L 9 KR 364/11 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 843/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 364/11 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt war.

Der 1965 geborene Beigeladene war, wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 4. Mai 2001 auf seinen Antrag feststellte, vom 1. Oktober 1997 bis zum März 1999 bei der E Gastronomie GmbH & Co. KG als Discjockey versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 16. Dezember 1999 war er für die Klägerin als Computertechniker tätig. In Vorbereitung eines schriftlich zu fixierenden, die Zusammenarbeit regelnden Vertrages übersandte diese an den Beigeladenen am 31. Mai 2000 eine E-Mail mit im Wesentlichen folgenden Inhalt:

"Unser Vorschlag kommt jetzt doch schneller als gedacht. - du sollst bekommen einen Grundstock von DM 2.500,00 - dazu 30 Verkaufsgesprächs- bzw. Kundentermine (Vor-Ort) durchführen, die mit je 50,00 DM abgegolten werden, das würden weitere 1.500,00 DM ergeben - die dabei sich ergebenden Aufträge werden selbstverständlich noch Provisioniert - für die 2.500,00 DM sollst du uns ca. 3 Tage/Woche zzgl. evtl. Schulungen die auch auf einen Samstag fallen können zu Verfügung stehen - an 2 weiteren Tagen sollst du deine Termine durchführen, diese vorbereiten und nachsorgen, sowie die Ergebnisse an uns 1 x Woche übergeben - das ganze soll zunächst in einer Testphase 2 Monate laufen."

Unter dem 1. Juli 2000 schlossen die Klägerin und der Beigeladene einen "Vertrag über freie Mitarbeit" mit wesentlichem folgendem Inhalt:

"§ 1 Tätigkeit:

1. Die Tätigkeit des freien Mitarbeiters erstreckt sich auf Installation und Wartung von Soft- und Hardware, Betreuung von Computersystemen, Fehlersuche und –behebung bei system- und anwendungsbedingten Ausfällen sowie weitere im Rahmen der Dienstleistung von PC-Notruf anfallenden Tätigkeiten. Verkaufsförderung bei Beratungs- und Außendienstaufträgen gehören ebenfalls zu den Aufgaben des Mitarbeiters.

2. Eine feste Arbeitszeit wird nicht vereinbart. Der freie Mitarbeiter wird über für ihn vorliegende Aufträge oder Arbeiten und Aufgaben per Cityruf, fernmündlich oder durch mündliche Absprache benachrichtigt. Der Frei Mitarbeiter kann für die Bereitschaft zwischen zwei Modi wählen. Der im Anhang I vereinbarte Modus gilt als vertraglich vereinbart.

2. a) Nach Rücksprache mit P sind diese dann zu vorgegebenem Termin auszuführen. Der freie Mitarbeiter gibt bis spätestens Freitag Mittwoch der vorhergehenden Woche für eine Ganze Woche im Voraus bekannt, zu welchen Zeiten er für Aufträge zur Verfügung steht, sofern keine Standardtage vereinbart sind oder die Bereitschaftszeit von den Standardtagen abweicht.

2. b) Der Freie Mitarbeiter steht zu dem im Anhang I genannten Zeiten für die Anrufannahme und Auftragsdurchführung unter der dort genannten Nummer zur Verfügung und verpflichtet sich binnen einer Stunde nach Alarmierung sich mit P in Verbindung um sich den Auftrag abzuholen und umgehend mit dem Kunden einen Termin abzusprechen. Mit der Ausführung von Aufträge beginnt der Freie Mitarbeiter wenn irgend möglich noch am selben, in der Regel spätestens am folgenden Tag nach Alarmierung (Falls nichtzutreffend bitte streichen).

Der Freie Mitarbeiter verpflichtet sich, Abweichungen bis zu einem Tag von diesen Bereitschaftszeiten P spätestens am Vortrag bis 12:00 Uhr mitzuteilen. Bereitschaftsausfälle von mehr als einem zusammenhängenden Tag werden mindestens zwei Wochen im Voraus gemeldet.

3. Der freie Mitarbeiter ist unter der in Anhang I genannten Nummer (Telefon/Mobiltelefon/Pager) zu erreichen.

4. Der Freie Mitarbeiter verpflichtet sich zur Zahlung von DM 100,00 an P, wenn er die Bereitschafts- und Mitteilungsfristen nicht beachtet. Dies gilt nicht für unvorhersehbare Fälle wie höhere Gewalt, Krankheit etc. Der Freie Mitarbeiter verpflichtet sich auch in diesem Fall, den Ausfall unverzüglich mitzuteilen.

5. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, für jeden Auftrag ein Außendienstauftragsformular sowie einen separaten Stundennachweis nach Maßgaben von P zu führen und vom Kunden nach Beenden der Arbeit sich die Leistung und Arbeitszeiten gegenzeichnen zu lassen. Soweit keine anderen Zahlungsbedingungen mit dem Kunden vereinbart sind wird die Rechnungssumme vom freien Mitarbeiter sofort erhoben. Die zur Rechnungsstellung notwendigen Daten sowie die kassierten Schecks und Bargeld müssen bis spätestens Dienstag der Woche nach Auftragsausführung am Monatsende spätestens zum zweiten Werktag des Folgemonats an P übermittelt werden.

6. Der Freie Mitarbeiter verpflichtet sich, die Aufträge nach von P vorgegebenen Richtlinien und Qualitätsnormen auszuführen. Insbesondere erkennt der freie Mitarbeiter an, dass das Techniker-Manual in seiner jeweils gültigen Fassung fester Bestandteil dieses Vertrages ist und die dort festgelegten Vorgehensweisen und Institutionen wie beispielsweise Rückmeldung und Auftragsphasen einzuhalten.

7. Arbeitsort ist üblicherweise die Adresse des jeweiligen P Kunden. Lässt die Ausführung eines Auftrages es zu, stehen dem Mitarbeiter Ort und Zeit der Ausführung frei (insbesondere Programmieraufträge).

8. Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf dem Gebiet seiner freien Mitarbeit weiterzubilden und sich über aktuelle Veränderungen auf diesem Gebiet auf dem Laufenden zu halten. P verpflichtet sich, den freien Mitarbeiter dabei im Rahmen seiner Möglichkeiten bestmöglich zu unterstützen.

§ 2 Schulungen/Koordinationsgespräche

1. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, die wöchentlich stattfindenden Koordinations- und Qualitätssicherungsgespräche (Mitarbeiterbesprechung) zu besuchen. Des Weiteren verpflichtet sich der freie Mitarbeiter an den viermal jährlich stattfindenden Technik-Corner/Erfatagungen teilzunehmen und mindestens zwei Schlüsselqualifikationsschulungen (Rhetorik, Kunden- und Serviceorientiertes Verhalten, Verkauf I u II, Telfonmarketing etc.) pro Jahr teilzunehmen.

2. P verpflichtet sich diese Seminare kostenfrei anzubieten. Ausgenommen sind Übernachtungskosten, sofern die Seminare nicht am Standort von P stattfinden. P verpflichtet sich in diesem Fall bei der Buchung eine möglichst günstige Unterbringungsmöglichkeit behilflich zu sein.

3. Der Besuch der in § 2 genannten Veranstaltungen ist Voraussetzung um die in § 4 aufgeführten Provisionen zu erhalten.

§ 3 Vergütung

1. Der freie Mitarbeiter berechnet nur Leistungen, die auch dem Endkunden in Rechnung gestellt werden können. Davon ausgenommen sind Leistungen, die ohne jedwedliches Verschulden des Technikers nicht beim Endkunden in Rechnung gestellt werden können.

2. Für seine Leistungen stellt der freie Mitarbeiter die in Anhang I genannten Beträge in Rechnung.

3. Sofern der freie Mitarbeiter nicht von der gesetzlichen Mehrwertsteuer befreit ist, ist auf der Rechnung diese hinzuzurechnen und gesondert auszuweisen. Die Rechnung ist mit folgendem Zusatz zu versehen: "Ich versichere, dass ich meine Sozialleistungen und Steuern ordnungsgemäß abführe". Ist er befreit, so ist dies mit der Kennzeichnung "Ich versichere, dass ich vom zuständigen Finanzamt von der Abführung der Mehrwertsteuer befreit bin" auf der Rechnung zu vermerken. Der freie Mitarbeiter versichert mit der Unterzeichnung dieses Vertrages, dass er seine Steuern und Sozialleistungen ordnungsgemäß an zuständige Finanzamt abführt.

§ 4 Ersatz von Aufwendungen

Sind für die Ausführung eines Auftrages Aufwendungen (insbesondere Material) notwendig, ist die Zentrale vorab zu benachrichtigen und deren Zustimmung einzuholen. Die Aufwendungen für Fahrtkosten sind durch den Honoraranteil Fahrtkostenpauschale bereits abgedeckt.

§ 5 Provision

1. Der freie Mitarbeiter erhält für die Akquise von Aufträgen, die Einlösung von Geschenkgutscheinen und die Vermittlung neuer Kunden eine Provision. ( )

§ 7 Wettbewerbsverbot

Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich jedwegliche Abwerbung von Kunden von P zu unterlassen. Bei Verstoß gegen diese Vorschrift sind die entsprechenden Einnahmen an P abzutreten. Weitre Schadensersatzforderungen bleiben dadurch unberührt. Außerdem kann eine Vertragsstrafe bis zu DM 5000,00 erhoben werden.

§ 8 Schweigepflicht

Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, alle ihm während seiner Tätigkeit für P bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie alle ihm bekannt gewordenen Verfahren und sonstige geschäftlichen bzw. betrieblichen Tatsachen nur im Rahmen der freien Mitarbeit für P zu verwenden. Auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ist über diese Informationen so lange Stillschweigen zu bewahren, bis sie ohne einen Verstoß des freien Mitarbeiters gegen seine Schweigepflicht in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Bei Zuwiderhandlung haftet der freie Mitarbeiter P für den entstandenen Schaden.

§ 9 Vertragsdauer

Der freie Mitarbeiter nimmt seine Tätigkeit am Tage der Unterzeichnung auf. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von beiden Seiten mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

§ 10 Nebenabreden und Vertragsänderungen

Mündliche Nebenabreden bestehen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht. Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.

( )

Bestandteil dieses Vertrages war ein "Anhang I" mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:

Bereitschaftszeiten: nach § 12b) Wochentags von 8:00 bis 20:00 Uhr

Honorar:

PAufträge: pro fakturierter Arbeitseinheit (45 min) DM 30,- pro fakturierter Anfahrt innerhalb eines Radius von 50 KM bei Nutzung des eigenen PKW DM 27,- bei Nutzung eines P Fahrzeugs DM 15,- Botenfahrten (Materialbesorgung) DM 20,-

Sonderauftrag für Drittfirmen: pro Stunde beim Kunden (60 min) DM 30,- Anfahrt innerhalb eines Radius von 50 KM DM 27,- je weitere 50 KM Radius DM 40,-

Mindestauftragsvolumen:

Der FM erhält mindestens Servicearbeit für DM 2.500,- im Monat.

Zusätzlich wird vereinbart, dass der FM 30 Akquisetermine Vor-Ort durchführt. Hierfür erhält der FM je Termin DM 50,-. Damit ist auch die Anfahrt abgegolten. Zu Akquiseterminen zählen alle reinen Verkaufsgespräche die sich a) aus der Nachsorge b) aus der aktiven Akquise von Nachbarn der Kunden, Nachtelefonieren alter Kunden etc. c) und eingehenden Anfragen ergeben. d) Der FM erarbeitet die 30 Termine aus den oben genannten Möglichkeiten selbst, soweit sie nicht durch eingehende Anfragen entstehen. Der FM führt die Nachsorge regelmäßig wöchentlich und vollständig durch. P verpflichtet sich, eingehende Anfragen an den FM weiterzugeben, soweit sie einen Vor-Ort-Termin erfordern und es sich um einen Kunden bis fünf Arbeitsplätze handelt."

Am 31. August 2001 einigten sich die Klägerin und der Beigeladene vor dem Arbeitsgericht Berlin, dass das zwischen ihnen bestehende "Beschäftigungsverhältnis" zum 28. Februar 2001 geendet und die Klägerin an den Beigeladenen noch einen Betrag von 8.275,00 DM (in Raten) zu zahlen habe.

Entsprechend dem Antrag des Beigeladenen vom 5. Juli 2001 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Mai 2002 fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Computertechniker vom 16. Dezember 1999 bis zum 31. März 2001 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2005 zurück.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgebracht, dass der Vertrag über die freie Mitarbeit viele Regelungen enthalte, die in der täglichen Praxis nicht vollzogen worden seien. Stets habe der freie Mitarbeiter bei ihr angerufen, um Aufträge zu erhalten. Der Beigeladene sei stets gekommen und gegangen, wann es ihm gepasst habe. Er sei telefonisch häufig nicht erreichbar gewesen und habe nie durchgängig zur Verfügung gestanden, sondern habe oft nur einen Auftrag angenommen und sei dann für längere Zeit nicht verfügbar gewesen. Er sei auch nicht zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen, sondern hätte sich durch einen eigenen Mitarbeiter vertreten lassen dürfen. Andere ihrer freien Mitarbeiter hätten eigene Firmen, deren Arbeitnehmer zur Durchführung ihrer – der Klägerin – Aufträge eingesetzt würden. Hauptbestandteil des von der Beklagten als Koordinations- und Qualitätssicherungsgespräch bezeichneten Termins sei die Abrechnung der von dem freien Mitarbeiter durchgeführten Aufträge gewesen. Auch wenn der Vertrag etwas anderes suggerieren wolle, sei die Teilnahme hieran grundsätzlich freiwillig. Vierteljährlich habe der Beigeladene als Dozent Tagungen durchgeführt, wofür er gesondert vergütet worden sei. Die so genannten Schlüsselqualifikationsschulungen seien bis auf eine Ausnahme im Jahr 2000 nicht durchgeführt worden. Der freie Mitarbeiter trage das Risiko, dass er gegebenenfalls für eine standardmäßige Tätigkeit (z.B. die Installation eines Computers mit Standardsoftware) mehr Zeit benötige, als letztlich dem Kunden in Rechnung gestellt werden könne. Für den freien Mitarbeiter sei eine freie Arbeitszeitgestaltung möglich, da er frei darin sei, wann er überhaupt Aufträge annehmen wolle. Das an den freien Mitarbeiter verteilte Handbuch beziehe sich lediglich auf formaler Ebene auf die Ablaufstrukturen, die für den Kunden die Dienstleistung als solche nachvollziehbar machen sollten. Inhaltlich, insbesondere zu der Art und Weise des technischen Vorgehens, finde sich in dem Handbuch nichts. Der freie Mitarbeiter sei vielmehr vollkommen frei in der Art und Weise, wie er die entsprechenden Probleme vor Ort löse. In Rechtsprechung und Literatur gebe es keine klare Definition für den Begriff der Arbeitsorganisation. Bei Dienstleistungen sei insoweit keine klare Abgrenzung zwischen selbständiger und abhängiger Tätigkeit möglich. Im Übrigen sei der Beigeladene auch anderweitig als Dozent und Discjockey selbständig tätig gewesen. Die einengenden Kriterien für eine selbständige Tätigkeit seien mit europäischem Recht unvereinbar. Für eine Ich-AG sei es typisch, dass sie über keine eigene Betriebsorganisation verfüge. Gegen eine abhängige Tätigkeit spreche auch, dass der Beigeladene Rechnungen an die Klägerin gestellt habe. Dass der Kläger sich tagsüber im Unternehmen aufgehalten habe, belege nicht, dass er hierzu verpflichtet gewesen sei. Auch in den Medien würden Leistungen der freien Mitarbeiter nicht gesondert gekennzeichnet. Ein Gehaltsfixum spreche nicht gegen eine Selbständigkeit. Der Beigeladene sei auch für andere Auftraggeber tätig gewesen.

Der Beigeladene hat vorgebracht, er habe eine Tätigkeit als Discjockey im Jahre 2000 nur noch als Hobby (26 Einsätze) ausgeübt. Die Arbeit bei der Klägerin sei so abgelaufen, dass er morgens ins Büro gefahren sei und dort seine Aufträge abgeholt habe. Nur im Ausnahmefall sei er aufgrund eines vorherigen Auftrages direkt zum Kunden gefahren. Im Büro habe ein Mitarbeiter an der Hotline gesessen, der nach Auftragseingang entschieden habe, welcher der drei bis vier Mitarbeiter zeitlich verfügbar sei und zur Übernahme des Auftrages in Frage komme. In der jeweils dienstags stattfindenden Besprechung sei es in der Regel um die Nachsorge der Aufträge, um für die Techniker relevante Betriebsabläufe sowie um anstehende Aktionen gegangen. Es hätten in der Regel alle Mitarbeiter teilgenommen und seien auch zur Teilnahme verpflichtet gewesen. Bei der Ausführung der Aufträge habe er ein T-Shirt sowie ein Käppi mit dem Logo der Klägerin getragen. Ferner habe er einen Koffer und eine Jacke, die ebenfalls den Namenszug der Klägerin enthielten. Die von ihm anlässlich von Schulungen gehaltenen Vorträge seien nicht gesondert vergütet worden.

Mit Urteil vom 17. Januar 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Der Beigeladene sei im hohen Maße in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert und örtlich, zeitlich und inhaltlich weisungsgebunden gewesen. Er habe bereits nach dem Vertragsinhalt wochentags in der Zeit von 8 bis 20 Uhr rufbereit zur Verfügung stehen, sich bei Alarmierung binnen einer Stunde zurückmelden und dann den Auftrag innerhalb einer bestimmten Zeit ausführen müssen. Selbst wenn man dem abweichenden Vorbringen der Klägerin folge, ändere dies nichts an der zeitlichen Weisungsgebundenheit, weil der Beigeladene schon zur Erwirtschaftung des Grundgehaltes und ausweislich der beispielhaft überreichten Monatsberichte und der E-Mail der Klägerin vom 31. Mai 2000 regelmäßig jeden Wochentag für sie tätig gewesen und daher kein Raum für eine eigene Arbeitszeitgestaltung geblieben sei. Auch unter Beachtung der Vorgaben des von der Klägerin ausgegebenen Handbuchs sei dem Beigeladenen bei der Durchführung seiner Aufträge keinerlei relevanter Spielraum geblieben. Er sei gegenüber den Kunden, auf Bekleidung und Arbeitsmittel (Werkzeugkoffer) erkennbar, für die Klägerin aufgetreten und nicht als selbständiger Unternehmer. Für die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin spreche zudem die Durchführung wöchentlicher Mitarbeiterbesprechungen, die Führung eines Urlaubsplanes und die Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse des Beigeladenen unter der Domain der Klägerin. Der Beigeladene habe auch kein relevantes unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt, da ihm ein Festgehalt garantiert gewesen und er weder eigenes Kapital noch eigene Arbeitsmittel mit ungewissem Erfolg einzusetzen gehabt habe. Erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile seien auch bei Arbeitnehmern durchaus üblich und sprächen daher nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Dass der Beigeladene nebenbei auch gewerblich als Discjockey gearbeitet habe, stelle eine im geringen Umfang betriebene selbständige Tätigkeit dar, die üblicherweise nachts und an Wochenenden ausgeübt werde und daher einem vollzeitig ausgeübten abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegenstehe.

Gegen dieses ihm am 28. Januar 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. Februar 2008, zu deren Begründung sie auf ihr bisheriges Vorbringen verweist und ergänzend vorträgt: Das Sozialgericht habe das Gesamtverhalten des Beigeladenen in der Sache nicht gewürdigt. Denn dieser habe zunächst die Vorteile der Selbständigkeit genossen und wolle nun nachträglich auch in den Genuss der Vorteile eines Arbeitnehmers kommen. Dies sei rechtsmissbräuchlich und lasse Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beigeladenen aufkommen, so dass das Sozialgericht dessen wesentlichen Angaben nicht hätte folgen dürfen. Das Sozialgericht habe auch verkannt, dass ein selbständiger Servicetechniker keine Betriebsstätte im herkömmlichen Sinne benötige. Der Beigeladene sei im fraglichen Zeitraum etwa viermal monatlich jeweils für sechs bis sieben Stunden als Discjockey in der Diskothek "P" sowie darüber hinaus in diversen anderen Diskotheken tätig gewesen. Die T-Shirts mit dem Firmenlogo seien nur sehr unregelmäßig getragen worden, da es zwar gewünscht, jedoch schwierig gewesen sei, dies bei den Mitarbeitern durchzusetzen. Die Mützen mit dem Firmenlogo habe quasi keiner der Mitarbeiter getragen. Die Arbeitskoffer seien in der Regel von den Mitarbeitern gestellt worden, unter anderem deswegen, weil ansonsten das von der Firma gestellte Arbeitsmaterial irgendwann verschwinde. Der "Urlaub" des Beigeladenen habe sich so gestaltet, dass er z.B. mitgeteilt habe, in den nächsten zwei Wochen keine Aufträge entgegennehmen zu wollen. Wenn der Beigeladene in einem Monat keine Aufträge im Wert von mindestens 2.500.- DM angenommen habe, habe er auch weniger Vergütung erhalten. Sie – die Klägerin – dürfe nicht mit Großbetrieben gleichgesetzt werden, die aus Profitgründen ganze Abteilungen schlössen und vermeintliche freie Mitarbeiter mit den Aufgaben dieser Abteilungen betrauten. Die einzelnen Rechnungen des Beigeladenen könnten trotz gründlicher Nachforschungen nicht mehr vorgelegt werden.

Mit Bescheid vom 16. November 2011 hat die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 24. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2005 (gemeint offensichtlich: 28. Februar 2005) festgestellt, dass für den Beigeladenen in der vom 16. Dezember 1999 bis 28. Februar 2001 ausgeübten Beschäftigung als Servicetechniker bei der Klägerin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2005, beide in der Form des Bescheides vom 16. November 2011, aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 16. Dezember 1999 bis zum 28. Februar 2001 nicht der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag und behauptet, dass ihm ebenfalls keine Rechnungen aus den Jahren 1999 bis 2001 mehr vorlägen.

Der Berichtserstatter hat den Zeugen G, einen weiteren Mitarbeiter der Klägerin, im Erörterungstermin vom 9. Oktober 2008 vernommen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 24. Mai 2002 und 28. Februar 2005 sind in der Gestalt, die sie durch den Bescheid vom 16. November 2011 gefunden haben, rechtmäßig.

I) Gegenstand des Rechtsstreits ist auch der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen o.g. Bescheide, die sich auf die (unzulässige) Feststellung einzelner Elemente der Versicherungspflicht beschränkten, in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zur Versicherungspflicht und zum korrekten Ende (28. Februar 2001 anstelle von 31. März 2001) "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten i.S.v. § 96 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011, Az.: B 12 KR 17/09 R, veröffentlicht in Juris).

II) Zutreffend hat die Beklagte durch die streitgegenständlichen Bescheide festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beklagte in der Zeit vom 16. Dezember 1999 bis zum 28. Februar 2001 der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts und macht sich diese zu Eigen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Nur ergänzend weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:

1) Ob eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt sind daher – wie vom Sozialgericht mit Recht zugrunde gelegt – zunächst die vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten, so wie sie sich aus den von ihnen getroffenen Abreden ergeben oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lassen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R, veröffentlicht in Juris, sowie jüngst die Urteile vom 29. August 2012, Az.: B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R, Terminbericht Nr. 46/12).

Ohne rechtlichen Belang ist daher im vorliegenden Fall, dass – wie von der Klägerin behauptet – die Zusammenarbeit zwischen ihr und dem Beigeladenen anders erfolgte als im o.g. Vertrag vorgesehen. Diese Praxis war rechtlich nicht zulässig, da nach § 10 des Vertrages Änderungen der Schriftform bedurften, schriftliche Änderungsvereinbarungen aber von der Klägerin noch nicht einmal behauptet wurden.

2) Der Vertrag vom 1. Juli 2000 stellt keinen bloßen Rahmenvertrag dar, aus dem sich noch keine Pflicht des Beigeladenen zur Arbeitsleistung ergäbe. Durch die Entscheidung der Vertragsparteien für den in § 1 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Anhang I für den in § 1 Abs. 2b – im Anhang missverständlich als "§ 12.b)" dargestellt – beschriebenen "Modus" haben sie sich darauf verständigt, dass der Beigeladene zum einen der Klägerin innerhalb der im Anhang aufgeführten Zeiten ("wochentags von 8:00 bis 20:00 Uhr") auf Abruf zur Verfügung steht und zum anderen binnen einer Stunde nach "Alarmierung" die jeweiligen Aufträge abholt, mit dem Kunden einen Termin abspricht und spätestens am folgenden Tag mit der Auftragsdurchführung beginnt. Vereinbarungen, wonach ein Werktätiger nur auf Abruf zur Dienst-/Arbeitsleistung verpflichtet sind, sind als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren, wie u.a. § 4 Beschäftigungsförderungsgesetz (in Kraft bis zum 31. Dezember 2000) bzw. § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (in Kraft seit dem 1. Januar 2001) belegen. Ihm innerhalb der "Bereitschaftszeiten" erteilte Aufträge durfte der Beigeladene nach den vertraglichen Vereinbarungen – anders als bei einem bloßen Rahmenvertrag (s. hierzu: BSG, Urteil vom 11. März 2009, Az.: B 12 KR 11/07 R – "Mobilfunk-Promotion" –; BAG, Urteil vom 31. Juli 2002, Az.: 7 AZR 181/01 – "studentische Klinikaushilfe" –, beide veröffentlicht in Juris) nicht ablehnen. Insbesondere in Anbetracht des im Anhang zum Vertrag vom 1. Juli 2000 vorgesehenen "Mindestauftragsvolumens" von 2.500.- DM blieb nach den vertraglichen Regelungen also nicht offen, ob es überhaupt zu einem Arbeits¬ein¬satz des Beigeladenen kommt, sondern lediglich zu welchen Zeiten (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1: "Eine feste Arbeitszeit wird nicht vereinbart.") und in welchem Umfang.

Dass der Beigeladene nach dem Vorbringen der Klägerin oft nur einen Auftrag angenommen und sich danach längere Zeit nicht zur Verfügung gestellt hat, mag einen Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten darstellen, den die Klägerin nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen, wie z.B. Abmahnung, Schadensersatz oder Kündigung, hätte ahnden können, führt jedoch nicht zum Wegfall dieser Pflichten.

3) Der Einwand des Klägers, entgegen der Darstellung des Sozialgerichts sei dem Beigeladenen kein Grundgehalt oder Mindesteinkommen zugesichert worden, trifft insoweit zu, als dieser nach dem Anhang zum Vertrag vom 1. Juli 2000 in der Tat nur "mindestens Servicearbeit für DM 2.500.- im Monat" erhalten sollte. Ob hierdurch dem Beigeladenen ein Mindesteinkommen oder nur ein Mindestauftragsvolumen versprochen wurde, ist allein dem Wortlaut der Regelung nicht zu entnehmen. Mit Recht hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass in einem solchen Falle der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) zu ermitteln sei. Daneben sind Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte zu berücksichtigen (§ 157 BGB). Eine Auslegung der fraglichen vertraglichen Bestimmung anhand dieses Maßstabs führt indes zum Ergebnis, dass eine Mindestvergütung garantiert werden sollte. Dies ergibt sich insbesondere aus der insoweit zu beachtenden E-Mail vom 31. Mai 2000. Wenn der Beigeladene danach einen "Grundstock von DM 2.500,00" bekommen sollte, er hierfür der Klägerin an ca. 3 Tagen wöchentlich zur Verfügung zu stehen und darüber hinaus 30 weitere, mit jeweils DM 50.- abzugeltende Termine durchzuführen hatte, so lässt sich dem nach Auffassung des Senats nicht entnehmen, dass damit nur Aufträge in entsprechender Höhe, mithin lediglich eine Mindesteinkommenschance, verbunden sein sollten. Andernfalls hätten geeignetere Formulierungen wie "Gelegenheit" oder "Chance" zur Erwirtschaftung dieses "Grundstocks" nahe gelegen.

Doch selbst wenn man der von der Klägerseite favorisierten Auslegung folgte, gelangte man nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Mindestauftragsvolumen, zu dem sich die Klägerin als Auftraggeberin verpflichtete, ist letztlich nicht anderes als die für Arbeitsverhältnisse typische Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers, die mit dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers korrespondiert (vgl. hierzu allgemein Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht/Jous¬sen, § 611, Rd. 219 m.wN.).

4) Dass die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen frei aus¬gehandelt wurden, entspricht dem Leitbild des Vertragsrechts in einer an freiheitlichen Prinzipien orientierten Wirtschaftsordnung und liegt offensichtlich den rechtlichen Wertungen der Beklagten und des Sozialgerichts zugrunde. Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene bei Vertragsschluss in seiner Willensbildung nicht frei gewesen sein könnte, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

5) Die Klägerin mögen bei Abschluss des o.g. Vertrages andere Motive bewegt haben, als die von ihr angeführten Großbetriebe, welche aus Profitstreben heraus Arbeitnehmer entließen, um deren Aufgaben anschließend durch sog. freie Mitarbeiter oder Scheinselbständige erledigen zu lassen. Auf die Motivationslage des Auftraggebers/Dienstnehmers kommt es bei der Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung und somit Sozialversicherungspflicht vorliegt, jedoch nicht an. Die Gerichte dürfen bei dieser Prüfung wegen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) auch nicht nach der Größe des betroffenen Unternehmens differenzieren.

6) Soweit die Klägerin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beigeladenen und dessen fehlende Berücksichtigung durch das Sozialgericht rügt, verkennt sie zweierlei.

a) Es stellt noch keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn der Beigeladene einen für ihn günstigen Vertrag aushandelt und bei Verstößen gegen seine vertraglichen Pflichten offensichtlich nicht mit (zivilrechtlichen) Sanktionen der Klägerin rechnen musste. Dass er nach Beendigung seiner Tätigkeit eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung veranlasst mit dem Ziel, seine Versicherungspflicht feststellen zu lassen, bleibt ihm wie jedem anderen, der die bisherige rechtliche Einordnung seiner Tätigkeit in Zweifel zieht, ungeachtet möglicher Begleitmotive unbenommen. Denn es existiert kein rechtlich geschütztes Interesse der Klägerin, sich der Feststellung der Sozialversicherungspflicht und der damit ggf. verbundenen Beitragslast zu entziehen. Verbindliche Gewissheit über die zutreffende sozialversicherungsrechtliche Einordnung hätte die Klägerin dadurch erlangen können, dass sie selbst spätestens im Januar 2000 ein diesbezügliches Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV eingeleitet hätte.

b) Dass dem Beigeladenen, wie die Klägerin meint, sowohl die Früchte seiner "selbständigen" Tätigkeit als auch – bei Feststellung der Versicherungspflicht – die eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses blieben, liegt auch an ihrem eigenen Verhalten. Zum einen hat sie offenbar sehenden Auges einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen, der von vornherein anders gelebt werden sollte. Zum anderen stehen ihr arbeitsrechtlich Wege zur Rückabwicklung offen, wenn aufgrund einer Statusentscheidung eine bislang irrtümliche rechtliche Einordnung eines Vertragsverhältnisses korrigiert wird (vgl. BAG, Urteil vom 29. Mai 2002, Az.: 5 AZR 680/00, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).

7) Offen lassen kann der Senat die Frage, ob der ihm unbekannte Inhalt des von der Klägerin an ihre Mitarbeiter ausgegebenen Handbuchs Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung liefert. Denn auch ohne Berücksichtigung des Handbuchs und seines Inhalts sprechen die ganz überwiegenden Umstände für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

8) Der Senat verkennt nicht, dass insbesondere nach dem Vorbringen der Klägerin einiges dafür spricht, dass Gegenstand des die Mitarbeit des Beigeladenen bei ihr regelnden Vertrages keine abhängige Beschäftigung, sondern eine freie Dienstleistung sein sollte. Diese Absichten wurden von den Vertragspartnern allerdings nicht adäquat umgesetzt. Vielmehr wurde nach den hier allein maßgeblichen Vereinbarungen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet.

III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt hat.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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