weil der Antragsteller einen solchen Zuschlag nicht bezogen hat. Erforderlich war aber weiter der – ebenfalls fehlende - Hinweis auf die mögliche Verkürzung des Zeitraums nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II (vgl. zum notwendigen Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R – Rn 22). Dass der Antragsgegner nunmehr mit seiner Beschwerdeschrift den Vermittlungsvorschlag vom 11. Januar 2011 mit einer zutreffenden und entsprechend den dargelegten Grundsätzen ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung vorgelegt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die etwaige Unklarheit hinsichtlich der tatsächlich verwendeten Rechtsfolgenbelehrung geht zu seinen Lasten. Dahinstehen kann daher, ob dem Antragsgegner hinsichtlich der Entscheidung über eine etwaige Verkürzung des Sanktionszeitraums Ermessensfehler unterlaufen sind. Mangels hinreichender Rechtsfolgenbelehrung ist die Sanktionsentscheidung des Antragsgegners rechtswidrig. Es bestand daher kein Raum für eine Absenkung der ursprünglichen Leistungsbewilligungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 SGG hat sich durch die Beschwerdeentscheidung erledigt. Er ging ohnehin ins Leere, weil die angefochtene Gestaltungsentscheidung des SG keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
Der PKH- Antrag für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil der Antragsteller durch den ausgeworfenen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner insoweit nicht mehr als bedürftig anzusehen ist (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177).
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