L 1 KR 202/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1902/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 202/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin möchte auf Kosten der Beklagten in der C im Rahmen der integrierten Versorgung eine Gendiagnostik und Früherkennungsmaßnahmen bei Verdacht auf genetisch bedingtem Brustkrebs durchführen lassen.

Die 1953 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin erkrankte im Jahr 2000 an Brustkrebs. Im Januar 2008 ließ sie sich in der C in der genetischen Sprechstunde des Zentrums für Familienbrustkrebs beraten. Die Klinik stellte fest, dass alleine aufgrund der Erhebung der Familienanamnese sich der Verdacht ergebe, dass in der Familie der Klägerin eine erbliche Form des Brustkrebses vorliegen könne. Sie beantragte daraufhin mit Schreiben vom 18. Januar 2008 eine gendiagnostische Untersuchung "im Rahmen des Vertrages gemäß § 116b SGB V" (SGB V = Sozialgesetzbuch Fünftes Buch).

Die C ist insoweit nicht zur ambulanten Behandlung im Sinne des § 116 b SGB V berechtigt. Sie erbringt also derartige molekulargenetischen Diagnostikleistungen nicht auf Grundlage des § 116 b Abs. 2 SGB V. Sie hat hierfür mit verschiedenen Krankenkassen Versorgungsverträgen gemäß § 140 a SGB V abgeschlossen. Zu diesen Krankenkassen gehört die Beklagte nicht.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit Bescheid vom 12. Februar 2008 ab. Sie - die Beklagte - sei dem entsprechenden Vertrag der integrierten Versorgung nicht beigetreten. Die Klägerin legte mit - nicht unterschriebenem - Faxschreiben vom 17. Februar 2008 Widerspruch ein. Die Beklagte dürfe sich dem medizinischen Fortschritt nicht entziehen.

Die Beklagte wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2008 zurück. Leistungen der Krankenkassen müsste nach § 12 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten die Versicherten nicht beanspruchen. Früherkennungsmaßnahmen seien von § 28 SGB V umfasst, soweit die Krankenkasse mit den Ärzten bzw. Krankenhäusern entsprechende Verträge abgeschlossen habe. Dies sei hier nicht der Fall. Die Beklagte habe mit der C weder einen Vertrag zur integrierten Versorgung abgeschlossen, noch sei sie einem solchen beigetreten. Eine Versorgung sei deshalb nicht möglich, aber auch nicht nötig: Die Früherkennungsmaßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen bei Verdacht auf eine Brust- und/oder Eierstockskrebserkrankung seien durch den Gesetzgeber ohne Berücksichtigung einer Altersgrenze bereits vorgesehen. Sie würden durch den Vertragsarzt und die entsprechenden Leistungen gewährleistet. Ein Zusatznutzen sei aus dem integrierten Vertrag nicht erkennbar.

Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Dass die normalen Vorsorgeuntersuchungen nicht ausreichten, zeige gerade ihr Fall. Trotz Ultraschalluntersuchung im Dezember 1999 sei damals bei ihr nicht einmal ein halbes Jahr später der Krebsbefund soweit fortgeschritten gewesen, dass sofort habe operiert werden müssen. Würde bei ihr die gewünschte Gendiagnostik durchgeführt, könnte, soweit die einschlägigen Gene bei ihr entdeckt würden, auch bei ihrer Tochter eine solche Untersuchung gemacht werden. Die Nichtübernahme der entsprechenden Kosten verstoße gegen das Gleichbehandlungsprinzip aus Artikel 3 Grundgesetz (GG).

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Mai 2010 abgewiesen. Die Klage sei zwar als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgesetzbuch (SGB) zulässig, jedoch unbegründet. Ein Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Leistung folge weder aus § 116 b SGB V noch aus § 140 a SGB V. Es gebe auch kein strukturiertes Behandlungsprogramm nach § 137 f SGB, noch sei die C nach der Krankenhausplanung zur ambulanten Diagnostik und Versorgung onkologischer Erkrankungen berechtigt. Dass die Beklagte keinen Vertrag nach § 140 a SGB V abgeschlossen habe verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16.12.2003 – B 1 KR 12/02 R). Der vom Gesetzgeber gewollte Wettbewerb zwischen den Krankenkassen beziehe sich auch auf die Frage, ob und mit wem die Krankenkassen Verträge über die integrierte Versorgung nach § 140 a SGB V schlössen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 17. Juni 2010. Zu deren Begründung beruft sie sich auf bisheriges Vorbringen.

Sie beantragt der Sache nach,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die beantragte molekulargenetische Diagnostik durch die C zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 09. September 2010 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen worden.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Es konnte ein Urteil ergehen, obgleich in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Die Beteiligten sind auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGG).

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die angegriffene Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.

Nach § 25 Abs. 1 SGB V haben Versicherte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, jedes zweite Jahr Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten. Nach § 25 Abs. 3 SGB V setzt ein Anspruch voraus, das es sich erstens um Krankheiten handelt, die wirksam behandelt werden können, zweitens das Vor- oder Frühstadium dieser Krankheiten durch diagnostische Maßnahmen erfassbar ist, drittens die Krankheitszeichen medizinisch-technisch eindeutig zu erfassen sind und viertens genügend Ärzte und Einrichtungen vorhanden sind, um auf die aufgefundenen Verdachtsfälle eingehend zu diagnostizieren und zu behandeln. § 25 Abs. 4 Satz 2 SGB V bestimmt weiter, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 SGB V das nähere über Art und Umfang der Untersuchungen sowie die Erfüllungen der Voraussetzungen regelt. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krebserkrankungen (Krebsfrüherkennungs-Richtlinie) in der Fassung vom 18. Juni 2009 zuletzt geändert am 16. Dezember 2010 (BAnz 2011 864) zählen jedoch die Gendiagnose nicht zu den Früherkennungsmaßnahmen.

Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht verlangen, dem zwischen anderen Krankenkassen und der C abgeschlossenen Vertrag im Rahmen der integrierten Versorgung nach § 140 a SGB V beizutreten. Das SG hat bereits zutreffend auf die vom hiesigen Senat geteilte Rechtssprechung des BSG hingewiesen, wonach der Gesetzgeber im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG einen weiten Gestaltungsspielraum habe. Um den gewollten Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu ermöglichen sind Abstufungen des Leistungsumfanges in der Krankenversicherung erlaubt (BSG, Urteil vom 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 R -, juris-Randnr. 22). Die Klägerin kann –und soll nach dem Willen des Gesetzgebers- also zu einer Krankenkasse wechseln, welche den von ihr gewünschten Vertrag zur integrierten Versorgung mit der C abgeschlossen hat. Bleibt sie bei der Beklagten, kann sie sich nicht auf Ungleichbehandlung berufen.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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