L 2 U 24/09 ZVW

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 294/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 24/09 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Beweiswert von Zeugenaussagen zur Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 ist eingeschränkt, da berufliche Routinehandlungen nach den Erkenntnissen der Aussage- und Vernehmungspsychologie nur bedingt erinnert werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Berlin vom 22. März 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits, auch des
Revisionsverfahrens, sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), die Gewährung von
Verletztengeld, Übergangsleistungen und einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H.

Der 1961 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1978 bis 15. Juli 1980 eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser bei dem VEB Kombinat B V und war dort noch bis zum 29. November 1980, anschließend ab 1. Dezember 1980 beim VEB H K (VEB H) bzw. dessen Rechtsnachfolgern als Kfz-Schlosser beschäftigt. Diese Tätigkeit wurde durch eine Wehrdienstzeit vom 5. Mai 1981 bis zum 29. Oktober 1982 unterbrochen. Während dieser Zeit war der Kläger vom 29. Mai bis 30. November 1981 und vom 5. Mai bis zum 29. Oktober 1982 als Kfz-Schlosser truppendienstlich eingesetzt. Ab 1. November 1991 war er als Kfz-Schlosser in der Firma E V GmbH (E) tätig. Das Arbeitsverhältnis endete nach einer Zeit des
Krankengeldbezuges ab 5. Januar 1993 zum 18. Juli 1993. Seit Juli 1993 ist der Kläger als Verkaufsberater beschäftigt.

Im Juni 1993 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit und machte geltend, nach mehreren Klinikaufenthalten sei ihm mitgeteilt worden, dass er seinen Beruf als Kfz-Schlosser nicht mehr ausüben könne.

In einem ersten Untersuchungsbefund stellte der Arbeitsmediziner Dr. G am 22. September 1993 unter Berücksichtigung u.a. des Entlassungsberichts der Ch vom 25. März 1993 fest, dass der Verdacht einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 bestehe.

Der daraufhin von der Beklagte angehörte Kläger schilderte die Tätigkeit bei den B V dahingehend, Aggregate, Bremstrommeln, Kupplungsautomaten, Gelenkwellen, Motorteile und Federn etc. bewegt zu haben, es hätten Gabelstapler und Hubwagen zur Verfügung gestanden. Seine Tätigkeit bei dem VEB H habe in der Instandsetzung von LKW, Baumaschinen, in Schweißarbeiten im Betrieb und auf Baustellen, als Kraftfahrer und Staplerfahrer, sowie in Be- und Entladearbeiten bestanden. An technischen Hilfsmitteln hätten Gabelstapler, Hubwagen, nicht aber Grubenwagenheber zur Verfügung gestanden. Die Lasten hätten im Durchschnitt 25 kg
gewogen. Die Lkw seien oft "per Hand" be- und entladen worden. Etwa an 75% der Arbeitstage hätte er 100 bis 250 Minuten mit einer Rumpfbeugung von mehr als 90 Grad arbeiten müssen. Entsprechende Belastungen führte der Kläger auch für die Zeit bei der E auf. Dieser Arbeitgeber gab hierzu an, es sei auf den bekannten Wirbelsäulenschaden des Klägers Rücksicht genommen worden. Von den übrigen Arbeitgebern konnten keine Auskünfte erlangt werden.

Die Beklagte zog das Krankenblatt des Krankenhauses K vom 28. Oktober 1992 über einen Aufenthalt vom 21. September bis 3. Oktober 1992, den Entlassungsbericht der Ch über einen Aufenthalt vom 4. bis 29. März 1993 und den Entlassungsbericht der Klinik S über einen anschließenden Aufenthalt bis zum 20. April 1993 bei.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beigeladenen ermittelte bei der E , dass der Kläger mit dem Aufbau von Hydraulikanlagen für neu zu montierende Lkw-Ladekrane befasst gewesen sei. Hervorzuheben im Sinne hoher Wirbelsäulenbelastungen seien Zeiten für Montage, die in gebeugter Haltung (30-90°) auszuführen gewesen seien. Die Summe werde auf eine Stunde pro Tag geschätzt bei jeweils gleichen Anteilen der Rumpfbeugewinkel von 30, 60 und 90°. Montagen an Kfz hätten z.T. ein längeres Verharren in diesen Körperstellungen erfordert.

Der TAD der Beklagten schätzte in einer Auskunft vom 28. Dezember 1994 die Tätigkeit des Klägers von 1982 bis 1991 dahingehend ein, dass er bei der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten 10% der Arbeitszeit in Rumpfbeugehaltung gehoben, 15% mehr als 25 kg gehoben und 10% mehr als 25 kg getragen hätte.

Auf Veranlassung der Beigeladenen erstattete der Facharzt für Orthopädie Dr. B am 5. Mai 1995 ein Zusammenhangsgutachten. Dieser stellte nach Befragung und körperlicher Untersuchung des Klägers eine Lumboischialgie links mit derzeit nur subjektiven radikulären Erscheinungen ohne neurologische Ausfälle und einen CT-gesicherten Bandscheibenvorfall L5/S1 fest. Weitere Bandscheibenvorfälle oder Wirbelsäulenschäden konnte er nicht feststellen. Es liege eine schmerzhafte Belastungsinsuffizienz der unteren Lendenwirbelsäule vor. Aus den Darlegungen des Versicherten sei der Eindruck zu gewinnen, dass sowohl Expositionsinhalt als auch Expositionszeit eine haftungsbegründende Kausalität darstellten. Die MdE betrage 15%.

Daraufhin empfahl die Gewerbeärztin Dr. S am 31. Juli 1995 die Anerkennung der BK Nr. 2108 mit einer MdE von 15 v.H. Dem schloss sich der die Beigeladene beratende Arzt Dr. Dr. D an.

In einer erneuten Stellungnahme kam der TAD der Beigeladenen am 7. November 1995 zu dem Ergebnis, die bei der E ausgeübte Tätigkeit sei nach gegenwärtigen Erkenntnissen nicht gefährdend gewesen, weil die durch die Rumpfbeugung ausgeübten Druckkräfte nicht die erforderliche Mindesttagesdosis erreicht hätten. Die Tätigkeit bei dem VEB H werde weiterhin als belastend eingeschätzt. Die arbeitstechnische Voraussetzung sei für diesen Tätigkeitsabschnitt zu 130% erfüllt.

Schließlich erstattete Prof. Dr. Nein Gutachten vom 20. Januar 1997, in dem er die Anerkennung einer BK 2108 empfahl. Den MRT-Befund vom 5. September 1996 interpretierte er dahin, dass ein paramedianer mediolateraler Nucleusprolaps bei L5/S1 und eine mediale Protrusion L4/L5, die nicht kompressorisch wirke, vorliegen.

Die danach zuständige Beklagte lehnte durch Bescheid vom 16. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 1997 die Gewährung einer Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 70 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten der ehemaligen DDR vom 21. April 1981 in Verbindung mit § 1150 Reichsversicherungsordnung (RVO) ab. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 70 seien nicht erfüllt, weil die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grad gemindert sei. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 1998 (S 69 U 857/97) abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung hat der Kläger im Termin vor dem Landessozialgericht Berlin am 5. August 1999 zurückgenommen (L 3 U 55/98).

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO ab. Der auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu fordernde Umfang wesentlicher Hebe- und Tragebelastungen von 20 Jahren sei nicht erreicht. Es seien nur 9 Jahre und fünf Monate zu berücksichtigen.

Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Berlin hat die Beklagte eine zwischenzeitlich überarbeitete Berechnung ihres TAD nach dem Mainz - Dortmunder - Dosismodell (MDD) vorgelegt, die nach Rücksprachen mit dem Kläger, dem Lehrausbilder und Werkstatt-leiter im früheren VEB L B, H, und mit einem Mitarbeiter des Rechtsnachfolgers der E- erstellt worden war. Danach war der Kläger zu 50% der Gesamtarbeitszeit pro Jahr als Kfz-Schlosser tätig und verrichtete zu jeweils 25 % der Arbeitszeit Bauschlosser- bzw. Lagerarbeitertätigkeiten. Die Beklagte gelangte zu einer Belastung von 5,882 MNh. Der Richtwert von 25 MNh sei unterschritten.

Dagegen hat der Kläger eingewandt, er habe gegenüber dem TAD zum Ausdruck gebracht, sich an die Anzahl und Wiederholung der Tragevorgänge nicht mehr im Einzelnen erinnern zu können, und auf den von ihm ausgefüllten Fragebogen verwiesen, in dem er angegeben habe, es sei aufgrund der betrieblichen Struktur notwendig gewesen, täglich Be- und Entladetätigkeiten durchzuführen, weil Werkstattgelände und Lagerplatz an einem Standort gewesen seien. Zu den Tätigkeiten als Kfz-Schlosser hat er angeführt, wegen der oftmals sehr schlechten Erreichbarkeit bestimmter Aggregate seien lange Montagezeiten in verdrehter Rumpfbeugehaltung, z.B. beim Wechsel des Anlassers des russischen Lkw MAS, erforderlich gewesen.

Der vom Sozialgericht schriftlich angehörte Zeuge M, der von 1986 bis 1991 beim VEB H als Elektriker beschäftigt war, hat angegeben, der Kläger habe bei der Reparatur von Lkw und Baumaschinen schwierige unnatürliche Körperhaltungen einnehmen müssen. Außerdem hätten täglich Materialien abgeladen werden müssen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 22. März 2002 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 21. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO Entschädigungsleistungen, insbesondere Entschädigungsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKVO, Verletztengeld sowie seit dem 18. Juli 1993 eine Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. zu gewähren.

Gegen das ihr am 15. April 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Mai 2002 Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, das Sozialgericht habe zu Unrecht für die Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen auf das Merkblatt zur BK Nr. 2108 abgestellt. Es sei das MDD anzuwenden.

Nach Rückfrage des Senats hat der TAD der Beklagten eine neue Berechnung nach dem MDD vorgenommen und eine Belastung in Höhe von insgesamt 3,67 MNh errechnet (Stellungnahme vom 07. Februar 2004).

Weiter hat die Beklagte Stellungnahmen nach Aktenlage des Arztes für Orthopädie Dr. E vom 11. August 2002 und 16. Februar 2003 vorgelegt, der eine BK 2108 nicht für gegeben hielt. Er diagnostizierte einen geringen Bandscheibenschaden des vorletzten Bewegungssegmentes und einen Bandscheibenvorfall im letzten Bewegungssegment. Den MRT-Befund vom 5. September 1996 bewertete er so wie Prof. Dr. N.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein arbeitsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. B A vom 23. November 2005 eingeholt. Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gelangt, nach den Kriterien der Konsensus-Arbeitsgruppe des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften zur Begutachtung der BK 2108 seien mit der Fall-Konstellation B2 die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der ursächliche Zusammenhang zwischen Belastung und Erkrankung wahrscheinlich sei. Das Erfordernis des Vorliegens von belastungsadaptiven Veränderungen für die Anerkennung einer BK 2108, wie von Dr. E gefordert, sei in der Fachliteratur umstritten, insbesondere habe die Konsensus- Arbeitsgruppe insoweit keine Einigkeit erzielen können. Auf der Grundlage einer telefonischen Befragung des Klägers zu dessen Belastungen durch Hebe- und Tragetätigkeiten hat er eine Berechnung der Belastungen nach dem MDD vorgenommen und darauf verwiesen, dass es sich bei den Werten des MDD nur um Richtwerte, nicht aber um Grenzwerte handele. Deshalb seien auch Hebe- und Tragebelastungen mit einer um 20% verringerten Druckkraft ab 2560 N, eine um 20% niedrigere Beurteilungsdosis ab 4400 Nh und eine um 20% niedrigere Gesamtdosis von 20 x 106 Nh als ausreichende Belastungen anzusehen. Die Gesamt-Dosis betrage vorliegend 20,24 x 106 Nh und erreiche damit ca. 81% des MDD-Richtwertes. Da es sich hierbei jedoch allenfalls um Orientierungswerte handele, sei davon auszugehen, dass die haftungsbegründende Kausalität erfüllt sei. Das MRT vom 5. September 1996 befundete er ebenso wie Prof. Dr. N und Dr. E. Allerdings bewertete er die mediale Protrusion L4/L5 unter Heranziehung eines Befundes aus dem Jahre 1992 als Prolaps. Die MdE betrage 20 v. H. Die Beklagte hat die von Prof. Dr. B A zugrunde gelegten Belastungen für unrealistisch gehalten und eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. F vom 30. Mai 2006 vorgelegt, der einen eindeutigen Anlageschaden im Sinne einer Scheuermann’schen Erkrankung der unteren LWS angenommen hat.

Zu den Belastungen während der Tätigkeit beim VEB hat der Senat den Leiter des Fuhrparks, W R E, den Platzwart WWund den Fahrer B E als Zeugen vernommen. Zu den Belastungen während der Ausbildung bei den B V sind S B, M S und J Sch als Zeugen gehört worden. Da der von der Beklagten für die Tätigkeit des Klägers bei der E benannte Zeuge Dzu den Belastungen des Klägers keine Angaben hat machen können, ist der von diesem als für die Einsatz-planung zuständig angegebene RSt schriftlich befragt worden. Zu den Belastungen bei der Re-paratur von in der DDR üblicherweise verwendeten Lastern im Allgemeinen ist D Hals Zeuge vernommen worden. Der Zeuge E gab u.a. an, als schwere Arbeit sei das Auswechseln eines Hydraulikzylinders ca. zwei Mal im Jahr angefallen. Der Zylinder habe 2 Zentner gewogen. Alle 8-12 Wochen seien Kompressionshämmer mit einem Gewicht von 50 kg repariert worden. Mischertrommeln von diesem Gewicht seien 1-2 Mal im Monat zur Reparatur gekommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Zeugenbefragung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. September 2006 Bezug genommen. In einem Kommentar vom 04. März 2007 zu diesen Zeugenaussagen hat der Kläger die Zeugenaussagen einander gegenüber gestellt und als Fazit aus-geführt, im Großen und Ganzen seien die Zeugenaussagen sehr widersprüchlich, was zeige, dass die Erinnerung an so lang zurückliegende Ereignisse sehr subjektiv und eine objektive Rekonstruktion kaum möglich sei.

Mit Urteil vom 25. September 2007 hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im Ergebnis hat es ausgeführt, die arbeitstechnischen Belastungen für die Anerkennung einer BK 2108 seien nicht erfüllt. Die ausreichende Belastungsdosis im Hinblick auf die erforderlichen Einwirkungen durch Heben und Tragen von schweren Lasten und Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien dem Gutachten des Prof. Dr. B zu entnehmen. Erforderlich sei entgegen den Vorgaben im Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) nicht eine Belastungsdosis von 25 MNh, sondern eine solche von 20 MNh. Diese Belastungsdosis sei entgegen der Annahme des Gutachtens aber nicht erreicht, da die vom Senat durchgeführten Zeugenvernehmungen die vom Gutachter zugrunde gelegten Belastungen nicht bestätigt hätten. Die Gesamtbelastungsdosis habe allenfalls 18 MNh betragen. Auf die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG mit Beschluss vom 18. März 2008 die Revision zugelassen und den Rechtsstreit durch Urteil vom 18. November 2008 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren sei zunächst festzustellen, ob der Kläger bei Ausübung der Erwerbstätigkeit in der ehemaligen DDR Versicherter im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) gewesen sei. Weiter sei zu klären, in welchem Zuständigkeitsbereich der Kläger zuletzt eine die Wirbelsäule in hinreichendem Maße belastende Tätigkeit ausgeübt habe. Das LSG habe hinreichende Einwirkungen auf den Kläger durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeiten in Rumpfbeugehaltung zu Unrecht verneint. Das BSG habe im Urteil vom 30. Oktober 2007 (Az.: B 2 U 4/06 R) entschieden, dass das MDD zwar eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Verordnungstext nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen sei, aber die bisher angewandten Orientierungswerte konkretisiert. Der Mindestkraftdruck pro Arbeitsvorgang sei bei Männern mit dem Wert 2,7 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis sei zu verzichten. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kau-salzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen sei und deshalb auf einzelfallbezogene Ermittlungen verzichtet werden könne, betrage 12,5 MNh.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat der Senat der Beklagten und der Beigeladenen aufgegeben, die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts im Urteil vom 30. Oktober 2007 neu zu berechnen.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2009 hat die Beklagte eine Berechnung vom 21. April 2009 der Gesamtbelastungsdosis unter Berücksichtigung der im BSG-Urteil vom 30. Oktober 2007
modifizierten Belastungsdosen vorgenommen. Danach ergab sich für den Zeitraum vom 01. Dezember 1980 bis zum 31. Oktober 1981 (VEB H K/später L -Bau) eine Dosis von 8,7 MNh. Im Schriftsatz vom 11. Mai 2009 hat die Beigeladene die Belastung bei der E GmbH mit 0,85 MNh beziffert, die Beklagte ermittelte für diesen Zeitraum 1,1 MNh. Es ergab sich damit eine Gesamtbelastungsdosis von 9,8 MNh im Vergleich zu den in der Stellungnahme der Beklagten vom 7. Februar 2004 ermittelten Dosis von 3,67 MNh.

Nach Auflage des Gerichts vom 14. Juli 2010 hat die Beklagte zusätzlich den Zeitraum vom 01. September 1978 bis 29. November 1980 (Lehrzeit mit anschließender Beschäftigung)) bewertet und eine zusätzliche Gesamtdosis von 1,1 MNh ermittelt (Stellungnahme vom 9./12. August 2010).

Im Termin vor dem Senat am 26. August 2010 hat der Kläger geltend gemacht, er erfülle den Orientierungswert (12,5 MNh) des MDD mit den Modifikationen, die dieses Modell durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Oktober 2007 (B 2 U 4/06 R) erhalten habe. Es seien nicht nur 10,9 MNh zu berücksichtigen, denn seine Belastungen seien höher gewesen als von der Beklagten bisher angenommen. Diese gehe von 220 Arbeitstagen pro Jahr aus, in der ehemaligen DDR habe man demgegenüber 234 Tage im Jahr arbeiten müssen. Weiter habe er im Durchschnitt vier Überstunden pro Woche abgeleistet, so dass die Belastung dadurch weiter steige. Das Abladen von Hohlblocksteinen sei nur im Hinblick auf einen LKW berücksichtigt worden; tatsächlich hätten jeweils mehrere LKW entladen werden müssen. Weiter seien die Einwirkungen während des Wehrdienstes zu berücksichtigen, die mindestens 1,4 MNh betra-gen hätten.

Der Senat hat daraufhin den Rechtstreit zur medizinischen Sachaufklärung vertagt. Der Kläger hat es mit Schreiben vom 4. September und 12. Oktober 2010 abgelehnt, sich einer
orthopädischen Begutachtung zu unterziehen. Der Senat hat daraufhin ein Gutachten nach Aktenlage des Dr. W einholt und diesem aufgegeben, das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen zu unterstellen. In seinem Gutachten vom 9. Mai 2011 hat der Sachverständige ausgeführt, der Krankheitsbeginn sei auf August 1992 zu datieren, es bestünden keine begründeten Zweifel, dass sich in Verbindung mit einer jahrelangen rückenbelastenden Tätigkeit auf der unteren LWS behandlungsbedürftige Schmerzen und Funktionsstörungen eingestellt hätten. Es bestehe ein Bandscheibenprolaps L5/S1 mediolateral und eine geringgradige Protrusion L4/5. In An-wendung der Konsensempfehlungen bestehe die Konstellation B2 für den Fall, dass die arbeitstechnischen Ergänzungsvoraussetzungen gegeben seien, ansonsten die Konstellation B3. Ob besonders intensive Belastungen mit Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren oder ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen vorgelegen hätten, sei zu ermitteln.

In der Stellungnahme vom 22. Juli 2011 führte die Abteilung Prävention aus, dass weder eine besonders intensive Belastung (Erreichen der Lebensdosis in weniger als 10 Jahren) noch ein besonderes Gefährdungspotenzial (Heben und Tragen von Lasten über 60 kg für Männer) vorgelegen habe. Die Gesamtbelastungsdosis vom 1. September 1978 bis 31. Dezember 1992 habe exklusive des Wehrdienstes 10,8 MNh betragen, was zur Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht ausreiche.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Senat in eine erneute Beweisaufnahme durch Einholung einer Stellungnahme des Prof. Dr. B zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen einzutreten habe. Außerdem sei ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist auch im wiedereröffneten Berufungsverfahren begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufs-krankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV.

Zuständige Berufsgenossenschaft für die Beurteilung des vorliegenden Versicherungsfalles ist die Beklagte nach § 134 Satz 1 SGB VII, da die gefährdende Tätigkeit zuletzt in einem Unternehmen ausgeübt wurde, das bei der Beklagten versichert war. Insoweit besteht zwischen der Beigeladenen und der Beklagten kein Streit (Schreiben vom 19. und 20. Januar 2011). Nach § 134 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB VII können die Unfallversicherungsträger Näheres und Abweichendes in einer Vereinbarung regeln. Die Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten vom 01. April 1994 in der Fassung vom 01. Januar 1997 definiert die gefährdende Tätigkeit erst ab einer Gesamtbelastungsdosis von 1,25 MNh. Der Senat hat keine Bedenken, diese Vereinbarung, für die es eine gesetzliche Grundlage in § 134 Satz 1 SGB VII gibt, anzuwenden. Zuletzt hat der Kläger eine gefährdende Tätigkeit bei der E GmbH ausgeübt, die allerdings nur eine Gesamtbelastungsdosis von 1,1 MNh erreichte, so dass der Schwellenwert nach der o. g. Vereinbarung für die Begründung der Zuständigkeit der Beigeladenen nicht gegeben war und dementsprechend die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger ist, weil eine gefährdende Tätigkeit beim VEB K, später L-Bau, einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten ausgeübt wurde.

Der Senat hat auch keine Bedenken, dass die gefährdenden Tätigkeiten in der ehemaligen DDR hier zu berücksichtigen sind und dem Kläger insoweit Versicherteneigenschaft nach § 539 Abs. 1 Satz 1 RVO zukommt. Nach Vorlage des Sozialversicherungsausweises steht fest, dass der Kläger seit dem 01.09.1978 bis zum Beitritt der ehemaligen DDR in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nach den Vorschriften der ehemaligen DDR stand und somit in dieser Tätigkeit gegen Berufskrankheiten versichert war (vgl. §§ 38, 221 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 – GBl. DDR I, 185). Gefährdende Beschäftigungszeiten sind nach Art. 24 § 2 des Einigungsvertrages bei einem Versicherungsfall zu berücksichtigen. Denn nach Abs. 1 der genannten Vorschrift gelten für die Voraussetzungen von Leistungen die in der ehemaligen DDR einschließlich Berlin (Ost) zurückgelegten Beschäftigungszeiten als im Geltungsbereich der RVO zurückgelegt.

Der Anspruch richtet sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO und der BKV, da die geltend gemachte Berufskrankheit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten sein soll. Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO bezeichneten Tätigkeiten erlei-det. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als einer solchen nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Len-denwirbelsäule voraus, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
(arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unter-lassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben. Als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein.

Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwanges muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R). Zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten und langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ist auch nach der Rechtsprechung des BSG vom 30. Oktober 2007 das Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell anzuwenden, allerdings mit den in diesem Urteil enthaltenen Modifikationen. Danach liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zugunsten des Klägers zwar vor. Es fehlt aber die Ursächlichkeit dieser Einwirkungen für die beim Kläger vorliegende Lendenwir-belsäulenerkrankung unter Berücksichtigung der Vorgaben der Konsensempfehlungen zur Zu-sammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitgruppe (Trauma und Berufskrankheit 3/2005, S. 211-252 und 4/2005 S. 320-332, im
Folgenden Konsensempfehlungen genannt)). Zwar beträgt die Gesamtbelastungsdosis nach der Stellungnahme der Abteilung Prävention der Beklagten vom 22. Juli 2011 nur 10,8 MNh, bzw. 10,9 MNh nach den Stellungnahmen zum Termin am 26. August 2010. Allerdings gehen diese Stellungnahmen von durchschnittlich 220 Arbeitstagen aus, während der Kläger 234 Arbeitstage für sich in Anspruch nimmt. Unterstellt der Senat dies wegen der anderen Verhältnisse in der ehemaligen DDR als richtig, ergibt sich eine Erhöhung der Belastung um etwa 6% auf 11,45 MNh. Berücksichtigt der Senat wegen Art. 24 § 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik und § 215 Abs. 1 Satz 3 SGB VII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I, S.2130) auch die Belastung als KFZ-Schlosser während des Wehrdienstes in der Zeit vom 29. Mai bis 30. November 1981 und 5. Mai bis 29. Oktober 1982, mithin weitere 12 Monate mit einer Belastung vergleichbar der beim VEB K(= 0,4 MNh in der Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 4. Mai 1981), mit einer Teildosis von 0,96 MNh (0,4 geteilt durch 5 Monate = 0,08 X 12 Monate = 0,96 MNh), so ergeben sich 12, 4 MNh (bzw. 12,5 MNh), also in etwa der Wert, ab dem das BSG in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2007 eine Verursachung einer LWS-Erkrankung für möglich und medizinische Ermittlungen für nötig erachtet hat. Damit liegen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen vor. Diese zu unterstellen, war dem Sachverständigen Dr. in der Beweisanordnung vorgegeben worden. Zur Beurteilung der Frage, ob eine grundsätzlich zur Verursachung einer BK 2108 geeignete Gesamtbelastungsdosis auch im konkreten Einzelfall mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche (Teil-) Ursache der aufgetretenen Lendenwirbelsäulenerkrankung war, wendet der Senat in ständiger Rechtsprechung die Konsensempfehlungen an (vgl. z.B. Urteile vom 20. Januar 2011, L 2 U 622/08, 19. November 2009, L 2 U 154/06 und 9. September 2009, L 2 U 312/08), da diese nach wie vor den aktuellen Stand der herrschenden wissenschaftlichen Meinung zur Verursachung von LWS-Erkrankungen darstellen. Der Kläger leidet nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. W an einem Bandscheibenpro-laps bei L5/S1, während die Protrusion bei L4/5 in Auswertung der Röntgen und MRT-Aufnahmen allenfalls einen Grenzbefund darstellt, so dass der Senat für die Entscheidung einen monosegmentalen Krankheitsbefall der Wirbelsäule des Klägers festzustellen hatte. Dr. W hat seine Auffassung nachvollziehbar aus dem gesamten Akteninhalt heraus begründet. So haben auch Dr. B, Prof. Dr. N und Dr. Eaufgrund des MRT-Befundes vom 5. September 1996 nur einen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 diagnostizieren können. Zwar bestand ein geringfügiger Schaden i.S. einer Protrusion auch bei L4/L5. Von keinem der genannten Ärzte wurde dieser MRT-Befund aber als Prolaps bei L4/L5 bezeichnet. In den Konsensempfehlungen ist aber eine bestimmte Ausprägung eines Bandscheibenschadens vorausgesetzt. Gefordert wird ein Vorfall oder eine Chondrose Grad II oder höher. Ein solcher Schaden liegt auf der Etage L4/L5 gerade nicht vor, so dass von einem monosegmentalen Befund auszugehen war. Hinzuweisen ist darauf, dass auch Prof. Dr. Bdie MRT-Aufnahmen vom 5. September 1996 entspre-chend befundet hat. Er kam letztlich unter Zuhilfenahme von Befunden aus den Jahren 1992 zur Bewertung des Schadens bei L4/L5 als Prolaps. Dies vermochte vor dem Hintergrund der Aussagen der übrigen Sachverständigen, insbesondere des Gerichtsgutachters Dr. W nicht zu überzeugen. Der monosegmentale Befall wird in den B-Konstellationen der Konsensempfehlungen behan-delt. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. N, Dr. E und Prof. Dr. B hat Dr. W das Fehlen konkurrierender Ursachen für die LWS- Erkrankung festgestellt, so dass der Senat dem ohne weiteres folgen konnte. Es besteht weder eine Skoliose, noch eine statische Abweichung noch eine
Instabilität noch eine Kochenmineralisations- oder Stoffwechselstörung. Traumata hat der Kläger nicht erlitten. Eine Begleitspondylose fehlte, so dass der Ursachenzusammenhang nach der Konstellation B 2 zu beurteilen ist, die drei alternative Ergänzungskriterien aufstellt. Das erste Ergänzungskriterium setzt bei einem monosegmentalen Befall ein "black-disc"-Phänomen in mindestens zwei angrenzenden Segmenten voraus. Vorliegend bestand aber neben dem Vorfall bei L5/S1 nur die geringgradige, nach Dr. W noch altersgemäße Protrusion L4/5, so dass diese Voraussetzung nicht gegeben war. Soweit Prof. Dr. Bdieses Ergänzungskriterium bejaht hatte, hatte dies seinen Grund darin, dass er die geringe Protrusion bei L 4/5 anders als Dr.W bereits als Vorfall angesehen hat, ohne seine Auffassung überzeugend zu begründen. In diesem Fall hätte es des "black-disc"-Phänomens nicht bedurft. So weist die MRT- Aufnahme vom 5. September 1996 – darauf ist noch einmal hinzuweisen - nach dem Gutachten des Prof. Dr. N im Verwaltungsverfahren zwar einen Prolaps bei L5/S1, aber nur eine mediale Protrusion bei L4/5 aus und dort gerade keinen Prolaps, nicht einmal eine signifikante kompressorische Wirkung. So hat auch Dr.E nur einen Vorfall bei L5/S1 feststellen können, nicht aber einen Prolaps bei L4/5. Soweit er dort einen geringfügigen Bandscheibenschaden festgestellt hat, ist darauf hinzuweisen, dass nach den
Konsensempfehlungen eine Chondrose mindestens II. Grades oder ein Prolaps vorliegen muss. Es reicht keinesfalls jede geringfügige Schädigung der Bandscheibe. Das zweite und dritte Ergänzungskriterium stellen qualifizierte Anforderungen an die arbeits-technischen Voraussetzungen. Das zweite Ergänzungskriterium ist erfüllt, wenn der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren erreicht wird. Mit dem Richtwert sind 25 MNh entsprechend des MDD in seiner ursprünglichen Fassung vor der Modifikation durch das Urteil des BSG vom 30. Oktober 2007 gemeint. Denn ein Konsens der Fachwissenschaftler im Jahre 2005 konnte sich naturgemäß nur auf die damals im MDD vorausgesetzte Dosis von 25 MNh beziehen. Auch wenn das BSG in der zitierten Entscheidung die Lebensdosis, die in der Lage ist, einen LWS-Schaden zu
verursachen, halbiert hat, ändert dies nichts daran, dass kein Konsens der Fachwissenschaftler darüber vorliegt, ob auch 12, 5 MNh in weniger als 10 Jahren geeignet sind, einen monosegmentalen Schaden i.S. der B2-Konstellation bei ansonsten regelrechter Wirbelsäule zu verursachen. Die hier erforderliche Belastungsdosis von 25 MNh erreicht der Kläger bei weitem nicht. Selbst Prof. Dr. B hatte unter Zugrundelegung seiner nicht akzeptablen und vom Senat im vorangegangenen Berufungsurteil nach Zeugenvernehmung in der Sache widerlegten "Telefonbefragung" zugunsten des Klägers höchstens 20,24 MNh ermittelt. Das dritte Ergänzungskriterium betrifft ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen. Als Anhaltspunkt für eine derartige Belastung kann es angesehen werden, wenn die Hälfte des Tagesdosisrichtwertes von 5,5 x 103 Nh durch hohe Belastungsspitzen erreicht wird. Als hohe Belastungsspitze gilt für Männer der Wert von 6 kN, was das Heben und Tra-gen von Lasten ab etwa 60 kg voraussetzt. Der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 22. Juli 2011 sind die gehobenen und getragenen Gewichte über 60 kg zu entnehmen. Hiergegen hat der Kläger sich nicht mehr gewandt. Damit steht fest, dass er nur in geringem Umfang Lasten über 60 kg getragen hat. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus der in der Tabelle des TAD angegebenen Zeitdauer des Hebe- und Tragevorganges, der jeweils nur wenige Sekunden gedauert hat. Die vom TAD eingestellten Werte sind auch gut vereinbar mit den Zeugenaussagen im vorangegangenen Berufungsverfahren. So hat insbesondere der Zeuge E nur von gelegentlichem, im Tatbestand näher bezeichneten schweren Heben und Tragen gesprochen. Damit steht fest, dass nicht die Hälfte des Tagesdosisrichtwertes durch Heben und Tragen solcher Lasten erreicht wurde. Soweit das BSG eine Mindesttagesdosis im Urteil vom 30. Oktober 2007 für nicht begründbar gehalten hat, gilt im Hinblick auf den hier zu prüfenden Konsens der Fachwissenschaftler für die Bejahung der Voraussetzungen des 3. Ergänzungskriteriums das zur Lebensarbeitsdosis Gesagte entsprechend. Konsens bestand eben über die Gefährdung durch besondere Belastungsspitzen nur im Hinblick auf die im dritten Ergänzungskriterium beschriebene Belastung und über nichts anderes. Soweit der Kläger die Befragung des Prof. Dr. B insoweit beantragt hat, ist nicht ersichtlich, was ein Mediziner zu der Klärung der Frage beitragen könnte, welche Gewichte der Kläger zwischen 1978 und 1992 tatsächlich getragen hat. Derartigen ungeeigneten Beweisanträgen muss der Senat nicht folgen. So ist aus der Stellungnahme der Beklagten vom 22. Juli 2010 zu entnehmen, dass er allenfalls gelegentlich Lasten über 60 kg getragen hat, so z.B. Federn von 70 kg während der Lehre und beim VEB K und Acetylenflaschen beim Vorfertigen von Trep-pengeländern. Prof. Dr. B in seiner Eigenschaft als medizinischer Sachverständiger kann dies weder bestätigen noch widerlegen. Auch den Beweisanregungen im Schriftsatz vom 10. Januar 2012 musste der Senat nicht nach-gehen. Für die Beantwortung der Frage, welche Lasten der Kläger tatsächlich getragen hat, sind weder Mediziner noch Diplom-Ingenieure zu hören. Diese Tatsachenfrage können allenfalls Zeugen beantworten, die im vorangegangenen Berufungsverfahren bereits gehört worden sind.Soweit der Kläger die Zeugenaussagen in Frage stellt, ergibt sich das Problem, das über Jahrzehnte kaum verwertbare Erinnerungen an alltägliche Vorgänge bestehen. Dies belegen auch die Zeugenaussagen im vorangegangenen Berufungsverfahren, die den aktuellen Er-kenntnissen der Aussage- und Vernehmungspsychologie entsprechen. So sind bei der
Bewertung solcher Zeugenaussagen zwangsläufige Minderleistungen des Gedächtnisses zu berücksichtigen (vgl. hierzu Bender/Nack, Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Auflage 2007, Rdnr. 120 ff.). Danach gilt z. B., je länger das wahrgenommene Ereignis zurückliegt, umso mehr wird es vergessen. Wahrnehmungen, die bildlich gesprochen im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, werden nicht vergessen, sie werden vom Gehirn nicht wieder aufgefunden. Während Umfang und Zuverlässigkeit des Erinnerten mit dem Zeitablauf grundsätzlich abnehmen, sieht es mit der subjektiven Gewissheit der Auskunftspersonen, sich vollständig und zuverlässig zu erinnern, oftmals umgekehrt aus (vgl. a.a.O., Rdnr. 131). Diese Erscheinung hängt mit der erhöhten Chance zusammen, dass länger zurückliegende Vorfälle öfter aus der Erinnerung hervorgeholt worden sind, weil die Auskunftspersonen sich mit den abgefragten Vorgängen länger beschäftigen mussten (a.a.O., Rdnr. 132). Wie gut eine Erinnerung tatsächlich ist, hängt auch davon ab, wie tief der Eindruck war, den das Wahrgenommene auf die Auskunftsperson gemacht hat. Für routinemäßige Handlungsabläufe gilt zum Beispiel, dass sie zu alltäglich sind, als dass das Langzeitgedächtnis damit belastet wird. Gerade berufliche Tä-tigkeiten sind angefüllt mit solchen routinehaften Handlungsweisen. Danach muss festgestellt werden, dass es an die einzelnen Routineinformationen und Routinehandlungen keine echte Erinnerung gibt. Der Zeuge wird in solchen Fällen immer nur berichten, wie er sich in solchen Fällen üblicherweise verhalten hat (a.a.O., Rdnr. 149). Auch diese Erkenntnisse der Aussage- und Vernehmungspsychologie sind bei der Feststellung des Gesamtbelastungsumfanges zu beachten. Sie lassen Zeugenaussagen als wenig zuverlässige Erkenntnisquelle erscheinen, so sie denn nicht durch vorliegende Urkunden, schriftliche Erkenntnisse und dergleichen gestützt werden können. Weiterer Aufklärung besonderer Belastungen durch Zeugenbeweise bedurfte es daher nicht. In seinem Kommentar vom 4. März 2007 zu den erhobenen Zeugenbeweisen hat der Kläger selbst eingeräumt, dass diese widersprüchlich seien und eine objektive Rekonstruktion kaum möglich sei. Dies entspricht auch den eben dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Aussage- und Vernehmungspsychologie. Nach alledem hat der Senat keine Bedenken, der Neubewertung der tatsächlichen Belastungen, wie sie die Beklagte in der Stellungnahme vom 22. Juli 2011 vorgenommen hat, im Wesentlichen (zu den zusätzlichen Berücksichtigungen s.o.) zu folgen, mit dem Ergebnis, dass zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen in dem Sinne vorliegen, dass die vom Kläger getragene Gesamtbelastungsdosis ausreichend zur Verursachung einer LWS-Erkrankung war, es im konkreten Einzelfall aber an den arbeitstechnischen Ergänzungskriterien fehlt, die es erlauben würden, eine monosegmentale Erkrankung auf diese im Grundsatz ausreichende Belastung zurückzuführen. Der Berufung war daher - erneut – stattzugeben, ohne dass der Beweisanregung im Termin vom 19. Januar 2012 zu folgen war, ein erneutes medizinisches Sachverständigengutachten zur Klärung der beim Kläger vorliegenden LWS-Erkrankung einzuholen. Angesichts der Vielzahl der eingeholten ärztlichen Expertisen ist nicht im Ansatz dargetan, welche weiterführenden Erkenntnisse von einem weiteren Sachverständigengutachten zu erwarten wären. Außergerichtliche Kosten - auch des Revisionsverfahrens - haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Dies folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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