L 22 R 345/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 2490/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 345/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. November 2008.

Der im April 1957 geborene Kläger, der eine abgeschlossene Ausbildung zum Maurer absolvierte, ist seit Dezember 1999 ohne Beschäftigung.

Im November 2008 beantragte der Kläger wegen einer Hörstörung beidseits, einer Erkrankung des Bewegungsapparats, einer Blasenentleerungsstörung und einer altersbedingten Leseschwäche Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen bei und holte das Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H vom 08. Dezember 2008 ein.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Mit den festgestellten Gesundheitsstörungen (chronisch-rezidivierende Rückenschmerzen bei mäßigen bis deutlichen Brustwirbelsäulen betonten spondylitischen Veränderungen mit leichter Bewegungseinschränkung der Rumpfwirbelsäule, mittel- bis hochgradige Hörminderung beidseits durch Hörgeräte nur unzureichend ausgeglichen, chronisch-rezidivierende Schulter-Nacken-Beschwerden, chronisch-rezidivierende linksseitige Sehnenscheidenentzündungen ohne aktuelle Auffälligkeiten, verstärkter Harndrang und Harnentleerungsstörung) könne zwar nicht mehr der erlernte Beruf als Maurer ausgeübt werden. Es könne jedoch eine Tätigkeit/Beschäftigung, die unter Berücksichtigung des bisherigen Berufes zumutbar sei, im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichtet werden.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem geltend gemacht wurde, aufgrund diverser Krankheiten keine Tätigkeit mehr ausüben zu können, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 zurück: Mit den festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen könnten noch mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend in allen Haltungsarten ohne häufiges Bücken, häufiges Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und besondere Anforderungen an das Hörvermögen verrichtet werden. Damit sei der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, seine bisherige Tätigkeit als Maurer auszuüben. Als Facharbeiter seien ihm jedoch die Tätigkeit eines Hausmeisters in modernen Wohn- und Büroanlagen zumutbar.

Dagegen hat der Kläger am 20. Mai 2009 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.

Er ist der Ansicht gewesen, seine Erkrankung sei nicht als leicht- und geringgradig zu bewerten. Dies gelte insbesondere für das Rückenleiden, die Schulternackenbeschwerden und die rezidivierenden linksseitigen Sehnenscheidenentzündungen. Auch als Hausmeister könne er nicht tätig sein. Er begehre Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger hat verschiedene ärztliche Unterlagen beigefügt.

Das Sozialgericht hat das Arbeitsagenturgutachten der Dr. Z vom 15. März 2007 beigezogen sowie die Befundberichte des Facharztes für Urologie Dr. S vom 11. Oktober 2009, der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) Dr. Z vom 14. Oktober 2009, des Augenarztes Dr. V vom 24. Oktober 2009 und des Dr. K vom 14. Oktober 2009 eingeholt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beurteilung des Arbeitsagenturgutachtens sei heute nicht mehr zutreffend. Er leide weiterhin an Harndrang. Sein Augenleiden sei schlechter geworden. Er sei auch zu 50 v. H. schwerbehindert und müsse daher nicht jede Arbeitstätigkeit annehmen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B vom 30. September 2010.

Der Kläger hat gemeint, der Sachverständige verharmlose und bagatellisiere seine Erkrankungen. Seine urologischen Beschwerden seien nicht besser geworden. Es liege sehr wohl ein Ganglion vor. Bei Regen und Schnee könne er keine Hörgeräte tragen. Die Bewertung des Leistungsvermögens sei nicht nachvollziehbar. Nach Aussagen des Jobcenters sei er nicht mehr vermittelbar. Als Hausmeister könne er nicht tätig sein, insbesondere weil er nicht kontaktfähig sei und keinen Führerschein habe.

Die Beklagte hat sich wegen der Verweisungstätigkeit eines Hausmeisters auf die beigefügt gewesene berufskundliche Aussage im Gutachten des R K vom 21. Februar 2002 bezogen.

Der Kläger hat, nachdem er erklärte, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit nicht haben zu wollen, beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01. November 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen.

Mit Urteil vom 01. März 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger sei nicht voll erwerbsgemindert, denn er könne noch mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B, in welchem sogar ein vollschichtiges Leistungsvermögen (also für 8 Stunden täglich) für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten (mit weiteren qualitativen Einschränkungen) bescheinigt werde.

Gegen das ihm am 09. März 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 01. April 2011 eingelegte Berufung des Klägers.

Er trägt vor, im Urteil sei nicht festgestellt, dass er noch bis zu 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Somit könne er nur bis zu 3 Stunden täglich erwerbstätig sein. Dies bedeute, dass er bei vorliegender Arbeitslosigkeit wegen eines verschlossenen Arbeitsmarktes eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bekommen könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. November 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Befundberichte des Facharztes für Urologie Dr. S vom 27. Dezember 2011 und 22. Januar 2012, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H vom 09. Januar 2012 und der Fachärztin für HNO Dr. Z vom 19. Januar 2012 eingeholt, Auszüge aus den Berufsinformationskarten (BIK) zu Pförtner (BO 793) und Versandfertigmacher (BO 522) sowie Kopien der berufskundlichen Stellungnahmen des M L vom 14. Februar 2000 und vom 13. Oktober 2008 zum Pförtner und vom 01./24. November 2002, 14. Januar 2005 und 13. Oktober 2008 zum Versandfertigmacher beigezogen sowie den Sachverständigen Dr. B ergänzend gehört (Stellungnahme vom 12. April 2012).

Der Kläger meint, entgegen Dr. S sei keine Änderung seines urologischen Leidens eingetreten. Dieser Arzt habe am 11. Mai 2012 bei ihm ein Unterleibsgeschwür operiert. Im Übrigen werde ignoriert, dass sein Leistungsvermögen unter 6 Stunden täglich liege.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u. a. auf Blatt 212 bis 235 und 463 bis 466 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, denn sein Leistungsvermögen ist nicht in rentenrechtlich erheblicher Weise herabgesunken.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und weitere beitragsbezogene - Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbtätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger ist hiernach nicht voll erwerbsgemindert, denn er kann mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein, was aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B nebst ergänzender Stellungnahme folgt. Bei einem solchen Leistungsvermögen kommt es, wie es das Gesetz ausdrücklich anordnet, nicht auf die jeweilige Arbeitsmarktlage an.

Nach dem Sachverständigen Dr. B bestehen degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit muskulären Verspannungen ohne Funktionseinbuße, eine Blasenentleerungsstörung mit leichter Restharnbildung und Harninkontinenz I, die sich zwischenzeitlich zurückgebildet hat, eine beiderseitige Innenohrschwerhörigkeit, die mit Hörgeräten auf Alltagsniveau mäßig ausgeglichen ist, Restbeschwerden bei Handgelenksganglion links, eine beginnende diabetische Stoffwechsellage (Diabetes mellitus) mit zwischenzeitlich eingetretener diabetischer Polyneuropathie sowie ein labiler Hypertonus.

Dies ist unzweifelhaft, denn die Befundberichte und Gutachten anderer Ärzte stimmen hiermit im Wesentlichen überein. Es handelt sich um dieselben Gesundheitsstörungen, auch wenn diese dort teilweise anders bezeichnet werden.

Eine Prostatahyperplasie (vgl. Bericht des Facharztes für Urologie Dr. S vom 11. Oktober 2009) hat der Sachverständige Dr. B als Ergebnis einer von ihm durchgeführten Sonografie zwar ebenfalls feststellen können. Sie stellt sich mangels Anhebung des Blasenbodens als nicht wesentlich dar. Dieses Leiden ist mithin ohne rentenrechtliche Relevanz, zumal auch der Facharzt für Urologie Dr. S keine daraus resultierenden Funktionsstörungen beschrieben hat.

Dasselbe trifft auf die im Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H vom 08. Dezember 2008 aufgeführten linksseitigen Sehnenscheidenentzündungen zu. Weder in diesem Gutachten noch in den vorliegenden ärztlichen Berichten den streitigen Zeitraum betreffend werden entsprechende Befunde bzw. Funktionsstörungen genannt.

Wenn der Sachverständige Dr. B infolge der vorhandenen Gesundheitsstörungen die Schlussfolgerung gezogen hat, der Kläger könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten und einfache geistige Arbeiten im nur gelegentlichen Wechsel der Haltungsarten auch unter mäßigem Zeitdruck, jedoch ohne Arbeiten mit längeren Zwangshaltungen, mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg bis gelegentlich über 20 kg, mit häufigem Bücken, mehr als gelegentlich auf Leitern oder Gerüsten und mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen, insbesondere mit häufigem Telefonieren, bei Erreichbarkeit einer Toilette in Arbeitsplatznähe verrichten, ist dies einleuchtend.

Am Bewegungsapparat sind weder altersüberschreitende Verschleißzeichen noch Funktionseinbußen nachweislich gewesen. Die Wirbelsäule hat eine dezente dorsolumbale Skoliose aufgewiesen. Bei der Untersuchung sind die Schulter-Nacken-Muskulatur und die Rückenstrecker etwas verspannt und druckempfindlich gewesen. Bei Ablenkung bzw. geänderter Untersuchungstechnik sind jedoch selbst kräftige Palpationen überhaupt nicht registriert worden. Die Halswirbelsäule ist altersentsprechend normal beweglich gewesen, wobei lediglich in den Endgraden Muskeldehnungsschmerzen geäußert worden sind. Die Funktionsprüfungen der Brust- und Lendenwirbelsäule haben ebenfalls normale und selbst endgradig beschwerdefreie Bewegungsausmaße offenbart. Der Fingerbodenabstand hat im Stehen 30 cm und beim Aufsitzen 24 cm betragen. Ein altersüberschreitender Verschleiß ist radiologisch nicht belegt. Nach dem vom Sachverständigen berücksichtigten Bericht des Radiologen H vom 13. Februar 2008 über eine Magnetresonanztomografie der Halswirbelsäule zeigten sich lediglich beginnende Spondylarthrosen und diskrete Forameneinengungen. Die Röntgenuntersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule ergab nach dem ebenfalls herangezogenen Bericht des Radiologen Dr. H vom 16. März 2008 eine ausgeprägte Spondylose der Brustwirbelsäule im kaudalen Anteil ohne Funktionseinbußen. Nach Ablegen der vom Kläger getragenen Handgelenksbandage links haben sich normale Verhältnisse gefunden. Die Beweglichkeit des linken Handgelenks ist zwar im Seitenvergleich bezüglich der Palmarflexion um 10 Grad gemindert, jedoch mit 50/0/50 praktisch normal gewesen. Nach seinen gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben trage der Kläger diese Bandage seit ca. einem Jahr wegen eines Ganglions am linken Handgelenk, das zeitweise sehr druckempfindlich gewesen, aber vor ca. 3 Wochen plötzlich verschwunden sei. Bei gleichfalls unauffälligem Befund des Handgelenks links teilte der Kläger nach dem Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H vom 08. Dezember 2008 mit, diese Bandage prophylaktisch bezüglich einer Sehnenscheidenentzündung am linken Handgelenk ständig zu tragen. Dem Befundbericht des Dr. Kvom 14. Oktober 2009 lässt sich bezogen auf den streitigen Zeitraum einmalig für den 12. Mai 2009 eine deutliche ca. hühnereigroße prall elastische Schwellung links distal an der ulnaren Handkante, die gut verschieblich sei, ohne Bewegungseinschränkungen entnehmen. Der diesem Befundbericht beigefügt gewesene Bericht des Radiologen Dr. W vom 20. Juli 2009 über eine Magnetresonanztomografie des Handgelenks links benennt einen tastbaren prall elastischen Prozess in Höhe des linken Handgelenks ulnar, welcher einen mehrfach gekammerten Ganglion entspricht. Das zeitweise Bestehen einer Gesundheitsstörung, auch wenn dadurch die Erwerbsfähigkeit vorübergehend beeinflusst wird, begründet noch keine Minderung des Leistungsvermögens im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Erwerbsfähigkeit muss vielmehr nicht nur vorübergehend worunter ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten verstanden wird herabgesunken sein (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 670 f. VI; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB VI, gesetzliche Rentenversicherung, Kommentar, 60. Ergänzungslieferung, K § 43 Rdnr. 22, K § 44 Rdnr. 15; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 16), so dass kurzzeitige Erkrankungen außer Betracht zu bleiben haben. Diese bedingen allenfalls Arbeitsunfähigkeit. Im Bereich der unteren Extremitäten hat der Sachverständige an der linken Schienbeinkante mehrere hyperpigmentierte oberflächliche Hautnarben, am Kniegelenk links reizlose arthroskopische Inzisionsnarben und einen mäßigen Senk-/Spreizfuß beidseits vorgefunden.

Die vom Sachverständigen durchgeführte Sonografie des Abdomens hat ein mäßig verdichtetes Binnenecho der Leber und eine nach Miktio mit ca. 50 ml Restharn gefüllte Harnblase offenbart, was einer leichteren Fettleber und einer geringgradigen Restharnbildung entspricht. Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger angegeben, dass sich die Blasenentleerungsstörung durch das verordnete Medikament Tamsulosin etwas gebessert habe; verblieben sei zwar ein leichteres Nachträufeln. Ein gehäufter Harndrang oder dysurische Beschwerden bestünden aber nicht mehr. Dies wird durch die Befundberichte des Facharztes für Urologie Dr. S vom 27. Dezember 2011 und 22. Januar 2012 bestätigt. Dieser Arzt weist ausdrücklich auf eine Besserung der Pollakisurie, Nykturie und Dysurie hin. Die von ihm durchgeführten Sonografien belegen für den 04. Februar 2010 einen Restharn von nur 27 ml und für den 05. Mai 2011 keinen Restharn. Unter Berücksichtigung der weiteren für letztgenannten Zeitpunkt im Befundbericht genannten unauffälligen Befunden hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2012 somit folgerichtig bei einem kompletten Normalbefund auf eine zwischenzeitlich nicht mehr nachweisliche Blasenentleerungsstörung geschlossen. Er hat allerdings darauf hingewiesen, dass unter der wahrscheinlichen Annahme eines fortbestehend erhöhten Harndranges (Pollakisurie) unverändert eine in Arbeitsnähe erreichbare Toilette zu fordern ist.

Bei der Untersuchung hat der Kläger beidseits Hörgeräte getragen. Mit diesen ist eine Unterhaltung in etwas betonter Umgangssprache problemlos mit nur gelegentlichem Nachfragen möglich gewesen. Auf größere Distanz (über 4 m bzw. ohne Sichtkontakt) haben die Verständigungsschwierigkeiten aber deutlich zugenommen. Der Kläger hat zudem angegeben, dass Probleme vor allem beim Telefonieren wegen der Rückkopplung bestünden. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 12. April 2012 erschließt sich eine Verschlechterung des Hörvermögens aus dem Befundbericht der Fachärztin für HNO Dr. Z vom 19. Januar 2012 nicht. Die diesem Befundbericht beigefügte Audiometrie vom 10. Mai 2011 ist nach seiner Beurteilung praktisch mit dem Kurvenverlauf in der Hörtestung vom 15. Juni 2007 identisch. Eine objektive Befundänderung wird im Übrigen auch im Befundbericht der Fachärztin für HNO Dr. Z vom 19. Januar 2012 nicht mitgeteilt.

Ansonsten hat der Sachverständige einen zu Beginn der Untersuchung mit 165/105 mmHg ungewöhnlich hohen Blutdruck gemessen, der jedoch bei einer späteren Nachmessung mit 130/80 mmHg weitgehend normalisiert gewesen ist. Die zur Sicherheit durchgeführte Ergometrie ist unauffällig gewesen, so dass der Sachverständige den erhöhten Blutdruck als wahrscheinlich situativ bedingt eingeordnet hat. Angesichts des Fehlens eines benannten Blutdruckleidens in den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ist dies gerechtfertigt. Im Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H vom 09. Januar 2012 ist zudem gleichfalls ein Blutdruck von 130/85 mmHg erwähnt.

Daneben hat die Laboruntersuchung für eine beginnende diabetische Stoffwechsellage (Diabetes mellitus) relevante erhöhte Werte aufgedeckt, nämlich Blutzucker 174 mg/dl (Norm 55 bis 100 mg/dl), HbA-1 c 7,3 Prozent (Norm ( 6,5 Prozent), und HbA-1 c (IFCC Standard) 53,0 mmol/mol (Norm ( 47,5 mmol/mol). Diese Laborwerte bedeuten, dass der Blutzucker (postprandial) grenzwertig erhöht ist, wobei der erhöhte HbA 1 c-Wert ebenfalls für eine Glucoseverwertungsstörung spricht. Diabetische Komplikationen haben sich bei der Untersuchung durch den Sachverständigen noch nicht gezeigt. Solche lassen sich nach dem Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H vom 09. Januar 2012 nunmehr jedoch feststellen. Sie zeigen sich in einer diabetischen Polyneuropathie in Form von Parästhesien beider Füße in Ruhe. Es handelt sich dabei nach der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 12. April 2012 um eine leichte, rein sensorische Schädigung der Beinnerven, wobei die dokumentierten Stoffwechselparameter eine kontinuierliche Verbesserung belegen (11. Mai 2011: Nüchternblutzucker 175 mg/dl, HbA 1 c 8,4 Prozent; 23. August 2011 Nüchternblutzucker 89 mg/dl, HbA 1 c 6,2 Prozent, 23. November 2011 Nüchternblutzucker 73 mg/dl, HbA 1 c 5,9 Prozent). Wenn der Sachverständige angesichts dessen auch insoweit keine bedeutsame Befundänderung hat erblicken können, die eine andere Bewertung des Leistungsvermögens begründet, ist dies nachvollziehbar.

Das vom Kläger vorgetragene Geschwür des Unterleibs, das vom Facharzt für Urologie Dr. Sam 11. Mai 2012 operativ behandelt worden sei, bestand nach den Befundberichten dieses Arztes vom 27. Dezember 2011 und 22. Januar 2012 seinerzeit noch nicht. Als lediglich vorübergehendes Leiden kommt ihm somit, wie bereits ausgeführt, keine rentenrechtliche Relevanz zu.

Die aufgezeigten Befunde machen deutlich, dass allenfalls stärkere und dauerhaft einseitige Belastungen vermieden werden müssen. Das beeinträchtigte Hörvermögen schließt Arbeiten mit besonderen Anforderungen daran aus. Dem Blasenleiden muss mit dem Erfordernis einer Toilette in Arbeitsplatznähe genügt werden. Die vom Sachverständigen Dr. B genannten Leistungseinschränkungen tragen mithin dem Gesundheitszustand des Klägers hinreichend Rechnung.

Wenn eine Tätigkeit den dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen gerecht wird, ist, ohne dass zusätzliche Befunde oder Gesichtspunkte hinzutreten, zugleich ein Leistungsvermögen von 8 Stunden täglich und somit auch von mindestens 6 Stunden täglich folgerichtig, wie dies der Sachverständige Dr. B insoweit in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. H vom 08. Dezember 2008 angenommen hat.

Ob der Kläger wegen des beeinträchtigten Hörvermögens und der von ihm vorgetragenen Rückkopplungsproblemen beim Telefonieren als Pförtner arbeiten kann, kann dahinstehen. Er kommt jedenfalls noch für die Tätigkeit eines Versandfertigmachers in Betracht. Der allgemeine Arbeitsmarkt ist ihm daher nicht verschlossen.

Die Arbeitsbedingungen eines Versandfertigmachers sind in der BIK BO 522 beschrieben unter anderem als körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit (zeitweise schweres Heben und Tragen) überwiegend in geschlossenen Räumen und Hallen, zum Teil im Freien, Arbeit in wechselnder Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen, zum Teil Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken, Knien und vornüber geneigte Haltung, zum Teil Arbeit auf Leitern und Gerüsten. Allerdings bedeutet diese Beschreibung nicht notwendigerweise, dass dieses Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze eines Versandfertigmachers einschlägig ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese Tätigkeit in verschiedenen Branchen und mit unterschiedlichen Produkten ausgeführt wird. Wenn demzufolge in den berufskundlichen Stellungnahmen des M L vom 01. November 2002 und 24. November 2002 dargestellt ist, dass es insoweit auch eine nennenswerte Zahl von, also nicht weniger als 300, Arbeitsplätzen gibt, die körperlich leicht sind und in geschlossenen Räumen im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden, bei denen wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen nicht eingenommen werden müssen, monotone oder repetitive Arbeitshaltungen sich nicht ergeben, die Aufgaben nicht durch fremdbestimmtes Arbeitstempo geprägt sind, nicht unter akkordähnlichen Bedingungen verrichtet werden, keine besonderen Anforderungen an die Kraft oder die Ausdauer der Hände gestellt werden, insbesondere keine Fein- oder Präzisionsarbeiten erfordern, Reiben, Schieben, Drehen, Ziehen oder Drücken nicht verlangt werden, weder Anforderungen an das Hörvermögen noch an die Stimme gestellt werden, eine durchschnittliche Sehfähigkeit genügt und bei denen geistig einfache Routinearbeiten weder besondere Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit, das Reaktionsvermögen, die Aufmerksamkeit, die Übersicht, die Verantwortung oder die Zuverlässigkeit stellen, ist dies nachvollziehbar.

Betrachtet man das Leistungsvermögen jener Klägerin, das der berufskundlichen Aussage des M L vom 01. November 2002 und 24. November 2002 zugrunde gelegen hatte, mit demjenigen des hiesigen Klägers, wird deutlich, dass als Versandfertigmacher, wie auch in jener berufskundlichen Aussage angenommen wurde, gearbeitet werden kann. Das ermittelte Leistungsvermögen jener Klägerin war wie folgt beschränkt auf körperlich leichte Arbeiten, geistig einfache Arbeiten, im Wechsel der Haltungsarten, kein ausschließliches Stehen oder Sitzen, unter Witterungsschutz, ohne monotone oder repetitive Arbeitshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne anhaltende Rumpfbeugehaltung, ohne anhaltendes Knien, Hocken und Bücken, ohne dauerhafte Überkopfarbeiten, ohne Leiter- und Gerüstarbeit und ohne besonderen Zeitdruck wie etwa Akkord- oder Fließbandarbeit. Dies zeigt, dass der Kläger in seinem Leistungsvermögen nicht stärker eingeschränkt ist als jene Klägerin, die in den berufskundlichen Aussagen vom 01. November 2002 und 24. November 2002 zu beurteilen war.

In der berufskundlichen Stellungnahme des M L vom 14. Januar 2005 wird an der Darstellung vom 01./24. November 2002, die im Einzelnen wiederholt wird, festgehalten und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich seither bezüglich des Berufes eines Versandfertigmachers keine nachhaltigen Veränderungen ergeben hätten. Wird das Leistungsvermögen jenes Klägers, das Grundlage der berufskundlichen Stellungnahme vom 14. Januar 2005 war, mit dem vorliegenden Leistungsvermögen verglichen, ist zwar festzustellen, dass jener Kläger teilweise in seinem Leistungsvermögen nicht so deutlich eingeschränkt war. Jener Kläger konnte körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten und geistig einfache Arbeiten (ohne hohe Anforderungen an das Intelligenzniveau) mit nur geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein in freien und in geschlossenen Räumen, jedoch ohne Arbeit unter besonderem Zeitdruck, wie z. B. Akkordarbeit, ohne Kontakt mit hautreizenden Stoffen und mit grober Verschmutzung und ohne Feuchtarbeit verrichten. Dieses Leistungsvermögen steht ebenfalls einer Tätigkeit eines Versandfertigmachers nach der berufskundlichen Stellungnahme des M L vom 14. Januar 2005 nicht entgegen. Im Übrigen folgt daraus jedoch nichts Neues, denn dass sich das Belastungsprofil eines Versandfertigmachers in körperlicher oder geistiger Hinsicht zwischenzeitlich verändert haben könnte, insbesondere stärkere oder höhere Anforderungen gestellt werden, wird in dieser neuen berufskundlichen Stellungnahme gerade verneint.

Der weiteren berufskundlichen Stellungnahme des M L vom 13. Oktober 2008 ist ebenfalls nichts Abweichendes gegenüber seinen früheren berufskundlichen Stellungnahmen zu entnehmen, so dass diese weiterhin Bestand haben.

Die bei dem Kläger bestehenden Leistungseinschränkungen lassen sich mit dem Belastungsprofil eines Versandfertigmachers in Einklang bringen. Wenn der Sachverständige Dr. B somit in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2012 zu der Einschätzung gelangt ist, der Kläger könne diesen Beruf noch 8 Stunden und damit auch mindestens 6 Stunden täglich ausüben, ist dies, weil er das berufskundliche Anforderungsprofil nicht verkannt hat, schlüssig und bewegt sich im Rahmen des einem Arzt einzuräumenden Beurteilungsspielraumes, so dass sich der Senat seine Bewertung zu eigen macht.

Bei einem Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich ist Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu gewähren. Dabei ist entgegen der Ansicht des Klägers die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, wie § 43 Abs. 3 SGB VI ausdrücklich bestimmt, so dass es unerheblich ist, dass der Kläger arbeitslos ist.

Ob der Kläger einen Arbeitgeber findet, der ihn für eine entsprechende Tätigkeit einstellt, ist für den Rentenanspruch nicht von Bedeutung. Diese Frage betrifft allein die Vermittelbarkeit. Das Risiko eines Versicherten, der eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, einen entsprechenden Arbeitsplatz auch zu erhalten, fällt grundsätzlich in den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Dies folgt aus § 43 Abs. 3 2. Halbsatz SGB VI, der ausdrücklich bestimmt, dass bei einem Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Das Sozialgericht hat dem Grunde nach bereits darauf hingewiesen. Soweit es sich dazu auf das Urteil des BSG vom 27. Mai 1977 – 5 RJ 28/76 bezogen hat, wonach die Rechtsprechung generell davon ausgegangen ist, dass es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt und der Arbeitsmarkt für Versicherte somit offen ist, trifft dies auch heute noch zu, auch wenn diese Rechtsprechung zur Rechtslage ergangen ist, die vor dem am 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM-Reformgesetz) vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1827) bestand. Mit dem EM-Reformgesetz hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung zu Lasten der Versicherten sogar auf ein Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich ausgedehnt, wie die bereits erwähnte Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zeigt.

Schließlich ist, wie bei jedem anderen Arbeitsplatz, auch am Arbeitsplatz des Versandfertigmachers Toilettennähe gesetzlich gewährleistet. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Verordnung über Arbeitsstätten vom 12. August 2004 (BGBl 2004, 2179) hat der Arbeitgeber Toilettenräume bereitzustellen. Nach Ziffer 4.1 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 1 Verordnung über Arbeitsstätten müssen sich die Toilettenräume sowohl in der Nähe der Arbeitsplätze als auch in der Nähe von Pausen- und Bereitschaftsräumen, Wasch- und Umkleideräumen befinden.

Die Auffassung des Klägers, er müsse nicht jede Arbeitstätigkeit annehmen, weil er zu 50 v. H. schwerbehindert sei, findet im Gesetz keine Stütze. Es gibt keine Vorschrift, die dies vorsieht und anordnet, dass dem Kläger in einem solchen Fall Rente zusteht.

Der Grad der Behinderung (GdB) ist auch im Übrigen nicht maßgebend. Die Festsetzung des GdB nach dem SGB IX bzw. dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) erfolgt nach anderen Maßstäben als denen in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der GdB ist dort das Maß für behinderungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen, die von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und sich in verschiedenen Lebensbereichen, also nicht nur im Erwerbsleben, auswirken. In Ziffer 20 Abs. 3 der insoweit maßgebenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2005" wird dem gemäß ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erwerbsunfähigkeit (und damit auch die Berufsunfähigkeit) bzw. die Erwerbsminderung (teilweise oder voll) in der gesetzlichen Rentenversicherung vom GdB unabhängig ist. Dies schließt Rückschlüsse aus einem bestimmten GdB auf eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung aus. Auch darauf hat das Sozialgericht bereits hingewiesen.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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