L 3 RJ 111/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 2106/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 111/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der 1965 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben in Polen eine Ausbildung zum Bautechniker absolviert. Ab dem 01. Juni 1992 war er für fünf Monate in N als Tankwart beschäftigt, anschließend arbeitete er bis zum 03. Dezember 1998 bei zwei verschiedenen Eiltransport-Firmen als Fahrer und Einweiser. Ab dem 04. Dezember 1998 befand er sich in Untersuchungshaft, wo er am 01. Juli 1999 einen Unfall erlitt, bei dem es zu einer beidseitigen Radiusköpfchentrümmerfraktur sowie einer distalen Radiustrümmerfraktur links kam. Am 07. Juni 2000 wurde er nach Polen abgeschoben. Er bezieht nach eigenen Angaben seit dem 01. September 2000 Rente wegen Invalidität vom polnischen Versicherungsträger. Er ist darüber hinaus in Polen als behinderter Mensch anerkannt (Feststellungsbescheide vom 10. Februar 2003 und 17. Mai 2010: Mäßiger Behinderungsgrad).

Am 28. September 2000 stellte er einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit unter Hinweis auf die Folgen des Unfalls vom 01. Juli 1999. Er legte Arztbriefe des Chirurgen Dr. L vom 10. November 1999, des Orthopäden K vom 24. Januar 2000 und 10. Mai 2000, einen MRT-Befund des rechten Ellenbogens vom 31. März 2000 sowie diverse Bescheinigungen seines ihn in Polen behandelnden Orthopäden und Traumatologen Dr. B vor. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers in K durch den Orthopäden und Chirurgen Dr. S. In seinem Gutachten vom 25. April 2001 gelangte dieser zu dem Schluss, der Kläger sei unter Berücksichtigung einer Einschränkung der Beweglichkeit beider Ellenbogengelenke sowie einer Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handwurzelgelenks noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten u. a. ohne häufiges Bücken, Heben und Tragen, ohne Klettern und Steigen bzw. Absturzgefahr mit zusätzlichen Pausen zu verrichten. Die Prüfärztin der Beklagten, Frau Dr. G, hielt den Kläger zwar nicht mehr für in der Lage, als Kraftfahrer zu arbeiten. Er könne jedoch noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten ohne wesentliche Beanspruchung des rechten Armes vollschichtig verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 2001 sowohl einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit als auch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht ab. Den Widerspruch des Klägers, den dieser unter Vorlage eines Attestes des Dr. B vom 15. Januar 2002 begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2002 zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, das Leistungsvermögen des Klägers reiche aus, um körperlich leichte Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten vollschichtig zu verrichten. Eine Dauerbelastung der Unterarme sowie der linken Hand für grobe Arbeiten sei nicht gegeben. Zu vermeiden seien Leiter- und Gerüstarbeiten sowie Arbeiten, die mit Absturzgefahr oder einer wesentlichen Beanspruchung der linken Hand verbunden seien. Eine Gefährdung der Leistungsfähigkeit ergebe sich außerdem bei Arbeiten unter Einfluss von Kälte und Nässe. Nach seinem beruflichen Werdegang seien ihm alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.

Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter verfolgt. Er hat eine Kopie des im polnischen Rentenverfahren erstellten orthopädischen Gutachtens des Dr. B vom 12. Mai 2003 sowie Bescheinigungen und Berichte des Dr. B vom 19. September 2000, 20. Januar 2001, 04. Juni 2002, 30. Dezember 2002, 27. Dezember 2002 und 28. Mai 2003 vorgelegt.

Das SG hat Befundberichte von Dr. L vom 20. August 2003 sowie von Dr. B vom 09. Oktober 2003 eingeholt. Außerdem hat das SG eine berufskundliche Auskunft des Herrn B vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg vom 29. November 2001 zum Berufsbild des Pförtners in den Rechtsstreit eingeführt.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 28. September 2004 abgewiesen. Der Kläger sei weder erwerbs- noch berufsunfähig nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften der §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI a. F.) Ausgangspunkt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit sei die zuletzt vom Kläger ausgeübte Tätigkeit eines Kraftfahrers, für die er keine Ausbildung habe. Er sei deswegen nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) höchstens als Angelernter des oberen Bereichs einzustufen. Angesichts der vorliegenden medizinischen Unterlagen und der Auskunft des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 29. November 2001 zum Berufsbild des Pförtners könne der Kläger jedenfalls zumutbar noch vollschichtig als Pförtner arbeiten. Der Kläger sei auch nach dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht (§ 43 SGB VI) nicht erwerbsgemindert.

Mit seiner am 26. November 2004 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung begehrt der Kläger noch die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Bei ihm bestünden schwere funktionelle Einschränkungen beider Hände bzw. Ellenbogen. Seit 2000 sei er ununterbrochen arbeitsunfähig. Darüber hinaus leide er inzwischen unter Bewegungseinschränkungen in der rechten Schulter – 2006 habe eine Operation in diesem Bereich stattgefunden -, Schlafstörungen sowie chronischen Schmerzen. Er könne keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen, es sei denn, es gebe einen Sitzplatz. Er legt u. a. Bescheinungen/Arztbriefe des Dr. B vom 20. März 2006, 27. Oktober 2006 und 18. Dezember 2006 vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. Januar 2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie legt Versicherungsverläufe des Klägers vom 21. April 2011 und 17. August 2011 nebst Wartezeitaufstellungen vor und weist darauf hin, dass nach den ihr bisher vorliegenden Meldungen der Kläger bei einem Leistungsfall bis Ende November 2004 letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfülle.

Der Senat hat berufskundliche Unterlagen zum Berufsbild des Pförtners, nämlich eine Auskunft des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg vom 07. Juni 2000, berufskundliche Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes Hessen vom 19. Oktober 2006 und 26. September 2006 sowie eine Auskunft des Landesbetriebes für Gebäudebewirtschaftung vom 09. November 2007 in den Rechtsstreit eingeführt. Des Weiteren hat der Senat Beweis erhoben und den Orthopäden Dr. W-R mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut. In seinem am 04. Mai 2008 nach einer Untersuchung des Klägers am 02. Mai 2008 fertig gestellten Gutachten hat dieser folgende Gesundheitsstörungen des Klägers aufgeführt: • Zustand nach Ellenbogenfraktur rechts mit deutlichen Bewegungseinschränkungen und Streckdefizit von 30° • Zustand nach Ellenbogenfraktur links mit geringen Funktionseinschränkungen • Zustand nach distaler Radiusfraktur links mit geringen Funktionseinschränkungen • Einschränkungen der Schultergelenksbeweglichkeit rechts nach subacromialer Dekompression. Der Kläger sei noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu bewältigen. Spezifische körperliche Belastungen an laufenden Maschinen oder auf Leitern und Gerüsten müssten entfallen, die Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Beine sei nicht beeinträchtigt. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer könnten ausgeführt werden. Arbeiten unter Zeitdruck seien nicht zumutbar, ebenso wenig Arbeiten an laufenden Maschinen. Eine spezifische Körperhaltung müsse nicht eingenommen werden. Eine Gebrauchsaufhebung des rechten Arms sei nicht feststellbar gewesen. Der Kläger könne insbesondere Notizen verfassen oder Vermerke auf Zetteln verfassen, wie dies z. B. im Rahmen von Telefondiensten oder Pförtnertätigkeiten erforderlich sei. Das Rangieren und Sortieren von Kleinstgegenständen sei ebenfalls möglich. Die festgestellten Erkrankungen beschränkten den Kläger nicht in der Ausübung geistiger Arbeiten. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen, der Vortrag des Klägers zur Wegefähigkeit sei nicht nachvollziehbar. Das feste Zugreifen mit dem linken Arm sei ihm möglich. Allerdings könne er aufgrund der Defizite im Bereich des rechten Arms kein Kfz mit genügender Sicherheit führen. Dem Gutachten waren ein Arztbrief des Dr. B vom 25. April 2008, eine Bescheinigung vom 30. April 2004 sowie Röntgenbefunde des linken Ellenbogens vom 19. April 2004 und des rechten Ellenbogens vom 24. April 2004 beigefügt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 01. Oktober 2008 ist der Sachverständige bei seiner Einschätzung verblieben.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat den Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin S mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens betraut. In seinem am 23. Oktober 2009 nach einer Untersuchung des Klägers am 18. September 2009 fertig gestellten Gutachten hat dieser folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Zustand nach Ellenbogenfraktur rechts mit persistierenden deutlichen Bewegungseinschränkungen und Streckdefizit von 40° bei Zustand nach zweimaliger OP mit Entfernung von Exostosen und Durchführung einer Interpositions-arthroplastik des Humeroradialgelenks rechts • Zustand nach Ellenbogenfraktur links mit persistierenden Bewegungseinschränkungen und Streckdefizit von 30° • Zustand nach Radiustrümmerfraktur mit persistierenden Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenks und posttraumatischer Handgelenksarthrose • Outlet-Impingementsyndrom des rechten Schultergelenks, Zustand nach sub-acromialer Dekompression. Signifikant neue Befunde seien nicht erhoben worden, es sei jedoch ein Fortschreiten der Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks feststellbar. Der Kläger könne täglich regelmäßig noch körperlich leichte sowie geistig einfache bis mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Hitze, Kälte, Staub, Zugluft sowie Feuchtigkeit im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten. Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung, in festgelegtem Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck sowie an laufenden Maschinen seien nicht mehr zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten sei auf unter 10 kg zu begrenzen. Eine berufliche Tätigkeit könne in Wechselschicht, jedoch nicht in Nachtschicht, verrichtet werden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei erhalten, die Belastbarkeit der Arme und Hände allerdings erheblich reduziert. Daher seien Überkopfarbeiten nicht mehr durchführbar. Faustschluss und Pinzettengriff seien beidseits komplett durchführbar gewesen. Es bestehe eine diskrete Minderung der groben Kraft beidseits auf 4/5 nach Janda. Eine gravierende Atrophie der Tenar- und Hypotenararmmuskulatur bestehe nicht, so dass der Kläger insgesamt eine berufliche Tätigkeit ausüben könne, die keine speziellen Anforderungen an die Feinmotorik stelle. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht so gravierend beeinträchtigt, als dass der Kläger kurze Schreibarbeiten oder etwa Telefonate nicht erledigen könnte. Arbeiten, die überwiegend am Computer ausgeführt würden, seien nicht mehr zumutbar. Eine berufliche Tätigkeit, die teilweise am Computer verrichtet werde, sei hingegen möglich. Für den Weg zur Arbeitsstelle seien keine Besonderheiten zu berücksichtigen. Soweit der Kläger selber erhebliche Bedenken bzgl. der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel äußere, sei dies objektiv nicht nachvollziehbar. Die üblichen betriebsbedingten Pausen seien ausreichend.

Der Kläger kritisiert das Gutachten als fehlerhaft. Es sei ihm nicht mehr möglich, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil er zu wenig Schlaf bekomme und ständig unter Schmerzen leide. Es sei ihm nicht zumutbar, unter Schmerzen zu arbeiten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 2010 ist der Sachverständige S bei seiner Einschätzung verblieben und hat u. a. auf die seiner Meinung nach insuffiziente analgetische Medikation verwiesen.

Der Kläger hat daraufhin eine Stellungnahme des Dr. B vor 12. Juni 2010 zum Gutachten des Herrn S sowie ein von ihm veranlasstes Privatgutachten der Orthopädin K-K vom 11. September 2010 und eine weitere Stellungnahme derselben Ärztin vom 05. Januar 2011 vorgelegt. Nach einer körperlichen Untersuchung des Klägers am 10. September 2010 ist sie in dem Gutachten zur Feststellung der im Wesentlichen bereits bekannten Gesundheitsstörungen gelangt. Es sei eine weitere Progredienz der Bewegungseinschränkungen im Bereich beider Arme festzustellen. Der Kläger habe darüber hinaus Angstattacken angegeben. Der Kläger sei nicht mehr arbeitsfähig. Er könne nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne klimatische Einflüsse verrichten. Maschinen könnten nicht mehr bedient werden, Arbeiten am Fließband oder unter Zeitdruck sowie Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr zumutbar. Er könne nur noch Lasten bis zu 5 kg Gewicht heben und tragen. Schreib- und Computerarbeiten seien erschwert. Aufgrund der Schmerzen sei eine Vollzeitbeschäftigung mit entsprechender Konzentration nicht zumutbar. Die Pausenbedürftigkeit sei erhöht.

Der Kläger legt darüber hinaus den Befund einer psychologischen Untersuchung der Psychologin J vom 24. November 2010 sowie eine Bescheinigung der Fachärztin für Psychiatrie Dr. P-T vom 28. Februar 2011 vor. Mit Schriftsatz vom 08. März 2011 trägt er vor, er habe sich nun auch in psychiatrische Behandlung begeben müssen.

Der Senat hat einen Befundbericht von Frau J vom 27. Januar 2011, die den Kläger einmalig am 24. November 2010 untersucht hatte, eingeholt.

Die Beklagte legt Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes (Frau Dr. B vom 25. Oktober 2010, Frau Dr. F-D vom 24. März 2011 und Dr. G vom 30. März 2011) zu dem Privatgutachten von Frau K-K sowie zu den Befunden der Psychologin J und der Fachärztin für Psychiatrie Dr. P-T vor. Eine Reduktion des Leistungsvermögens auf untervollschichtig lasse sich aus orthopädisch-chirurgischer Sicht nicht begründen. Dem Kläger könne eine vollschichtige Tätigkeit bei qualitativen Leistungseinschränkungen bzgl. des Einsatzes beider Arme zugemutet werden. Eine Verminderung der quantitativen Leistungsfähigkeit ergebe sich auch nicht aus den neuen psychiatrisch-psychologischen Befunden. Hier sei bereits eine Diagnosestellung nach dem ICD-10 zu vermissen. Anhand der Unterlagen könne von einer reaktiven Störung in Form einer Anpassungsstörung ausgegangen werden. Eine solche Störung könne sowohl eine depressive als auch eine ängstliche Komponente haben. Der Kläger habe sich erst im Februar 2011 in Behandlung begeben. Er erhalte derzeit das mittelpotente Antipsychotikum Perazin, das eher eine beruhigende Komponente beinhalte, sowie das Antidepressivum Escitalopram. Es sei von einem Behandlungsfall auszugehen.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der den Kläger betreffende Rentenakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das SG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung verneint.

Rechtsgrundlage sind die Vorschriften des SGB VI in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung, da der Kläger nur noch die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. Januar 2001 begehrt.

Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI scheidet von vornherein aus, da der Kläger nach dem 02. Januar 1961 geboren ist.

Nach Auswertung des im Verwaltungsverfahren erstellten Sachverständigengutachtens des Orthopäden Dr. S vom 25. April 2001 sowie des im Berufungsverfahren erstellten Gutachtens des Orthopäden Dr. W-R vom 04. Mai 2008 einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01. Oktober 2008, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.

Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht fest, dass der Kläger seit dem Unfall vom 01. Juli 1999 an Gesundheitsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates in Form von allmählich fortschreitenden Bewegungseinschränkungen in beiden Ellenbogengelenken nach beidseitiger Radiusköpfchenfraktur sowie im linken Handgelenk nach distaler Radiustrümmerfraktur leidet. Hinzu getreten ist seit 2006 auch eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter aufgrund eines fortdauernden Impingementsyndroms sowie Problemen der Rotatorenmanschette. Diese Leiden schränken das Leistungsvermögen des Klägers qualitativ ein.

Im Januar 2000 (Untersuchung am 20. Januar 2000 durch den Orthopäden K) fanden sich folgende Bewegungsausmaße der Ellenbogen- und Handgelenke: Ellenbogen rechts links Norm Streckung/Beugung 0-45-120 0-15-140 10-0-150 Supi-/Pronation 90-0-90 45-0-45 85-0-85 Handgelenke Streckung/Beugung 45-0-30 50-0-50 Abduktion/Adduktion 20-0-20 35-0-25 Der Faustschluss war kräftig.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. S am 25. April 2001 stellte sich die Beweglichkeit der Ellenbogen- und Handgelenke wie folgt dar: Ellenbogen rechts links Norm Streckung/Beugung 0-45-140 0-30-140 10-0-150 Supi-/Pronation 90-0-90 90-0-90 85-0-85 Handgelenke Streckung/Beugung 60-0-60 30-0-40 50-0-50 Abduktion/Adduktion 30-0-25 20-0-15 35-0-25 Die Muskulatur des linken Oberarms war gegenüber der des rechten Oberarms um bis zu 3,5 cm vermindert.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. B (im polnischen Rentenverfahren) am 25. Februar 2003 betrugen die Bewegungsausmaße im Bereich der Ellenbogen- und Handgelenke: Ellenbogen rechts links Norm Streckung/Beugung 0-45-115 0-10-130 10-0-150 Supi-/Pronation 70-0-85 normal 85-0-85 Handgelenke Streckung/Beugung normal 45-0-30 50-0-50 Abduktion/Adduktion normal normal 35-0-25 Die Muskulatur der Arme war nicht erkennbar atroph. Im Bereich des linken Handballens und des Kleinfingerballens bestanden eine Muskelatrophie sowie leichte Kraftminderung links beim Griff. Die präzisen Bewegungen waren erhalten.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. W-R am 02. Mai 2008 stellte sich die Beweglichkeit der Ellenbogen-, Hand- und Schultergelenke (aktiv wie passiv) wie folgt dar: Schultern rechts links Norm Abduktion 140 170 180 Ante-/Retroversion 100-0-30 170-0-40 170-0-40 Innen-/Außenrotation 60-0-50 90-0-50 95-0-40 Ellenbogen Streckung/Beugung 0-30-110 0-5-130 10-0-150 Supi-/Pronation 80-0-90 80-0-90 85-0-85 Handgelenke Streckung/Beugung 50-0-50 40-0-30 50-0-50 Abduktion/Adduktion 30-0-20 30-0-20 35-0-25 Faustschluss, Spitzgriff und Abspreizen der Finger waren seitengleich kraftvoll möglich. Die feinmanuelle Geschicklichkeit wies beidseits keine Auffälligkeiten auf. Eine relevante Muskelatrophie im Bereich der Arme fand sich nicht.

Nach der überzeugenden Bewertung des Dr. S und des Dr. W-R ist der Kläger unter Berücksichtigung dieser zum Teil langjährig bekannten Gesundheitsstörungen nur noch in der Lage, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten sowie jedenfalls geistig einfache Arbeiten im Wechsel der Körperhaltungen ohne besondere Anforderungen an die Belastbarkeit der Hände und Arme sowie ohne Zwangshaltungen vollschichtig zu verrichten. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sowie der unteren Gliedmaßen ist nicht beeinträchtigt. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen sowie unter Zeitdruck sind nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus dürften auch Tätigkeiten, die mit häufigen Überkopfarbeiten verbunden sind, entfallen. Die Arbeiten müssen in geschlossenen Räumen bzw. ohne klimatische Einflüsse wie Nässe, Feuchtigkeit, Hitze, Kälte oder Staub erfolgen. Mit der Beschränkung auf körperlich leichte Arbeiten ist eine Beschränkung der zu hebenden und bewegenden Lasten auf unter 10 kg verbunden (vgl. "Sozialmedizinische Begutachtung für die Rentenversicherung", 6. A. 2003). Eine Gebrauchsaufhebung der Hände ist nicht erkennbar, insbesondere kann der Kläger kurze Schreibarbeiten sowohl mit dem Stift als auch mit der Computertastatur ausführen, Papierblätter halten und auch Seiten in Büchern/Heften umwenden. Angesichts der unbeschränkten Belastbarkeit der Wirbelsäule sowie der unteren Gliedmaßen bestehen auch keine Einschränkungen für die Gehfähigkeit und die Benutzung öffentlicher Verkehresmittel, so dass die Wegefähigkeit erhalten ist. Anhaltspunkte für eine Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen liegen nicht vor.

Zu einer wesentlich anderen Bewertung ist auch der vom Kläger nach § 109 SGG benannte Sachverständige Dr. S nicht gekommen. Bei der von ihm durchgeführten Untersuchung des Klägers am 18. September 2009 zeigten sich folgende passive Bewegungsausmaße der Schultern, Ellenbogen und Hände: Schultern rechts links Norm Abduktion/Adduktion 100-0-35 170-0-40 180-0-40 Ante-/Retroversion 130-0-35 170-0-40 170-0-40 Innen-/Außenrotation 70-0-30 80-0-40 95-0-40 Ellenbogen Streckung/Beugung 0-40-120 0-30-140 10-0-150 Supi-/Pronation 80-0-80 70-0-80 85-0-85 Handgelenke Streckung/Beugung 80-0-50 30-0-10 50-0-50 Abduktion/Adduktion 20-0-30 10-0-15 35-0-25 Die Impingement-Tests waren rechts positiv. Faustschluss und Spitzgriff waren möglich, es fand sich eine Kraftminderung des Faustschlusses beidseits auf 4/5 nach Janda. Eine gravierende Atrophie der Tenar- und Hypotenararmmuskulatur fiel nicht auf. Eine völlige Gebrauchunfähigkeit der Hände bestand nicht. Dr. Sz gelangt angesichts der von ihm festgestellten Leiden nachvollziehbar zu einem ähnlichen Leistungsvermögen wie die Vorgutachter: Der Kläger könne täglich regelmäßig noch körperlich leichte sowie geistig einfache bis mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Hitze, Kälte, Staub, Zugluft sowie Feuchtigkeit im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten. Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung, in festgelegtem Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck sowie an laufenden Maschinen seien nicht mehr zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten sei auf unter 10 kg zu begrenzen. Eine berufliche Tätigkeit könne in Wechselschicht, wegen angegebener Schlafstörungen jedoch nicht in Nachtschicht, verrichtet werden. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich. Der Kläger könne eine berufliche Tätigkeit ausüben, die keine speziellen Anforderungen an die Feinmotorik stelle. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei jedoch nicht so gravierend beeinträchtigt, als dass der Kläger kurze Schreibarbeiten oder etwa Telefonate nicht erledigen könnte. Arbeiten, die überwiegend am Computer ausgeführt würden, seien nicht mehr zumutbar. Eine berufliche Tätigkeit, die teilweise am Computer verrichtet werde, sei hingegen möglich. Für den Weg zur Arbeitsstelle seien keine Besonderheiten zu berücksichtigen. Soweit der Kläger selber erhebliche Bedenken bzgl. der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel äußere, sei dies objektiv nicht nachvollziehbar. Die üblichen betriebsbedingten Pausen seien ausreichend.

Die Kritik des Klägers an diesem Gutachten sowie dem vorherigen Gutachten des Dr. W-R ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von ihm vorgelegten Privatgutachtens der Orthopädin K-K vom 11. September 2010. Dieses zeigt letztlich keine neuen Gesundheitsstörungen auf. Auch das Ausmaß der von Frau K-K vorgefunden Gesundheitsstörungen unterscheidet sich nicht wesentlich von demjenigen der Vorgutachter. Bei ihrer Untersuchung am 10. September 2010 ergaben sich folgende passive Bewegungsausmaße der Schultern, Ellenbogen und Hände: Schultern rechts links Norm Abduktion/Adduktion 100-0-30 170-0-40 180-0-40 Ante-/Retroversion 100-0-30 170-0-40 170-0-40 Innen-/Außenrotation 60-0-30 80-0-40 95-0-40 Ellenbogen Streckung/Beugung 0-30-120 0-10-130 10-0-150 Supi-/Pronation 80-0-80 80-0-70 85-0-85 Handgelenke Streckung/Beugung 80-0-50 30-0-20 50-0-50 Abduktion/Adduktion 20-0-30 10-0-15 35-0-25 Der Impingement-Test nach Neer sowie der Supraspinatussehnentest nach Jobe waren rechts positiv. Faustschluss, Spitzgriff und Spreizen der Finger waren regelrecht, es fand sich eine Kraftminderung beim Fingerspreizen beidseits auf 4/5 nach Janda. Neurologische Defizite bestanden nicht. Eine sichtbare Muskelatrophie bestand nicht. Die Oberarmmuskulatur war beidseits gut ausgebildet, das Muskelrelief harmonisch. Soweit Frau K hieraus insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen Schmerzen eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens folgert, ist dies nicht nachvollziehbar. Die tatsächlichen Funktionseinschränkungen unterscheiden sich – wie schon erwähnt - nicht wesentlich von den Vorbefunden, wenn auch eine leichte Verschlechterungstendenz erkennbar ist, wobei hier jedenfalls bzgl. der rechten Schulter Therapiereserven bestehen dürften (z. B. erneute Dekompression, evtl. Rotatorenmanschettenrekonstruktion). Nach wie vor besteht Übereinstimmung, dass nur noch leichte körperliche Arbeiten durchführbar sind. Es besteht jedoch keine Beschränkung hinsichtlich des regulären – nicht besonders kraftvollen – Einsatzes der Hände. Die vom Kläger beklagten Schmerzen begründen keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens, denn sie stellen ein subjektives Phänomen dar und könnten darüber hinaus behandelt werden. So nimmt der Kläger nur bedarfsweise Schmerzmedikamente. Die vom Kläger als Begründung für den geringen Schmerzmittelkonsum genannten Erhöhungen der Leber- und Nierenwerte sind einerseits nirgends nachgewiesen noch ergibt sich hieraus die Unmöglichkeit, einer eventuellen multimodalen Schmerztherapie und der Verwendung die Leber und Nieren schonender Schmerzmittel. Eine objektive Gebrauchsunfähigkeit der Hände bzw. Arme ist weder von Frau Dr. K-K behauptet noch dokumentiert worden. Auch eine langfristige schmerzbedingte Schonung eines oder beider Arme bzw. einer oder beider Hände lässt sich den Befunden nicht entnehmen, denn eine solche Schonung bzw. ein Nichtgebrauch würde zu einer deutlich erkennbaren Muskelminderung führen, die auch nach den Erkenntnissen von Frau Dr. K-K ganz offenkundig nicht vorliegt. Eine Schmerzkrankheit i. S. etwa einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.40) oder einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F.45.41) ist fachärztlich nicht diagnostiziert und wäre wohl auch erst noch zu behandeln. Der Kläger geht im Übrigen fehl in seiner Annahme, es wäre ihm nicht zuzumuten, unter dauernder Therapie einschließlich der Einnahme von Schmerzmedikamenten arbeiten zu müssen. Vielmehr bemisst sich die Erwerbsfähigkeit auf der Grundlage des unter adäquater Therapie erzielbaren Leistungsvermögens.

Soweit der Kläger sich wohl im November 2010 einer testpsychologischen Untersuchung unterzogen und im Januar 2011 in psychiatrische Behandlung begeben hat, folgt hieraus weder die Feststellung einer konkreten anhaltenden Gesundheitsstörung noch einer daraus folgernden Minderung des qualitativen oder gar quantitativen Leistungsvermögens. Denn weder benennen die fachärztlichen Befunde aus Polen eine ICD-10-Diagnose noch eine konsequente Therapie. Das Attest von Frau Dr. P-T lässt nur die einmalige Verschreibung eines Antipsychotikums – Perazin (ein mittelpotentes Neuroleptikum zur Behandlung von Psychosen, das neben einem mittelstarken antipsychotischen auch einen deutlichen psychomotorisch dämpfenden Effekt hat; es wirkt ausgeprägt sedierend, schlafanstoßend und vegetativ beruhigend (vgl. www.wikipedia.org/wiki/perazin)) - sowie eines Antidepressivums – Mozarin (Wirkstoff Escitalopram) – ohne Dosierung erkennen. Selbst wenn dauerhaft diese Medikamente weiterhin eingesetzt werden, resultiert hieraus noch keine weitere Herabsetzung des quantitativen Leistungsvermögens für körperlich leichte Arbeiten auf unter sechs Stunden täglich.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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