Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 44485/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 121/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2010 aufgehoben. Den Klägern wird für das vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 24 AS 44485/09 geführte Verfahren mit Wirkung ab dem 26. Januar 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten gewährt. Beträge aus dem Einkommen oder Vermögen sind nicht zu zahlen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Kläger gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2010 ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -). Sie ist auch begründet. Die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Voraussetzungen liegen vor.
Als Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) sind die Kläger nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Auch erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig und bietet zumindest hinreichende Aussicht auf einen Teilerfolg.
Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres aber ist hier nicht der Fall.
Die Kläger begehren im Klageverfahren die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Juni bis zum 30. November 2009 unter Ansatz der tatsächlich angefallenen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 755,70 EUR anstelle der vom Beklagten als angemessen angesetzten 542,00 EUR. Zwar spricht viel dafür, dass die von den Klägern begehrten Leistungen die ihnen nach § 22 SGB II tatsächlich zustehenden überschreiten. Indes vermag der Senat nicht auszuschließen, dass den Klägern jedenfalls in gewissem Umfang höhere Leistungen zu bewilligen sind als geschehen. Denn die Frage, in welcher Höhe Grundsicherungsempfängern im fraglichen Zeitraum Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zustand, war weder im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch zum Zeitpunkt der Entschei-dung über dieses Gesuch durch das Sozialgericht Berlin abschließend geklärt. Ebenso wenig ist dies jetzt der Fall.
Der Beklagte hat sich bei der Leistungsfestsetzung auf die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) gestützt. Nachdem das BSG allerdings bereits in früheren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht hatte, dass die AV-Wohnen keine sachgerechte Grundlage für die Leistungsbewilligung darstellen, hat es mit seinen Entscheidungen vom 19. Oktober 2010 nochmals ausdrücklich hervorgehoben, dass diese nicht den Vorgaben zur Ermittlung der angemessenen Leistungen für Unterkunft und Heizung entsprechen. Zum einen werde in den Ausführungsvorschriften auf eine Bruttowarmmiete abgestellt, auf die es nicht ankomme (vgl. BSG, Urteile vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R – Rn. 19 sowie vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn. 26, – B 14 AS 65/09 R – Rn. 26 und - B 14 AS 2/10 R – Rn. 20, jeweils zitiert nach juris). Zum anderen sei weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag der Grundsicherungsträger in Berlin erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG zugrunde liege (BSG, Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn. 26, – B 14 AS 65/09 R – Rn. 26 und – B 14 AS 2/10 R – Rn. 20). Vielmehr sei überhaupt nicht ersichtlich, auf welche Weise die angegebenen Werte ermittelt wurden. Dies gelte bereits bzgl. der Frage, ob zur Ermittlung des Wertes überhaupt die Produkttheorie angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden seien (BSG, Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R – Rn. 26 und - B 14 AS 2/10 R – Rn. 20).
Auch nachdem das BSG zwischenzeitlich entschieden hat, erscheint dem Senat die Rechtslage nicht abschließend geklärt. Dies bezieht sich bereits auf die Frage, in welcher Größe Wohnraum für einen 3-Personen-Haushalt angemessen ist. Denn das BSG hat in seinen Entscheidungen vom 19.10.2010 (- B 14 AS 50/10 R - Rn. 22, - B 14 AS 65/09 R - Rn. 23 und - B 14 AS 2/10 R - Rn. 17, jeweils zitiert nach juris) die vom Sozialgericht herangezogenen Bestimmungen durchweg als nicht anwendbar erklärt, zugleich aber nicht dargetan, welche Wohnungsgröße für einen 3-Personen-Haushalt auf welcher Grundlagen stattdessen maßgeblich sein soll. Weiter ist nach den genannten Entscheidungen weiterhin klärungsbedürftig, ob Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder andere Quellen vorliegen, die weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art zulassen und aus denen sich ggf. Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke Berlins hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf. um einen Aufschlag erhöht) bei der Berechnung der angemes-senen Kosten der Unterkunft zurückzugreifen ist (vgl. z.B. BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R – Rn. 35, zitiert nach juris). Im Hinblick auf die kalten Betriebskosten erscheint weiterhin nicht hinreichend klar, auf welche Betriebskostenübersichten zur Ermittlung des maßgeblichen Werts zurückzugreifen ist (vgl. insoweit BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn. 34, – B 14 AS 65/09 R – Rn. 37, - B 14 AS 2/10 R – Rn. 29, jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund ist zumindest ein Teilerfolg der Kläger keinesfalls ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Kläger gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2010 ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -). Sie ist auch begründet. Die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Voraussetzungen liegen vor.
Als Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) sind die Kläger nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Auch erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig und bietet zumindest hinreichende Aussicht auf einen Teilerfolg.
Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres aber ist hier nicht der Fall.
Die Kläger begehren im Klageverfahren die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Juni bis zum 30. November 2009 unter Ansatz der tatsächlich angefallenen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 755,70 EUR anstelle der vom Beklagten als angemessen angesetzten 542,00 EUR. Zwar spricht viel dafür, dass die von den Klägern begehrten Leistungen die ihnen nach § 22 SGB II tatsächlich zustehenden überschreiten. Indes vermag der Senat nicht auszuschließen, dass den Klägern jedenfalls in gewissem Umfang höhere Leistungen zu bewilligen sind als geschehen. Denn die Frage, in welcher Höhe Grundsicherungsempfängern im fraglichen Zeitraum Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zustand, war weder im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch zum Zeitpunkt der Entschei-dung über dieses Gesuch durch das Sozialgericht Berlin abschließend geklärt. Ebenso wenig ist dies jetzt der Fall.
Der Beklagte hat sich bei der Leistungsfestsetzung auf die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) gestützt. Nachdem das BSG allerdings bereits in früheren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht hatte, dass die AV-Wohnen keine sachgerechte Grundlage für die Leistungsbewilligung darstellen, hat es mit seinen Entscheidungen vom 19. Oktober 2010 nochmals ausdrücklich hervorgehoben, dass diese nicht den Vorgaben zur Ermittlung der angemessenen Leistungen für Unterkunft und Heizung entsprechen. Zum einen werde in den Ausführungsvorschriften auf eine Bruttowarmmiete abgestellt, auf die es nicht ankomme (vgl. BSG, Urteile vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R – Rn. 19 sowie vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn. 26, – B 14 AS 65/09 R – Rn. 26 und - B 14 AS 2/10 R – Rn. 20, jeweils zitiert nach juris). Zum anderen sei weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag der Grundsicherungsträger in Berlin erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG zugrunde liege (BSG, Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn. 26, – B 14 AS 65/09 R – Rn. 26 und – B 14 AS 2/10 R – Rn. 20). Vielmehr sei überhaupt nicht ersichtlich, auf welche Weise die angegebenen Werte ermittelt wurden. Dies gelte bereits bzgl. der Frage, ob zur Ermittlung des Wertes überhaupt die Produkttheorie angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden seien (BSG, Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R – Rn. 26 und - B 14 AS 2/10 R – Rn. 20).
Auch nachdem das BSG zwischenzeitlich entschieden hat, erscheint dem Senat die Rechtslage nicht abschließend geklärt. Dies bezieht sich bereits auf die Frage, in welcher Größe Wohnraum für einen 3-Personen-Haushalt angemessen ist. Denn das BSG hat in seinen Entscheidungen vom 19.10.2010 (- B 14 AS 50/10 R - Rn. 22, - B 14 AS 65/09 R - Rn. 23 und - B 14 AS 2/10 R - Rn. 17, jeweils zitiert nach juris) die vom Sozialgericht herangezogenen Bestimmungen durchweg als nicht anwendbar erklärt, zugleich aber nicht dargetan, welche Wohnungsgröße für einen 3-Personen-Haushalt auf welcher Grundlagen stattdessen maßgeblich sein soll. Weiter ist nach den genannten Entscheidungen weiterhin klärungsbedürftig, ob Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder andere Quellen vorliegen, die weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art zulassen und aus denen sich ggf. Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke Berlins hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf. um einen Aufschlag erhöht) bei der Berechnung der angemes-senen Kosten der Unterkunft zurückzugreifen ist (vgl. z.B. BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R – Rn. 35, zitiert nach juris). Im Hinblick auf die kalten Betriebskosten erscheint weiterhin nicht hinreichend klar, auf welche Betriebskostenübersichten zur Ermittlung des maßgeblichen Werts zurückzugreifen ist (vgl. insoweit BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R – Rn. 34, – B 14 AS 65/09 R – Rn. 37, - B 14 AS 2/10 R – Rn. 29, jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund ist zumindest ein Teilerfolg der Kläger keinesfalls ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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