Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 P 51/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 43/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2010 wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht abgetrennt worden ist. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung des ihr bewilligten Pflegegeldes auf das Konto ihres Sohnes.
Die Beklagte gewährte der geborenen Klägerin auf der Grundlage des MDK-Gutachtens vom 3. September 2007 mit Bescheid vom 6. September 2007 Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Juni 2007. Die Klägerin beantragte am 2. Oktober 2007, das Pflegegeld auf das Konto ihres Sohnes zu überweisen.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 teilte Rechtsanwältin S der Beklagten mit, dass sie am 9. Oktober 2007 zur Betreuerin der Klägerin bestellt worden sei. Aus dem in Kopie beigefügten Betreuerausweis ergibt sich, dass ihr Aufgabenkreis die Wahrnehmung von Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten umfasst; Willenserklärungen in Vermögensangelegenheiten stehen unter dem Einwilligungsvorbehalt der Betreuerin. Sie wies die Beklagte an, das Pflegegeld auf das Konto der Klägerin zu überweisen. Dem kam die Beklagte auch nach.
Auf den Protest der Klägerin, die im Übrigen auch die Weitergabe des Gutachtens mit der Angabe der Pflegepersonen an die Betreuerin rügte, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 13. Januar 2009 (bei der Angabe "2008" handelt es sich um einen Schreibfehler) mit, dass das Pflegegeld ab 1. Dezember 2008 auf das von der Betreuerin angegebene Konto überwiesen werde. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 2. Februar 2009 Widerspruch ein.
Mit der am 12. Februar 2009 bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Später hat sie ergänzend die Feststellung beantragt, dass die Weitergabe des Gutachtens und die Benennung der Pflegeperson an die Betreuerin rechtswidrig seien. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2009 als unzulässig verworfen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, da die Klägerin nicht prozessfähig sei. Bei der Frage, auf welches Konto das Pflegegeld überwiesen werde, handele es sich um eine Angelegenheit, die in den Wirkungskreis der Vermögensangelegenheiten falle. Die erforderliche Einwilligung habe die Betreuerin nicht erteilt.
Gegen die sozialgerichtliche Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie vorbringt, es gehe bei dem Rechtsstreit um die Frage, ob das Pflegegeld auf das Konto ihres sie pflegenden Sohnes zu überweisen sei, damit ihre Pflege sichergestellt sei. Der Wunsch, wie ihre Pflege zu realisieren sei, gehöre zu ihrem nicht von der Betreuung betroffenen inneren Entscheidungsbereich.
Mit Beschluss vom 4. Mai 2011 hat der Senat das Verfahren, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht befugt war, das ärztliche Gutachten und den Namen der Pflegepersonen an die Betreuerin weiter zu geben, abgetrennt und unter einem anderen Aktenzeichen weiter geführt.
Die Klägerin beantragt ihrem schriftlichen Vorbringen zufolge,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das ihr gewährte Pflegegeld ab 1. Dezember 2008 auf das Konto ihres Sohnes L zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2010 zurückzuweisen, soweit nicht der Rechtsstreit abgetrennt worden ist.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Die Zulässigkeit der Berufung wird von der Frage der Prozessfähigkeit der Klägerin nicht berührt. Es entspricht allgemeiner Rechtsanschauung, dass auch ein Beteiligter, dessen Prozessfähigkeit verneint worden ist, wirksam Rechtsmittel einlegen kann mit dem Ziel, eine andere Beurteilung seiner Prozessfähigkeit zu erreichen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Dezember 1982, V ZR 89/80, BGHZ 86, 184).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2010 die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin im Klageverfahren nicht prozessfähig gewesen ist.
Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Hinsichtlich des Gegenstands des Verfahrens, des Streits zwischen den Beteiligten, auf wessen Konto das Pflegegeld überwiesen werden soll, ist die Klägerin hierzu nicht in der Lage.
Denn das Amtsgericht hatte nach § 1903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angeordnet, dass die von Rechtsanwältin S betreute Klägerin zu einer Willenserklärung, die den ihrer Betreuerin zugewiesenen Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten" betrifft, deren Einwilligung bedarf. Die Auszahlung des Pflegegeldes fällt eindeutig in diesen Aufgabenkreis, denn es geht darum, ob das Vermögen der Klägerin unmittelbar vermehrt wird oder nicht. Hiervon zu unterscheiden ist die spätere Verwendung des Pflegegeldes. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Da die Betreuerin der Klägerin ihre Einwilligung zu der Überweisung des Pflegegeldes auf das Konto deren Sohnes nicht erteilt hat, fehlt insoweit die Verfügungsmacht der Klägerin.
Die Einwilligung ist auch nicht nach § 1903 Abs. 3 BGB entbehrlich. Denn weder bringt die Willenserklärung der Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil (Satz 1), da sie mit der Bestimmung des Empfängers ihren unmittelbaren Erfüllungsanspruch verliert, noch betrifft diese Willenserklärung eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens (Satz 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung des ihr bewilligten Pflegegeldes auf das Konto ihres Sohnes.
Die Beklagte gewährte der geborenen Klägerin auf der Grundlage des MDK-Gutachtens vom 3. September 2007 mit Bescheid vom 6. September 2007 Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Juni 2007. Die Klägerin beantragte am 2. Oktober 2007, das Pflegegeld auf das Konto ihres Sohnes zu überweisen.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 teilte Rechtsanwältin S der Beklagten mit, dass sie am 9. Oktober 2007 zur Betreuerin der Klägerin bestellt worden sei. Aus dem in Kopie beigefügten Betreuerausweis ergibt sich, dass ihr Aufgabenkreis die Wahrnehmung von Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten umfasst; Willenserklärungen in Vermögensangelegenheiten stehen unter dem Einwilligungsvorbehalt der Betreuerin. Sie wies die Beklagte an, das Pflegegeld auf das Konto der Klägerin zu überweisen. Dem kam die Beklagte auch nach.
Auf den Protest der Klägerin, die im Übrigen auch die Weitergabe des Gutachtens mit der Angabe der Pflegepersonen an die Betreuerin rügte, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 13. Januar 2009 (bei der Angabe "2008" handelt es sich um einen Schreibfehler) mit, dass das Pflegegeld ab 1. Dezember 2008 auf das von der Betreuerin angegebene Konto überwiesen werde. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 2. Februar 2009 Widerspruch ein.
Mit der am 12. Februar 2009 bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Später hat sie ergänzend die Feststellung beantragt, dass die Weitergabe des Gutachtens und die Benennung der Pflegeperson an die Betreuerin rechtswidrig seien. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2009 als unzulässig verworfen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, da die Klägerin nicht prozessfähig sei. Bei der Frage, auf welches Konto das Pflegegeld überwiesen werde, handele es sich um eine Angelegenheit, die in den Wirkungskreis der Vermögensangelegenheiten falle. Die erforderliche Einwilligung habe die Betreuerin nicht erteilt.
Gegen die sozialgerichtliche Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie vorbringt, es gehe bei dem Rechtsstreit um die Frage, ob das Pflegegeld auf das Konto ihres sie pflegenden Sohnes zu überweisen sei, damit ihre Pflege sichergestellt sei. Der Wunsch, wie ihre Pflege zu realisieren sei, gehöre zu ihrem nicht von der Betreuung betroffenen inneren Entscheidungsbereich.
Mit Beschluss vom 4. Mai 2011 hat der Senat das Verfahren, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht befugt war, das ärztliche Gutachten und den Namen der Pflegepersonen an die Betreuerin weiter zu geben, abgetrennt und unter einem anderen Aktenzeichen weiter geführt.
Die Klägerin beantragt ihrem schriftlichen Vorbringen zufolge,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das ihr gewährte Pflegegeld ab 1. Dezember 2008 auf das Konto ihres Sohnes L zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2010 zurückzuweisen, soweit nicht der Rechtsstreit abgetrennt worden ist.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Die Zulässigkeit der Berufung wird von der Frage der Prozessfähigkeit der Klägerin nicht berührt. Es entspricht allgemeiner Rechtsanschauung, dass auch ein Beteiligter, dessen Prozessfähigkeit verneint worden ist, wirksam Rechtsmittel einlegen kann mit dem Ziel, eine andere Beurteilung seiner Prozessfähigkeit zu erreichen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Dezember 1982, V ZR 89/80, BGHZ 86, 184).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2010 die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin im Klageverfahren nicht prozessfähig gewesen ist.
Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Hinsichtlich des Gegenstands des Verfahrens, des Streits zwischen den Beteiligten, auf wessen Konto das Pflegegeld überwiesen werden soll, ist die Klägerin hierzu nicht in der Lage.
Denn das Amtsgericht hatte nach § 1903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angeordnet, dass die von Rechtsanwältin S betreute Klägerin zu einer Willenserklärung, die den ihrer Betreuerin zugewiesenen Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten" betrifft, deren Einwilligung bedarf. Die Auszahlung des Pflegegeldes fällt eindeutig in diesen Aufgabenkreis, denn es geht darum, ob das Vermögen der Klägerin unmittelbar vermehrt wird oder nicht. Hiervon zu unterscheiden ist die spätere Verwendung des Pflegegeldes. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Da die Betreuerin der Klägerin ihre Einwilligung zu der Überweisung des Pflegegeldes auf das Konto deren Sohnes nicht erteilt hat, fehlt insoweit die Verfügungsmacht der Klägerin.
Die Einwilligung ist auch nicht nach § 1903 Abs. 3 BGB entbehrlich. Denn weder bringt die Willenserklärung der Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil (Satz 1), da sie mit der Bestimmung des Empfängers ihren unmittelbaren Erfüllungsanspruch verliert, noch betrifft diese Willenserklärung eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens (Satz 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
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