L 1 KR 345/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1622/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 345/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 4) vom 1. Februar 1988 bis zum 31. Dezember 2007 nicht der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung bzw. ab 1. Januar 2003 zusätzlich auch nicht der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterlegen sei.

Er ist 1965 geboren und gelernter Steinmetz. Er arbeitete seit 1981 im Familienunternehmen, welches seine Großmutter in den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet hatte. 1967 beteiligte sich der Vater des Klägers als Kommanditist am Unternehmen, das fortan als A M sowie F firmierte (nachfolgend: KG). 1985 gründete der Vater des Klägers die Beigeladene zu 4), welche das operative Geschäft der KG übernahm. Diese blieb im Besitz der Betriebs- und Sachmittel, welche sie der Beigeladenen zu 4) vertraglich überließ. Im streitigen Zeitraum war der Vater des Klägers Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 4). Der Kläger war von 1985 bis September 2008 bei dieser beschäftigt.

Der Kläger war im Unternehmen für die Akquise von Neukunden, die Produktionsüberwachung, Finanzbuchhaltung, Personalleitung, Einkauf, Kalkulation, Verhandlungen mit Kreditinstituten sowie für die Geschäftsleitung zuständig. Er erhielt ein regelmäßiges Gehalt, von welchem Lohnsteuer abgeführt und welches als Betriebsausgabe verbucht wurde. Er erhielt darüber hinaus eine Umsatz- und Gewinnbeteiligung. Ein Urlaubsanspruch war nicht vereinbart. Darlehen, Bürgschaften oder sonstige Sicherheiten übernahm der Kläger für die Beigeladene zu 4) nicht. Nach deren Angaben verfügt er über herausragende Branchenkenntnisse. Ab dem Jahr 1988 baute er - zunächst gegen den Willen seines Vaters - den Geschäftsbereich des Naturstein-Innenausbaus aus. Er verzichtete bei schlechter Auftragslage auch auf Provisionen und teilweise das Gehalt. Er nahm mal mehr, mal weniger Urlaub, jedenfalls weniger als die Angestellten und zusammenhängend nie mehr als eine Woche. Sein Vater und er leiteten jeweils ihre Bereiche selbstständig.

Im August 2005 beantragte die Beigeladene zu 4) bei der Beklagten die Überprüfung des sozialrechtlichen Status des Klägers. Es handele sich um eine reine Familien-GmbH. Die Gesellschafter-Beschlüsse seien abweichend von der Regelungen des Gesellschaftsvertrages de facto in aller Regel gleichberechtigt und einstimmig von Vater und Sohn gefasst worden. Es bestehe kein Arbeitsvertrag. Der Kläger solle mittelfristig die alleinige Unternehmensnachfolge antreten. Er habe sich zur teilweisen Rückführung der erfolgsabhängigen Tantieme zur Stärkung der Unternehmensliquidität verpflichtet.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 fest, dass der Kläger abhängig beschäftigt sei. Er sei zur Sozialversicherung angemeldet. Es seien Jahrzehnte lang Beitragsleistungen erfolgt. Der Betrieb sei regelmäßig von Finanzämtern und von Rentenversicherungsträger insoweit ohne Beanstandungen geprüft worden. Der Kläger sei nicht am Stammkapital beteiligt und könne keinen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.

Die Beklagte wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 zurück.

Dagegen hat sich die am 21. Mai 2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobene Klage gerichtet. Zu deren Begründung hat der Kläger ausgeführt, 2007 sei das Familienunternehmen umstrukturiert worden. Nach dem Tod der Großmutter im Januar 2006 habe der Vater des Klägers die KG zunächst als Einzelfirma fortgeführt, bis der Kläger durch Gesellschaftsvertrag vom 29. Januar 2007 als Kommanditist mit Prokura und einem Anteil von 1000,00 Euro eingestiegen sei.

Im Jahr 2008 sind die Unternehmen umgewandelt worden. Seit 1. Oktober 2008 wird das operative Geschäft von der A. M GmbH & Co. KG geführt. Komplementärin ist die A. M Verwaltungs- und Betriebs GmbH, an welcher der Kläger mit 24.000,00 Euro und sein Vater nur noch mit 1.000,00 Euro beteiligt sind. Die Beigeladene zu 4) ist seitdem ruhend gestellt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, von Anfang an sei eine Innengesellschaft errichtet worden. Ein irgendwie geartetes Weisungsrecht habe es nie gegeben. Man habe mit der Umsetzung der gelebten Verhältnisse in die rechtlichen lediglich bis zum Versterben der Großmutter warten wollen, da dann ohnehin die erb- und gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen hätten geregelt werden müssen. Der Vater des Klägers habe von seiner Befugnis als Alleingesellschafter-Geschäftsführer keinen Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat entgegnet, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum die Verhältnisse an der Beigeladenen zu 4), an welcher die Großmutter nicht beteiligt gewesen sei, nicht bereits vor deren Tod geändert worden seien. Der Kläger sei (ab 2007) an der KG nur zu einem Drittel beteiligt gewesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. September 2010 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Nach den Grundsätzen der Rechtssprechung zur Klärung einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei die Tätigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum als eine abhängige einzustufen, auch wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Die mündlichen Vereinbarungen hätten zu einem Arbeitsverhältnis geführt und seien Grundlage der abhängigen Beschäftigung gewesen. Eine andere vertragliche Grundlage als ein Dienstvertrag, insbesondere ein Gesellschaftsvertrag, könne nicht der Grund für die Gehaltszahlungen gewesen seien. Hierfür spreche auch die Entrichtung von Lohnsteuer und Verbuchung des Entgelts als Betriebsausgabe. Der Kläger und die Beigeladene zu 4) seien also davon ausgegangen, dass keine selbstständige Tätigkeit vorliege. Für einen (mündlichen) Arbeitsvertrag spreche auch die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, was für Selbstständige untypisch sei. Ferner hätten die Beteiligten selbst eingeräumt, dass eine Beteiligung des Klägers jedenfalls vor 2004 noch nicht einmal in groben Umrissen geplant gewesen sei. Aber auch danach hätten sich die Beteiligten zunächst bewusst gegen eine frühere Umstrukturierung und gegen eine Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft und damit für eine Fortsetzung der abhängigen Beschäftigung entschieden. Das Arbeitsverhältnis sei weiterhin gelebt worden. Der Kläger habe ein jedenfalls nicht unangemessen niedriges Gehalt bezogen, das auch tatsächlich auf ein privates Konto ausgezahlt worden sei. Das Gehalt sei während des Urlaubs und bei Krankheit weiter gezahlt worden. Der Kläger sei im Wesentlichen wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert gewesen. Denn er habe - nach seinem eigenen Vortrag - wesentliche Funktionen innerhalb des Betriebes in der kaufmännischen Leitung und der Geschäftsleitung übernommen. Soweit der Kläger teilweise auf Gehalt bzw. seine rechtzeitige Zahlung verzichtet habe, zeige sich daran nur die Unterordnung des privaten Interesses an der Durchsetzung der Ansprüche im Hinblick auf die begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens. Dass im Alltag ein gleichberechtigtes Nebeneinander bestanden habe und der Äußerung des Vaters des Klägers, mit dessen Eintritt seien beide eine GmbH, sprächen nicht für eine selbstständige Tätigkeit und/oder die Begründung einer zivilrechtlichen Gesellschaft. Es komme nicht darauf an, ob in der Praxis die Weisungsunterworfenheit nicht gelebt worden sei, sondern auf die rein formale Rechtsstellung. Auch sofern der Kläger den Naturstein-Geschäftsbereich zunächst gegen den vom Vater geäußerten Willen ausgebaut habe, habe er dies gleichwohl nach außen hin im Namen und unter dem Dach des väterlichen Unternehmens getan. Zuletzt habe der Kläger auch kein nennenswertes eigenes unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt. Daran habe sich auch aufgrund der Beteiligung des Klägers als Kommanditist ab 2007 nichts geändert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Das Sozialgericht habe rechtfehlerhaft insbesondere die gesellschaftsrechtliche Komponente übersehen. Der Kläger habe ein Unternehmen im Unternehmen geführt. Es habe schon bereits deshalb kein vollendetes Synallagma bestanden, weil seiner Leistung keine spiegelbildlich angemessene regelmäßige Gegenleistung gegenübergestanden habe, er vielmehr sogar ein Unternehmerrisiko getragen habe. Das SG habe auch unreflektiert von der steuerlichen Behandlung auf einen Arbeitsvertrag geschlossen, obwohl Steuer- und Sozialrecht getrennt zu beurteilen seien. Es gebe keine Rechtsprechung, dass bei steuerlicher Anerkennung eines Gehalts als Betriebsausgabe von einem Sozialversicherungsverhältnis auszugehen sei. Es gelte auch nicht umgekehrt, dass bei der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zwingend Sozialversicherungspflicht auszuschließen sei. Weiter sei nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts auch bei über Jahrzehnten gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ein Sozialversicherungspflichtverhältnis gehandelt habe. Im Übrigen seien Ausführungen über mutmaßlich unterstellte Willensrichtungen der Beigeladenen zu 4) schlicht unmaßgeblich. Es dürfe nicht im Beschlusswege entschieden werden, weil der Senat nicht mitgeteilt habe, weshalb Berufungsvorbringen für unbeachtlich gehalten werde. Er könne nämlich sonst nicht Stellung nehmen. Da das Erstgericht auf wesentliche Punkte nicht eingegangen sei (Gesellschaftseinlagen, hier durch Sperrminoritäten, Firma in der Firma, mögliche GbR) könne er bis heute keine Argumente erkennen, welcher seiner Rechtsauffassung möglicherweise entgegen gehalten könnten. Es sei schließlich auch kein mündlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden, was der Vater des Klägers bezeugen und dieser selbst in der mündlichen Verhandlung vorbringen könne. Der erkennende Senat werde zuletzt an seine eigene Auffassung über "Meistersöhne" erinnert. Der Vater des Berufungsklägers habe keinen Meistertitel als Steinmetz. Der Kläger habe seine Großmutter, die hoch betagt natürlich nicht mehr im Betrieb mitgewirkt habe, zu ihrem Lebzeiten fachlich ersetzt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4) in der Zeit vom 1. Februar 1988 bis 31. Dezember 2007 nicht der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung und im Zeitraum ab dem 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2007 auch nicht der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, mit Verfügungen vom 21./24. März 2011 sowie vom 27./30. Juni 2011 hingewiesen worden.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das SG hat der Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil, § 153 Abs. 2 SGG.

Das Berufungsvorbringen gibt für eine andere Beurteilung keinen Anlass, ohne dass der Sachverhalt noch weiter aufgeklärt werden müsste:

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen.

Das SG hat dabei weder nicht unterstellt, dass der Kläger und sein Vater zwar keinen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen hätten, noch einen inhaltlich identischen Vertrag auf mündlicher Basis. Es geht vielmehr zu Recht davon aus, dass nach dem tatsächlich Gelebten ein Arbeitsverhältnis -das SG verwendet im Urteil sogar nur den Begriff des Dienstverhältnisses- begründet worden ist.

Das SG hat ferner nicht über die Motive des Vaters des Klägers spekuliert, weshalb die im Jahre 2008 erfolgte Übertragung der Verantwortung für das Unternehme auf seinen Sohn nicht bereits früher erfolgt ist. Es hat sich vielmehr zu Recht darauf beschränkt, die unstreitigen Fakten zu würdigen.

Einer Beweisaufnahme bedarf es bereits deshalb nicht. Eine Befragung wäre eine reine Ermittlung ins Blaue hinein. Für eine zusätzliche Gesellschaft innerhalb der gewählten Strukturen gibt es keinen Anhaltspunkt.

Ganz allgemein müssen und können sich aber Eheleute, Geschwister, Kinder und ihre Eltern oder andere (Geschäfts-)Partner an die von ihnen gewählte Vertragsgestaltung auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht festhalten lassen. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG - Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -). Dass der Kläger, sein Vater und seine Großmutter über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regelten bzw. sich der Kläger sogar bei der Einführung des neuen Geschäftszweiges durchgesetzt hat, ist nach den vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Der Kläger hat wie ein Geschäftsführer agiert, dem die Gesellschafter vertrauen. Im Konfliktfalle hätte sich allerdings sein Vater rechtlich durchsetzen können.

Es ist auch nicht so, dass der Vater des Klägers als Kaufmann so fachfremd gewesen sei, dass eine tatsächliche Ausübung der mit der formalen Stellung als Mehrheitsgesellschafter (und sogar Geschäftsführer) verbundenen Gestaltungsmacht von vornherein faktisch ausgeschlossen gewesen wäre. Eine Rechtsprechung des Senats, dass bei - untechnisch formuliert - Konzessionsbetrieben nur der Konzessionsträger als Selbstständiger anzusehen ist, besteht nicht.

Bei einem Überwiegen der Merkmale abhängiger Beschäftigung müssen die Umstände, die für eine gegenteilige Bewertung des Status sprechen, für das Ergebnis zur Gänze unberücksichtigt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang der Sachentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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