L 13 SB 146/12 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 42 SB 151/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 146/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Juni 2012 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht ab dem 10. Dezember 2012 (Eingang der vollständigen Unterlagen zur Feststellung der Bedürftigkeit) Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von Rechtsanwältin gewährt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht gemäß § 73 a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) die hinreichende Erfolgsaussicht des Prozesskostenhilfegesuchs der Klägerin verneint.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen. Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes gebietet in Verbindung mit dem in Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitergehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses Nebenverfahren an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 – 1 BvR 68/07). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (Bundesverfassungsgericht, a.a.O., und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juli 1993 – 1 BvR 1523/92). Demnach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund eines geklärten Sachverhalts für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.

Nach diesen Maßstäben ist die hinreichende Erfolgsaussicht vorliegend nicht zu verneinen. Denn die hier streitbefangene Frage eines Anspruchs der Klägerin auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" nach § 69 Absatz 4 in Verbindung mit den §§ 145, 146 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) durch den Beklagten erscheint vor dem Hintergrund des Vortrages der Klägerin als nicht abschließend geklärt. Zunächst ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Untersuchung der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet angezeigt. Dabei ist dem Sachverständigen die Frage vorzulegen, welche Auswirkungen die von der Klägerin nicht nur vorgetragenen, sondern auch im Attest ihrer behandelnden Psychiaterin B vom 12. Juli 2011 beschriebenen schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen und Orientierungsschwierigkeiten im Hinblick auf deren Gehvermögen und die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung haben. Sodann ist durch das Gericht zu prüfen, ob und ggf. auf welchen anderen Fachgebieten die Einholung weiterer Sachverständigengutachten erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Absatz 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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