Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 KR 1335/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 350/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2012 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf jeweils 860,13 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Beschwerde muss Erfolg versagt bleiben.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Bezug, deren Sachverhaltsdarstellung und Begründung er sich zu Eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ob die Antragsgegnerin den in der Sache streitbefangenen Prüfbescheid vom 10. Juli 2012 nur in Abänderung eines in der Prüfmitteilung vom 15. Oktober 2008 möglicherweise enthaltenen Prüfbescheides hätte rechtmäßig erlassen können kann ebenso im hiesigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dahingestellt bleiben wie die Fragen eines Vertrauensschutzes allgemein oder des Umfanges des sogenannten Zuflussprinzips.
Zutreffend hat das SG die Annahme ernstlicher Zweifel darüber hinaus auf den Umstand ge-stützt, dass der Antragssteller sich auf die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) berufen kann. Der Bescheid betrifft nur (etwaige) Beiträge für das Jahr 2006, so dass Verjährung zumindest ganz überwiegend Ende 2010 eingetreten ist, da selbst die Beiträge für Dezember 2006 nach § 23 Abs. 1. S. 2 SGB IV (in der damals gültigen Fassung) regelmäßig noch in diesem Monat fällig geworden waren. Der Prüfbescheid datiert erst aus 2012.
Im Übrigen wäre auch bei teilweiser Fälligkeit erst 2007 nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen summarischer Prüfung Verjährung eingetreten, da jedenfalls nach Aktenlage keine rechtzeitige Hemmung erfolgt ist:
§ 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV ist nicht einschlägig: Die Prüfung hat nach dem Prüfbericht erst am 28. Juni 2012 begonnen (vgl. die Formulierung im Bescheid und die Angabe im Bericht über die Betriebsprüfung, VV der Antragsgegnerin Bl. 71). Selbst wenn unter "Prüfung beim Arbeitgeber" im Sinne des § 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV nicht die Prüfung im engeren Sinne, bei die mit der Prüfung Beauftragten des Rentenversicherungsträgers im Betrieb oder bei der Abrechnungsstelle erscheinen, um die Prüfung vorzunehmen, verstanden werden kann, beginnt diese jedenfalls nicht durch die bloße Ankündigung der Prüfstelle, in eine Prüfung einsteigen zu wollen, einem reinen Anhörungsschreiben oder einem informellen Treffen. Wie sich im Umkehrschluss aus § 25 Abs. 2 Satz 5 SGB IV ergibt, kann vielmehr verjährungshemmend frühestens der Tag sein, der in der Prüfankündigung genannt ist: Nach § 25 Abs. 2 S. 5 SGB IV ist dieser Tag nämlich maßgeblich, wenn der ursprünglich vorgesehene Termin verschoben werden muss, es sei denn, die prüfende Stelle hat den Umstand, dass die Prüfung nicht beginnen konn-te, zu vertreten (so zutreffend SG Würzburg, Beschluss vom 07.02.2012 -S 6 R 74/12 ER-, juris-Rdnr. 37).
Als Tag der Betriebsprüfung hatte hier die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. November 2011 (erst) den 06. Februar 2012 genannt.
Es erscheint nach summarischer Betrachtung auch eher ausgeschlossen, dass sich die Antragsgegnerin mit Erfolg darauf berufen kann, dass der Antragssteller die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV. Zwar begründet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ab-lauf der kurzen Verjährungsfrist, Vorsatz hinzutritt (vgl. BSG, Urt. v. 20.03.2000 –B 12 KR 14/99 R-; juris-Randnr. 20f). Vorsätzlich sind Beiträge vielmehr auch dann vorenthalten, wenn der Schuldner von seiner bereits früher entstandenen und fällig gewordenen Beitragsschuld erfährt oder er diese erkennt, die Entrichtung der rückständigen Beiträge aber dennoch willent-lich unterlässt. Vorsatz liegt aber -auch als Eventualvorsatz (dolus eventualis)- nur vor, wenn auch der innere (subjektiven) Tatbestand festgestellt ist, das heißt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden kann. Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjäh-rungsfrist beruft (so BSG, a. a. O. Randnr. 24).
Der Antragsteller weist hier zutreffend darauf hin, dass alleine aus dem Hinweis der Antragsgegnerin auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur fehlenden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen vom 14. Dezember 2010, aber vor der Veröffentlichung der ersten gerichtlichen Entscheidung durch das Arbeitsgericht Berlin auch zur rückwirkenden Ungültigkeit im Jahr 2011, fehlendes Wissen über -wie hier- rückwirkende Beitragspflichten noch nicht einmal fahrlässig gewesen sein dürfte. Dass die BAG-Entscheidung umfassend publiziert worden sein mag, ersetzt den konkreten Nachweis vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung nicht, wofür hier nach Aktenlage nichts vorgetragen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 153 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes nach § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache, sondern eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren streitbefangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG, bei welchen die Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren zu prüfen sind, grundsätzlich nur die Hälfte des Hauptsachenstreitwerts anzusetzen. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Der Beschwerde muss Erfolg versagt bleiben.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Bezug, deren Sachverhaltsdarstellung und Begründung er sich zu Eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Ob die Antragsgegnerin den in der Sache streitbefangenen Prüfbescheid vom 10. Juli 2012 nur in Abänderung eines in der Prüfmitteilung vom 15. Oktober 2008 möglicherweise enthaltenen Prüfbescheides hätte rechtmäßig erlassen können kann ebenso im hiesigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dahingestellt bleiben wie die Fragen eines Vertrauensschutzes allgemein oder des Umfanges des sogenannten Zuflussprinzips.
Zutreffend hat das SG die Annahme ernstlicher Zweifel darüber hinaus auf den Umstand ge-stützt, dass der Antragssteller sich auf die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) berufen kann. Der Bescheid betrifft nur (etwaige) Beiträge für das Jahr 2006, so dass Verjährung zumindest ganz überwiegend Ende 2010 eingetreten ist, da selbst die Beiträge für Dezember 2006 nach § 23 Abs. 1. S. 2 SGB IV (in der damals gültigen Fassung) regelmäßig noch in diesem Monat fällig geworden waren. Der Prüfbescheid datiert erst aus 2012.
Im Übrigen wäre auch bei teilweiser Fälligkeit erst 2007 nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen summarischer Prüfung Verjährung eingetreten, da jedenfalls nach Aktenlage keine rechtzeitige Hemmung erfolgt ist:
§ 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV ist nicht einschlägig: Die Prüfung hat nach dem Prüfbericht erst am 28. Juni 2012 begonnen (vgl. die Formulierung im Bescheid und die Angabe im Bericht über die Betriebsprüfung, VV der Antragsgegnerin Bl. 71). Selbst wenn unter "Prüfung beim Arbeitgeber" im Sinne des § 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV nicht die Prüfung im engeren Sinne, bei die mit der Prüfung Beauftragten des Rentenversicherungsträgers im Betrieb oder bei der Abrechnungsstelle erscheinen, um die Prüfung vorzunehmen, verstanden werden kann, beginnt diese jedenfalls nicht durch die bloße Ankündigung der Prüfstelle, in eine Prüfung einsteigen zu wollen, einem reinen Anhörungsschreiben oder einem informellen Treffen. Wie sich im Umkehrschluss aus § 25 Abs. 2 Satz 5 SGB IV ergibt, kann vielmehr verjährungshemmend frühestens der Tag sein, der in der Prüfankündigung genannt ist: Nach § 25 Abs. 2 S. 5 SGB IV ist dieser Tag nämlich maßgeblich, wenn der ursprünglich vorgesehene Termin verschoben werden muss, es sei denn, die prüfende Stelle hat den Umstand, dass die Prüfung nicht beginnen konn-te, zu vertreten (so zutreffend SG Würzburg, Beschluss vom 07.02.2012 -S 6 R 74/12 ER-, juris-Rdnr. 37).
Als Tag der Betriebsprüfung hatte hier die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. November 2011 (erst) den 06. Februar 2012 genannt.
Es erscheint nach summarischer Betrachtung auch eher ausgeschlossen, dass sich die Antragsgegnerin mit Erfolg darauf berufen kann, dass der Antragssteller die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV. Zwar begründet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ab-lauf der kurzen Verjährungsfrist, Vorsatz hinzutritt (vgl. BSG, Urt. v. 20.03.2000 –B 12 KR 14/99 R-; juris-Randnr. 20f). Vorsätzlich sind Beiträge vielmehr auch dann vorenthalten, wenn der Schuldner von seiner bereits früher entstandenen und fällig gewordenen Beitragsschuld erfährt oder er diese erkennt, die Entrichtung der rückständigen Beiträge aber dennoch willent-lich unterlässt. Vorsatz liegt aber -auch als Eventualvorsatz (dolus eventualis)- nur vor, wenn auch der innere (subjektiven) Tatbestand festgestellt ist, das heißt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden kann. Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjäh-rungsfrist beruft (so BSG, a. a. O. Randnr. 24).
Der Antragsteller weist hier zutreffend darauf hin, dass alleine aus dem Hinweis der Antragsgegnerin auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur fehlenden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen vom 14. Dezember 2010, aber vor der Veröffentlichung der ersten gerichtlichen Entscheidung durch das Arbeitsgericht Berlin auch zur rückwirkenden Ungültigkeit im Jahr 2011, fehlendes Wissen über -wie hier- rückwirkende Beitragspflichten noch nicht einmal fahrlässig gewesen sein dürfte. Dass die BAG-Entscheidung umfassend publiziert worden sein mag, ersetzt den konkreten Nachweis vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung nicht, wofür hier nach Aktenlage nichts vorgetragen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 153 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes nach § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache, sondern eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren streitbefangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG, bei welchen die Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren zu prüfen sind, grundsätzlich nur die Hälfte des Hauptsachenstreitwerts anzusetzen. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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