L 1 KR 110/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 1693/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 110/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Krankengeldanspruch für den Zeitraum vom 27. Januar 2007 bis zum 22. Dezember 2007.

Der 1962 geborene Kläger ist gelernter Baufacharbeiter für Tiefbau. Im Jahr 1996 wurde er arbeitslos. 2001 erfolgte eine Umschulung zum IT-Kaufmann, die der Kläger aber wegen Erkrankungen abbrechen musste. Der Kläger hat ferner die Fußballtrainer-Lizenz sowie die Vereinsmanager A-Lizenz erworben. Er ließ sich dann später bis zum 19. Juni 2006 erfolgreich zum Sport- und Fitnesskaufmann umschulen. Er war bis dahin bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Auch seine Ehefrau war und ist gesetzlich krankenversichert.

Der Kläger bezog anschließend bis zum 19. September 2006 Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg.

Ab 20. September 2006 zahlte ihm die Beklagte Krankengeld. Die dem zu Grunde liegende Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung des behandelnden Arztes Dr. G weist die Diagnose M 54.5 (Radikolopathie/Reizung der Nervenwurzeln) aus. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsunfähigkeit längstens bis 1. Januar 2007 medizinisch begründet sei. Die Beklagte beschied dem Kläger mit Bescheid vom 24. Dezember 2006 dementsprechend, dass der Anspruch auf Krankengeld spätestens mit dem 1. Januar 2007 ende. Mit Faxschreiben vom 2. Januar 2007 erhob der Kläger Widerspruch. Wie er erst jetzt erfahren habe, leide er an einer chronischen Entzündung der unteren Wirbelkörper. Durch eine Spritzentherapie des Dr. R sei endlich ein Rückgang der akuten Schmerzen erzielt worden. Die Therapie solle mit Tabletten fortgesetzt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre jedoch jede Beanspruchung kontraproduktiv. Auf Veranlassung des Beklagten fand daraufhin am 25. Januar 2007 eine Untersuchung des Klägers durch den MDK statt. Dessen Gutachter G diagnostizierte (ebenfalls) ein chronisches Lumbalsymptom bei CT-gesicherter Protrusion L3/L4 und L4/L5 sowie geringer Spondylarthrose L3 - S1. Hinsichtlich der Lendenwirbelsäule liege eine leichtgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung vor. Zur Zeit bestehe kein Hinweis auf einen akuten Wurzelreiz oder ein Kompressionssyndrom. Die orientierende neurologische Untersuchung sei unauffällig verlaufen. Insgesamt bestehe aus orthopädischer Sicht eine ausreichend gute Stabilisierung für eine leichte Tätigkeit. Von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 26. Januar 2007 sei auszugehen. Der Kläger stehe danach dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von schwerem Heben und von Zwangspositionen im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen zur Verfügung. Mit Teilabhilfebescheid vom 2. Februar 2007 setze die Beklagte das Ende des Anspruches auf Krankengeld auf den 26. Januar 2007 fest. Sie veranlasste in der Folgezeit eine neuerliche Beurteilung durch den MDK. Die Gutachterin Dr. H führte im Gutachten vom 12. März 2007 aus, die erhobenen Befunde ergäben plausibel eine ausreichende Belastbarkeit für eine leichte körperliche Tätigkeit, auch wenn mit Sicherheit ein behandlungsbedürftiges chronisches Wirbelsäulenleiden vorliege.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gutachten des MDK zurück. Sie führt den Kläger seit 27. Januar 2007 als familienversichert. Arbeitslosengeld oder eine Sozialleistung bezog der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht.

Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Er hat auf zwischenzeitlich erhobene MRT- und CT-Befunde verwiesen. Sein Rückenleiden sei durch eine Osteochondrose verursacht. Eine konservative Behandlung in der Park-Klinik Weißensee vom 31. Juli 2007 bis zum 3. August 2007 habe keine wesentliche Besserung herbeigeführt. Er habe sich deshalb vom 1. Oktober bis zum 12. Oktober 2007 erneut in stationärer Behandlung begeben müssen und sei erfolgreich operiert worden.

Seit 1. August 2009 ist er als s L im F B tätig.

Das SG hat die auf Verurteilung zur Zahlung von Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 27. Januar 2007 bis zum 22. Dezember 2007 unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 2. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007 gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2010 abgewiesen. Zur Überzeugung des Gerichts hätten jedenfalls die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld ab dem 27. Januar 2007 nicht mehr vorgelegen, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache. Arbeitsunfähigkeit liege vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten könne. Die Beweislast für das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit treffe auch beim Vorliegen einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den Versicherten. Maßstab für die Beurteilung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines aufgrund Arbeitslosigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Versicherten seien alle Beschäftigungen, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar seien. In der Gesamtschau der Ermittlungen sei der Kläger hier in der Lage gewesen, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers. Sein Behandler Dr. G habe ihm bis 30. April 2007 ausdrücklich bescheinigt, arbeitsunfähig zu sein. Auch vom 1. Oktober 2007 bis mindestens 5. Dezember 2007 wurde dem Kläger ärztlicherseits Arbeitsunfähigkeit attestiert. Das MDK-Gutachten G sei ihm hingegen bis zur Entscheidung des SG nicht bekannt gewesen.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und den Facharzt für Allgemeinmedizin/Facharzt für physikalische und rehabilitive Medizin Dr. S mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt.

Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten vom 20. September 2011 für den Zeitraum 27. Januar 2007 bis 22. Dezember 2007 ein Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorwölbungen zwischen dem 4./5. und 5 Lendenwirbel/ 1 Kreuzbeinwirbel, eine Instabilität im Bereich der Lendenwirbelsäule zwischen dem 4./5. Lendenwirbel, dem 5. Lendenwirbel/1. Kreuzbandwirbel mit Operationspflichtigkeit bei Schmerzexazerbation ab dem 1. Juli 2007, eine operative Intervention mit Versteifen der Lendenwirbelsäule am 2. Oktober 2007 sowie Schultergelenkfunktionsstörungen. Die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleiden sei in dem genannten Zeitraum krankheitsbedingt eingeschränkt gewesen. Er sei in dieser Zeit nur in der Lage gewesen, körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten. Dabei habe ihm die Möglichkeit gegeben sein müssen, nach einer Arbeitszeit von ca. 30 Minuten wechselnde Körperhaltungen einzunehmen. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, Arbeiten mit Tragen und Heben von Lasten über 5 kg, Arbeiten im Freien mit Einwirkungen von Nässe und Kälte, Arbeiten unter Einwirkungen von Zugluft und Temperaturwechseln, Arbeiten in Zwangshaltungen, Arbeiten in regelmäßig oder ausschließlich gebückter oder in hockender Stellung auszuüben. Er habe während des gesamten Zeitraumes nicht als Baufacharbeiter arbeiten können. Als IT-Kaufmann und als Sport- und Fitness-Kaufmann, sei der Kläger aus Sicht der Sachverständigen zur Arbeit bis zum 30. Juni 2007 fähig gewesen. Er sei -unter Berücksichtigung des negativen Leistungsbildes- im Zeitraum vom 27. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 vollschichtig einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verrichten in der Lage gewesen. Aus Sicht der Sachverständigen wäre eine Tätigkeit als Pförtner, als Bürohilfskraft, als Bürobote, als Mitarbeiter einer Poststelle oder ähnliches möglich gewesen.

Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe ihm ein Krankengeldanspruch für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 22. Dezember 2007 zu. Es solle die Gesundheit des Menschen im Vordergrund stehen und nicht die wirtschaftlichen Interessen einer Krankenkasse.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 2. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 27. Januar 2007 bis zum 22. Dezember 2007 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen. Soweit der Kläger meint, im Vordergrund müsse die Gesundheit stehen, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich beim Krankengeld um einen Lohnersatz handelt, dessen Voraussetzungen im einzelnen vom Gesetz geregelt sind, ohne dass der Krankenkasse ein Ermessen eingeräumt wäre.

Das vom Senat eingereichte Sachverständigengutachten hat die gutachterliche Einschätzung des MDK, welcher sich auch das SG zu Eigen gemacht hat, bestätigt. Der Kläger war in der Zeit ab 27. Januar 2007 in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuführen. Da ihm an diesem Tag kein Krankengeldanspruch zustand, weil eine anderweitige Pflichtversicherung mit Krankengeldanspruch ab 27. Januar 2007 nicht bestanden hat -insbesondere bezog der Kläger kein Arbeitslosengeld mehr-, endete die bis dahin nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG fortgesetzte Versicherung als Bezieher von Krankengeld bzw. in der Zeit zuvor als Bezieher von Übergangsgeld. Auf eine spätere Arbeitsunfähigkeit kann sich der Kläger deshalb nicht mit Erfolg berufen.
Rechtskraft
Aus
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