Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 47/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 73/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. November 2008 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. November 2008 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger, der als Chirurg an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teilnahm, zu Recht Leistungen nach den Gebührenziffern 216 und 461 des bis zum Quartal I/05 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechnet hat.
Die Leistungslegenden dieser beiden Abrechnungsziffern lauten:
216 Fixierender Verband des Rumpfes unter Verwendung unelastischer, nicht weiter verwendbarer, erstarrender Materialien, ggf. mit Einschluß großer Gelenke.
462 Plexusanästhesie (Plexus zervikalis, brachialis, axillaris, lumbalis, lumbosakralis) oder Spinal- oder Periduralanästhesie (auch kaudal), einzeitig oder mittels Katheter, ggf. einschl. Kontrolle der Katheterlage durch Injektion eines Lokalanästhetikums oder intravenöse regionale Anästhesie einer Extremität einschl. Anlegen einer Blutleere oder Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske oder endotrachealer Intubation, einschl. Anlegen eines i.v.-Zugangs, kontinuierlichem EKG-Monitoring und kontinuierlicher Pulsoxymetrie, ggf. einschl. Infusion(en) nach Nr. 273, gesteuerter Blutdrucksenkung, Legen einer Magensonde, Capnometrie und/oder Multigasmessung, bis zu 30 Minuten Dauer.
Im Zusammenhang mit der Honorarfestsetzung für das Quartal III/03 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung bei den Leistungsanforderungen des Kläger vor, indem sie die Gebührenziffer 216 in 106 Fällen nicht anerkannte und anstelle der Gebührenziffer 462 in 117 Fällen die Gebührenziffer 451 in Ansatz brachte. Zur Begründung wies sie zum einen darauf hin, dass der fixierende Verband des Rumpfes nach der Gebührenziffer 216 unter Verwendung unelastischer, nicht weiter verwendbarer, erstarrender Materialien vorzunehmen sei. Im OP-Bericht werde ein steriler Verband erwähnt, welcher Bestandteil der Operation und nicht gesondert abrechnungsfähig sei. Zum anderen sei die GO-Nr. 462 nicht im Sinne der Legende erfüllt und werde in die GO-Nr. 451 umgesetzt. Die angegebene "Tumeszenz-Anästhesie" sei nichts anderes als eine Infiltrations-Anästhesie und somit mit der GO-Nr. 451 abgegolten.
Während des Widerspruchsverfahrens reichte der Kläger fünf Operationsberichte für das streitige Quartal ein, in welchen sich jeweils im Zusammenhang mit einer pektoralen Portimplantation (zur medikamentösen Versorgung von Tumorpatienten) einheitlich folgende Angaben zur Anästhesie finden:
"Unterspritzen eines handtellergroßen Hautareals kaudal der Klavikula () mit Xylonest und Adrenalinzusatz. Dieser Bereich wird mit Tumeszenzanästhesielösung ringförmig umspritzt. Infraklavikuläre Plexusanästhesie auf der gleichen Seite mittels Xylonest ohne Adrenalin."
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2005 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgebracht, dass bei Bestand der angefochtenen Entscheidung ambulante Portimplantationen nicht mehr praxiskostendeckend durchgeführt werden könnten. Er habe im Zuge der Anästhesien selbstverständlich jeweils einen i.v.-Zugang hergestellt und kontinuierlich EKG-Monitoring und Pulsoxymetrie durchgeführt; diese Routineleistungen seien jedoch nicht dokumentationspflichtig und daher nicht Inhalt der OP-Berichte. Er sei ein durch die Ärztekammer Berlin zertifizierter Fachmann für Portimplantationen und genieße über Berlin hinaus großes Ansehen in der Fachwelt. Bei den Patienten, bei denen er Portsysteme implantiere, handele es sich überwiegend um Krebskranke. Hinzu komme ein erheblicher Teil von Patienten mit manifester HIV-Erkrankung. Weil diese Patienten fast immer Blutgerinnungsstörungen zeigten, müsse, um Nachblutungen entgegen zu treten, ein fixierender Verband nach EBM-Nr. 216 angelegt werden. Er lege das Schultergelenk einschließende Zinkleimverbände an, damit Nachblutungen durch zu große Bewegungen verhindert würden. Die von ihm abgerechneten postoperativen, die Schulter ruhig stellenden Verbände seien fixierend-komprimierend und könnten nur mit Hilfe einer Schere am nächsten Tag entfernt werden. Das Anlegen dieser Verbände sei zwingend indiziert. Zu beachten sei, dass bei den meisten Menschen mit Krebsleiden Blutgerinnungsstörungen im Sinne einer verminderten Gerinnbarkeit des Blutes vorlägen. Dennoch seien am Operationstag und in den ersten vier Tagen danach Heparingaben zum Verhindern einer umschriebenen Thrombose im zentralen Abschnitt der Vene oder des Schlüsselbeins am Punktionsort erforderlich. Der fixierende und komprimierende Verband sei auch deshalb unumgänglich, weil der Patient am Operationstag und am Tag danach schon einer Chemotherapie zugeführt werde. Daher müsse er – der Kläger – intraoperativ eine Portnadel mit langem Anschlussstück legen. Die Nadel dürfe ihre Stellung nicht verändern, weil sonst die Zellgifte der Chemotherapie in das Gewebe der Brustwand strömten und Nekrosen auslösen könnten. Dies werde dadurch vermieden, dass der Verband am Brustkorb, den wegen der komplizierten Technik stets zwei seiner Mitarbeiter anlegen müssten, ein Herausluxieren der Nadel aus dem Port verhindere. Die Anzahl der von ihm operierten Patienten, die innerhalb der ersten zwei Tage nach dem Eingriff eine Infektion des Portlagers aufwiesen, betrage 3 bei 4.125 Implantationen (0,07 %). Derart günstige Ergebnisse würden in keinem Krankenhaus in Deutschland erreicht. Mit der von ihm durchgeführten infraklaviculären Plexusanästhesie bringe er synchron ausreichende Mengen des Lokalanästhetikums zwischen die Rückfläche des Schlüsselbeins und die Vorderfläche der ersten Rippe. In diesem Bereich werde mit einer langen Punktionskanüle die Wand der Vena subclavia aufgesucht, perforiert und dann mittels Seldinger-Technik der geeignete Katheter eingebracht. Die nervalen Versorgungssegmente der Knochenhaut an diesen beiden Skelettteilen entsprächen genau den Hautsegmenten der umgebenden Gewebestrukturen. Es bestehe somit lokal eine ubiquitäre Schmerzausschaltung, was für den ambulant operierten Patienten sehr wichtig sei. Er habe in seiner langjährigen, äußerst erfolgreichen Praxis der Portimplantation diese optimale Anästhesieform gefunden. Die Auffassung der Beklagten, dass eine infraklaviculäre Plexusanästhesie nur geeignet sei, operative Eingriffe im Bereich des unteren Oberarms, am Unterarm und an der Hand durchzuführen, treffe nicht zu und beruhe auf mangelnder Sachkunde. Es werde von der Beklagten stets vergessen, dass er – der Kläger – mit seinen Anästhesiemaßnahmen auch das Periost, d.h. die Knochenhaut des Schlüsselbeins und der ersten Rippe, schmerzfrei machen müsse, dort wo die Vene zwischen den beiden Knochen verlaufe und wo er die Punktion der Vena subclavia vornehme. Schon die Vermeidung des Kontaktschmerzes für den Patienten beim Punktionsmanöver erfordere, dass diese Struktur ausreichend betäubt sei. All dies lasse sich nur mit einer Plexusanästhesie erreichen. Im Übrigen führe diese Anästhesieform auch dazu, dass der Patient während der postoperativen Phase schmerzfrei sei. Der Zinsanspruch ergebe sich zum einen aus der entsprechenden Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), dessen Grundsatz auch im sozialverwaltungsrechtlichen Verfahren gelte. Zum Anderen ergebe er sich aus Artikel 2 Nr. 1 Absatz 2, Artikel 3 Abs. 1a bis d der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000.
Die Beklagte hat die angegriffenen Bescheide verteidigt. Der Plexus brachialis, das "Nervenarmgeflecht", entstehe aus den Rückenmarksnervenwurzeln in Höhe der Segmente der Halswirbelkörper 5 bis 8 sowie aus Fasern des ersten Brustmuskelsegmentes Th 1. Diese Nervenstrukturen zögen von der Wirbelsäule in eine Lücke zwischen zwei Halsmuskeln hindurch und gelangten mit dem Verlauf der Arteria subclavia in den Bereich oberhalb des Schlüsselbeines, wo sie sich zu drei Primärsträngen – Truncus superior, Truncus medius und Truncus lateralis – zusammenlagerten. Diese Stämme verliefen dann weiter mit der Arteria subclavia nach unten seitlich und mündeten hinter dem Schlüsselbein in die Achselhöhle ein. Hinter dem Schlüsselbein befinde sich der infraclaviculäre Teil des Plexus brachialis, aus dem sich durch Verflechtungen drei Sekundärstränge – die Fasciculi – bildeten. Aus diesen Bündeln gingen die Nerven für die motorische und sensible Versorgung des Armes und der Hand ab. Hieraus sei ersichtlich, dass eine infraclaviculäre Plexusanästhesie, lege artis durchgeführt, nicht am Ort, an dem sie eingesetzt werde, wirke, sondern sich die anästhetische Wirkung auf den Unterarm und auf die Hand beziehe. Plexusblockaden seien regionale Anästhesieverfahren, bei denen Lokalanästhetika in die näher bestimmten Nervengeflechte gebracht würden, in die Nerven hinein diffundierten und zu einer entsprechenden Anästhesie der zugehörigen peripheren Versorgungsgebiete führten. Die infraclaviculäre Plexusblockade könne an zwei Stellen im Bereich des Schlüsselbeines durchgeführt werden. Der Punktionsort sei streng durch anatomische Leitstrukturen definiert. Eine Punktionsstelle liege auf der Linie zwischen tiefstem Punkt Schlüsselbein/Brustmuskel und dem Prozessus coracoideus des Schulterblattes. Die Stichrichtung verlaufe in Richtung Achselhöhle. Der andere Punktionsort sei die halbe Strecke zwischen der Kehlkopfgrube und der äußeren Kante des Prozessus akromialis des Schulterblattes. Hier erfolge die Punktion senkrecht unter Aufsuchen des Plexus brachialis mittels Elektrostimulation. Durch die Elektrostimulation liefen über die entsprechenden Nerven Impulse in die versorgten Muskeln und lösten Zuckungen aus, an denen der anästhesierende Arzt erkenne, ob er mit seiner Punktionskanüle "richtig" liege, um das Lokalanästhetikum zu injizieren. Betrachte man die bildliche Darstellung aus dem Internetauftritt des Klägers und habe man den vom ihm produzierten Film vor Augen, sei erkennbar, dass er zwar in etwa an der Injektionsstelle der infraclaviculären Plexusanästhesie arbeite, aber bei der Injektion unterhalb der Clavicula nur den Bereich der zu punktierenden Vena subclavia, den Bereich für die Untertunnelung für den Portkatheter sowie das Portlager lokal anästhesiere. Diese mache auch Sinn, da eine regelrechte infraclaviculäre Plexusanästhesie nicht im Bereich der vorderen Thoraxwand ober- oder unterhalb des Schlüsselbeines wirken könne. Somit habe der Kläger zwar die Legende der GO-Nr. 451 vollständig erfüllt, nicht aber der Leistungsinhalt der GO-Nr. 462. Denn bei der infraclaviculären Plexusanästhesie hätten neben sensiblen Ausfällen auch Lähmungserscheinungen der Muskulatur des Unterarmes und der Hand auftreten müssen, welche ausweislich der DVD-Demonstration nicht nachweisbar seien. Zu einer Schmerzausschaltung im Bereich der Haut und Unterhaut der vorderen oberen Brustwand bzw. der Knochenhaut des Schlüsselbeines führe die infraclaviculäre Plexusanästhesie nicht. Die vom Kläger erwähnten "nervi pectorales medialis et lateralis", welche hinter dem Schlüsselbein verliefen und dort in die Nervenäste für den Musculus pectoralis major (= großer Brustmuskel) und minor (= kleiner Brustmuskel) zerfielen, seien rein motorische Nerven. Die erwähnten Muskeln lägen unter dem Operationsbereich der Portimplantation und würden bei den operativen Manipulationen im Bereich des Unterhautfettgewebes nicht tangiert. Eine gezielte Anästhesie dieser Nerven würde zu Lähmungen des großen und kleinen Brustmuskels führen, aber nicht zu einer Schmerzausschaltung im Bereich der Portimplantation. Diese Nerven führten keine sensiblen Nervenfasern und könnten deshalb auch nicht zur Schmerzausschaltung mit Lokalanästhetika anästhesiert werden. Des Weiteren gebe es aufgrund der Varianz der Verläufe dieser Nerven keinen definierten Injektionspunkt, an dem sie isoliert getroffen werden könnten. Aus der von ihr – der Beklagten – eingereichten bildlichen Darstellung werde deutlich, dass die vordere obere Brustwand von den rein sensiblen Nerven Nervus supraclaviculares anteriores, Nervus supraclaviculares medii und Nervus supraclaviculares posteriores versorgt würden und den Plexus brachialis, welcher bei der infraclaviculären Anästhesie betäubt werden solle, vorher verließen und über das Schlüsselbein in die vordere Thoraxwand hineinzögen. Auf die eingereichten Stellungnahmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 28. August 2006 (Dr. Weichmann) sowie vom 28. Mai 2008 (Dr. Reuhl) werde verwiesen. Leistungen nach der EBM-Nr. 216 seien im streitgegenständlichen Quartal nur im Rahmen des Individualbudgets abrechenbar gewesen. Dieses habe der Kläger auch ohne die streitgegenständlichen 106 Behandlungsfälle bereits ausgeschöpft. Eine nachträgliche Anerkennung der abgesetzten Leistungen nach EBM-Nr. 216 würde also nicht zu einem höheren Vergütungsanspruch des Klägers führen. Im Übrigen müsse – entgegen der klägerischen Darstellung – eine Portnadel in der Regel nicht bereits intraoperativ gelegt werden, da Chemotherapien planbare Therapien seien und eine Chemotherapie per Infusion über den Port erst nach reizlosem Einheilen des Ports begonnen werde, um ein Infektionsrisiko zu minimieren.
Mit Urteil vom 5. November 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Honorarfestsetzungsbescheid für das Abrechnungsquartal III/03 in der Fassung des Widerspruchsbescheides dahin geändert, dass "die Umwandlung der Ziffer 462 in Ziffer 451" entfalle, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit es der Klage stattgegeben hat, hat es auf die aus seiner Sicht nachvollziehbaren Darstellungen des Klägers verwiesen. Die Absetzung der Gebührenziffer 216 sei hingegen nicht zu beanstanden, weil der vom Kläger vorgenommene fixierende Verband nicht den gesamten Rumpf fixiere, sondern nur teilweise ruhig stelle. Der Zinsanspruch bestehe nicht, weil eine über § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hinausgehende Verzinsung gesetzlich nicht vorgesehen sei.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 9. April 2009 und der Beklagten am 6. April 2009 zugestellt. Der Kläger hat am 29. April 2009 und die Beklagte am 4. Mai 2009 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, dass die Fixierung des gesamten Rumpfes durch einen starren Verband (Stichwort Gipsbett) heute in der ärztlichen, besonders in der ambulanten, Praxis, keine Rolle mehr spiele. Es sei nur noch eine funktionale Ruhigstellung des gesamten Rumpfes mit Hilfsmitteln (Wirbelsäulen-Orthese) gebräuchlich. Die Leistung nach EBM-Nr. 216 könne daher nicht die Fixierung des gesamten Rumpfes zum Gegenstand haben. Vielmehr sei ganz offensichtlich die Fixierung eines Teils des Rumpfes gemeint. Die den Zinsanspruch begründende Richtlinie 2000/35/EG gelte nach herrschender Meinung nicht nur im privaten Geschäftsverkehr, sondern auch im Bereich hoheitlicher Verhältnisse bei ausstehenden Geldzahlungen. Zur streitigen anästhetischen Behandlung werde dringend angeregt, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, da die Berufsrichter und die Prozessvertreter nicht über die erforderliche Sachkunde verfügten.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. November 2008 sowie den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal III/03 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, Leistungen nach der EBM-Ziffer 216 in 106 in weiteren Fällen zu vergüten,
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
2. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. November 2008 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig. Begründet ist jedoch nur die Berufung der Beklagten.
A) Die Berufung der Beklagten führt zur Änderung des sozialgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt. Denn die Klage ist, auch soweit sie sich gegen die Absetzung von Leistungen nach der GO-Nr. 462 in 117 Fällen sowie den ersatzweisen Ansatz der GO-Nr. 451 wendet, unbegründet.
I) Die Beklagte ist zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen befugt, soweit ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührennummern ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistungen nicht erfüllt ist oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf. Rechtsgrundlage dafür ist die zum 1. Januar 2004 eingefügte Vorschrift des § 106a Abs. 2 Satz 1, erster Halbsatz SGB V. Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Das Richtigstellungsverfahren kann sowohl im zeitlichen Zusammenhang mit der Honorarfestsetzung für das geprüfte Quartal als auch nachgelagert durchgeführt werden.
Hiernach war die Beklagte berechtigt, die vom Kläger vorgenommenen Ansätze der GO-Nr. 462 EBM sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Dies ergibt die Auslegung der einschlägigen Leistungsbestimmungen. Allgemein ist für die Auslegung von Leistungsbestimmungen des EBM nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers, des Bewertungsausschusses, selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen entspricht die primäre Bindung an den Wortlaut dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Nur soweit der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt ebenfalls nur bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen in Betracht und kann nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (BSG, a.a.O., sowie Urteil vom 28. April 2004, Az.: B 6 KA 19/03 R, veröffentlicht in Juris).
II) Der Abrechnung von Leistungen nach der GO-Nr. 462 (anstelle der GO-Nr. 451) in 117 Fällen im Quartal III/03 steht zum einen entgegen, dass die Erbringung aller obligaten Teilleistungen nicht nachgewiesen ist. Zum anderen können die vom Kläger vorgenommenen (infra-claviculären) Armplexusanästhesien im Bereich des OP-Gebiets für die Portimplantationen keine Schmerzfreiheit bewirken. Jedenfalls fehlt ein Nachweis, dass diese Anästhesien erforderlich waren.
1) Die Abrechnung einer Gebührenziffer kann ein Vertragsarzt nur dann verlangen, wenn er den gesamten obligaten Inhalt einer Leistungsbeschreibung erbracht hat. Besteht zwischen den Beteiligten Streit, ob einzelne ärztliche Maßnahmen bzw. Teilleistungen erbracht wurden, trägt der Vertragsarzt nach den auch im Sozialrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen die objektive Beweislast für deren Erbringung. Mit anderen Worten: lässt sich der Nachweis, dass eine bestimmte Teilleistung erbracht wurde, nicht führen, ist zu Ungunsten des beweisbelasteten Beteiligten, also des Vertragsarztes, davon auszugehen, dass sie tatsächlich nicht erbracht wurde. Die Leistungsziffer ist dann nicht abrechenbar.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, es sei anhand der o.g. OP-Berichte nicht nachgewiesen, dass drei nach der Leistungslegende der GO-Nr. 462 obligate Maßnahmen (Anlegen eines i.V.-Zugangs, kontinuierliches EKG-Monitoring und kontinuierliche Pulsoxymetrie) durchgeführt worden seien. Zwar mag der Einwand des Klägers, diese Maßnahmen seien (nach den Regeln der ärztlichen Kunst oder im haftungsrechtlichen Sinne) nicht dokumentationspflichtig, zutreffen. Einen Nachweis ersetzen kann die fehlende Dokumentationspflicht hingegen nicht. Ein Indiz dafür, dass der Kläger die o.g. obligaten Maßnahmen auch gar nicht durchgeführt hat, sieht der Senat darin, dass der Kläger noch nicht einmal angeboten hat, die im Rahmen des EKG-Monitoring zu Dokumentationszwecken erzeugten Ausdrucke vorzulegen. Darüber hinaus wäre nach der Einschätzung des Senats angesichts der vom Kläger eingereichten, recht ausführlichen OP-Berichte zu erwarten gewesen, dass so wesentliche OP-Maßnahmen wie das Anlegen eines i.v.-Zugangs oder die Durchführung eines kontinuierlichen EKG-Monitorings ebenfalls im OP-Bericht erwähnt werden.
2) Der Plexus brachialis stellt sich als Geflecht verschiedener den Schultergürtel und den Arm versorgenden Nerven dar, welche aus den Spinalnervenwurzeln der Rückenmarkssegmente C5 bis Th1, z.T. auch C4 und Th2, entwickeln. Teil dieses Nervenbündels sind auch die beiden Nervi pectorales (Nervus pectoralis lateralis und Nervus pectoralis medialis), die die beiden Brustmuskeln (Musculus pectoralis major und Musculus pectoralis minor) versorgen (Pschyrembel, 260. A., 2004, S. 1259, 1441; Suchenwirth/Kunze/Krasney Neurologische Begutachtung, 3.A., S. 545; Thomann/Schröter/Grosser (Hrgb.) Handbuch der orthopädisch-unfallchirurgischen Begutachtung, S. 256).
a) Offen lässt der Senat die Frage, ob es sich bei den Nervi pectorales um motorische, d.h. Impulse (in den Muskeln) auslösende, Nerven handelt (Pschyrembel, S. 1259), deren Ausschaltung (Blockierung, Block) durch ein Lokalanästhetikum nicht zur Schmerzfreiheit führt, sondern diese nur durch die Blockierung sensibler, d.h. Empfindungen leitender, Nerven erreicht werden kann.
b) Unklar bleibt nach der klägerischen Darstellung, warum durch die infraclaviculäre Armplexusanästhesie nur der OP-Bereich in der oberen Brustwand, nicht aber auch weitgehende Teile des Armes betäubt waren bzw. wie er angesichts der Varianz der Verläufe der Nervi pectorales einen sicheren Injektionspunkt bestimmt habe.
c) Unabhängig hiervon wird – auch durch vom Kläger eingereichte medizinische Darstellungen – als Anwendungsgebiet der (infraclaviculären) Armplexusanästhesie ausschließlich die Schmerz¬ausschaltung für Operationen des Armes genannt, nicht jedoch für Operationen im Bereich des oberen Thorax. Aus diesem Grund ist die Erforderlichkeit einer Armplexusblockade für die Durchführung von Portimplantationen nicht erkennbar. Soweit der Kläger alternativ hierzu behauptet, die Armplexusanästhesie betreffe auch das Periost, ist dies ebenfalls nicht nachvollziehbar. Denn die Innervation der Schlüsselbeinregion (wie übrigens auch die Haut der oberen Brustwand) erfolgt nach einheitlicher Darstellung (vgl. nur Schiebler/Korf, Anatomie, 10. A., S. 675; Waldeyer, Anatomie des Menschen, S. 793) durch die Nervi supraclaviculares, die nicht Bestandteil des Plexus brachialis sind, sondern dem Plexus cervicalis zuzurechnen sind (Pschyrembel, S. 1260 u.a.).
B) Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Soweit er sich gegen die Absetzung von Leistungen nach den GO-Nr. 216 in 106 Fällen wendet, ist die Klage unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
I) In dem soeben genannten Umfang ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Diese allgemeine Sachurteilsvoraussetzung resultiert aus der Aufgabe der Gerichte, Bürgern und Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist. Es ist daher stets zu prüfen, ob angesichts der besonderen Umstände des Falls die Klageerhebung deswegen nicht erforderlich ist, weil der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., vor § 51 Rd. 16a m.w.N.) Diese Prüfung fällt zu Ungunsten des Klägers aus.
Denn da Leistungen nach der GO-Nr. 216 innerhalb des Individualbudgets, d.h. des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens (§ 9 des im Quartal III/03 geltenden Honorarverteilungsmaßstabs – HVM – der Beklagten), vergütet werden und der Kläger das ihm zugewiesene Individualbudget ausgeschöpft hat, würde die "Anerkennung" der Leistungen nach GO-Nr. 216 in 106 weiteren Fällen nicht zu einem höheren Honoraranspruch des Klägers führen. Vielmehr würde sich nur – wie in § 9 Ziffer 2 Absatz 3 HVM beschrieben – der den Kläger betreffende praxisindividuelle Punktwert reduzieren.
2) Die Klage wäre aber auch unbegründet. Denn die GO-Nr. 216 ist nur abrechenbar, wenn sich der fixierende Verband auf den gesamten Rumpf erstreckt.
Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Leistungslegende, der einen nur auf Teile des Rumpfes sich erstreckenden Verband gerade nicht beinhaltet. Aber auch dann, wenn man den Wortlaut als nicht eindeutig ansieht, führt die systematische Interpretation in Form eines Vergleichs mit verwandten Abrechnungsziffern zum selben Ergebnis. Ein solcher Vergleich ist für die Auslegung von Leistungslegenden schon deshalb geboten, weil der EBM gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V "den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander" bestimmt. Es darf daher nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein "fixierender Verband an einer Extremität mit Einschluss eines großen Gelenkes" (GO-Nr. 214) mit 230 Punkten und derselbe Verband unter Einschluss von mindestens zwei großen Gelenken (GO-Nr. 215) mit 500 Punkten bewertet werden, für die Leistung nach der GO-Nr. 216 hingegen 1900 Punkte vorgesehen sind. Die Abrechnung dieser Gebührenziffer ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Aufwand für die darin umschriebene Leistung um ein Vielfaches höher ist als die Leistung nach der GO-Nr. 214. Für die Ruhigstellung der Schulter, die der Kläger nach der GO-Nr. 216 abrechnen will, ist dies im Vergleich etwa zur Ruhigstellung eines Armes unter Einschluss der Schulter – dies wird von der GO-Nr. 214 erfasst – in keiner Weise erkennbar.
Dass es im Quartal III/03 möglicherweise keine sinnvolle Leistung mehr gab, die der Leistungslegende der GO-Nr. 216 entsprach, diese mithin als überholt angesehen werden konnte, ändert nichts. Allein das Versäumnis des Bewertungsausschusses, eine nicht mehr zeitgemäße Leistungsbeschreibung zu ändern oder zu streichen, führt nicht dazu, dass sie mit aus der Sicht eines einzelnen Vertragsarztes "sinnvollem" Inhalt gefüllt werden dürfte.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger, der als Chirurg an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teilnahm, zu Recht Leistungen nach den Gebührenziffern 216 und 461 des bis zum Quartal I/05 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechnet hat.
Die Leistungslegenden dieser beiden Abrechnungsziffern lauten:
216 Fixierender Verband des Rumpfes unter Verwendung unelastischer, nicht weiter verwendbarer, erstarrender Materialien, ggf. mit Einschluß großer Gelenke.
462 Plexusanästhesie (Plexus zervikalis, brachialis, axillaris, lumbalis, lumbosakralis) oder Spinal- oder Periduralanästhesie (auch kaudal), einzeitig oder mittels Katheter, ggf. einschl. Kontrolle der Katheterlage durch Injektion eines Lokalanästhetikums oder intravenöse regionale Anästhesie einer Extremität einschl. Anlegen einer Blutleere oder Kombinationsnarkose mit Maske, Larynxmaske oder endotrachealer Intubation, einschl. Anlegen eines i.v.-Zugangs, kontinuierlichem EKG-Monitoring und kontinuierlicher Pulsoxymetrie, ggf. einschl. Infusion(en) nach Nr. 273, gesteuerter Blutdrucksenkung, Legen einer Magensonde, Capnometrie und/oder Multigasmessung, bis zu 30 Minuten Dauer.
Im Zusammenhang mit der Honorarfestsetzung für das Quartal III/03 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung bei den Leistungsanforderungen des Kläger vor, indem sie die Gebührenziffer 216 in 106 Fällen nicht anerkannte und anstelle der Gebührenziffer 462 in 117 Fällen die Gebührenziffer 451 in Ansatz brachte. Zur Begründung wies sie zum einen darauf hin, dass der fixierende Verband des Rumpfes nach der Gebührenziffer 216 unter Verwendung unelastischer, nicht weiter verwendbarer, erstarrender Materialien vorzunehmen sei. Im OP-Bericht werde ein steriler Verband erwähnt, welcher Bestandteil der Operation und nicht gesondert abrechnungsfähig sei. Zum anderen sei die GO-Nr. 462 nicht im Sinne der Legende erfüllt und werde in die GO-Nr. 451 umgesetzt. Die angegebene "Tumeszenz-Anästhesie" sei nichts anderes als eine Infiltrations-Anästhesie und somit mit der GO-Nr. 451 abgegolten.
Während des Widerspruchsverfahrens reichte der Kläger fünf Operationsberichte für das streitige Quartal ein, in welchen sich jeweils im Zusammenhang mit einer pektoralen Portimplantation (zur medikamentösen Versorgung von Tumorpatienten) einheitlich folgende Angaben zur Anästhesie finden:
"Unterspritzen eines handtellergroßen Hautareals kaudal der Klavikula () mit Xylonest und Adrenalinzusatz. Dieser Bereich wird mit Tumeszenzanästhesielösung ringförmig umspritzt. Infraklavikuläre Plexusanästhesie auf der gleichen Seite mittels Xylonest ohne Adrenalin."
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2005 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgebracht, dass bei Bestand der angefochtenen Entscheidung ambulante Portimplantationen nicht mehr praxiskostendeckend durchgeführt werden könnten. Er habe im Zuge der Anästhesien selbstverständlich jeweils einen i.v.-Zugang hergestellt und kontinuierlich EKG-Monitoring und Pulsoxymetrie durchgeführt; diese Routineleistungen seien jedoch nicht dokumentationspflichtig und daher nicht Inhalt der OP-Berichte. Er sei ein durch die Ärztekammer Berlin zertifizierter Fachmann für Portimplantationen und genieße über Berlin hinaus großes Ansehen in der Fachwelt. Bei den Patienten, bei denen er Portsysteme implantiere, handele es sich überwiegend um Krebskranke. Hinzu komme ein erheblicher Teil von Patienten mit manifester HIV-Erkrankung. Weil diese Patienten fast immer Blutgerinnungsstörungen zeigten, müsse, um Nachblutungen entgegen zu treten, ein fixierender Verband nach EBM-Nr. 216 angelegt werden. Er lege das Schultergelenk einschließende Zinkleimverbände an, damit Nachblutungen durch zu große Bewegungen verhindert würden. Die von ihm abgerechneten postoperativen, die Schulter ruhig stellenden Verbände seien fixierend-komprimierend und könnten nur mit Hilfe einer Schere am nächsten Tag entfernt werden. Das Anlegen dieser Verbände sei zwingend indiziert. Zu beachten sei, dass bei den meisten Menschen mit Krebsleiden Blutgerinnungsstörungen im Sinne einer verminderten Gerinnbarkeit des Blutes vorlägen. Dennoch seien am Operationstag und in den ersten vier Tagen danach Heparingaben zum Verhindern einer umschriebenen Thrombose im zentralen Abschnitt der Vene oder des Schlüsselbeins am Punktionsort erforderlich. Der fixierende und komprimierende Verband sei auch deshalb unumgänglich, weil der Patient am Operationstag und am Tag danach schon einer Chemotherapie zugeführt werde. Daher müsse er – der Kläger – intraoperativ eine Portnadel mit langem Anschlussstück legen. Die Nadel dürfe ihre Stellung nicht verändern, weil sonst die Zellgifte der Chemotherapie in das Gewebe der Brustwand strömten und Nekrosen auslösen könnten. Dies werde dadurch vermieden, dass der Verband am Brustkorb, den wegen der komplizierten Technik stets zwei seiner Mitarbeiter anlegen müssten, ein Herausluxieren der Nadel aus dem Port verhindere. Die Anzahl der von ihm operierten Patienten, die innerhalb der ersten zwei Tage nach dem Eingriff eine Infektion des Portlagers aufwiesen, betrage 3 bei 4.125 Implantationen (0,07 %). Derart günstige Ergebnisse würden in keinem Krankenhaus in Deutschland erreicht. Mit der von ihm durchgeführten infraklaviculären Plexusanästhesie bringe er synchron ausreichende Mengen des Lokalanästhetikums zwischen die Rückfläche des Schlüsselbeins und die Vorderfläche der ersten Rippe. In diesem Bereich werde mit einer langen Punktionskanüle die Wand der Vena subclavia aufgesucht, perforiert und dann mittels Seldinger-Technik der geeignete Katheter eingebracht. Die nervalen Versorgungssegmente der Knochenhaut an diesen beiden Skelettteilen entsprächen genau den Hautsegmenten der umgebenden Gewebestrukturen. Es bestehe somit lokal eine ubiquitäre Schmerzausschaltung, was für den ambulant operierten Patienten sehr wichtig sei. Er habe in seiner langjährigen, äußerst erfolgreichen Praxis der Portimplantation diese optimale Anästhesieform gefunden. Die Auffassung der Beklagten, dass eine infraklaviculäre Plexusanästhesie nur geeignet sei, operative Eingriffe im Bereich des unteren Oberarms, am Unterarm und an der Hand durchzuführen, treffe nicht zu und beruhe auf mangelnder Sachkunde. Es werde von der Beklagten stets vergessen, dass er – der Kläger – mit seinen Anästhesiemaßnahmen auch das Periost, d.h. die Knochenhaut des Schlüsselbeins und der ersten Rippe, schmerzfrei machen müsse, dort wo die Vene zwischen den beiden Knochen verlaufe und wo er die Punktion der Vena subclavia vornehme. Schon die Vermeidung des Kontaktschmerzes für den Patienten beim Punktionsmanöver erfordere, dass diese Struktur ausreichend betäubt sei. All dies lasse sich nur mit einer Plexusanästhesie erreichen. Im Übrigen führe diese Anästhesieform auch dazu, dass der Patient während der postoperativen Phase schmerzfrei sei. Der Zinsanspruch ergebe sich zum einen aus der entsprechenden Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), dessen Grundsatz auch im sozialverwaltungsrechtlichen Verfahren gelte. Zum Anderen ergebe er sich aus Artikel 2 Nr. 1 Absatz 2, Artikel 3 Abs. 1a bis d der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000.
Die Beklagte hat die angegriffenen Bescheide verteidigt. Der Plexus brachialis, das "Nervenarmgeflecht", entstehe aus den Rückenmarksnervenwurzeln in Höhe der Segmente der Halswirbelkörper 5 bis 8 sowie aus Fasern des ersten Brustmuskelsegmentes Th 1. Diese Nervenstrukturen zögen von der Wirbelsäule in eine Lücke zwischen zwei Halsmuskeln hindurch und gelangten mit dem Verlauf der Arteria subclavia in den Bereich oberhalb des Schlüsselbeines, wo sie sich zu drei Primärsträngen – Truncus superior, Truncus medius und Truncus lateralis – zusammenlagerten. Diese Stämme verliefen dann weiter mit der Arteria subclavia nach unten seitlich und mündeten hinter dem Schlüsselbein in die Achselhöhle ein. Hinter dem Schlüsselbein befinde sich der infraclaviculäre Teil des Plexus brachialis, aus dem sich durch Verflechtungen drei Sekundärstränge – die Fasciculi – bildeten. Aus diesen Bündeln gingen die Nerven für die motorische und sensible Versorgung des Armes und der Hand ab. Hieraus sei ersichtlich, dass eine infraclaviculäre Plexusanästhesie, lege artis durchgeführt, nicht am Ort, an dem sie eingesetzt werde, wirke, sondern sich die anästhetische Wirkung auf den Unterarm und auf die Hand beziehe. Plexusblockaden seien regionale Anästhesieverfahren, bei denen Lokalanästhetika in die näher bestimmten Nervengeflechte gebracht würden, in die Nerven hinein diffundierten und zu einer entsprechenden Anästhesie der zugehörigen peripheren Versorgungsgebiete führten. Die infraclaviculäre Plexusblockade könne an zwei Stellen im Bereich des Schlüsselbeines durchgeführt werden. Der Punktionsort sei streng durch anatomische Leitstrukturen definiert. Eine Punktionsstelle liege auf der Linie zwischen tiefstem Punkt Schlüsselbein/Brustmuskel und dem Prozessus coracoideus des Schulterblattes. Die Stichrichtung verlaufe in Richtung Achselhöhle. Der andere Punktionsort sei die halbe Strecke zwischen der Kehlkopfgrube und der äußeren Kante des Prozessus akromialis des Schulterblattes. Hier erfolge die Punktion senkrecht unter Aufsuchen des Plexus brachialis mittels Elektrostimulation. Durch die Elektrostimulation liefen über die entsprechenden Nerven Impulse in die versorgten Muskeln und lösten Zuckungen aus, an denen der anästhesierende Arzt erkenne, ob er mit seiner Punktionskanüle "richtig" liege, um das Lokalanästhetikum zu injizieren. Betrachte man die bildliche Darstellung aus dem Internetauftritt des Klägers und habe man den vom ihm produzierten Film vor Augen, sei erkennbar, dass er zwar in etwa an der Injektionsstelle der infraclaviculären Plexusanästhesie arbeite, aber bei der Injektion unterhalb der Clavicula nur den Bereich der zu punktierenden Vena subclavia, den Bereich für die Untertunnelung für den Portkatheter sowie das Portlager lokal anästhesiere. Diese mache auch Sinn, da eine regelrechte infraclaviculäre Plexusanästhesie nicht im Bereich der vorderen Thoraxwand ober- oder unterhalb des Schlüsselbeines wirken könne. Somit habe der Kläger zwar die Legende der GO-Nr. 451 vollständig erfüllt, nicht aber der Leistungsinhalt der GO-Nr. 462. Denn bei der infraclaviculären Plexusanästhesie hätten neben sensiblen Ausfällen auch Lähmungserscheinungen der Muskulatur des Unterarmes und der Hand auftreten müssen, welche ausweislich der DVD-Demonstration nicht nachweisbar seien. Zu einer Schmerzausschaltung im Bereich der Haut und Unterhaut der vorderen oberen Brustwand bzw. der Knochenhaut des Schlüsselbeines führe die infraclaviculäre Plexusanästhesie nicht. Die vom Kläger erwähnten "nervi pectorales medialis et lateralis", welche hinter dem Schlüsselbein verliefen und dort in die Nervenäste für den Musculus pectoralis major (= großer Brustmuskel) und minor (= kleiner Brustmuskel) zerfielen, seien rein motorische Nerven. Die erwähnten Muskeln lägen unter dem Operationsbereich der Portimplantation und würden bei den operativen Manipulationen im Bereich des Unterhautfettgewebes nicht tangiert. Eine gezielte Anästhesie dieser Nerven würde zu Lähmungen des großen und kleinen Brustmuskels führen, aber nicht zu einer Schmerzausschaltung im Bereich der Portimplantation. Diese Nerven führten keine sensiblen Nervenfasern und könnten deshalb auch nicht zur Schmerzausschaltung mit Lokalanästhetika anästhesiert werden. Des Weiteren gebe es aufgrund der Varianz der Verläufe dieser Nerven keinen definierten Injektionspunkt, an dem sie isoliert getroffen werden könnten. Aus der von ihr – der Beklagten – eingereichten bildlichen Darstellung werde deutlich, dass die vordere obere Brustwand von den rein sensiblen Nerven Nervus supraclaviculares anteriores, Nervus supraclaviculares medii und Nervus supraclaviculares posteriores versorgt würden und den Plexus brachialis, welcher bei der infraclaviculären Anästhesie betäubt werden solle, vorher verließen und über das Schlüsselbein in die vordere Thoraxwand hineinzögen. Auf die eingereichten Stellungnahmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 28. August 2006 (Dr. Weichmann) sowie vom 28. Mai 2008 (Dr. Reuhl) werde verwiesen. Leistungen nach der EBM-Nr. 216 seien im streitgegenständlichen Quartal nur im Rahmen des Individualbudgets abrechenbar gewesen. Dieses habe der Kläger auch ohne die streitgegenständlichen 106 Behandlungsfälle bereits ausgeschöpft. Eine nachträgliche Anerkennung der abgesetzten Leistungen nach EBM-Nr. 216 würde also nicht zu einem höheren Vergütungsanspruch des Klägers führen. Im Übrigen müsse – entgegen der klägerischen Darstellung – eine Portnadel in der Regel nicht bereits intraoperativ gelegt werden, da Chemotherapien planbare Therapien seien und eine Chemotherapie per Infusion über den Port erst nach reizlosem Einheilen des Ports begonnen werde, um ein Infektionsrisiko zu minimieren.
Mit Urteil vom 5. November 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Honorarfestsetzungsbescheid für das Abrechnungsquartal III/03 in der Fassung des Widerspruchsbescheides dahin geändert, dass "die Umwandlung der Ziffer 462 in Ziffer 451" entfalle, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit es der Klage stattgegeben hat, hat es auf die aus seiner Sicht nachvollziehbaren Darstellungen des Klägers verwiesen. Die Absetzung der Gebührenziffer 216 sei hingegen nicht zu beanstanden, weil der vom Kläger vorgenommene fixierende Verband nicht den gesamten Rumpf fixiere, sondern nur teilweise ruhig stelle. Der Zinsanspruch bestehe nicht, weil eine über § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hinausgehende Verzinsung gesetzlich nicht vorgesehen sei.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 9. April 2009 und der Beklagten am 6. April 2009 zugestellt. Der Kläger hat am 29. April 2009 und die Beklagte am 4. Mai 2009 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, dass die Fixierung des gesamten Rumpfes durch einen starren Verband (Stichwort Gipsbett) heute in der ärztlichen, besonders in der ambulanten, Praxis, keine Rolle mehr spiele. Es sei nur noch eine funktionale Ruhigstellung des gesamten Rumpfes mit Hilfsmitteln (Wirbelsäulen-Orthese) gebräuchlich. Die Leistung nach EBM-Nr. 216 könne daher nicht die Fixierung des gesamten Rumpfes zum Gegenstand haben. Vielmehr sei ganz offensichtlich die Fixierung eines Teils des Rumpfes gemeint. Die den Zinsanspruch begründende Richtlinie 2000/35/EG gelte nach herrschender Meinung nicht nur im privaten Geschäftsverkehr, sondern auch im Bereich hoheitlicher Verhältnisse bei ausstehenden Geldzahlungen. Zur streitigen anästhetischen Behandlung werde dringend angeregt, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, da die Berufsrichter und die Prozessvertreter nicht über die erforderliche Sachkunde verfügten.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. November 2008 sowie den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal III/03 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, Leistungen nach der EBM-Ziffer 216 in 106 in weiteren Fällen zu vergüten,
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
2. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. November 2008 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig. Begründet ist jedoch nur die Berufung der Beklagten.
A) Die Berufung der Beklagten führt zur Änderung des sozialgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt. Denn die Klage ist, auch soweit sie sich gegen die Absetzung von Leistungen nach der GO-Nr. 462 in 117 Fällen sowie den ersatzweisen Ansatz der GO-Nr. 451 wendet, unbegründet.
I) Die Beklagte ist zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen befugt, soweit ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührennummern ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistungen nicht erfüllt ist oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf. Rechtsgrundlage dafür ist die zum 1. Januar 2004 eingefügte Vorschrift des § 106a Abs. 2 Satz 1, erster Halbsatz SGB V. Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Das Richtigstellungsverfahren kann sowohl im zeitlichen Zusammenhang mit der Honorarfestsetzung für das geprüfte Quartal als auch nachgelagert durchgeführt werden.
Hiernach war die Beklagte berechtigt, die vom Kläger vorgenommenen Ansätze der GO-Nr. 462 EBM sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Dies ergibt die Auslegung der einschlägigen Leistungsbestimmungen. Allgemein ist für die Auslegung von Leistungsbestimmungen des EBM nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers, des Bewertungsausschusses, selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen entspricht die primäre Bindung an den Wortlaut dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Nur soweit der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt ebenfalls nur bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen in Betracht und kann nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (BSG, a.a.O., sowie Urteil vom 28. April 2004, Az.: B 6 KA 19/03 R, veröffentlicht in Juris).
II) Der Abrechnung von Leistungen nach der GO-Nr. 462 (anstelle der GO-Nr. 451) in 117 Fällen im Quartal III/03 steht zum einen entgegen, dass die Erbringung aller obligaten Teilleistungen nicht nachgewiesen ist. Zum anderen können die vom Kläger vorgenommenen (infra-claviculären) Armplexusanästhesien im Bereich des OP-Gebiets für die Portimplantationen keine Schmerzfreiheit bewirken. Jedenfalls fehlt ein Nachweis, dass diese Anästhesien erforderlich waren.
1) Die Abrechnung einer Gebührenziffer kann ein Vertragsarzt nur dann verlangen, wenn er den gesamten obligaten Inhalt einer Leistungsbeschreibung erbracht hat. Besteht zwischen den Beteiligten Streit, ob einzelne ärztliche Maßnahmen bzw. Teilleistungen erbracht wurden, trägt der Vertragsarzt nach den auch im Sozialrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen die objektive Beweislast für deren Erbringung. Mit anderen Worten: lässt sich der Nachweis, dass eine bestimmte Teilleistung erbracht wurde, nicht führen, ist zu Ungunsten des beweisbelasteten Beteiligten, also des Vertragsarztes, davon auszugehen, dass sie tatsächlich nicht erbracht wurde. Die Leistungsziffer ist dann nicht abrechenbar.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, es sei anhand der o.g. OP-Berichte nicht nachgewiesen, dass drei nach der Leistungslegende der GO-Nr. 462 obligate Maßnahmen (Anlegen eines i.V.-Zugangs, kontinuierliches EKG-Monitoring und kontinuierliche Pulsoxymetrie) durchgeführt worden seien. Zwar mag der Einwand des Klägers, diese Maßnahmen seien (nach den Regeln der ärztlichen Kunst oder im haftungsrechtlichen Sinne) nicht dokumentationspflichtig, zutreffen. Einen Nachweis ersetzen kann die fehlende Dokumentationspflicht hingegen nicht. Ein Indiz dafür, dass der Kläger die o.g. obligaten Maßnahmen auch gar nicht durchgeführt hat, sieht der Senat darin, dass der Kläger noch nicht einmal angeboten hat, die im Rahmen des EKG-Monitoring zu Dokumentationszwecken erzeugten Ausdrucke vorzulegen. Darüber hinaus wäre nach der Einschätzung des Senats angesichts der vom Kläger eingereichten, recht ausführlichen OP-Berichte zu erwarten gewesen, dass so wesentliche OP-Maßnahmen wie das Anlegen eines i.v.-Zugangs oder die Durchführung eines kontinuierlichen EKG-Monitorings ebenfalls im OP-Bericht erwähnt werden.
2) Der Plexus brachialis stellt sich als Geflecht verschiedener den Schultergürtel und den Arm versorgenden Nerven dar, welche aus den Spinalnervenwurzeln der Rückenmarkssegmente C5 bis Th1, z.T. auch C4 und Th2, entwickeln. Teil dieses Nervenbündels sind auch die beiden Nervi pectorales (Nervus pectoralis lateralis und Nervus pectoralis medialis), die die beiden Brustmuskeln (Musculus pectoralis major und Musculus pectoralis minor) versorgen (Pschyrembel, 260. A., 2004, S. 1259, 1441; Suchenwirth/Kunze/Krasney Neurologische Begutachtung, 3.A., S. 545; Thomann/Schröter/Grosser (Hrgb.) Handbuch der orthopädisch-unfallchirurgischen Begutachtung, S. 256).
a) Offen lässt der Senat die Frage, ob es sich bei den Nervi pectorales um motorische, d.h. Impulse (in den Muskeln) auslösende, Nerven handelt (Pschyrembel, S. 1259), deren Ausschaltung (Blockierung, Block) durch ein Lokalanästhetikum nicht zur Schmerzfreiheit führt, sondern diese nur durch die Blockierung sensibler, d.h. Empfindungen leitender, Nerven erreicht werden kann.
b) Unklar bleibt nach der klägerischen Darstellung, warum durch die infraclaviculäre Armplexusanästhesie nur der OP-Bereich in der oberen Brustwand, nicht aber auch weitgehende Teile des Armes betäubt waren bzw. wie er angesichts der Varianz der Verläufe der Nervi pectorales einen sicheren Injektionspunkt bestimmt habe.
c) Unabhängig hiervon wird – auch durch vom Kläger eingereichte medizinische Darstellungen – als Anwendungsgebiet der (infraclaviculären) Armplexusanästhesie ausschließlich die Schmerz¬ausschaltung für Operationen des Armes genannt, nicht jedoch für Operationen im Bereich des oberen Thorax. Aus diesem Grund ist die Erforderlichkeit einer Armplexusblockade für die Durchführung von Portimplantationen nicht erkennbar. Soweit der Kläger alternativ hierzu behauptet, die Armplexusanästhesie betreffe auch das Periost, ist dies ebenfalls nicht nachvollziehbar. Denn die Innervation der Schlüsselbeinregion (wie übrigens auch die Haut der oberen Brustwand) erfolgt nach einheitlicher Darstellung (vgl. nur Schiebler/Korf, Anatomie, 10. A., S. 675; Waldeyer, Anatomie des Menschen, S. 793) durch die Nervi supraclaviculares, die nicht Bestandteil des Plexus brachialis sind, sondern dem Plexus cervicalis zuzurechnen sind (Pschyrembel, S. 1260 u.a.).
B) Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Soweit er sich gegen die Absetzung von Leistungen nach den GO-Nr. 216 in 106 Fällen wendet, ist die Klage unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
I) In dem soeben genannten Umfang ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Diese allgemeine Sachurteilsvoraussetzung resultiert aus der Aufgabe der Gerichte, Bürgern und Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist. Es ist daher stets zu prüfen, ob angesichts der besonderen Umstände des Falls die Klageerhebung deswegen nicht erforderlich ist, weil der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., vor § 51 Rd. 16a m.w.N.) Diese Prüfung fällt zu Ungunsten des Klägers aus.
Denn da Leistungen nach der GO-Nr. 216 innerhalb des Individualbudgets, d.h. des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens (§ 9 des im Quartal III/03 geltenden Honorarverteilungsmaßstabs – HVM – der Beklagten), vergütet werden und der Kläger das ihm zugewiesene Individualbudget ausgeschöpft hat, würde die "Anerkennung" der Leistungen nach GO-Nr. 216 in 106 weiteren Fällen nicht zu einem höheren Honoraranspruch des Klägers führen. Vielmehr würde sich nur – wie in § 9 Ziffer 2 Absatz 3 HVM beschrieben – der den Kläger betreffende praxisindividuelle Punktwert reduzieren.
2) Die Klage wäre aber auch unbegründet. Denn die GO-Nr. 216 ist nur abrechenbar, wenn sich der fixierende Verband auf den gesamten Rumpf erstreckt.
Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Leistungslegende, der einen nur auf Teile des Rumpfes sich erstreckenden Verband gerade nicht beinhaltet. Aber auch dann, wenn man den Wortlaut als nicht eindeutig ansieht, führt die systematische Interpretation in Form eines Vergleichs mit verwandten Abrechnungsziffern zum selben Ergebnis. Ein solcher Vergleich ist für die Auslegung von Leistungslegenden schon deshalb geboten, weil der EBM gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V "den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander" bestimmt. Es darf daher nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein "fixierender Verband an einer Extremität mit Einschluss eines großen Gelenkes" (GO-Nr. 214) mit 230 Punkten und derselbe Verband unter Einschluss von mindestens zwei großen Gelenken (GO-Nr. 215) mit 500 Punkten bewertet werden, für die Leistung nach der GO-Nr. 216 hingegen 1900 Punkte vorgesehen sind. Die Abrechnung dieser Gebührenziffer ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Aufwand für die darin umschriebene Leistung um ein Vielfaches höher ist als die Leistung nach der GO-Nr. 214. Für die Ruhigstellung der Schulter, die der Kläger nach der GO-Nr. 216 abrechnen will, ist dies im Vergleich etwa zur Ruhigstellung eines Armes unter Einschluss der Schulter – dies wird von der GO-Nr. 214 erfasst – in keiner Weise erkennbar.
Dass es im Quartal III/03 möglicherweise keine sinnvolle Leistung mehr gab, die der Leistungslegende der GO-Nr. 216 entsprach, diese mithin als überholt angesehen werden konnte, ändert nichts. Allein das Versäumnis des Bewertungsausschusses, eine nicht mehr zeitgemäße Leistungsbeschreibung zu ändern oder zu streichen, führt nicht dazu, dass sie mit aus der Sicht eines einzelnen Vertragsarztes "sinnvollem" Inhalt gefüllt werden dürfte.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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