L 3 U 158/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 51/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 158/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 02. Juli 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten wegen der Folgen eines Wegeunfalls die Gewährung einer Verletztenrente.

Die 1946 geborene Klägerin befand sich am 10. April 2007 gegen 7.00 Uhr per Fahrrad auf dem Weg zu ihrer Beschäftigung als Reinigungskraft in einem Seniorenheim, als ihr bei einem Bremsmanöver das Vorderrad wegrutschte und sie stürzte, vgl. Unfallanzeige vom 12. April 2007. Hierbei schlug sie mit dem linken Arm gegen einen Straßenpoller und zog sich hierdurch eine geschlossene Ellenbogenluxation links und eine inkomplette proximale Läsion des Nervus medianus links zu, vgl. Durchgangsarztbericht vom 10. April 2007 und Bericht des Klinikums Bvom 20. April 2007. Die Klägerin wurde am 10. April 2007 stationär zunächst mit einer geschlossenen Reposition und Ruhigstellung mit Oberarmgipsschiene, sodann am 13. April 2007 mittels einer operativen Stabilisierung mit Reinsertion des ventralen Kapselkomplexes und ulnaren Kollateralbandes mit zwei Fastak-Ankern behandelt. Eine konsiliarische neurologische Befunderhebung ergab eine Hypästhesie der radialen Langfinger, die Ausbildung einer Schwurhand, eine Parese der Fingerbeuger Dig. I bis III und des Musculus abductor pollicis brevis als Zeichen einer inkompletten proximalen Nervus-medianus-Läsion. Hierzu wurde am 27. April 2007 eine Elektromyographie (EMG) durchgeführt, über welche das Klinikum Bunter dem 27. April 2007 berichtete. Der Klägerin wurden Physio- und Ergotherapie verordnet.

Die Beklagte führte die Klägerin einer neurologischen Befunderhebung am Unfallkrankenhaus B(U) zu, worüber dieses unter dem 22. Mai 2007 einen neurologischen Befundbericht erstellte. Ferner erstattete das U nach einer MRT-Untersuchung den Zwischenbericht vom 25. Mai 2007 und nach einer erneuten EMG und Elektroneurographie (ENG) einen weiteren Bericht vom 18. Juli 2007 und neurologischen Befundbericht vom 19. Juli 2007, wonach der Motorikbefund bei persistierenden Empfindungsstörungen und dominierender Schwäche der medianusinnervierten Thenarmuskulatur gebessert sei, indem die Klägerin nun die Finger II und III fast bis zum Faustschluss führen könne. Es folgten weitere Untersuchungen im U, vgl. etwa neurologische Befundberichte vom 15. Oktober 2007, 30. Januar 2008 und 24. April 2008, Zwischenberichte vom 20. Juli 2007, 10. Oktober 2007, 05. Februar 2008 und 03. Mai 2008, welche eine langsam fortschreitende Befundbesserung ergaben. Laut neurologischem Befundbericht vom 24. April 2008 ließ sich zwölf Monate nach der Nervenschädigung ein Endzustand konstatieren. Die Kraftentwicklung der medianus-innervierten Unterarm- und Handmuskulatur habe im zeitlichen Verlauf noch gering zugenommen und weise absolut gesehen noch ein leichtes bis sehr leichtes Defizit auf. Ganz im Vordergrund stehe die defizitäre sensible Reinnervation. Bei fehlendem Nachweis sensibler Reinnervation in der ENG werde subjektiv keine Besserung mehr empfunden. Laut Zwischenbericht vom 03. Mai 2008 war nunmehr ein Beharrungszustand eingetreten. Die Klägerin sei nicht mehr arbeitsfähig. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade werde verbleiben.

Die Beklagte gewährte beginnend mit Bescheid vom 05. Juni 2007 bis zum 27. Juni 2008 Verletztengeld (letzter Verletztengeldbescheid vom 30. Juni 2008). Laut Zwischenbericht von Dr. Rvom Städtischen Klinikum B vom 30. Mai 2008 war aus neurologischer Sicht ein Beharrungszustand eingetreten, wobei die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit dauerhaft eingeschränkt wieder ausüben könne.

Die Beklagte ließ durch Prof. Dr. E, Dr. F und Dr. R vom U das Rentengutachten vom 31. Juli 2008 erstellen, wonach als wesentliche Unfallfolgen ein endgradiges funktionelles Defizit bei Streckung des linken Ellenbogengelenks, zwei implantierte Pins nach Refixierung des ulnaren Seitenbands und des Processus coronoideus links, die postoperative Narbe am linken Ellenbogengelenk und eine Restsymptomatik nach Verletzung des Nervus medianus links bestünden. Die unfallbedingte MdE betrage vorbehaltlich der neurologischen Zusatzbegutachtung weniger als 10 vom Hundert (v.H.). Im neurologischen Zusatzgutachten vom 09. Oktober 2008 gelangte Dr. S, Komm. Direktor der Klinik für Neurologie mit Stroke Unit und Frührehabilitation des U, zur Einschätzung, dass insbesondere in motorischer Hinsicht eine Nervenerholung eingetreten sei, jedoch noch folgende Unfallfolgen bestünden: eine mäßige bis schwere Empfindungsstörung des Daumens, des Zeige-, Mittelfingers und der speichenseitigen Ringfingerhälfte, ein mäßiges Sensibilitätsdefizit im speichenseitigen Hohlhandbereich, hiermit verbundene feinmotorische Kontrollstörungen, eine leichte Restlähmung der Unterarmeinwärtsdrehung, der Handbeugung und der Daumenabspreizung links sowie eine Schweißsekretionsstörung und Temperaturregulationsstörung im empfindungsgestörten Handbereich. Hiernach sei die MdE mit 15 v.H. zu veranschlagen. Prof. Dr. E u.a. schätzten die Klägerin ab 28. Juni 2008 als arbeitsfähig ein und gelangten unter Einbeziehung des neurologischen Zusatzgutachtens zu einer MdE von 15 v.H., vgl. Schreiben vom 02. Dezember 2009.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09. Januar 2009 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Sie erkannte neben einer endgradigen Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogengelenk die von Dr. S festgestellten Unfallfolgen als Folgen der unfallbedingten Ausrenkung des linken Ellenbogengelenks mit Abriss der Processus coronoideus und Verletzung des ulnaren Seitenbandes an. Die Klägerin erhob am 26. Januar 2009 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009, auf welchem die Aufgabe zur Post nicht vermerkt wurde, zurück. An die Klägerin wurde der Widerspruchsbescheid ohne dessen Seite 2 versandt; sie kann sich (laut ihrer späteren Angaben im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Potsdam am 16. Oktober 2009) an den genauen Zeitpunkt des Zugangs nicht erinnern. Mit Schreiben der zwischenzeitlich hinzugezogenen Bevollmächtigten der Klägerin vom 07. Mai 2009 wurde die Beklagte um eine vollständige Fassung des Widerspruchsbescheids gebeten. Dem kam sie mit Schreiben vom 13. Mai 2009 nach.

Die Klägerin hat ihr Begehren - zwischenzeitlich - mit der am 07. Mai 2009 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat behauptet, die bei ihr bestehenden Unfallfolgen begründeten eine MdE von 50 v.H. Zur Untermauerung ihres Standpunkts hat sie sich auf einen Zwischenbericht von Dr. R vom 17. November 2009 bezogen, wonach sie bei der ambulanten Untersuchung desselben Tages über krampfartige Schmerzen im Bereich des linken Unterarms, teilweise mit Beugekrämpfen der Langfinger geklagt habe. Es bestünden weiterhin ein Taubheitsgefühl an der linken Hand im Bereich des ersten und dritten Fingers beugeseitig sowie Kribbelmissempfindungen bzw. ein Taubheitsgefühl an der Beugeseite des linken Unterarmes. Die Drehbewegung des linken Unterarms sei schmerzhaft. Der Schmerz strahle in das linke Ellenbogengelenk und in den linken Unterarm aus. Weiterhin werde eine Kraftminderung bei der Beugung der Finger, beim Pinzettengriff und bei der Beugung des linken Ellenbogengelenks beklagt. Der Faustschluss der linken Hand sei nicht vollständig möglich. Die linke Hand schwelle nach Belastungen im Tagesverlauf an. Erschütterungen würden als unangenehm empfunden (z.B. beim Fahrradfahren).

Die Beklagte hat behauptet, der Widerspruchsbescheid sei am Tag seines Erlasses zur Post gegeben worden, weshalb er ihrer Meinung nach als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post, mithin am 03. April 2009, einem Freitag als zugestellt gelte und die Klage bis zum Montag, dem 04. Mai 2009 hätte eingereicht werden müssen. Dementsprechend sei die erst am 07. Mai 2009 erhobene Klage verfristet.

Das SG hat aufgrund Beweisanordnung vom 20. Oktober 2009 das vom Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. T erstellte schriftliche Sachverständigengutachten vom 08. Januar 2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die Ellenbogengelenksbeweglichkeit bei Extension/ Flexion rechts auf 5-0-140° gegenüber links auf 0-0-140° links und bei Supination/ Pronation beidseits auf 80-0-90° festgestellt. Bei Ertastung der reizlosen Narben unter verbaler Ablenkung im Liegen mache die Klägerin keine Angabe zu Schmerzen; sie mache auch keine Angaben zu Parästhesien beim Ertasten des Unterarms ventromedial im Liegen. Der Sachverständige hat eine seitengleiche Handgelenksbeweglichkeit festgestellt. An den Fingerkuppen weise die Klägerin vereinzelt ein Ekzem auf. Auch an den Handinnenflächen finde sich ein partiell schuppendes Ekzem. Es bestehe eine Fingerpolyarthrose im Sinne von Heberden, weniger im Sinne von Bouchard, welche nahezu alle Fingergelenke erfasse. Es fänden sich künstlich gefärbte Fingernägel beidseits. Die Daumenopposition gelinge der Klägerin auf Anhieb sowohl mit rechts als auch mit links. Beim Faustschluss zeige die Klägerin zunächst einen Abstand zwischen Fingerkuppe von Zeige- und Mittelfinger zur Hohlhand links von 0,5 bis 1 cm. Auf direktes Ansprechen hin sei es der Klägerin möglich, den Faustschluss links komplett zu zeigen. Dabei betrage die Distanz zwischen der Hohlhand und den Fingerkuppen 0 cm. Der Spitz- und Schlüsselgriff habe von der Klägerin regelrecht mit links demonstriert werden können, sei allerdings linksseitig dezent schwächer. Die Umfangsdifferenz des linken Arms gegenüber dem rechten sei unter Berücksichtigung der Rechtshändigkeit nicht signifikant. Es bestehe mithin eine leichte Funktionsstörung am linken Ellenbogen und an der linken Hand. Die MdE betrage 15 v.H.

Die Klägerin hat sich mit dem Sachverständigengutachten kritisch auseinandergesetzt und den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das SG hat das Ablehnungsgesuch nach Einholung einer Stellungnahme des Sachverständigen vom 16. März 2010 mit Beschluss vom 12. April 2010 zurückgewiesen und die Klage mit Urteil vom 02. Juli 2010 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, insbesondere unter Einhaltung der Klagefrist erhoben. Es bestehe jedoch kein Anspruch auf Verletztenrente, weil die medizinischen Ermittlungen im Einklang mit dem einschlägigen Fachschrifttum eine MdE von mindestens 20 v.H. nicht ergeben hätten.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Juli 2010 zugestellte Urteil am 16. August 2010 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrem bisherigen Vorbringen fest.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 02. Juli 2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 09. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 08. November 2010 das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie, Unfall- und Handchirurgie Prof. Dr. S vom 29. Dezember 2010 eingeholt. Prof. Dr. S hat bei der ambulanten Untersuchung eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit des linken Ellenbogengelenks festgestellt (Streckung/ Beugung rechts 5-0-140° gegenüber links 5-0-130°). Die Umwendbewegungen im linken Ellenbogen entsprächen der rechten Seite. Im Übrigen hat er Veränderungen bei der Feinmotorik beider Hände festgestellt. Links sei der Flaschengriff in Bezug auf die Grobkraft eingeschränkt. Der Faustschluss sei links nicht vollständig komplett, der zweite Finger könne nur bis auf 1 cm an die Hohlhand angenähert werden. Das Froment-Zeichen sei negativ. Es bestehe eine Sensibilitätsstörung über dem ersten und zweiten Finger und an der linken Handkante sowie am Handrücken. Die Grobkraft sei herabgesetzt. Bei der neurologischen Untersuchung der oberen Extremitäten lasse sich eine Dysästhesie im Bereich des linken Unterarms auslösen. Die Zwei-Punkte-Diskrimination sei in den Fingern I bis III gestört. Arbeitsfähigkeit sei ab 28. Juni 2008 wieder eingetreten. Die unfallbedingte MdE betrage seitdem 15 v.H.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin aufgrund Beweisanordnung vom 28. März 2011 das schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. L vom 01. August 2011 eingeholt, in welchem er der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet Arbeitsfähigkeit ab Juli 2007 und ab der 25. Woche nach dem Unfall eine MdE von 10 v. H. und nach Ablauf eines Jahres nach dem Unfall von weniger als 10 v.H. bescheinigt hat, wobei die Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet letztendlich nicht fachkompetent gutachtlich beurteilt werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig, sie ist insbesondere innerhalb der gemäß § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einmonatigen Klagefrist erhoben worden.

Fristauslösendes Ereignis ist die durch Abgabe und Zugang des Widerspruchsbescheids bewirkte Bekanntgabe, welche spätestens am 07. Mai 2009 eingetreten war. Denn unter diesem Datum meldeten sich die Klägervertreter bei der Beklagten und baten um eine vollständige Ausfertigung des Widerspruchsbescheids. Ein früherer Bekanntgabezeitpunkt lässt sich nicht annehmen. Es lässt sich vorliegend insbesondere nicht unter Anwendung der sog. Drei-Tage-Fiktion gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) von einem Zugang am dritten Tag nach Aufgabe des Widerspruchsbescheids zur Post, mithin auf den 03. April 2009 begründen. Es fehlt bereits an einem Abvermerk auf dem bei den Verwaltungsakten befindlichen Ausdruck des Widerspruchsbescheids, welcher erst die Behauptung der Beklagten hätte tragen können, dass der Widerspruchsbescheid in der Tat am Tag seines Erlasses am 31. März 2009 zur Post aufgegeben worden wäre. Bereits die hiernach bestehenden Zweifel bezüglich eines auf den 03. April 2009 bewirkten Zugangs führen dazu, dass die insoweit materiell beweisbelastete Beklagte den konkreten Zeitpunkt des Zugangs gemäß § 37 Abs. 2 S. 3 SGB X nachzuweisen hat. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie dies bei bloßer Aufgabe zur Post nicht mittels einer den Zugang beweisenden Urkunde nachweisen kann; einen entsprechenden Zeugenbeweis hat sie auch nicht angetreten. Hiernach ist nur sicher, dass der Widerspruchsbescheid der Klägerin, welche sich an einen genauen Zugangszeitpunkt nicht mehr erinnern kann, jedenfalls bis zum 07. Mai 2009 zugegangen sein muss. Von daher begann die Frist gemäß § 66 Abs. 1 SGG tags drauf zu laufen und endete gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 SGG zunächst auf dem 07. Juni 2009 als dem Tag, welcher seiner Zahl nach dem Tag des fristauslösenden Ereignisses entspricht. Da der 07. Juni 2009 ein Sonntag war, verlagerte sich das Fristende gemäß § 66 Abs. 3 SGG auf Montag, den 08. Juni 2009 als den nächsten Werktag. Die Klägerin hat hiervon ausgehend mit ihrer am 07. Mai 2009 erhobenen Klage die Monatsfrist gewahrt.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist, soweit mit ihm eine Verletztenrente abgelehnt wird, rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat keinen Anspruch auf Verletztenrente aus der hierfür einzig in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage aus § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII).

Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung zur Zeit des Unfalls, Unfallereignis sowie Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 ? B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).

Erst dann, wenn sich die haftungsausfüllende Kausalität annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der MdE und hängt diese von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12).

Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass bei der Klägerin infolge des Unfalls vom 10. April 2007 tatsächlich eine rentenberechtigende MdE vorliegt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein Rentenanspruch, soweit er von der Klägerin für die Zeit vor dem 28. Juni 2008 geltend gemacht wird, gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausscheidet, wonach Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet. Vorliegend endete der Anspruch auf Verletztengeld frühestens mit Ablauf des 27. Juni 2008; bis dahin gewährte die Beklagte der Klägerin zuletzt mit bindendem Bescheid vom 30. Juni 2008 Verletztengeld.

Für die Zeit ab dem 28. Juni 2008 lässt sich ein Rentenanspruch aus medizinischen Gründen nicht rechtfertigen. Die zutreffende Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen des erstinstanzlichen Verfahrens Dr. T wird im Ergebnis auch von den im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. S und Dr. L bestätigt. Beide gelangen jedenfalls für die Zeit ab dem 28. Juni 2008 ebenfalls nicht zu einer rentenberechtigenden MdE von mindestens 20 v.H. Damit bestätigen sie das medizinische Gesamtermittlungsergebnis. Die nach den Befunderhebungen aller mit dem Fall der Klägerin betrauten Ärzte objektivierbaren Funktionsbehinderungen geben für die Zeit ab dem 28. Juni 2008 für eine rentenberechtigende MdE nichts her. Dies erscheint auch im Lichte des einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttums schlüssig, wonach sich erst bei einem Totalausfall des Nervus medianus eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. oder mehr annehmen lässt (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 5.6, S. 229). Demgegenüber vermittelt selbst der von Prof. Dr. S erhobene gegenüber den von Dr. T getroffenen Feststellungen schwerere Befund zwar noch Funktionsbehinderungen, jedoch bei Weitem keinen Totalausfall des Nervus medianus. Bereits die den Fortgang der Behandlung bildhaft dokumentierenden neurologischen Befundberichte und Zwischenberichte etwa des U bestätigten wie schließlich auch das neurologische Zusatzgutachten von Dr. S vom 09. Oktober 2008 eine ständige Befundbesserung bis hin zu einer insbesondere motorischen Nervenerholung; es bestehen und dies bestätigt sich eben etwa in den von Prof. Dr. S erhobenen Befunden - nur noch geringe motorische Defizite bei fortbestehenden, ausgeprägteren sensiblen Defiziten, nicht aber ein sich im Befund verobjektivierender - funktioneller Ausfall des Nervus medianus.

Hiervon ausgehend hat sich der Senat auch eingedenk der ihm aus § 103 SGG obliegenden Untersuchungsmaxime nicht veranlasst gesehen, von Amts wegen weitere Ermittlungen etwa auf neurologischem Fachgebiet durchzuführen. Es liegen aussagekräftige neurologische Befunde und Bewertungen bereits aus dem Verwaltungsverfahren vor, welche zumindest von Dr. T und Prof. Dr. S bei der MdE-Bewertung mit einbezogen worden sind. Da sich zudem die MdE nicht nach der Diagnose bestimmter regelwidriger körperlicher Zustände, sondern allein an den sich in objektiven (klinischen) Befunden manifestierenden, nach außen zu Tage tretenden Funktionsbehinderungen bemisst, folgt der Senat auch der sich im Gutachten von Dr. L andeutenden Einschätzung nicht, dass die MdE ohne neurologische Begutachtung nicht abschließend bewertet werden könne.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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