Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 2600/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 448/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. April 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Juni 2005 bis zum 31. Juli 2007.
Die 1947 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Nach Tätigkeiten u. a. als Kontoristin und im Reisebüro arbeitete sie zuletzt seit Oktober 1994 in Teilzeit vier Stunden täglich als Sachbearbeiterin in der Firma ihres Ehemannes. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt (Bescheid vom 24. Januar 2006). Seit dem 01. August 2007 bezieht sie Altersrente.
Einen ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 14. Juni 2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. August 2001 ab, da die Klägerin trotz eines behandlungsbedürftigen leicht leistungseinschränkenden chronischen Cervikalsyndroms bei Bandscheibenvorfall C 5/6 und eines behandlungsbedürftigen leicht leistungseinschränkenden Lumbalsyndroms bei Bandscheibenvorfall L4/5 und Th 1/2 bei Dysplasiehüften beidseits in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.
Am 02. Juni 2005 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und verwies auf weiterhin bestehende Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorfällen sowie der Hüftgelenke und der rechten Schulter. Seit dem 07. April 2005 bestehe Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung durch den Chirurgen Dr. S. In seinem Gutachten vom 04. August 2005 (Untersuchung am 25. Juli 2005) gelangte er zu dem Schluss, die Klägerin, die auch als Malerin arbeite und eine eigene Galerie habe, leide zwar an wiederkehrenden Schmerzen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, wiederkehrenden Arthralgien der Hüftgelenke und Magen-Darm-Beschwerden bei Laktoseintoleranz, sie könne jedoch täglich regelmäßig mindestens sechs Stunden lang körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen unter Vermeidung von Tätigkeiten in Wechselschicht verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02. September 2005 die Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ab.
In ihrem Widerspruch hiergegen verwies die Klägerin auf eine drastische Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes. Es bestünden fünf Bandscheibenvorfälle, außerdem starke hormonelle Beschwerden und eine Panikerkrankung.
Vom 08. bis zum 28. September 2005 absolvierte die Klägerin eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in der V Rehabilitations GmbH wegen chronischem Rückenschmerz. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vom 03. November 2005 hielt man die Klägerin dort für fähig, täglich regelmäßig sechs Stunden und mehr körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen, überwiegend aber im Sitzen zu verrichten. Aus sozialmedizinischer Sicht könne sie ihre letzte Tätigkeit bei einer Wohnungsbaugesellschaft weiterhin ausüben. Während der Maßnahme wurde in der psychologischen Abteilung die Diagnose einer Panikstörung (F41.0) gestellt, jedoch mit dem Hinweis auf weiter erforderliche differentialdiagnostische Abklärung und ggf. Behandlung. Die Beklagte holte noch einen Befundbericht der behandelnden Orthopäden Dr. W und Dr. S vom 03. Januar 2006 ein und veranlasste sodann weitere Begutachtungen der Klägerin, und zwar auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sowie erneut auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet. In dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters B-G vom 02. März 2006 (Untersuchung am 20. Februar 2006) diagnostizierte dieser u. a. eine Somatisierungstendenz sowie einen Verdacht auf Panikattacken und vertrat die Auffassung, auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht festzustellen. Eine Behandlung der geschilderten Panikstörung erfolge nicht. Dr. S stellte in seinem Gutachten vom 01. März 2006 (Untersuchung am 28. Februar 2006) im Wesentlichen dieselben Gesundheitsstörungen fest wie in seinem Vorgutachten. Die Klägerin könne täglich sechs Stunden und mehr körperlich leichte Arbeiten zeitweise im Gehen, überwiegend aber im Sitzen unter Vermeidung von häufigem Tragen von Lasten über 10 kg verrichten. Schließlich wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2006 zurück.
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt unter Fortführung und Vertiefung ihres Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren.
Das SG hat zunächst Befundberichte der Gynäkologin Dr. K von September 2006 sowie von Dr. S und Dr. W vom 14. November 2006 eingeholt. Darüber hinaus hat das SG ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 04. April 2006 sowie die Schwerbehindertenakte der Klägerin beigezogen und Auszüge aus letzterer, insbesondere das chirurgische Gutachten des Dr. B vom 07. Dezember 2005 und das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Frau G vom 10. Januar 2006, in den Rechtsstreit eingeführt.
Anschließend hat das SG Beweis erhoben und den Facharzt für Orthopädie Dr. E mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut. In seinem am 02. Februar 2007 aufgrund einer Untersuchung am 17. Januar 2007 fertig gestellten Gutachten hat dieser folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Rezidivierende Stirnkopfschmerzen • Rezidivierende Halswirbelsäulenschmerzen mit Hinterkopf-Nacken-Schulterverspannungen und Brachialgien rechts mehr als links als pseudoradikuläres Schmerzsyndrom auf dem Boden geringer degenerativer Veränderungen. Im Magnetresonanztomogramm (MRT) nachgewiesener Bandscheibenvorfall • Ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beidseits bei im Computertomogramm (CT) nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 und L5/S1 bei deutlichen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule • Eine Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften – rechts mehr als links – als Periarthrosis coxae bezeichnet. Eine geringe Minderanlage beider Hüftgelenke • Ein geringgradiger Verschleißzustand an beiden Kniegelenken und Kniescheibengleitlagern • Eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines Senk-Spreizfußes mit geringer Ballenbildung. Die Klägerin könne täglich regelmäßig noch leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von klimatischen Einflüssen im ca. alle 15 Minuten erfolgenden Wechsel der Haltungsarten ohne Notwendigkeit der Möglichkeit eines jederzeitigen Haltungswechsels sechs Stunden und mehr verrichten. Tätigkeiten, die mit Knien oder Hocken verbunden seien oder in gebückter Haltung erfolgten, seien nur eingeschränkt, d. h. wenige Male am Tag, möglich. Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung, in festgelegtem Arbeitsrhythmus sowie unter Zeitdruck seien nicht mehr zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf kg sei regelmäßig, bis zu 7,5 kg selten und nur über kurze Entfernungen möglich. Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr zumutbar, auch nicht das kurzfristige Besteigen von Trittleitern. Arbeiten am Computer seien aufgrund der von der Halswirbelsäule ausgehenden Beschwerden eingeschränkt möglich. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Die Klägerin hat auf das Gutachten mit Schriftsatz vom 04. April 2007 mitgeteilt, sie habe sich inzwischen in neurologisch-psychiatrische Behandlung begeben. Der seit dem 27. März 2007 behandelnde Facharzt für Neurologie M hat in seinem daraufhin vom SG eingeholten Befundbericht vom 20. August 2007 mitgeteilt, die Klägerin sei derzeit psychisch nicht belastbar, eine Psychotherapie sei angebracht. In einem weiteren Befundbericht vom 30. Oktober 2007 hat der behandelnde Orthopäde Dr. W mitgeteilt, es bestehe eine deutliche Tendenz zur Verschlechterung des Zustands der Klägerin.
Das SG hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E vom 14. Dezember 2007 eingeholt, worin dieser ausgeführt hat, auf orthopädischem Fachgebiet lägen keine neuen Erkenntnisse vor.
In der Folge hat das SG erneut Beweis erhoben und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens betraut. In dem Gutachten vom 01. Juli 2008 (Untersuchungen am 23. und 26. Juni 2008) hat dieser die Diagnose "rezidivierende depressive Zustände mit Somatisierungsstörungen, Angst und unterschiedlichen Panikattacken" gestellt. Die Klägerin hatte bei der Untersuchung davon berichtet, sie habe nunmehr jeden Tag Angst. Angefangen habe dies mit einer Panikattacke bei einem MRT im März 2007. Dabei habe sie ganz schlimme Panikattacken gehabt. Seit Oktober 2007 befinde sie sich in psychologischer Behandlung. Der Sachverständige hat die Auffassung vertreten, aus den anamnestischen Angaben ergebe sich zwar eine Zunahme der Symptomatik seit 2007, quantitativ sei das Ausmaß der Störung jedoch allenfalls als mäßig zu bewerten sei. Die Klägerin könne täglich regelmäßig noch körperlich leichte Arbeiten mit zeitweiligen Heben von Lasten bis zu fünf kg im Freien und in geschlossenen Räumen unter Meidung extremer Umwelteinflüsse im Gehen, Stehen oder Sitzen und im Wechsel der Haltungsarten für mindestens sechs Stunden verrichten. Arbeiten in Nachtschicht sowie auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle bestünden nicht. Dem Gutachten ist ein Erste-Hilfe-Schein des Krankenhauses B vom 24. März 2007 beigefügt worden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG darüber hinaus den Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem am 17. September 2009 (Untersuchung am 26. August 2009) fertig gestellten Gutachten folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Depressive Störung, Angststörung • Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbel, dem 4. und 5. Lendenwirbel, dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel und dem 12. Brust- und dem 1. Lendenwirbel • Verschleißleiden der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfall und Nervenreizung • Laktoseintoleranz • Wechseljahresbeschwerden. Es sei anhand der vorliegenden objektiven Untersuchungsbefunde davon auszugehen, dass weder für die Zeit zwischen 2001 und 2005 noch für die Zeit zwischen 2005 und dem 31. Juli 2007 das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollständig aufgehoben gewesen sei. Retrospektiv sei des Weiteren davon auszugehen, dass die Klägerin unter Durchführung geeigneter therapeutischer Maßnahmen (z. B. medikamentöse Therapie, Schmerztherapie etc.) durchaus in der Lage gewesen sei, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten im Sitzen oder gelegentlich im Gehen und Stehen auszuüben. Nicht mehr zumutbar gewesen seien das Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, Arbeiten in gebeugter Haltung oder verbunden mit Bücken, Arbeiten über Kopfhöhe sowie in Zwangshaltung, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten bzw. mit Absturzgefahr verbundene Arbeiten, mit besonderen Anforderungen an die Arme und Hände verbundene Arbeiten, Arbeiten im Freien unter Einwirkung von Nässe oder Kälte sowie Arbeiten unter Zeitdruck und sonstigem Stress oder in Wechsel- sowie Nachtschicht. Die Wegefähigkeit sei erhalten gewesen. Die Konzentrationsfähigkeit, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien insbesondere in Phasen der Panikattacken reduziert gewesen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2010 ist der Sachverständige bei seiner Einschätzung verblieben.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. April 2010 abgewiesen. Unter Verweis auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen hat es zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei in dem streitigen Zeitraum von Rentenantragstellung bis zum Beginn der Altersrente am 01. August 2007 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert gewesen. Es seien keine Leistungseinschränkungen ersichtlich, aufgrund derer die Klägerin nicht noch eine Tätigkeit im bisherigen Berufsbereich als Sachbearbeiterin im Büro hätte ausüben können.
Gegen den am 23. April 2010 zugestellten Gerichtbescheid richtet sich die am 20. Mai 2010 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung bis zum 31. Juli 2007 begehrt. Insbesondere sei in fehlerhafter Weise von einer bei ihr bestehenden Wegefähigkeit ausgegangen worden, auch sei das negative Zusammenspiel der Erkrankungen verkannt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2006 aufzuheben und ihr ab Antragstellung bis zum 31. Juli 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin vom 11. Oktober 2007 bis zum 05. Juni 2008 behandelnden Diplompsychologin Q-R vom 08. November 2010 sowie des die Klägerin vom 27. März 2007 bis zum 10. August 2010 behandelnden Neurologen M vom 03. Januar 2011 eingeholt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Rentenakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das SG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung – bei Berufsunfähigkeit - für den gemäß § 34 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nur noch streitigen Zeitraum von Juni 2005 bis zum 31. Juli 2007 verneint.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI).
Laut § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch die Versicherten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Nach Auswertung der im gerichtlichen Verfahren erstellten Sachverständigengutachten, insbesondere des Orthopäden Dr. E vom 02. Februar 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. Dezember 2007 und des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. G vom 01. Juli 2008, sowie der im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten des Chirurgen Dr. S vom 04. August 2005 und 01. März 2006 sowie des Neurologen und Psychiaters B-G vom 28. Februar 2006 ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum weder voll oder teilweise erwerbsgemindert war.
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht fest, dass die Klägerin an folgenden Gesundheitsstörungen leidet: • Wiederkehrende Stirnkopfschmerzen • Wiederkehrende Halswirbelsäulenschmerzen mit Hinterkopf-Nacken-Schulterverspannungen und Brachialgien rechts mehr als links als pseudoradikuläres Schmerzsyndrom bei Bandscheibenvorfall und geringen degenerativen Veränderungen • Ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beidseits bei Bandscheibenvorfällen und deutlichen degenerativen Veränderungen • Eine Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften – rechts mehr als links - bei geringer Minderanlage beider Hüftgelenke • Ein geringgradiger Verschleißzustand an beiden Kniegelenken und Kniescheibengleitlagern • Eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines Senk-Spreizfußes mit geringer Ballenbildung • Wiederkehrende depressive Zustände mit Somatisierungsstörungen, Angst und unterschiedlichen Panikattacken • Laktoseintoleranz • Klimakterische Beschwerden • Wiederkehrende ekzematöse Veränderungen im Bereich der rechten Hand.
Die Beweglichkeit der Hals- und der Lendenwirbelsäule war bei den orthopädisch-chirurgischen Untersuchungen vom 25. Juli 2005 und 28. Februar 2006 altersgemäß ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen. Bei der Untersuchung durch Dr. E am 17. Januar 2007 fanden sich deutliche Bewegungseinschränkungen, teilweise bis auf die Hälfte des Normmaßes (Seitneigung der Halswirbelsäule, Seitneigung der Lendenwirbelsäule und Rotation der Lendenwirbelsäule). Das Zeichen nach Lasègue war bei allen Untersuchungen negativ, die Reflexe waren seitengleich. Radikuläre Sensibilitätsstörungen waren durch Dr. S am 28. Februar 2006 nicht feststellbar. Der Neurologe und Psychiater B-G fand am 20. Februar 2006 eine Hypästhesie und Hypalgesie im C6-Dermatom links sowie im L5/S1-Dermatom rechts. Dr. E stellte eine Störung der Oberflächensensibilität im Sinne einer Hypästhesie strumpfförmig an der rechten Ober- und Unterschenkelaußenseite sowie an Außenseite und Rücken des rechten Fußes fest. Lähmungserscheinungen wurden von keinem Gutachter verifiziert.
Im Bereich der oberen Extremitäten bestand bei Dr. S ein unauffälliger Zustand, bei Dr. E zeigten sich bei freier Beweglichkeit Verspannungen im Bereich der Schulter sowie ein Druckschmerz im rechten Unterarm bei Beugung. Im Bereich der unteren Extremitäten stellte Dr. S ebenso wie Dr. E hinsichtlich der Bewegungsfähigkeit einen weitgehend unauffälligen Zustand fest. Das Gangbild war unauffällig.
Die Klägerin leidet nach eigenen Angaben - erstmals aktenkundig dokumentiert anlässlich der Begutachtung bei Herrn B-G am 20. Februar 2006 - bereits seit ihrem 19. Lebensjahr unter wiederkehrenden Angstzuständen und Panikattacken u. a. unter Stress. Eine spezifische Behandlung erfolgte aktenkundig erst ab dem 27. März 2007, eine psychologisch/psychotherapeutische Behandlung setzte mit dem 11. Oktober 2007 ein. Bei Herrn B-G schilderte die Klägerin zwei- bis dreimal monatlich – unter Stress häufiger - auftretende Panikattacken. Bei Prof. Dr. G gab sie am 23./26. Juni 2008 an, viele Jahre keine Panikattacken, nur ab und zu Angst gehabt zu haben. Erst in den letzten vier Jahren seien wieder Angst und Panikattacken, auch Angst vor der Angst, aufgetaucht. Aktuell habe sie jeden Tag Angst, aber nicht mehr jeden Tag Panikattacken. Verschlimmert habe sich der Zustand mit einer MRT-Untersuchung im März 2007. Dokumentiert ist eine Panikattacke am 24. März 2007 (Erste-Hilfe-Schein des Krankenhauses B). Die Klägerin wurde von Prof. Dr. G als latent depressiv eingeschätzt, Herr B-G hatte 2006 noch keine Anhaltspunkte für eine Depressivität gesehen. Es fanden sich aufgrund der Schmerzschilderung bei Prof. Dr. G zudem Hinweise für eine Somatisierungsstörung.
Aus diesen Befunden ergibt sich zwar eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin, eine Verringerung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden oder auf unter sechs Stunden täglich folgt zur Überzeugung des Senats aus diesen Befunden jedoch nicht. Zu diesem Ergebnis gelangen übereinstimmend die Sachverständigen Dr. E und Prof. Dr. G.
Die Klägerin konnte demzufolge im streitigen Zeitraum täglich regelmäßig noch zumindest leichte körperliche Arbeiten sowie einfache geistige Arbeiten entsprechend ihrer Ausbildung in geschlossenen Räumen sowie im Freien unter Witterungsschutz im Wechsel der Haltungsarten, sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten unter einseitiger körperlicher Belastung, unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband, auf Leitern, Gerüsten und Trittleitern sowie in Nacht- oder Wechselschicht waren ihr nicht mehr zumutbar. Es war ihr zumutbar, Lasten bis zu fünf kg zu heben und zu tragen, gelegentlich über kurze Entfernungen auch Lasten bis zu 7,5 kg. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer waren bei Möglichkeit zur zwischenzeitlichen Verrichtung anders gearteter Tätigkeiten möglich. Die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sowie die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit dürften aufgrund der Angst- und depressiven Erkrankung reduziert gewesen sein. Aus der Laktoseintoleranz folgt keine weitere Leistungseinschränkung, denn diese ist durch Diät beherrschbar.
Die Klägerin war entgegen ihrer eigenen Auffassung nicht wegeunfähig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. stellvertretend Urteil des BSG vom 09. August 2001 - B 10 LW 18/00 R – in SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. sowie Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 12/02 R – zitiert nach Juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (Urteile des BSG vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 – in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 09. August 2001 - B 10 LW 18/00 R – in SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R – zitiert nach Juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. Urteile des BSG vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 – in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R – zitiert nach Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. Urteile des BSG vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R – zitiert nach Juris und vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R – zitiert nach Juris).
Gemessen an diesen Kriterien lag bei der Klägerin keine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB VI vor, denn ihr Leistungsvermögen erlaubte eine wenigstens sechsstündige Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts und sie war nach übereinstimmender Auffassung der Sachverständigen noch in der Lage, Fußwege über 500 Meter viermal täglich in zumutbarer Zeit zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder aber mit dem vorhandenen Privatkraftfahrzeug Fahrten zum Arbeitsplatz durchzuführen. Sowohl bei Dr. E als auch bei Prof. Dr. G hat sie geschildert, Pkw zu fahren und auch Wegstrecken zu Fuß (30 bis 40 Minuten laut Angabe bei Dr. E) zurückzulegen. Anhaltspunkte für die Einnahme die Wegefähigkeit einschränkender Medikamente liegen nicht vor, auch war ihr Gangbild unauffällig.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem auf Antrag der Klägerin eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. S vom 17. September 2009 bzw. aus seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2010. Vielmehr gelangt dieser zu einer weitgehend identischen Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin im streitigen Zeitraum, und erst für die Zeit danach hält er eine psychische Belastbarkeit der Klägerin für nicht mehr gegeben. Dies steht letztlich in Übereinstimmung mit dem Befundbericht der Diplompsychologin Q-R, aus dem sich eine nach dem Tod der Mutter im Juli 2007 hinzu getretene Trauerreaktion der Klägerin ergibt. Auch die fachärztliche Gutachterin für das damalige Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin, Frau G, verneinte in ihrem Gutachten vom 10. Januar 2006 das Vorliegen einer gravierenden psychischen Störung, denn der von ihr angesetzte GdB von 20 entspricht nur einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Stand 2005, Kapitel 26.3 S. 48). Gegen eine Auswirkung des psychischen Leidens auf die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum spricht ferner der Umstand, dass der tatsächliche Leidensdruck nicht so groß war, dass die Klägerin sich zu einer spezifischen – weder auf psychiatrischem noch auf schmerztherapeutischem oder psychotherapeutischem Gebiet - Therapie gedrängt gefühlt hätte. Tatsächlich führte dann die Therapie bei Frau Q-R nach eigenen Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. G im Juni 2008 auch zu einer Besserung ihres Zustandes.
Der Klägerin steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im streitigen Zeitraum zu, denn sie war nicht berufsunfähig. Die Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau, war aber seit Jahren im Bürobereich, zuletzt langjährig als Sachbearbeiterin beschäftigt. Mit dem oben geschilderten Leistungsvermögen war es ihr möglich, mindestens sechs Stunden täglich einer Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Büro nachzugehen. Ob ihre konkrete letzte Tätigkeit, bei der nach ihren eigenen Angaben gelegentlich auch Außendiensttätigkeiten (z. B. anlässlich von Wohnungsabnahmen) erforderlich wurden, im Umfang von sechs Stunden täglich hätte ausgeübt werden können, mag dahin stehen. Der Senat ist jedenfalls davon überzeugt, dass das oben festgestellte Leistungsvermögen eine täglich mindestens sechsstündige Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Büro ohne Außendienstanteil erlaubte. Derartige Bürotätigkeiten sind weder mit schwerem Heben und Tragen noch mit Wechsel- bzw. Nachtschicht oder Zwangshaltungen verbunden, insbesondere erlauben sie einen Haltungswechsel (vgl. den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 21. Mai 2007 – L 4 R 1819/06 -, zitiert nach Juris). Eine ständige Arbeit am Computer ist ebenfalls nicht grundsätzlich erforderlich (vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 18. November 2008 – L 3 R 980/07 -, zitiert nach Juris).
Nach alldem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Juni 2005 bis zum 31. Juli 2007.
Die 1947 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Nach Tätigkeiten u. a. als Kontoristin und im Reisebüro arbeitete sie zuletzt seit Oktober 1994 in Teilzeit vier Stunden täglich als Sachbearbeiterin in der Firma ihres Ehemannes. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt (Bescheid vom 24. Januar 2006). Seit dem 01. August 2007 bezieht sie Altersrente.
Einen ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 14. Juni 2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. August 2001 ab, da die Klägerin trotz eines behandlungsbedürftigen leicht leistungseinschränkenden chronischen Cervikalsyndroms bei Bandscheibenvorfall C 5/6 und eines behandlungsbedürftigen leicht leistungseinschränkenden Lumbalsyndroms bei Bandscheibenvorfall L4/5 und Th 1/2 bei Dysplasiehüften beidseits in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.
Am 02. Juni 2005 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und verwies auf weiterhin bestehende Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorfällen sowie der Hüftgelenke und der rechten Schulter. Seit dem 07. April 2005 bestehe Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung durch den Chirurgen Dr. S. In seinem Gutachten vom 04. August 2005 (Untersuchung am 25. Juli 2005) gelangte er zu dem Schluss, die Klägerin, die auch als Malerin arbeite und eine eigene Galerie habe, leide zwar an wiederkehrenden Schmerzen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, wiederkehrenden Arthralgien der Hüftgelenke und Magen-Darm-Beschwerden bei Laktoseintoleranz, sie könne jedoch täglich regelmäßig mindestens sechs Stunden lang körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen unter Vermeidung von Tätigkeiten in Wechselschicht verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02. September 2005 die Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ab.
In ihrem Widerspruch hiergegen verwies die Klägerin auf eine drastische Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes. Es bestünden fünf Bandscheibenvorfälle, außerdem starke hormonelle Beschwerden und eine Panikerkrankung.
Vom 08. bis zum 28. September 2005 absolvierte die Klägerin eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in der V Rehabilitations GmbH wegen chronischem Rückenschmerz. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vom 03. November 2005 hielt man die Klägerin dort für fähig, täglich regelmäßig sechs Stunden und mehr körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen, überwiegend aber im Sitzen zu verrichten. Aus sozialmedizinischer Sicht könne sie ihre letzte Tätigkeit bei einer Wohnungsbaugesellschaft weiterhin ausüben. Während der Maßnahme wurde in der psychologischen Abteilung die Diagnose einer Panikstörung (F41.0) gestellt, jedoch mit dem Hinweis auf weiter erforderliche differentialdiagnostische Abklärung und ggf. Behandlung. Die Beklagte holte noch einen Befundbericht der behandelnden Orthopäden Dr. W und Dr. S vom 03. Januar 2006 ein und veranlasste sodann weitere Begutachtungen der Klägerin, und zwar auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sowie erneut auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet. In dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters B-G vom 02. März 2006 (Untersuchung am 20. Februar 2006) diagnostizierte dieser u. a. eine Somatisierungstendenz sowie einen Verdacht auf Panikattacken und vertrat die Auffassung, auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht festzustellen. Eine Behandlung der geschilderten Panikstörung erfolge nicht. Dr. S stellte in seinem Gutachten vom 01. März 2006 (Untersuchung am 28. Februar 2006) im Wesentlichen dieselben Gesundheitsstörungen fest wie in seinem Vorgutachten. Die Klägerin könne täglich sechs Stunden und mehr körperlich leichte Arbeiten zeitweise im Gehen, überwiegend aber im Sitzen unter Vermeidung von häufigem Tragen von Lasten über 10 kg verrichten. Schließlich wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2006 zurück.
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt unter Fortführung und Vertiefung ihres Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren.
Das SG hat zunächst Befundberichte der Gynäkologin Dr. K von September 2006 sowie von Dr. S und Dr. W vom 14. November 2006 eingeholt. Darüber hinaus hat das SG ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 04. April 2006 sowie die Schwerbehindertenakte der Klägerin beigezogen und Auszüge aus letzterer, insbesondere das chirurgische Gutachten des Dr. B vom 07. Dezember 2005 und das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Frau G vom 10. Januar 2006, in den Rechtsstreit eingeführt.
Anschließend hat das SG Beweis erhoben und den Facharzt für Orthopädie Dr. E mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut. In seinem am 02. Februar 2007 aufgrund einer Untersuchung am 17. Januar 2007 fertig gestellten Gutachten hat dieser folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Rezidivierende Stirnkopfschmerzen • Rezidivierende Halswirbelsäulenschmerzen mit Hinterkopf-Nacken-Schulterverspannungen und Brachialgien rechts mehr als links als pseudoradikuläres Schmerzsyndrom auf dem Boden geringer degenerativer Veränderungen. Im Magnetresonanztomogramm (MRT) nachgewiesener Bandscheibenvorfall • Ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beidseits bei im Computertomogramm (CT) nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 und L5/S1 bei deutlichen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule • Eine Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften – rechts mehr als links – als Periarthrosis coxae bezeichnet. Eine geringe Minderanlage beider Hüftgelenke • Ein geringgradiger Verschleißzustand an beiden Kniegelenken und Kniescheibengleitlagern • Eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines Senk-Spreizfußes mit geringer Ballenbildung. Die Klägerin könne täglich regelmäßig noch leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von klimatischen Einflüssen im ca. alle 15 Minuten erfolgenden Wechsel der Haltungsarten ohne Notwendigkeit der Möglichkeit eines jederzeitigen Haltungswechsels sechs Stunden und mehr verrichten. Tätigkeiten, die mit Knien oder Hocken verbunden seien oder in gebückter Haltung erfolgten, seien nur eingeschränkt, d. h. wenige Male am Tag, möglich. Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung, in festgelegtem Arbeitsrhythmus sowie unter Zeitdruck seien nicht mehr zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf kg sei regelmäßig, bis zu 7,5 kg selten und nur über kurze Entfernungen möglich. Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr zumutbar, auch nicht das kurzfristige Besteigen von Trittleitern. Arbeiten am Computer seien aufgrund der von der Halswirbelsäule ausgehenden Beschwerden eingeschränkt möglich. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Die Klägerin hat auf das Gutachten mit Schriftsatz vom 04. April 2007 mitgeteilt, sie habe sich inzwischen in neurologisch-psychiatrische Behandlung begeben. Der seit dem 27. März 2007 behandelnde Facharzt für Neurologie M hat in seinem daraufhin vom SG eingeholten Befundbericht vom 20. August 2007 mitgeteilt, die Klägerin sei derzeit psychisch nicht belastbar, eine Psychotherapie sei angebracht. In einem weiteren Befundbericht vom 30. Oktober 2007 hat der behandelnde Orthopäde Dr. W mitgeteilt, es bestehe eine deutliche Tendenz zur Verschlechterung des Zustands der Klägerin.
Das SG hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E vom 14. Dezember 2007 eingeholt, worin dieser ausgeführt hat, auf orthopädischem Fachgebiet lägen keine neuen Erkenntnisse vor.
In der Folge hat das SG erneut Beweis erhoben und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens betraut. In dem Gutachten vom 01. Juli 2008 (Untersuchungen am 23. und 26. Juni 2008) hat dieser die Diagnose "rezidivierende depressive Zustände mit Somatisierungsstörungen, Angst und unterschiedlichen Panikattacken" gestellt. Die Klägerin hatte bei der Untersuchung davon berichtet, sie habe nunmehr jeden Tag Angst. Angefangen habe dies mit einer Panikattacke bei einem MRT im März 2007. Dabei habe sie ganz schlimme Panikattacken gehabt. Seit Oktober 2007 befinde sie sich in psychologischer Behandlung. Der Sachverständige hat die Auffassung vertreten, aus den anamnestischen Angaben ergebe sich zwar eine Zunahme der Symptomatik seit 2007, quantitativ sei das Ausmaß der Störung jedoch allenfalls als mäßig zu bewerten sei. Die Klägerin könne täglich regelmäßig noch körperlich leichte Arbeiten mit zeitweiligen Heben von Lasten bis zu fünf kg im Freien und in geschlossenen Räumen unter Meidung extremer Umwelteinflüsse im Gehen, Stehen oder Sitzen und im Wechsel der Haltungsarten für mindestens sechs Stunden verrichten. Arbeiten in Nachtschicht sowie auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle bestünden nicht. Dem Gutachten ist ein Erste-Hilfe-Schein des Krankenhauses B vom 24. März 2007 beigefügt worden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG darüber hinaus den Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem am 17. September 2009 (Untersuchung am 26. August 2009) fertig gestellten Gutachten folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Depressive Störung, Angststörung • Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfällen zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbel, dem 4. und 5. Lendenwirbel, dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel und dem 12. Brust- und dem 1. Lendenwirbel • Verschleißleiden der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfall und Nervenreizung • Laktoseintoleranz • Wechseljahresbeschwerden. Es sei anhand der vorliegenden objektiven Untersuchungsbefunde davon auszugehen, dass weder für die Zeit zwischen 2001 und 2005 noch für die Zeit zwischen 2005 und dem 31. Juli 2007 das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollständig aufgehoben gewesen sei. Retrospektiv sei des Weiteren davon auszugehen, dass die Klägerin unter Durchführung geeigneter therapeutischer Maßnahmen (z. B. medikamentöse Therapie, Schmerztherapie etc.) durchaus in der Lage gewesen sei, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten im Sitzen oder gelegentlich im Gehen und Stehen auszuüben. Nicht mehr zumutbar gewesen seien das Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, Arbeiten in gebeugter Haltung oder verbunden mit Bücken, Arbeiten über Kopfhöhe sowie in Zwangshaltung, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten bzw. mit Absturzgefahr verbundene Arbeiten, mit besonderen Anforderungen an die Arme und Hände verbundene Arbeiten, Arbeiten im Freien unter Einwirkung von Nässe oder Kälte sowie Arbeiten unter Zeitdruck und sonstigem Stress oder in Wechsel- sowie Nachtschicht. Die Wegefähigkeit sei erhalten gewesen. Die Konzentrationsfähigkeit, die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit seien insbesondere in Phasen der Panikattacken reduziert gewesen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2010 ist der Sachverständige bei seiner Einschätzung verblieben.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. April 2010 abgewiesen. Unter Verweis auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen hat es zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei in dem streitigen Zeitraum von Rentenantragstellung bis zum Beginn der Altersrente am 01. August 2007 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert gewesen. Es seien keine Leistungseinschränkungen ersichtlich, aufgrund derer die Klägerin nicht noch eine Tätigkeit im bisherigen Berufsbereich als Sachbearbeiterin im Büro hätte ausüben können.
Gegen den am 23. April 2010 zugestellten Gerichtbescheid richtet sich die am 20. Mai 2010 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung bis zum 31. Juli 2007 begehrt. Insbesondere sei in fehlerhafter Weise von einer bei ihr bestehenden Wegefähigkeit ausgegangen worden, auch sei das negative Zusammenspiel der Erkrankungen verkannt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2006 aufzuheben und ihr ab Antragstellung bis zum 31. Juli 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin vom 11. Oktober 2007 bis zum 05. Juni 2008 behandelnden Diplompsychologin Q-R vom 08. November 2010 sowie des die Klägerin vom 27. März 2007 bis zum 10. August 2010 behandelnden Neurologen M vom 03. Januar 2011 eingeholt.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Rentenakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das SG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung – bei Berufsunfähigkeit - für den gemäß § 34 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nur noch streitigen Zeitraum von Juni 2005 bis zum 31. Juli 2007 verneint.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI).
Laut § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch die Versicherten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Nach Auswertung der im gerichtlichen Verfahren erstellten Sachverständigengutachten, insbesondere des Orthopäden Dr. E vom 02. Februar 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. Dezember 2007 und des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. G vom 01. Juli 2008, sowie der im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten des Chirurgen Dr. S vom 04. August 2005 und 01. März 2006 sowie des Neurologen und Psychiaters B-G vom 28. Februar 2006 ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum weder voll oder teilweise erwerbsgemindert war.
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht fest, dass die Klägerin an folgenden Gesundheitsstörungen leidet: • Wiederkehrende Stirnkopfschmerzen • Wiederkehrende Halswirbelsäulenschmerzen mit Hinterkopf-Nacken-Schulterverspannungen und Brachialgien rechts mehr als links als pseudoradikuläres Schmerzsyndrom bei Bandscheibenvorfall und geringen degenerativen Veränderungen • Ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beidseits bei Bandscheibenvorfällen und deutlichen degenerativen Veränderungen • Eine Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften – rechts mehr als links - bei geringer Minderanlage beider Hüftgelenke • Ein geringgradiger Verschleißzustand an beiden Kniegelenken und Kniescheibengleitlagern • Eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines Senk-Spreizfußes mit geringer Ballenbildung • Wiederkehrende depressive Zustände mit Somatisierungsstörungen, Angst und unterschiedlichen Panikattacken • Laktoseintoleranz • Klimakterische Beschwerden • Wiederkehrende ekzematöse Veränderungen im Bereich der rechten Hand.
Die Beweglichkeit der Hals- und der Lendenwirbelsäule war bei den orthopädisch-chirurgischen Untersuchungen vom 25. Juli 2005 und 28. Februar 2006 altersgemäß ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen. Bei der Untersuchung durch Dr. E am 17. Januar 2007 fanden sich deutliche Bewegungseinschränkungen, teilweise bis auf die Hälfte des Normmaßes (Seitneigung der Halswirbelsäule, Seitneigung der Lendenwirbelsäule und Rotation der Lendenwirbelsäule). Das Zeichen nach Lasègue war bei allen Untersuchungen negativ, die Reflexe waren seitengleich. Radikuläre Sensibilitätsstörungen waren durch Dr. S am 28. Februar 2006 nicht feststellbar. Der Neurologe und Psychiater B-G fand am 20. Februar 2006 eine Hypästhesie und Hypalgesie im C6-Dermatom links sowie im L5/S1-Dermatom rechts. Dr. E stellte eine Störung der Oberflächensensibilität im Sinne einer Hypästhesie strumpfförmig an der rechten Ober- und Unterschenkelaußenseite sowie an Außenseite und Rücken des rechten Fußes fest. Lähmungserscheinungen wurden von keinem Gutachter verifiziert.
Im Bereich der oberen Extremitäten bestand bei Dr. S ein unauffälliger Zustand, bei Dr. E zeigten sich bei freier Beweglichkeit Verspannungen im Bereich der Schulter sowie ein Druckschmerz im rechten Unterarm bei Beugung. Im Bereich der unteren Extremitäten stellte Dr. S ebenso wie Dr. E hinsichtlich der Bewegungsfähigkeit einen weitgehend unauffälligen Zustand fest. Das Gangbild war unauffällig.
Die Klägerin leidet nach eigenen Angaben - erstmals aktenkundig dokumentiert anlässlich der Begutachtung bei Herrn B-G am 20. Februar 2006 - bereits seit ihrem 19. Lebensjahr unter wiederkehrenden Angstzuständen und Panikattacken u. a. unter Stress. Eine spezifische Behandlung erfolgte aktenkundig erst ab dem 27. März 2007, eine psychologisch/psychotherapeutische Behandlung setzte mit dem 11. Oktober 2007 ein. Bei Herrn B-G schilderte die Klägerin zwei- bis dreimal monatlich – unter Stress häufiger - auftretende Panikattacken. Bei Prof. Dr. G gab sie am 23./26. Juni 2008 an, viele Jahre keine Panikattacken, nur ab und zu Angst gehabt zu haben. Erst in den letzten vier Jahren seien wieder Angst und Panikattacken, auch Angst vor der Angst, aufgetaucht. Aktuell habe sie jeden Tag Angst, aber nicht mehr jeden Tag Panikattacken. Verschlimmert habe sich der Zustand mit einer MRT-Untersuchung im März 2007. Dokumentiert ist eine Panikattacke am 24. März 2007 (Erste-Hilfe-Schein des Krankenhauses B). Die Klägerin wurde von Prof. Dr. G als latent depressiv eingeschätzt, Herr B-G hatte 2006 noch keine Anhaltspunkte für eine Depressivität gesehen. Es fanden sich aufgrund der Schmerzschilderung bei Prof. Dr. G zudem Hinweise für eine Somatisierungsstörung.
Aus diesen Befunden ergibt sich zwar eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin, eine Verringerung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden oder auf unter sechs Stunden täglich folgt zur Überzeugung des Senats aus diesen Befunden jedoch nicht. Zu diesem Ergebnis gelangen übereinstimmend die Sachverständigen Dr. E und Prof. Dr. G.
Die Klägerin konnte demzufolge im streitigen Zeitraum täglich regelmäßig noch zumindest leichte körperliche Arbeiten sowie einfache geistige Arbeiten entsprechend ihrer Ausbildung in geschlossenen Räumen sowie im Freien unter Witterungsschutz im Wechsel der Haltungsarten, sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten unter einseitiger körperlicher Belastung, unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband, auf Leitern, Gerüsten und Trittleitern sowie in Nacht- oder Wechselschicht waren ihr nicht mehr zumutbar. Es war ihr zumutbar, Lasten bis zu fünf kg zu heben und zu tragen, gelegentlich über kurze Entfernungen auch Lasten bis zu 7,5 kg. Arbeiten überwiegend oder teilweise am Computer waren bei Möglichkeit zur zwischenzeitlichen Verrichtung anders gearteter Tätigkeiten möglich. Die Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit sowie die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit dürften aufgrund der Angst- und depressiven Erkrankung reduziert gewesen sein. Aus der Laktoseintoleranz folgt keine weitere Leistungseinschränkung, denn diese ist durch Diät beherrschbar.
Die Klägerin war entgegen ihrer eigenen Auffassung nicht wegeunfähig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. stellvertretend Urteil des BSG vom 09. August 2001 - B 10 LW 18/00 R – in SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. sowie Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 12/02 R – zitiert nach Juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (Urteile des BSG vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 – in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 09. August 2001 - B 10 LW 18/00 R – in SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R – zitiert nach Juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. Urteile des BSG vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 – in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R – zitiert nach Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. Urteile des BSG vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R – zitiert nach Juris und vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R – zitiert nach Juris).
Gemessen an diesen Kriterien lag bei der Klägerin keine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB VI vor, denn ihr Leistungsvermögen erlaubte eine wenigstens sechsstündige Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts und sie war nach übereinstimmender Auffassung der Sachverständigen noch in der Lage, Fußwege über 500 Meter viermal täglich in zumutbarer Zeit zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder aber mit dem vorhandenen Privatkraftfahrzeug Fahrten zum Arbeitsplatz durchzuführen. Sowohl bei Dr. E als auch bei Prof. Dr. G hat sie geschildert, Pkw zu fahren und auch Wegstrecken zu Fuß (30 bis 40 Minuten laut Angabe bei Dr. E) zurückzulegen. Anhaltspunkte für die Einnahme die Wegefähigkeit einschränkender Medikamente liegen nicht vor, auch war ihr Gangbild unauffällig.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem auf Antrag der Klägerin eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. S vom 17. September 2009 bzw. aus seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2010. Vielmehr gelangt dieser zu einer weitgehend identischen Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin im streitigen Zeitraum, und erst für die Zeit danach hält er eine psychische Belastbarkeit der Klägerin für nicht mehr gegeben. Dies steht letztlich in Übereinstimmung mit dem Befundbericht der Diplompsychologin Q-R, aus dem sich eine nach dem Tod der Mutter im Juli 2007 hinzu getretene Trauerreaktion der Klägerin ergibt. Auch die fachärztliche Gutachterin für das damalige Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin, Frau G, verneinte in ihrem Gutachten vom 10. Januar 2006 das Vorliegen einer gravierenden psychischen Störung, denn der von ihr angesetzte GdB von 20 entspricht nur einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung (Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Stand 2005, Kapitel 26.3 S. 48). Gegen eine Auswirkung des psychischen Leidens auf die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum spricht ferner der Umstand, dass der tatsächliche Leidensdruck nicht so groß war, dass die Klägerin sich zu einer spezifischen – weder auf psychiatrischem noch auf schmerztherapeutischem oder psychotherapeutischem Gebiet - Therapie gedrängt gefühlt hätte. Tatsächlich führte dann die Therapie bei Frau Q-R nach eigenen Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. G im Juni 2008 auch zu einer Besserung ihres Zustandes.
Der Klägerin steht auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im streitigen Zeitraum zu, denn sie war nicht berufsunfähig. Die Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau, war aber seit Jahren im Bürobereich, zuletzt langjährig als Sachbearbeiterin beschäftigt. Mit dem oben geschilderten Leistungsvermögen war es ihr möglich, mindestens sechs Stunden täglich einer Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Büro nachzugehen. Ob ihre konkrete letzte Tätigkeit, bei der nach ihren eigenen Angaben gelegentlich auch Außendiensttätigkeiten (z. B. anlässlich von Wohnungsabnahmen) erforderlich wurden, im Umfang von sechs Stunden täglich hätte ausgeübt werden können, mag dahin stehen. Der Senat ist jedenfalls davon überzeugt, dass das oben festgestellte Leistungsvermögen eine täglich mindestens sechsstündige Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Büro ohne Außendienstanteil erlaubte. Derartige Bürotätigkeiten sind weder mit schwerem Heben und Tragen noch mit Wechsel- bzw. Nachtschicht oder Zwangshaltungen verbunden, insbesondere erlauben sie einen Haltungswechsel (vgl. den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 21. Mai 2007 – L 4 R 1819/06 -, zitiert nach Juris). Eine ständige Arbeit am Computer ist ebenfalls nicht grundsätzlich erforderlich (vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 18. November 2008 – L 3 R 980/07 -, zitiert nach Juris).
Nach alldem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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