L 18 AS 2112/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 AS 37604/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2112/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung (EV) ersetzenden Verwaltungsakts des Beklagten.

Die Klägerin steht seit Oktober 2005 im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Mit Bescheid vom 6. Oktober 2010 erließ der Beklagte eine EV für die Zeit vom 6. Oktober 2010 bis 5. April 2011 als Verwaltungsakt; hierauf wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Widerspruch der Klägerin hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2010).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die zuletzt auf gerichtliche Feststellung, der Bescheid vom 6. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2010 sei rechtswidrig gewesen, gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 2011). Zur Begründung ist ausgeführt: Die nach Ablauf des Geltungszeitraums als Fortsetzungsfeststellungsklage iSv § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig fortgeführte Klage sei nicht begründet. Der die EV ersetzende Verwaltungsakt sei rechtmäßig. Der Beklagte habe sich insoweit auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II stützen dürfen. Der Bescheid sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden, sowohl was die der Klägerin auferlegten Bewerbungsbemühungen betreffe als auch die Hinweise zur Erreichbarkeit, zu den Mitteilungspflichten und zu den Fahrt-, Reise- und Bewerbungskosten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf ihre Berufungsbegründung vom 5. November 2011 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 6. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2010 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Behelfsakte des Beklagten, die Akte des SG Berlin - S 82 AS 37604/10 ER - und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage iSv § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG weiter verfolgt, ist nicht begründet. Der eine EV ersetzende Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2010 ist rechtmäßig.

Der Bescheid beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Danach sollen die Regelungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine EV nicht zustande kommt. Dabei darf der Beklagte einen solchen Verwaltungsakt schon dann erlassen, wenn ihm dies als der besser geeignete Weg erscheint. Der Hilfebedürftige hat keinen Anspruch auf Abschluss einer EV oder auf Verhandlungen hierüber (vgl BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 13/09 R = SozR 4-4200 § 15 Nr 1).

Der zulässige Regelungsinhalt des nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ergangenen Bescheides richtet sich damit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II. In den Verwaltungsakt sind sämtliche Regelungen der beabsichtigten EV aufzunehmen, insbesondere die Eingliederungsleistungen, die Eigenbemühungen und deren Nachweis (Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 15 Rdnr. 142). Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll die EV, mit der die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erforderlichen Leistungen vereinbart werden, insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat, und 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat. Die EV soll für sechs Monate geschlossen werden (§ 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Danach soll eine neue EV abgeschlossen werden (§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Bei jeder folgenden EV sind die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 1 Satz 5 SGB II). Grundsätzlich muss eine EV bestimmen, welche der in § 16 SGB II aufgeführten Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält sowie welche Eigenbemühungen in welcher Intensität und Quantität dem Hilfebedürftigen obliegen und in welcher Form er diese Eingliederungsbemühungen nachweisen muss. Ebenso wie die Eigenbemühungen des Hilfebedürftigen zu konkretisieren sind, sind auch die Leistungen, die der Hilfebedürftige nach § 16 SGB II zur Eingliederung vom Träger erhalten soll, möglichst verbindlich und konkret zu bezeichnen.

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid, wie es § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II bestimmt, Regelungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II getroffen. Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe ihr Gestaltungsermessen unzureichend ausgeübt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei § 15 Abs. 1 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handelt, die das Verhalten und Vorgehen der Grundsicherungsträger - Arbeitsagentur und kommunaler Träger - steuern soll; der Grundsicherungsträger trifft insoweit eine nicht justiziable Opportunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wählt, ohne dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige dadurch einen Rechtsverlust erleidet (vgl BSG aaO). Dass der angefochtene Bescheid nicht im Einzelnen darauf eingeht, was die Beklagte bewogen hat, die von der Klägerin beanstandeten Regelungen zu treffen, ist unschädlich. In der Begründung eines Verwaltungsaktes müssen zwar gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt werden, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründungsanforderungen sind aber von Fall zu Fall verschieden und richten sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes und nach den Umständen des Einzelfalles. Es reicht daher auch mit Blick auf § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X aus, wenn der Betroffenen - wie hier der Klägerin, der der Entwurf einer EV vorab ausgehändigt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde - die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben werden, dass sie ihre Rechte sachgemäß verteidigen kann.

Aber auch was den Inhalt der im angefochtenen Verwaltungsakt enthaltenen Regelungen im Einzelnen betrifft, begegnet dieser keinen rechtlichen Bedenken. Vor dem Hintergrund, dass einem Arbeitslosen im Rahmen des § 119 SGB III Eigenbemühungen in Form von zwei Bewerbungen pro Woche auferlegt werden können (vgl BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R - juris), ist insbesondere die Verpflichtung der Klägerin, sich mindestens zehnmal pro Monat zu bewerben, nicht zu beanstanden.

Den im angefochtenen Bescheid getroffenen Regelungen fehlt es im Übrigen auch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit und damit an der notwendigen Verbindlichkeit. Da zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses (ebenso wie zum Zeitpunkt des Abschlusses der EV) die weitere Entwicklung für den geregelten Zeitraum nicht in allen Einzelheiten überblickt werden konnte, ist es regelmäßig ausreichend, die Förderungsmaßnahmen - wie hier - zunächst allgemeiner zu formulieren (Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 15 Rdnr. 54). Die in dem Bescheid vom 6. Oktober 2010 getroffenen Regelungen sind auch im Übrigen im Einzelnen nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die von dem Beklagten verwendete Rechtsfolgenbelehrung. Insoweit wird zur Begründung in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil (S. 4 Absatz 3 Zeile 1 bis S. 7 Absatz 4 letzte Zeile) gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Das SG hat sich dort insbesondere auch eingehend und im Einzelnen mit den mit der Berufungsschrift erneut vorgetragenen Einwendungen befasst. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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